ADB:Eberstein, Ernst Albrecht von

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Artikel „Eberstein, Ernst Albrecht von“ von Theodor Henner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 579–581, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eberstein,_Ernst_Albrecht_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 14:56 Uhr UTC)
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Eberstein: Ernst Albrecht v. E., Generalfeldmarschall, geboren 6. Juni 1605 zu Gehofen (einer Eberstein’schen Besitzung im preußischen Regierungsbezirk Merseburg), † 9. Juli 1676. Er stammte ab von der fränkischen Familie dieses Namens, welche der dortigen Reichsritterschaft angehörte und deren Stammburg Eberstein auf der Rhön gelegen war. Frühzeitig trat bei ihm die Neigung zum Kriegshandwerk hervor; und es wurde dann für seine Zukunft enscheidend, daß sein mütterlicher Oheim Hans Christoph v. Lauterbach, Oberstlieutenant und Gouverneur im Dienste der Generalstaaten, ihn schon in dem Alter von 11 Jahren mit sich nach den Niederlanden nahm, wo er bis zum Ausbruch des 30jährigen Kriegs verblieb und durch mehrfache Reisen seinen Gesichtskreis erweiterte. Er begleitete auch seinen Oheim, als dieser 1619 einem Rufe des böhmischen Winterkönigs folgte, wohnte der Schlacht am weißen Berge bei und diente dann bei den Grafen v. Mansfeld und Stolberg als Page. Dieser bewegten Jugend entsprach in der Folge ein noch viel bewegteres Leben im Dienste einer ganzen Reihe der verschiedensten Herren. In dieser Hinsicht ist E. ein charakteristisches Beispiel für die eigenartigen Anschauungen und Zustände jener Zeit; allein zu seiner Ehre muß gesagt werden, daß er seinem jeweiligen Herrn ohne Rückhalt mit voller Hingebung und nach bestem Wissen und Können zu dienen pflegte. E. gehört nicht zu den Sternen erster Größe unter den Feldherren seiner Zeit; aber er besaß doch bei nicht gewöhnlicher Begabung Eigenschaften, die seine Dienste von vielen Seiten aus begehrenswerth erscheinen ließen; er war beherzt und umsichtig im Felde und, wie besonders aus seinem Briefwechsel hervorgeht, zugleich klug und besonnen im Rathe und bei diplomatischen Unterhandlungen; Vorzüge, die schon zu seinen Lebzeiten allseitig unbedingte Anerkennung fanden.

Zunächst ist es der 30jährige Krieg, der Eberstein’s Thätigkeit bis zum westfälischen Frieden unausgesetzt in Anspruch nimmt. 1623 beginnt er mit dem Eintritt in die Tilly’sche Armee seine selbständige Laufbahn, um dann nach eingetretener Pause in Folge der Niederwerfung aller Gegner des Kaisers im J. 1625 in schwedischen Diensten 4 Jahre lang gegen Polen zu kämpfen. Ein im J. 1629 abgeschlossener Waffenstillstand wurde für ihn der Anlaß zu abermaligem Wechsel; wir begegnen ihm 1630 in der Stellung eines Kammerjunkers bei dem Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar, der ihn bereits mit wichtigen diplomatischen Geschäften und im folgenden Jahre als Rittmeister mit der Führung einer Compagnie betraute, die dann Herzog Bernhard von Weimar) mit sich in schwedische Dienste nahm. Aber schon im J. 1632 stellte er seinen Degen dem Landgrafen Wilhelm von Hessen-Cassel zur Verfügung. In diesem neuen Dienste gerieth er alsbald in die Gefangenschaft Pappenheim’scher Reiter, kaufte sich durch eine hohe Summe los, wohnte der Schlacht bei Lützen an und kämpfte dann unter dem Landgrafen in Westfalen, sowie in den Niederlanden gegen die Spanier. 1634 wurde er zum wirklichen Obersten und Regimentscommandanten ernannt, worauf er längere Zeit auf dem östlichen Kriegsschauplatze weilte, vereinigt mit der Armee Banér’s, dessen kühne Bewegungen er durch manchen glücklichen Handstreich mit Erfolg unterstützte, bis ihn dann die Landgräfin Amalie 1641 nach den westlichen Gegenden zurückrief, wo er neben den Weimaranern unter dem Oberbefehl des Marschalls Guébriant mit Auszeichnung focht. Damals erfolgte seine Ernennung zum Generalmajor; an der [580] Spitze einer größeren Abtheilung lag ihm die Unterstützung Guébriant’s und Torstenson’s ob. Als sich indessen der Krieg ins Schwäbische zog, kehrte er auf Befehl der Landgräfin wieder um und operirte am Niederrhein glücklich gegen Hatzfeld, bis er 1643 von Amalie den von ihm selbst erbetenen Abschied erhielt, um im Juni 1644 als Generalmajor und Obercommandant der Festung Gießen in die Dienste des Landgrafen Georg II. von Hessen-Darmstadt zu treten. Ueber 3 Jahre blieb er nun in dieser Stellung, und es bildet diese Zeit unstreitig den wichtigsten Theil seiner Thätigkeit während des großen deutschen Kriegs. Ein sehr regelmäßig geführter Briefwechsel Eberstein’s mit seinem neuen Herrn gewährt gerade in diese Verhältnisse einen tiefen Einblick, und es treten dabei die Nöthe und Verlegenheiten, in die sich damals kleinere Territorien unter dem unwiderstehlichen Drucke weltbewegender Zusammenstöße versetzt sahen, in grellem Lichte hervor. Hier hatte die schwierige Lage zunächst ihren Grund in dem erbitterten Hader, der zwischen der Casseler und Darmstädter Linie des hessischen Hauses ausgebrochen war, ein Streit, der durch das Hereinziehen fremder Mächte größere Ausdehnung annahm und zwar, in Folge der überlegenen Staatskunst der Landgräfin Amalie, im ganzen zu Ungunsten der Darmstädter Linie. Aengstlich zeigte sich Landgraf Georg bemüht, die Neutralität zu bewahren und von seinem Lande die Geißel fremder Truppendurchzüge abzuwehren, zugleich aber auch sich im Besitze der den Casselern abgenommenen Gebietstheile zu behaupten, bis er schließlich doch nothgedrungen auf die kaiserliche Seite getrieben wurde, der man an seinem Hofe schon längst im Herzen zugethan war. In all’ diesen schwierigen Situationen bewährte sich nun E. als der einflußreichste, treueste Rathgeber, als die rechte Hand seines Fürsten, der ihm denn auch wiederholt das höchste Lob ertheilte und u. a. einmal äußerte, „daß alles, was E. gethan, wohlgethan worden und von ihm selbst nicht anders hätte verfahren werden können“. Er ernannte ihn daher auch am 7. Febr. 1646 zum Generallieutenant über die ganze Miliz zu Roß und zu Fuß und zum Gubernator aller festen Plätze. Jedenfalls hat die Umsicht, mit der E. die Landesvertheidigung leitete und seine Gewandtheit in Verhandlungen mit den verschiedenen fremden Heerführern seinen Landesherrn vor noch größerem Nachtheil bewahrt; bei immer schwierigeren Verhältnissen hat er das Möglichste erreicht. Man kann es daher nur als eine Anerkennung dieser seiner Leistungen betrachten, daß er gegen Ende des Kriegs vom Kaiser das Anerbieten erhielt, in seine Dienste zu treten. E. nahm den Antrag an, wurde am 28. März 1648 zum wirklichen Feldmarschall-Lieutenant ernannt und diente so sehr zur Zufriedenheit seines neuen Herrn, daß ihm zwei Mal die Erhebung in den Grafenstand angeboten wurde. Nach dem bald darauf erfolgten Friedensschluß erhielt E. vom Kaiser mit dem Ausdrucke gnädigen Dankes den erbetenen Abschied. Die nächsten neun Jahre verlebte er ruhig auf seinen Besitzungen, ohne jedoch die weiteren Weltbegebenheiten aus dem Auge zu verlieren; er stand vielmehr darüber mit dem Landgrafen Georg, der ihm eine freundschaftliche Zuneigung bewahrte, in lebhaftem und vertraulichem Briefverkehr. Da traf E. 1657 ein Ruf aus dem Norden, der ihn von neuem mitten in das Kriegsgetümmel hineinzog: der Dänenkönig Friedrich III., damals in einen großen Krieg mit Karl Gustav von Schweden verwickelt, stellte ihn als General-Feldmarschall neben dem Feldmarschall Schack an die Spitze seiner Streitkräfte. Hervorragend ist da vor allem Eberstein’s Thätigkeit im zweiten schwedisch-dänischen Kriege gewesen, wo er im Novbr. 1659 den Uebergang nach Fünen bewerkstelligte und am 14. Novbr. den berühmten Sieg bei Nyborg erfocht, über welche Schlacht er dann dem großen Kurfürsten, dessen Truppen mitkämpften, Bericht erstattete. 1665 wurde er in den dänischen Reichsgrafenstand, sowie [581] zum Ritter des Elephantenordens erhoben und erhielt im nämlichen Jahre den ihm ungern ertheilten erbetenen Abschied. Mehrfach hat man darauf den vielgewandten, erfahrenen Mann für andere Dienste zu gewinnen gesucht, so besonders von Seite Spaniens und der Generalstaaten; aber E. zog es vor, einem Anerbieten des Kurfürsten von Sachsen zu folgen, der ihn zum Geheimen- und Kriegsrath, General-Feldmarschall und Kammerherrn ernannte. Das war der letzte Herr, dem E. diente; doch gestatteten ihm jetzt die ruhiger gewordenen Zeitverhältnisse, den Abend seines Lebens meist auf seinen Gütern zu verbringen, zuletzt auf seiner Burg Neuhaus bei Harzgerode. Hier ist der alte Krieger in frommer Ergebung, angethan mit seiner besten Rüstung, auf dem Feldbette im Alter von 71 Jahren gestorben. Beigesetzt wurde er in dem Familienbegräbniß zu Gehofen; sein Grab wurde mit den Trophäen von Nyborg geschmückt. Lobsprüche hat E. von all’ den Potentaten, denen er diente, in reichem Maße eingeerntet, weniger dagegen materielle Anerkennung; wie aus einem von ihm verfaßten Memoriale hervorgeht, befanden sie sich sämmtlich mit bedeutenden Geldzahlungen an ihn im Rückstande.

E. ist zwei Mal verheirathet gewesen, und er ist der nächste Stammvater der ganzen noch lebenden Familie E. Er hinterließ eine größere Autobiographie, die, lange in der Familie aufbewahrt, im J. 1842 durch einen Unfall zu Verlust gegangen ist.

Reiches, werthvolles Material zur Geschichte dieser in der historischen Litteratur bisher zu wenig gewürdigten Persönlichkeit findet sich in dem Werke des Frhrn. L. F. v. Eberstein, Geschichte der Freiherren v. Eberstein und ihrer Besitzungen, Sondershausen 1865, S. 715–1103.