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Artikel „Dietz, Rudolf“ von Karl Karmarsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 211–213, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dietz,_Rudolf&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 13:15 Uhr UTC)
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Dietz: Rudolf D., Staatsmann, geb. 7. Febr. 1814 in dem badischen Städtchen Emmendingen, wo sein Vater Obereinnehmer war, starb auf einer kurzen Erholungsreise 3. Octbr. 1870 zu Mundingen unweit Emmendingen. Von der Volksschule seines Geburtsortes ging er 1823 auf die lateinische Schule daselbst, 1828 auf das Lyceum in Karlsruhe, bestand 1829 die Incipientenprüfung, nach dreijähriger Lehrzeit bei der Obereinnehmerei in Emmendingen 1832 die Prüfung der Cameral-Scribenten und endlich, durch erneuten Besuch des Lyceums und durch naturwissenschaftliche Curse an der polytechnischen Schule vorbereitet, im October 1833 das Lyceal-Examen, welches ihn zum Besuch der Universität berechtigte. Er studirte nun Cameralwissenschaften in Heidelberg, dann in München bis zum Herbste 1835 und wollte eben eine Reise nach Wien antreten, als er zurückgerufen wurde, um bis zur Pensionirung seines erkrankten Vaters Ende 1836 die Obereinnehmereigeschäfte zu besorgen. In dieser Zeit legte er auch, nach nur vierwöchentlicher Vorbereitung, das Staatsexamen ab. Nachdem er hierauf successiv als Volontär bei dem Oberamte in Emmendingen, als Dienstverweser bei der dortigen Obereinnehmerei, als Revident bei der Steuerrechnungsrevision in Karlsruhe und als Secretariatsassistent bei der großherzogl. Steuerdirection gearbeitet hatte, nahm er im Mai 1838 einen längeren Urlaub, um auf eigene Kosten eine wissenschaftliche Reise durch die Schweiz, Oberitalien und Frankreich zu machen, von welcher er im Januar 1839 heim- und in seine letztgenannte Stellung zurückkehrte. Im November desselben Jahres kam er als Secretariatspraktikant ins Finanzministerium; 1840 bereiste er die Niederlande und Belgien; 1842 wurde er Secretär bei der Steuerdirection, 1843 Assessor in derselben, 1847 Assessor beim Ministerium des Innern, 1850 Ministerialrath daselbst, 1860 geheimer Referendar in dem neu gebildeten Handelsministerium [212] 1868 endlich Geheimerrath 2. Classe. Seit seinem Eintritt in das Ministerium des Innern wurde er jeweilig als Regierungscommissär bei den Ständekammern für einzelne Vorlagen und seit seinem Uebergange zum Handelsministerium als ständiger Regierungscommissär bestellt. Von 1854–59 war er Mitglied der Commission zur Prüfung der Rechtscandidaten und hatte in Nationalökonomie und Finanzwissenschaft zu prüfen. Im J. 1857 wurde ihm der Vorsitz in dem neu gebildeten Gewerbeschulrath übertragen, welchen er bis zur Auflösung dieser Behörde im J. 1863 bekleidete. Ferner wurde er ernannt 1861 zum badischen Bevollmächtigten bei der Rheinschifffahrtscommission, 1862 zum interimistischen Director der (1864 wieder aufgehobenen) Centralstelle für Landwirthschaft. Schon als Praktikant bei der Obereinnehmerei in Emmendingen hatte D. die Statuten der Ersparnißgesellschaft Hochberg entworfen und bei Gründung dieser Anstalt mitgewirkt. In seinen späteren Stellungen bei der Steuerdirection und dem Finanzministerium besorgte er für den damaligen geheimen Referendar, nachherigen Finanzminister Regenauer viele Arbeiten zur Finanzstatistik, welche der Genannte in seinem Werke „Der Staatshaushalt des Großherzogthums Baden“ (1863) veröffentlichte. Im J. 1840 führte er unter Leitung des derzeitigen Ministerialraths Kühlenthal in Betreff der beabsichtigten Lotterieanleihe die Berechnungen aus, welche später durch Professor Oettinger in Freiburg veröffentlicht worden sind. Unter gleicher Leitung lieferte er über den mathematischen Grundplan der Versorgungsanstalt die Berechnungen, welche in dem bezüglichen Berichte Kühlenthal’s (Karlsruhe 1841) bekannt gemacht wurden. Gleichzeitig war er Mitglied und Vorstand des Karlsruher Gewerbevereins, löste anonym eine Preisaufgabe über die Erkennung von Baumwolle in Leinengeweben und überließ die gewonnene Geldprämie dem Gewerbeverein. Als Assessor der Steuerdirection beschäftigte ihn die Vereinfachung des Steuerrechnungswesens, die Verbesserung des Salinenwesens, die Gründung der Soolbäder zu Dürrheim und Rappenau etc. Von seiner Thätigkeit beim Ministerium des Innern ist beispielsweise hervorzuheben die Gründung der Uhrmacherschule zu Furtwangen (1849), der Strohflechtschulen (1851), des Gewerbeschulraths (1857), der landwirthschaftlichen Gartenbauschule in Karlsruhe, der agricultur-chemischen Versuchsstation, des statistischen Bureau (1852), viele Verbesserungen und neue Einrichtungen in den Badeörtern Baden-Baden und Badenweiler etc. Große und erfolgreiche Anstrengungen widmete er der Linderung des Nothstandes, besonderes im J. 1847, zu welchem Zwecke er persönlich die 30 ärmsten Orte des Landes besuchte. In den bewegten J. 1848–49 wurde dem Ministerialrathe D. das Respiciat über die Volksbewaffnung übertragen. Als beim Ausbruch der Militärmeuterei im Mai 1849 mit dem Großherzog auch die Chefs sämmtlicher Ministerien das Land verließen, war D. unter den Zurückgebliebenen, welche inmitten von Gefahren mehrfacher Art die Geschäfte so weit möglich im Gange erhielten, ohne ihren beschworenen Pflichten irgend etwas, der aufständischen Gewalt gegenüber, zu vergeben. Dafür theilte er das Schicksal seiner Genossen, sich gegen Angriffe der heimgekehrten Flüchtlinge öffentlich vertheidigen zu müssen. In eine spätere Zeit (1864) fällt die von D. betriebene Errichtung der Landesgewerbehalle zu Karlsruhe und die Vorbereitung zur Einführung des metrischen Maß- und Gewichtssystems, deren obere Leitung ihm anvertraut wurde. Andauernde Beschäftigung gaben die Reisen nach London (1851 und 1862), München (1854), Paris (1855 und 1867) zu den großen Industrieausstellungen, bei welchen D. die badischen Interessen zu vertreten hatte, sowie zahlreiche andere Dienstreisen. D. wurde 1859 zum Abgeordneten der Hauptstadt Karlsruhe für den Landtag gewählt, lehnte aber nach Verlauf der achtjährigen Dauer seines Mandats eine fernere Wahl ab. Von 1861–67 war er Mitglied des Generalsynodalausschusses [213] und von 1859–67 Beirath bei dem unter dem Protectorate der Großherzogin Louise stehenden wohlthätigen Frauenvereine, dessen Bestrebungen er mit besonderer Vorliebe seine thätige Theilnahme widmete. – Nebst verschiedenen anderen Schriften nationalökonomischen und statistischen Inhalts veröffentlichte er als sein Hauptwerk: „Die Gewerbe im Großherzogthum Baden. Ihre Statistik, ihre Pflege, ihre Erzeugnisse“, Karlsruhe 1863. – Eine so ausgebreitete und vielseitige Thätigkeit, wie das vorstehende sie nur in flüchtigen Umrissen skizziren konnte, verband sich bei D. mit einem Charakter von höchster sittlicher Reinheit und mit einer ebenso edlen wie liebenswürdigen Persönlichkeit.