ADB:Fritzsche, Otto Fridolin
Christian Friedrich F. († am 19. October 1850) war von 1809–27 Superintendent in Dobrilugk und dann noch von 1827–48 Professor der Theologie in Halle, und sein ältester Bruder Karl Friedrich August F., der bedeutende neutestamentliche Exeget, starb am 6. December 1846 als Professor der Theologie in Gießen. Otto Fridolin F. wurde am 23. September 1812 als jüngster Sohn zu Dobrilugk geboren, besuchte das Gymnasium und die Universität zu Halle und habilitirte sich dort 1836. Schon 1837, im Alter von 25 Jahren, folgte er einem Rufe als außerordentlicher Professor der Theologie nach Zürich, wo er zunächst als neutestamentlicher Exeget, später als Kirchenhistoriker wirkte. Gleichzeitig bekleidete er von 1844 bis zu seinem Tode die Stellung eines Oberbibliothekars der Kantonsbibliothek. Schon im Januar 1842 war ihm Charakter und Titel eines ordentlichen Professors der Universität ertheilt worden; doch wurde er erst am 2. Juni 1860, nachdem in der ganzen Zwischenzeit die äußeren Verhältnisse seiner Stellung recht unbefriedigend gewesen waren, zum ordentlichen Professor befördert. Seine Stellung als akademischer Lehrer hat er bis Ostern 1893 bekleidet, wo ihn die Athembeschwerden, an denen er schon länger litt, nöthigten, um Enthebung von der Verpflichtung Vorlesungen zu halten einzukommen. Ein heftiger Anfall dieses asthmatischen Leidens setzte nach kurzem Krankenlager am 9. März 1896 seinem Leben ein Ziel.
Fritzsche: Otto Fridolin F., † 1896, namhafter protestantischer Theolog. F. stammt aus einer sächsischen Theologenfamilie: sein VaterSeine Werke gehören vorwiegend dem Gebiete der Bibelexegese und der Kirchengeschichte an und bestehen theils aus Textausgaben, theils aus Auslegungswerken oder kirchengeschichtlichen Lebens- und Zeitbildern. Unter den Textausgaben ragt nach Umfang und Bedeutung seine Ausgabe der Apokryphen des Alten Testamentes hervor, die 1871 erschien und die beste Handausgabe ist, die es bis jetzt gibt. Der am Schlusse dieser Ausgabe veröffentlichte Text [161] einiger der sogen. Pseudepigraphen erschien auch separat (geichfalls 1871). Hierzu kommen die Ausgaben der griechischen und lateinischen Uebersetzungen einzelner Bücher des Alten und Neuen Testaments: des doppelten Textes der griechischen Uebersetzung des Buches Esther sammt den griechischen Zusätzen (1848/49), der griechischen Uebersetzung des Buches Rut (1864) und des Buches der Richter (1866/67); ferner die „Probe einer kritischen Ausgabe der alten lateinischen Uebersetzung des Neuen Testaments“ (1867). Von Textausgaben, die dem Gebiete der Kirchengeschichte angehören, sind namhaft zu machen: Der Brief des Clemens an Jakobus in der lateinischen Uebersetzung des Rufinus (1873); die Werke des Lactantius (1842/44); Theodor’s von Mopsuestia exegetische Schriften zum Neuen Testament sammt den Fragmenten seiner Schrift De incarnatione filii Dei (1886); Anselm’s v. Canterbury Schrift Cur deus homo (3. Aufl. 1893), und die Confessio Helvetica posterior (1839). Auf kirchengeschichtlichem Gebiete hat F. außer einer Anzahl von Gelegenheitsschriften (über den Züricher Theologen Johann Jakob Zimmermann, über Calvin und die helvetische Confession) folgende Schriften veröffentlicht: eine historisch-theologische Abhandlung über das Leben und die Schriften Theodor’s von Mopsuestia (1836; seine Erstlingsarbeit) und eine Monographie über „Glareanus, sein Leben und seine Schriften“ (1890). Weit wichtiger als diese Arbeiten sind seine exegetischen Werke; hierzu gehört das Hauptwerk seines Lebens, das kurzgefaßte exegetische Handbuch zu den Apokryphen des Alten Testaments (zusammen mit W. Grimm in Jena), 1851/60: das 3. Buch Esra, die Zusätze zu Esther und Daniel, das Gebet des Manasse, das Buch Baruch und der Brief des Jeremia im 1. Bande, die Bücher Tobi und Judith im 2. und das Buch des Jesus Sirach im 5. Bande. Mit seiner Erklärung der Apokryphen hat sich F. ein litterarisches Denkmal gesetzt, das seinen Namen auch in Zukunft ehren wird. Was zu seiner Zeit auf Grund eingehender Berücksichtigung des Sprachgebrauchs der Septuaginta und der späteren Gräcität für die Aulegung der Apokryphen und für die richtige Auswahl unter den Varianten ihrer verschiedenen Texte und Textrecensionen geleistet werden konnte, ist von ihm in allen wesentlichen Punkten wirklich geleistet worden. Er war zur Abfassung dieser Auslegungswerke ebensosehr durch seinen unermüdlichen Fleiß und durch jene peinliche Gewissenhaftigkeit, der auch das Kleine nicht unwichtig scheint, befähigt wie durch seine humanistische Jugendbildung, die ihm philologischen Sinn und Takt anerzogen hatte, durch sein scharfsinniges Urtheil und eine kühle Objectivität, mit der er insbesondere phantastischen Hypothesen und geistreichen, aber nicht sachlich begründeten Combinationen mit Ueberlegenheit und Schärfe zu Leibe ging.
- Theologische Zeitschrift aus der Schweiz, 1896, S. 108–122 (Nekrolog) und Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche3, Bd. VI (1899), S. 291/93 (Artikel „O. Frid. Fritzsche“, beide von V. R.).