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Artikel „Dick, Hermann“ von Theodor Kirchhoff (Arzt) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 671–672, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dick,_Hermann&oldid=- (Version vom 28. November 2024, 13:13 Uhr UTC)
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Dick: Hermann D., Irrenarzt, Director der Kreis-Irrenanstalt Klingenmünster (Baiern), geboren am 25. November 1814 in Speier, studirte 1832–36, war dann während des Biennium practicum theils in Frankenthal als Assistenzarzt an dem dortigen Kranken- und Irrenhause, theils in Berlin. Nach dem Staatsexamen 1838, prakticirte er in verschiedenen Orten seines Heimathlandes und erhielt 1849 eine Physicatsstelle in Hornbach. Wegen seiner ärztlichen und persönlichen Bedeutung wurde er für die Leitung einer eigenen neuen Irrenanstalt in der Pfalz ins Auge gefaßt, und erhielt den Auftrag vorher von 1853–55 Anstalten Deutschlands, Englands, Belgiens und Frankreichs zu besichtigen. Je ein halbes Jahr war er in Irrsee (unter Hagen), Erlangen (Solbrig) und Siegburg (Jacobi), dann noch ein halbes Jahr in auswärtigen Anstalten. Als Frucht dieser Reisen erschienen 1856 die „Reiseskizzen über das non-restraint-System in englischen und die Beseitigung der Zellen in französischen Irrenanstalten“ in der Allg. Zeitschr. f. Psychiatrie Bd. 13, S. 353 ff., die mit überraschender Sachkenntniß, unparteiischem, aber rücksichtsvollem Urtheil geschrieben und noch heut zu Tage lesenswerth sind. Erst am 31. December 1857 wurde die Anstalt in Klingenmünster unter Dick’s Direction eröffnet, die er bis zu seinem Tode am 22. Februar 1880 führte. Sein Name verband sich in dieser Zeit so innig mit dem der Anstalt, daß er sich mit ihr zu identificiren schien; D. war ein vorzüglicher Mensch und ein vortrefflicher Director, so daß er der ganzen Anstalt seine Eigenart aufprägte. Natürlich und ungekünstelt stand er in der Mitte des Ganzen und der Kranken, die ihn sehr verehrten. Er war ein Vertreter des patriarchalischen Verhältnisses zwischen Arzt und Kranken, wie es in der Mitte des vorigen Jahrhunderts sich an manchen deutschen Irrenanstalten bildete. Ein tiefes Gemüth und heiteres Temperament standen ihm dabei zur Seite; namentlich die Gabe des glücklichen Humors brachte ihn auch sonst spröden Patienten leicht näher. Einige wissenschaftliche Arbeiten nahmen das erste Thema des Non-Restraint wieder auf (Allg. Zeitschrift f. Psych. XIX, 506 und XX, 305). Dazu kamen statistische Abhandlungen (e. l. XV, 389; XXVI, 374; XXXII, 565). In seinen Anstalts-Berichten hat er auch in anderer Richtung statistische Wege aufgesucht, besonders in dem für die [672] Jahre 1870/71 berichtete er über „Geisteskranke als Opfer des letzten deutsch-französischen Krieges“ (referirt in Allg. Zeitschr. f. Psych. XXX, 254). An derselben Stelle (S. 387) empfiehlt er den Gemeinden durch statistischen Nachweis den Vortheil der Benutzung von Freiplätzen bei rechtzeitiger möglichst früher Versetzung der Kranken in die Anstalt. Ueberall wird er von noch jetzt geltenden Gesichtspunkten geleitet. Sehr interessant ist ein Vortrag, den er vor den südwestdeutschen Irrenärzten 1876 in Karlsruhe hielt: „Die Angst der Kranken“ (ref. in der Allg. Zeitschr. f. Psych. XXXIII, 230–235); hier betritt er wieder das Gebiet des Kampfes gegen den Zwang, womit er als Vorkämpfer des Non-Restraints seine psychiatrische Laufbahn begonnen hatte. Sehr hübsch ist seine Entwicklung des Begriffs der latenten Angst; lehrreich, wie er in der Behandlung der Kranken, besonders durch Fernhaltung aller angsterzeugenden äußeren Einflüsse vorzugehen pflegte und das Vorurtheil bekämpfte, daß der Irrenarzt oft durch Strenge statt durch Nachgiebigkeit Kranken und Personal imponiren könne; im Gegentheil durch Milde und Selbstbeherrschung solle er wirken. Wenn man weiß, daß das Gefühl der Angst auch für uns Neueren im klinischen Mittelpunkt der Psychiatrie steht, welche in den Bewegungen des Gemüths den Anfang und den Verlauf sehr vieler geistigen Störungen erkennt und verfolgt, wobei auch anatomische Verhältnisse des Centralhirns zweifellos eine große Rolle spielen, muß man in jener Auffassung Dick’s den weiten sicheren Blick des erfahrenen Irrenarztes bewundern, der auf dem Grunde eines warmen und klaren menschlichen Empfindens steht. Geliebt von Kranken und ihm Nahestehenden starb er an einem Herzleiden, welches ihm die letzte Zeit seiner Amtsführung erschwerte.

Laehr, Gedenktage d. Psychiatrie 59, 358 und 404. – Allg. Zeitschr. f. Psych. XXXVIII, Register, wo auch seine Referate über fremde Arbeiten citirt sind. – Nekrolog von Pelman in Allg. Zeitschr. f. Psych. XXXVI.