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Artikel „Frey, Johann Gottfried“ von Hermann von Petersdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 744–747, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Frey,_Johann_Gottfried&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 04:34 Uhr UTC)
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Frey: Johann Gottfried F., Mitarbeiter des Freiherrn v. Stein, insbesondere bei der Schaffung der Städteordnung, wurde zu Königsberg i. Pr. am 28. März 1762 geboren und starb ebenda als Regierungsdirector a. D. am 25. April 1831. Er besuchte in seiner Vaterstadt die Domschule und die Universität, wo er Rechtswissenschaft studirte. Im J. 1782 bestand er seine erste Prüfung, wurde 1785 Referendar, 1786 Assistent am Königsberger Stadtgericht, dessen Mitglieder vom Magistrat gewählt wurden, 1790 Stadtgerichtsassessor, 1797 Stadtjustizrath. In dieser Thätigkeit zeichnete er sich durch gründliche Arbeiten aus. Infolgedessen wurde er 1801 als Criminal-, Stadt- und Medicinalrath, sowie Polizeiinspector in die Leitung der Stadtverwaltung berufen. Kurz vor dem Zusammenbruch Preußens auf dem Schlachtfeld bei [745] Jena wurde er (am 6. October 1806) Polizeidirector und Adjunct des Stadtpräsidenten mit der Aussicht auf Nachfolge. Vielseitige Bildung – er trieb eingehende philosophisch-theologische, physikalische und chemische Studien und machte sich mit den englischen und französischen Verfassungsverhältnissen vertraut – verschaffte ihm die Freundschaft Kant’s. Zu Scheffner’s Schriften „Ueber Manches im Dienst“ (1802 ff.) lieferte er die mit B gezeichneten Beiträge. Die hereinbrechende unruhige Zeit gab ihm Gelegenheit zur Entfaltung organisatorischer Fähigkeiten und eines regen Eifers für das Gemeinwohl, so beim Einmarsch der Franzosen im Frühjahr 1807 und bei der Regulirung des städtischen Kriegsschuldenwesens. Es war kein Wunder, wenn auf diesen gebildeten, geschickten und thätigen Mann sehr bald die Aufmerksamkeit Stein’s gelenkt wurde. Es scheint, daß der Landhofmeister v. Auerswald den Freiherrn mit F. bekannt gemacht hat. Stein fand großen Gefallen an ihm, insbesondere an seiner reformatorischen Gesinnung, obwohl F. nicht ohne einen gewissen Radicalismus war. Da sie in einem Hause wohnten, so lernten sie sich sehr genau kennen. Bald fand Stein Gelegenheit sein Wohlwollen zu bethätigen. F. hatte die Unvorsichtigkeit begangen, in einem Schreiben an den Commandanten von Königsberg, Oberstleutnant v. Schlieffen, der bei ihm Belehrung gesucht hatte, nicht nur bestehende Einrichtungen, wie die Zunftverfassung und anderes, sondern auch einen beim Könige in hoher Gunst stehenden Staatsmann – man erfährt nicht, wer das gewesen ist; vielleicht war es Beyme – heftig anzugreifen, und Schlieffen hatte Frey’s Schreiben dem Könige vorgelegt. König Friedrich Wilhelm wollte den freimüthigen Mann am liebsten sofort absetzen. Doch Stein meinte in einem Schreiben an den König vom 29. April 1808, wenn er auch die Form preisgeben müsse, so habe F. doch in der Sache Recht. So hatte F., der zudem den König um Verzeihung bat, sein Amt gerettet. Mindestens schon im Januar 1808 lernte F. durch Auerswald die Nassauer Denkschrift Stein’s, die die Reformgedanken des Freiherrn im wesentlichen enthielt, kennen. Stein wußte also, daß F. seine Intentionen kannte, als er ihm den Auftrag ertheilte, ein Gutachten über die erforderliche städtische Reform abzugeben und F. lehnte sich denn auch in seiner im Juli 1808 eingereichten Denkschrift „Vorschläge zur Organisirung der Munizipalverfassungen“ stark an Stein an. Zugleich zeigte er sich in hohem Maße von den Ideen der französischen Revolution erfüllt. So liest sich die Denkschrift stellenweis wie eine französische Broschüre von 1789. Deutlich tritt die Benutzung der französischen Gesetze vom 14. und 22. December 1789 hervor. Die schönen, allerdings zum Theil sehr idealistischen Eingangsworte der „Vorschläge“ kennzeichnen Frey’s Geist: „Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Vormundschaft hemmt sein Reifen, Antheil an den öffentlichen Angelegenheiten gibt politische Wichtigkeit und jemehr diese an Umfang gewinnt, wächst das Interesse für Gemeinwohl und der Reiz zur öffentlichen Thätigkeit, welche den Geist der Nation erhebt, zur Erwerbung gemeinnütziger Kenntnisse, ja selbst eines unbescholtenen Rufes anfeuert und dadurch den Egoismus und die Frivolität zügelt“. Er trat für Wahl der Stadtverwaltung, des Magistrats und der Repräsentanten ein, und zwar sollte sie in geheimer Abstimmung erfolgen. Diese bezeichnete er als nothwendig, um den Einfluß der Reichen und Mächtigen zu hemmen. Er bekämpfte namentlich die Zünfte, denen er einen erbärmlichen Geist der Einseitigkeit, des Zwiespaltes und des Eigennutzes vorwarf, während Svarez im Allgem. Landrecht noch durchaus an ihnen festgehalten hatte. Ebenso bekämpfte F. die Versorgung von Militärs mit städtischen Aemtern in scharfen Worten, desgleichen die Bevormundung der Stadtverwaltung durch die Regierungen (Kammern) und die Vermengung der [746] Justiz mit der Verwaltung. Er befürwortete eine leichtere Gewährung des Bürgerrechts. Nur bei den Juden machte er einen Vorbehalt. Von dem französischen Muster wich er insofern ab, als er einen Theil der Magistratsbeamten besolden und den Magistrat von den Repräsentanten wählen lassen wollte und auch sonst in einigen Punkten sich an die Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts hielt. Stein arbeitete Frey’s Entwurf durch und versah ihn mit Zusätzen, eignete sich aber im wesentlichen die Grundzüge desselben an. Nach den ersten Beratungen der Immediatcommission und des Provinzialdepartements ging Frey’s Entwurf nebst einem andern von F. herrührenden Gutachten „Von der Geschäftsorganisation“ (eine dritte von F. in diesem Zusammenhange verfaßte Denkschrift führte den Titel: „Von der Polizei und ihrem Verhältnisse zur Stadtcommune“; sie wurde mit der über die Geschäftsorganisation am 29. August von ihm eingereicht) fast wörtlich in die zusammenfassende Ausarbeitung über. Der ausarbeitende Geheimrath hielt sich mehr an Frey’s als an Stein’s Ideen. Nur wurden wieder Tendenzen, die auf eine Bevormundung der Gemeinden ausgingen, hineingetragen. Dies erregte Frey’s lebhaftes Mißfallen; er war ganz bestürzt, als er „die alten Fesseln wiederfand, welche man ganz zu zerbrechen bemüht war“. Bei der entscheidenden Berathung am 19. October 1808, bei der doch vornehmlich über seine Vorschläge discutirt wurde, war F. nicht zugegen. Er hatte aber die Genugthuung, daß dem Militär die Einmischung in die Verwaltung der Polizei und des Communalwesens entschieden untersagt wurde. Alles in Allem darf man sagen, daß F. neben Stein den Hauptantheil an dem ruhmvollen Werk der Städteordnung gehabt hat. Daneben hat er sich durch sein Eintreten für Steuerreformen und die Ideen, die er dabei verfocht, verdient gemacht. Er wollte auch das Privateinkommen des Königs und der Officiere mit heranziehen. Er war für eine starke Progressivsteuer, mehr noch, wie J. G. Hoffmann, der neben ihm mit einem Plan zur Reform des Steuerwesens hervortrat. Er befürwortete Selbsteinschätzung. Im Gegensatz zu den französischen Jakobinern wollte er aber auch die niederen Stände und zwar durch Classification heranziehen. Die Verwirklichung der Städteordnung führte dazu, daß F. aus dem Magistratsdienst ausschied. Er wurde am 27. Februar 1809 zum zweiten Regierungsdirector ernannt. Als solcher zeichnete er sich in den Jahren 1812–1815 durch eifrige patriotische Thätigkeit aus. Seiner früheren Antheilnahme bei den Steuerreformarbeiten verdankte er seine Berufung nach Berlin im Jahre 1811 zu den Berathungen über die Reform des Abgabenwesens. Stadt und Universität Königsberg ließen dem verdienten Mann allerlei Ehren zu Theil werden. So wurde nach ihm eine Straße benannt und ihm beim Reformationsfest von der philosophischen Facultät die Doctorwürde verliehen. In der Beamtenlaufbahn kam er indeß nicht weiter, und es ist wohl möglich, daß dies seine Ursache in der Ungnade hat, in die er einst beim Könige gefallen war. Im J. 1826 schied er aus dem Dienste und lebte seitdem nur noch seiner Familie und den Wissenschaften, um nach eben vollendetem 69. Jahre in seiner Vaterstadt zu sterben. Er hinterließ Kinder und Schwiegerkinder.

Königl. Preußische Staats-, Kriegs- und Friedenszeitung (Hartung) Königsberg, 2. Mai 1831 (Nr. 53). – F. Reuß, Historische Erinnerungen in den Neuen Preuß. Prov.-Blättern, herausg. von Hagen, Bd. VI, Königsberg 1848, S. 363. – Scheffner, Gedanken und Meinungen über Manches im Dienst. 1802–1821. – Ernst Meier, Die Reform der Verwaltungsorganisation unter Stein und Hardenberg, S. 292–299. – Rönne und Simon, Die Gemeindeverfassung des Preuß. Staates. Breslau 1843, [747] S. 23 f., 27 f.. – Wilh. Oncken, Das Zeitalter der Revolution, des Kaiserreiches und der Befreiungskriege II, 315–318. – Pertz, Stein II, 152, 153, 680–689. – Max Lehmann, Der Ursprung der Städteordnung von 1808, Preußische Jahrbücher 93, 471–514; – Derselbe, Stein II, besonders S. 449–466 u. 189–191. (Lehmann ist der erste, der F. eingehend gewürdigt hat.)