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Artikel „Eckhart der Jüngere“ von Wilhelm Preger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 626–627, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eckhart_der_J%C3%BCngere&oldid=- (Version vom 29. November 2024, 00:16 Uhr UTC)
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Eckhart der Jüngere, Dominicaner, einer der bedeutenderen Vertreter der durch Meister Eckhart begründeten mystischen Schule, † 1337. Die einzige sichere Mittheilung über ihn findet sich in den Acten der Generalcapitel des Dominicanerordens, welche berichten, daß er auf der Rückkehr von dem Generalcapitel zu Valenciennes (1337), wo er als Definitor die Ordensprovinz Sachsen vertreten hatte, gestorben sei. Aus dieser Notiz sowie aus der Sprache der wenigen von ihm uns erhaltenen Schriften geht hervor, daß er längere Zeit in Niederdeutschland gewirkt und daß er vermuthlich auch da seine Heimath gehabt habe. Zwei Predigten und ein Brief von ihm finden sich in der Kölner Ausgabe von Tauler’s Predigten (1543); eine Wiener Handschrift enthält mehrere predigtartige Stücke von ihm, von denen sechs seinen Namen tragen: „Bruder Eckart, den man heizit den jungen.“ Auch ist er wahrscheinlich der Verfasser des für die Geschichte der deutschen Mystik nicht unwichtigen Tractats „Von der wirkenden und möglichen Vernunft“; denn eine der drei bis jetzt bekannten Handschriften desselben nennt als Verfasser einen Eckhart von Gründig, und mehrere äußere Merkmale sowie die Vergleichung einiger Stellen in den Stücken der Wiener Handschrift mit dem Inhalte des Tractats führen darauf, daß mit diesem Eckhart von Gründig der jüngere E. gemeint sei. Seine Schriften lassen auf eine edle geisteskräftige und klare Natur schließen, der es neben praktischer Begabung auch an Sinn für die tieferen Probleme der speculativen Mystik nicht fehlte. Vornehmlich scheint ihn die Frage vom Seelengrunde beschäftigt zu haben. Die speculative Mystik suchte das Wesen der höchsten Erkenntniß und Seligkeit psychologisch zu erklären, das Medium zu finden, in das eingerückt oder von dem überformt der Mensch zur höchsten Stufe der Vollkommenheit zu gelangen vermöge. Dietrich von Freiburg hatte als jenes Medium das creatürliche in sich selbst selige Bild Gottes bezeichnet, das er dem Wesen der Seele eingesenkt sein ließ und auf das er den aristotelischen Begriff von der wirkenden Vernunft übertrug. Meister E. lehrte in seiner letzten Periode, daß dieses Bild in der Seele ungeschaffen, daß es die Natur Gottes selbst sei. Der jüngere E. sagt in einem der Wiener Schriftstücke hierüber: „Gott hat sich seine Statt bereitet und behalten in der Seele, die nie wurde und nie wird von Creaturen berühret, das ist da wo das Bild Gottes ist, das Gott so gleich ist, daß wer das erkennete, der kennete Gott. In diesem Grunde ist Gott ohne Unterlaß; denn wo der Vater ist, da muß er gebären und gebiert seinen Sohn und da sohnet er uns und gebiert uns, daß wir seine Kinder sind von Gnaden. – Aber soll der Mensch zuweilen dessen gewahr werden, das muß geschehen von einen Wiederlaufen und Wiederbeugen der Kräfte (Vernunft und Wille) in den Grund, wo sie das Wesen berühren und finden da Gott wohnt, und wo die [627] Kräfte einen natürlichen Ausfluß haben, und von diesem Wiederbeugen werden die Kräfte gekräftiget und werden wesentlich und werden gegottet. Davon alle Werke, die von daher ausfließen, die werden göttlich, wesentlich und gebildet nach dem Grunde.“ So ganz nach Meister E. gestaltet auch diese Sätze erscheinen, und so sehr sich auch sonst der jüngere E. als Schüler des alten zeigt, so neigt er sich doch in der weiteren Frage, ob dieses Bild creatürlicher Art oder die ewige Natur Gottes selbst sei, nicht der Ansicht dieses Meisters sondern Dietrichs von Freiburg zu.

Acten der Generalcapitel des Dominicanerordens, handschriftl. zu Frankfurt. Preger, Der altdeutsche Tractat von der wirkenden und möglichen Vernunft, in den Sitzungsberichten der k. Akademie der Wissensch. zu München 1871. 2. phil.-hist. Cl.