ADB:Förstemann, Karl Eduard
Ernst Günther F. (s. d.). Er besuchte das Nordhauser Gymnasium bis Michaelis 1823 und bezog dann mit dem Zeugnisse des ersten Grades die Universität Halle, um Theologie zu studiren. Schon von seinem dritten Studiensemester ab arbeitete er als Amanuensis auf der dortigen Universitätsbibliothek unter den Oberbibliothekaren Ersch und Voigtel. Seine hierdurch angefachte Neigung für das Bibliothekswesen fand neue Nahrung, als er nach vollendeter Studienzeit eine Hauslehrerstelle bei dem Präsidenten v. Meusebach in Berlin erhielt, dessen berühmte Bibliothek seinem strebenden Geiste willkommene Anregung darbot. Von 1828–30 arbeitete er dort zugleich als Gehülfe an der königl. Bibliothek. Dann erhielt er einen Ruf nach Halle zurück, um die Redaction des von Bretschneider herauszugebenden Corpus reformatorum zu übernehmen, von welcher Thätigkeit er jedoch bald zurücktrat. Statt dessen trat er wieder an der Hallischen Universitätsbibliothek ein und wurde ziemlich gleichzeitig mit seiner 1832 erfolgten Promotion Secretär an derselben, im folgenden Jahre erhielt er daneben die Stelle als Secretär des thüringisch-sächsischen Vereins für Erforschung des vaterländischen Alterthums. Seine Thätigkeit sowol bei der Bibliothek als bei dem genannten Vereine dauerte in segensreichster Weise bis an seinen Tod fort. An der mit der Bibliothek verbundenen v. Ponickau’schen Büchersammlung wurde er 1835 Custos; 1844 erhielt er den Titel eines Bibliothekars und bald darauf den eines Professors. Nachdem er schon 1839 von Leipzig zum Licentiaten der Theologie ernannt worden war, wurde ihm 1840 von Kiel aus die theologische Doctorwürde ertheilt. In den letzten Jahren seines Lebens erfreute er sich durch Vermittlung des ihm besonders gewogenen Hausministers, Grafen zu Stolberg-Wernigerode, der Huld des Königs Friedrich Wilhelm IV., welcher seine reformationsgeschichtlichen Arbeiten erheblich unterstützte. Der Tod seines 1845 verstorbenen Vaters erschütterte ihn besonders tief und am 23. Jan. 1847 endete auch sein Leben mitten im regsten Wirken und Schaffen; er hat nur das 43. Lebensjahr erreicht. – Von weichem und innigem Wesen, ergriff er sowol seine amtliche als seine wissenschaftliche Thätigkeit mit dem Herzen und war unermüdlich in anstrengendem, bei seinem nicht starken Körperbaue bedenklichem Wirken. Für den thüringisch-sächsischen Verein kann er der zweite Gründer genannt werden; er beaufsichtigte sorgfältig dessen Sammlungen und vermehrte dieselben, wo er nur konnte, leitete aufs eifrigste die Geschäfte und die Zusammenkünfte des Vereins und gab dessen „Neue Mittheilungen“ vom ersten Bande (1834) an bis in den achten hinein, d. h. bis zu seinem Tode, heraus. In dieser Zeitschrift entsprang eine sehr große Anzahl werthvoller Aufsätze seiner Feder; ein Theil derselben bezog sich auf die weltliche, ein größerer auf die Kirchengeschichte, namentlich auf die der Reformation, eine große Menge wichtiger Urkunden wurden hier durch ihn zum ersten Male veröffentlicht. Besonders benutzte er das 1846 erschienene erste Heft des achten Bandes dazu, um zur 300jährigen Gedächtnißfeier von Luther’s Tode dem großen Reformator ein würdiges Denkmal zu setzen. Auch von seinen übrigen Schriften bezieht sich die bei weitem größte Anzahl auf die Geschichte der Reformation, wovon 1831 das erste leider ohne Nachfolger gebliebene Heft erschien, 1833 und 1835 das zweibändige „Urkundenbuch zur Geschichte des [162] Reichstags zu Augsburg im J. 1530“, 1842 das „Neue Urkundenbuch zur Geschichte der evangelischen Kirchenreformation“, so wie manche kleinere Aufsätze und Recensionen in verschiedenen Zeitschriften. Nahe damit zusammen hängt seine Thätigkeit für die Geschichte der Wittenberger Universität; hierfür hat er namentlich gewirkt durch die Herausgabe zweier sehr wichtiger Quellenschriften, des „Liber decanorum facultatis theologicae academiae Vitebergensis“ (1838) und des „Album acad. Viteb. ab a. 1560 usque ad a. 1560“ (1841). Daneben fand er noch Zeit zu ferner liegenden Studien, 1844 gab er z. B. den Stammbaum eines berühmten Hallensers, des Componisten G. F. Händel, mit Erläuterungen heraus und in den Jahren 1838–40 redigirte er die Provinzialblätter für die Provinz Sachsen, wie er überhaupt für die Geschichte seiner engeren Heimath in manchen kleineren Aufsätzen eifrig gewirkt hat, so daß er sich darin mit seinem Onkel E. G. F. nahe berührt, der ihm schon als sein Lehrer auf der Schule hiefür eine bedeutende Neigung eingeflößt hatte. Beide werden deshalb unter sich und auch mit anderen Mitgliedern ihrer Familie, in welcher bis jetzt 12 Schriftsteller zu unterscheiden sind, oft verwechselt. Karl Eduard F. hinterließ außer einer Tochter zwei Söhne, von denen der ältere 1871 beim Sturme auf das Schloß Villersexel in Frankreich fiel, der jüngere Bibliothekar an der Universitätsbibliothek zu Leipzig ist.
Förstemann: Karl Eduard F., geb. zu Nordhausen am 12. Aug. 1804, war der älteste Sohn des dortigen Superintendenten und Pastors zu St. Nicolai, Karl Wilhelm F., des Bruders von