Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Falke, Jakob von“ von Josef Folnesics in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 753–756, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Falke,_Jakob_von&oldid=- (Version vom 23. Oktober 2024, 21:54 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Fabricius, August
Band 55 (1910), S. 753–756 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Jacob von Falke in der Wikipedia
Jacob von Falke in Wikidata
GND-Nummer 101311974
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|55|753|756|Falke, Jakob von|Josef Folnesics|ADB:Falke, Jakob von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=101311974}}    

Falke *): Jakob von F. wurde am 25. Juni 1825 im Städtchen Ratzeburg im Lauenburgischen als Sohn des bürgerlichen Brauers Christoph Falke geboren. Er absolvirte das Gymnasium in seiner Vaterstadt und kam mit 20 Jahren an die Universität Erlangen, wo er sich der classischen Philologie zuwendete, um Gymnasiallehrer zu werden. Seine wirkliche Neigung gehörte aber der Geschichte. Nach drei Semestern ging er nach Göttingen und trieb hier neben der Philologie auch moderne Philosophie und Geschichte. Nach vollendetem Lehramtsexamen kam er, um sein Probejahr abzulegen, an das protestantische Gymnasium in Hildesheim. Als ihm aber dann eine feste Anstellung in Celle in Aussicht stand, konnte er sich zu solch wenig verlockender Lebensstellung nicht entschließen. Er wollte Welt und Menschen kennen lernen und, von den romantischen Neigungen seiner Zeit erfüllt, einem reicheren Wechsel der Erlebnisse entgegengehen. So zog er es denn vor, sein Glück als Prinzenerzieher im fürstlichen Hause Solms-Braunfels zu versuchen. Der Vater seiner zwei Zöglinge, der Prinzen Bernhard und Albrecht, war Prinz Wilhelm Solms, der durch seine Vermählung mit einer Gräfin Kinsky Schwager des regierenden Fürsten Alois zu Liechtenstein geworden und dadurch in den österreichischen Kreis der Verwandtschaft eingetreten war. Aus jenen Tagen datirt Falke’s Vorliebe für das Leben in aristokratischer Umgebung, eine Neigung, die er bis an sein Lebensende beibehielt, und die ihre Ursache nicht in alltäglicher Eitelkeit hatte, sondern vielmehr in einem ästhetischen Verlangen nach Vornehmheit und Schönheit. Seine Sehnsucht nach der Poesie des Lebens fand in solcher Umgebung Befriedigung.

Der Aufenthalt im Hause Solms dauerte zwei Jahre, bis Ende 1853. Im Jahre vorher war er mit der fürstlichen Familie, die in Düsseldorf ihren Wohnsitz hatte, nach Wien gekommen und hatte sich in verschiedenen fürstlich Liechtenstein’schen Schlössern aufgehalten. Dauernd in Wien zu leben, war von da an sein lebhaftester Wunsch. Um dieses Ziel zu erreichen, nahm er eine Erzieherstelle im Hause eines Wiener Bankiers an, verließ aber bald darauf Oesterreich und wurde Conservator an dem drei Jahre zuvor gegründeten Germanischen Museum in Nürnberg. Am 1. Mai 1855 trat er seine neue Stelle an. Schon lange, bevor sich F. dem Kunststudium zuwendete, hatten die Kunsteindrücke im Dom zu Ratzeburg, in Lübeck, Nürnberg und Hildesheim bleibende Spuren in seiner Phantasie hinterlassen. Eine weitere Stufe [754] zur Kunsterkenntniß hatte sein Aufenthalt in Düsseldorf gebildet, wo er vielfach Gelegenheit hatte, mit Künstlern zu verkehren. Sein Kunstverständniß wurde durch ein treues Gedächtniß unterstützt, das ihn in Stand setzte, Kunstwerke, die er vor Jahren gesehen, mit allen Details in seiner Vorstellung festzuhalten. Seine Phantasie war nicht schöpferischer Natur, sie war aufnehmend, combinirend und reproducirend, und was sich seinem Gedächtnisse eingeprägt hatte, wußte er anmuthig und lebendig zu schildern. Obwohl sich nun Falke’s Thätigkeit am Museum mehr auf registrirende und katalogisirende Arbeiten beschränken mußte, war es ihm doch möglich, neben solch geisttödtender Beschäftigung auf anregendere Gebiete überzugreifen. Da das kostümgeschichtliche Material des Germanischen Museums unter seine Verwaltung kam, schrieb er mehrere, die Entwicklung der Trachten behandelnde Aufsätze, die in der neu gegründeten „Monatsschrift für deutsche Culturgeschichte“ erschienen, und gab im Winter 1858 sein Erstlingswerk „Deutsche Trachten- und Modenwelt“ heraus, dem später noch weitere kostümgeschichtliche Studien folgten.

Bald nach Erscheinen seiner „Trachten- und Modenwelt“ ging sein lange gehegter Wunsch in Erfüllung, dauernd nach Wien zu übersiedeln. Der regierende Fürst Alois II. Josef von Liechtenstein berief ihn als Bibliothekar und künstlerischen Beirath in sein Haus. 1869 wurde F. auch Liechtenstein’scher Galeriedirector und verfaßte als solcher 1873 einen Katalog der Liechtenstein’schen Gemäldegalerie, während er als Bibliothekar seit 1868 mit der Abfassung einer Geschichte des Hauses Liechtenstein beschäftigt war, in der das im fürstlichen Besitze befindliche Urkundenmaterial zum ersten Male verarbeitet wurde. Das dreibändige, umfassende Werk gelangte erst 1882 zum Abschluß. Im selben Jahre als F. in Liechtenstein’sche Dienste getreten war, vermählte er sich mit einer Irländerin Miß Emma Stevenson aus Dublin, einer geistreichen und liebenswürdigen Dame, die für ihn, wie er in seinen Lebenserinnerungen sagt, bis an ihr Lebensende – sie starb am 25. November 1892 – der Quell der Freude in guten und bösen Tagen blieb.

Von entscheidender Bedeutung für die weitere Zukunft Falke’s war seine Bekanntschaft mit Rudolf von Eitelberger, dem Gründer des Oesterreichischen Museums für Kunst und Industrie. Sie wurde dadurch herbeigeführt, daß F. von Eitelberger zur Mitarbeiterschaft an der „Wiener Zeitung“ aufgefordert wurde, eine Aufforderung, der er mit Freuden nachkam, und die später dahin führte, daß F. bis an sein Lebensende als Kunstfeuilletonist der Wiener Zeitung thätig war und unzählige Aufsätze in diesem Blatte veröffentlichte. Im weiteren führte Falke’s Verbindung mit Eitelberger dahin, daß er zu den Vorarbeiten zur Gründung des Oesterreichischen Museums herangezogen wurde und am 30. März 1864, gleichzeitig mit der Ernennung Eitelberger’s zum Director, zum ersten Custos und Director-Stellvertreter des Museums ernannt wurde. Seine Stellung im fürstl. Liechtenstein’schen Hause behielt er auch ferner bei. Falke’s Thätigkeit am Oesterreichischen Museum bezog sich hauptsächlich auf die Organisation, Aufstellung, Vermehrung und Katalogisirung der Sammlungen sowie auf die Durchführung historischer und moderner kunstgewerblicher Ausstellungen. In engstem Zusammenhange damit stand seine rege litterarische Thätigkeit und die Abhaltung zahlreicher Vorträge. F. war es, der in Wort und Schrift das Interesse der gebildeten Kreise Wiens für die Aufgaben des Museums weckte. Seine Thätigkeit in diesem Sinne war unermüdlich und hatte weit ausgreifende Erfolge. Seine „Geschichte des modernen Geschmacks“ (1866) und namentlich seine „Kunst im Hause“ (1871) fanden außerordentlichen Anklang. „Die Kunst im Hause“ erlebte fünf Auflagen, [755] darunter eine illustrirte, wurde in mehrere Sprachen übersetzt und trug mehr wie jedes andere derartige Buch zur Klärung der Anschauungen auf kunstgewerblichem Gebiete bei. Andere kleine Abhandlungen bezogen sich auf die Ausstellung zu Dublin (1865), auf die Kunstindustrie der Gegenwart, anschließend an die Pariser Weltausstellung vom Jahre 1867, auf die Geschichte der kaiserl. Porzellanmanufactur in Wien (1867), die später (1887) im Katalog der Sammlung dieser Arbeiten im Oesterreichischen Museum eine Wiederholung und Erweiterung erfuhr, und auf den geschichtlichen Gang der Stickerei (1869). Im J. 1870 wurde F. von König Karl XV. nach Stockholm berufen, um einen Katalog von dessen Kunstsammlungen anzulegen. Als Frucht dieser Arbeit erschien 1871 die Publication: „Die Kunstsammlungen des Königs Karl XV. von Schweden und Norwegen“. Eine erhöhte Thätigkeit erforderten nach seiner Rückkehr aus Schweden die Vorbereitungsarbeiten zur Wiener Weltausstellung vom Jahre 1873. Seine Betheiligung daran war eine sehr vielseitige und fand in der Verleihung des Ordens der Eisernen Krone und der Erhebung in den Adelsstand ihre Anerkennung. Ein zusammenfassender Bericht in Buchform behandelte die Kunstindustrie auf dieser Ausstellung.

So war F. bei jedem Anlasse ein beredter Lehrer und Mahner, der leidenschaftslos aber eindringlich und mit nie erlahmender Ausdauer das ästhetische Gewissen seiner Zeitgenossen aufzurütteln suchte. Sich selbst zu geben in seinen Schriften, sein Denken, seine Erfahrung, sein Urtheil in abgerundeter, formvollendeter Darstellung seinen Lesern zu übermitteln, das war ihm dabei das wichtigste. Mochten andere es besser wissen, mochten sie gründlicher, erschöpfender, exacter arbeiten, es störte ihn nicht. Ihm war der harmonische Ausbau seiner Gedanken, die natürliche Schönheit der Sprache, der nachhaltige Gesammteindruck wichtiger als umfassende Gelehrsamkeit und tiefgründige Forschung. Er wußte, daß er Nützliches schaffe und einen Leserkreis besitze, der seine Gaben dankbar entgegennahm. Seine Eigenart ungestört zu erhalten und auszubilden, machte den Grundzug seines Wesens aus, er war eine zufriedene, zu frohem Genießen geneigte, innerlich reiche Natur. Mit Bücherstudien, Vorbereitungen und Detailforschungen wollte er möglichst wenig Zeit verlieren, dies alles hätte ihn aus der Stimmung gebracht, die das Beste an ihm war, die Voraussetzung seiner schriftstellerischen Thätigkeit. Der einzige Fall, wo er dieser Neigung nicht nachgeben konnte, war die Abfassung der Geschichte des Hauses Liechtenstein, und diese Arbeit gehörte auch zu den wenigst erquicklichen Aufgaben, die er sich gestellt hatte. Im J. 1880 faßte er seine Forschungen auf dem Gebiete der Trachten in einer „Kostümgeschichte der Culturvölker“ zusammen, 1883 erschien seine „Aesthetik des Kunstgewerbes“, im nächsten Jahre „Der Garten und seine Kunst“, durchwegs Studien, die auf unmittelbarer Anschauung und Beobachtung beruhen.

Am 3. December 1885, ein halbes Jahr nach dem Tode Eitelberger’s, erfolgte Falke’s Ernennung zum Director des Oesterreichischen Museums mit dem Titel und Charakter eines Hofrathes. Größere Ausstellungen nach genau durchgearbeitetem Programme folgten nun in regelmäßigen Intervallen. So 1887 die reich beschickte Ausstellung von Gegenständen der kirchlichen Kunst, 1889 die Jubiläumsausstellung des Oest. Museums, in der die Entwicklung auf kunstgewerblichem Gebiete im Laufe von 25 Jahren vor Augen geführt wurde, die Kaiserin Maria Theresia-Ausstellung, die Gobelin-Ausstellung, die Ausstellung von farbigen Kupferstichen, deren Durchführung, ebenso wie die darauf folgende von Schabkunstblättern, speciell ein Werk des Custos Franz Ritter war. Zahlreiche kleinere Ausstellungen traten dazwischen, und auch [756] Falke’s schriftstellerische Thätigkeit ruhte nicht. 1888 erschienen: „Ideen zu einer Geschichte des Wohnhauses“, 1889 „Aus dem weiten Reiche der Kunst“ und „Pariser Weltausstellung“ sowie „Wesen und Grenzen des Barockstils“, in den folgenden Jahren mit Einleitungen versehene Publicationen aus den Sammlungen des Museums. Eine Unterbrechung erfuhr diese Thätigkeit Falke’s im J. 1890 durch eine Aufforderung zum Besuche des rumänischen Königshofes in Sinaja. Hier verbrachte er auf Schloß Pelesch Tage, die ihn wie mit neuer Jugendkraft erfüllten. Neue Menschen, eine neue Welt, neues Leben zu sehen, war für ihn das herrlichste, was ihm das Schicksal bieten konnte; und er genoß es in vollen Zügen. Eine reich illustrirte Publication, „Das rumänische Königsschloß Pelesch“, war die Frucht dieses Aufenthaltes.

Am 23. Januar 1895, nachdem er zuvor noch die ersten Vorbereitungen für die große Wiener-Congreß-Ausstellung getroffen hatte, trat F. in den Ruhestand. Zwei Jahre später erschienen seine mit voller Frische und Anschaulichkeit geschriebenen „Lebenserinnerungen“. Am 8. Juni 1897 ist F. in Lovrano bei Abbazia kurz vor Abschluß seines 72. Jahres gestorben.

Jakob von Falke, Lebenserinnerungen. Mit dem Bildniß des Verfassers. Leipzig 1897. – Bruno Bucher, in: Mittheilungen des Oesterr. Museums, N. F. 1895 Nr. 110 und 1897 Nr. 139.

[753] *) Zu Bd. XLVIII, S. 489.