ADB:Friedrich Christian (Bischof von Münster)

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Artikel „Plettenberg, Friedrich Christian Freiherr von“ von Friedrich Philippi in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 76–79, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Friedrich_Christian_(Bischof_von_M%C3%BCnster)&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 02:41 Uhr UTC)
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Plettenberg: Friedrich Christian Freiherr von P., geboren am 8. August 1644 zu Lehnhausen; 1688–1706 Bischof von Münster.

Aus dem alten, von der oberen Lenne stammenden westfälischen Adelsgeschlechte der Plettenberg machte sich außer Walter, dem Ordensmeister von [77] Livland (s. A. D. B. XXVI, 282–288), besonders Friedrich Christian bekannt. Er verdankte seine Wahl zum Bischofe von Münster, ebenso wie Christoph Bernhard v. Galen (s. A. D. B. II, 427–433), dem Bestreben des Domcapitels, seine Selbständigkeit zu wahren und sich dem übermächtigen Einflusse des Baiernhauses zu entziehen, welches das Stift Münster seinen jüngeren Sprossen, die von 1583–1761 den erzbischöflichen Stuhl von Köln in ununterbrochener Folge besessen, zur weiteren Ausstattung stets zuzuwenden bestrebt war. Im Gegensatze zu diesem Bischofe in Kriegsrüstung wird er mit Recht als Princeps pacis bezeichnet. Freilich hat auch er nicht bei den während seiner Regierungszeit ganz Europa erschütternden Kriegen theilnahmlos und thatenlos zur Seite gestanden; er hielt vielmehr eine für die Verhältnisse seines Stiftes ansehnliche Zahl von Truppen auf den Beinen, die auch an Rhein und Donau rühmlich kämpften. Aber er verzichtete auf die gefährliche Rolle eines selbständigen kriegführenden Monarchen, durch welche Christoph Bernhard seinem Stifte zwar Ruhm und Ansehen erworben, aber auch schwere Wunden geschlagen hatte, und zog es vor, seine Soldaten gegen reichliche Subsidiengelder unter fremdem Oberbefehle kämpfen zu lassen und wußte dabei seine Partei unter Wahrung des Gehorsams gegen den Kaiser stets so geschickt zu nehmen, daß sein Land selbst vom Kriege durchaus verschont blieb.

Nicht so sehr als getreuen Reichsfürsten wie in diesen kriegerischen Verwicklungen erwies er sich in der inneren Politik, indem er bei der Opposition gegen die Errichtung der neunten (hannoverschen) Kurwürde mit an die Spitze der widerstrebenden Fürsten trat.

Aber fast mehr noch, als in seiner äußeren Politik, war er in seiner Regententhätigkeit im Innern auf das Wohl seiner Unterthanen bedacht, wie die große Zahl der von ihm erlassenen Verordnungen erkennen läßt, durch welche er auf allen Gebieten der Verwaltung Verbesserungen einzuführen und Ordnung zu schaffen versuchte. Als besonders wichtig für die Hebung der geistigen Cultur sind die Erneuerung der Kirchen- und Schulordnung Christoph Bernhard’s, die Einführung einer Arznei- und Medicinalordnung, sowie ein Edict über die Durchführung der Clausur in den Nonnenklöstern hervorzuheben.

Mehrere Erlasse bezwecken Aufhebung von Mißbräuchen, welche sich in der Verwaltung und bei den Gerichten eingeschlichen hatten, sowie Erhaltung der öffentlichen Sicherheit, wobei vor allem die Bestimmungen über die Behandlung von Bettlern, Vagabunden und Zigeunern auch für die Folge von Bedeutung waren. Dem Verkehrswesen sollte durch Erneuerung der Wegebauordnung sowie Neueinrichtung des Postwesens aufgeholfen werden.

Wirthschaftlich eingreifend waren die Regelung des Marktverkehrs in den größeren Städten Warendorf und Münster (Fleischtaxe), im Hungerjahre 1699 die Beschaffung ausländischen Getreides und 1692 ein Getreideausfuhrverbot wegen Mißwachses; auch wurde ein Tabaksmonopol eingeführt. Der Hebung der Sittlichkeit im Volke sollten die Verbote der Schenkhochzeiten, der Martinsfeier und des Branntweinbrennens dienen. Der Ueberlastung der herrschaftlichen Bauern durch die Beamten war die Regelung und Fixirung der herrschaftlichen und Landfolgedienste vorzubeugen bestimmt.

Mehrfache Erlasse versuchten eine Regelung des Münzwesens und die Abweisung minderwerthiger oder falscher Münzen der Nachbarn; andere betreffen das Militärwesen, besonders den Ausschluß fremder Werber, um die waffenfähigen Mannschaften für die eigenen Truppenkörper zur Verfügung zu behalten. Auch die Einführung einer regelmäßigen Reinigung der Straßen in der Hauptstadt geht auf Friedrich Christian zurück.

[78] Wie verhältnißmäßig lebhaft und eingehend der Fürst sich mit diesen inneren Angelegenheiten beschäftigte, mag ein Vergleich mit der entsprechenden Thätigkeit seines Nachfolgers erweisen: während für seine 18jährige Regierungszeit 47 Erlasse in der Scotti’schen Sammlung aufgeführt sind, weist dieselbe für die 11jährige Regierung seines Nachfolgers nur 16 auf.

Ebenso geschickt, wie er in der großen auswärtigen Politik das Interesse des Stiftes wahrzunehmen verstand, wußte er auch die besonders durch Christoph Bernhard getrübten Beziehungen zu den nächsten kleineren Nachbarn, in erster Linie den Grafen von Bentheim und den Grafen von Limburg-Styrum als Besitzer der Herrschaft Gemen wieder freundlich zu gestalten, indem er durch Verträge die zahlreichen Streitfragen aus dem Wege zu schaffen suchte, ohne diese Mindermächtigen zu vergewaltigen, aber auch ohne den Rechten seines Stiftes etwas zu vergeben.

Daß er lebhaft den Glanz seiner Familie zu erhöhen bemüht war und seinen Verwandten ein großes Vermögen zuwandte oder hinterließ, wird ihm ein mit den Verhältnissen und Anschauungen der Zeit Vertrauter um so weniger zum Vorwurfe machen wollen, als er die Finanzen seines Landes regelte und trotz der ungünstigen Erbschaft, welche er antreten mußte, in günstigem Zustande auf seinen Nachfolger übertrug, obwol er während seiner Regierung kostspielige Bauten ausführen ließ (s. unten; zahlreiche Straßenbrücken sollen auf ihn zurückgehen).

Eine treffende Gesammtschilderung seiner Persönlichkeit und Thätigkeit gibt sein Zeitgenosse und Officier, der 1733 gestorbene Generalmajor v. Corfey in seiner Chronik:

„Fridericues Christianus Freiherr von Plettenberg wurde erwehlt anno 1688 29 July: ein sehr klug und verständiger Herr, so in vielen Gesandtschafften an große Höfe gebrauchet und gleichfalls *) staffelweise zu dieser dignität gestiegen. Er hatte alle Zeit ausserlesene und capable Bedienten, führte eine schöne und regulirte Hoffhaltung, regierte in summa dergestalten loblich, sowohl in geistlichen, civilen und militären Sachen, daß man gewiß bekennen müsse, das Stifft Münster habe nimmer besser floriret, als unter seiner Regierung. Zuletzt aber war er sehr von Podagra incommodiret. Er hat das schöne Haus Nortkirchen für seine Familie, fürs Land aber Ahaus anno 1690, Sassenberg anno 1698, das Zeuchhaus und die Casematten zu Vecht gebauet. Er machte auch, daß die ubeln Landstraßen durch’s gantze Stifft ausgebessert wurden. Er hat in fernen letzteren Jahren den Chor im hohen Thum sehr schön mit marmorem pavé und bas reliefs (von Gröninger) verzieret und würde noch viel herrlichere Gedächtnüssen hinterlassen haben, wofern er vom Todt nicht wäre übereilet worden. Obschon die Zeit seiner Regierung fast gantz Europa von Ludovico XIV König in Frankreich mit Krieg beunruhiget gewesen, so hat er dennoch durch seine kluge conduite sein Land und Unterthanen in Ruhe erhalten“.

Erhard, Geschichte Münsters, S. 557–568. – (Scotti), Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem Königl. Preußischen Erbfürstenthum Münster – ergangen sind I (Münster 1842), S. 305–341. – Lambert Friedrich von Corfey, Chronicon Monasteriense (Geschichtsquellen des Bisthums Münster III, 275; vgl. mit der Handschrift I, 267 des Staatsarchives Münster). – Archivalien desselben Staatsarchivs. – Ueber die Bauten vgl. u. a.: Bau- und Geschichtsdenkmäler der Provinz Westfalen Kr. Warendorf von Nordhoff, S. 58 ff. – Bau- und Kunstdenkmäler [79] von Westfalen: Kr. Ahaus S. 9 (Schwieters) und Tafel 3, 4 (Ludorff), sowie Kr. Ludinghausen S. 68 (Schwieters) u. Tafel 68–72 (Ludorff).

[78] *) statt gleichsam, die Grabschrift: velut per gradus.