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Artikel „Deelen, Dirk van“ von Wilhelm Schmidt (Kunsthistoriker) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 19–21, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Deelen,_Dirk_van&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 22:55 Uhr UTC)
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Deelen: Dirk van D., holländischer Architekturmaler. C. de Bie nennt ihn „Schilder van Heusden“; er war also wol auch an letzterm Orte auf die Welt gekommen, und nicht zu Alkmaar, wie Manche angenommen haben. Descamps hat bekanntlich die Sitte, neben die von ihm besprochenen Maler eine Jahreszahl zu stellen, welche die beiläufige Geburtszeit derselben angeben soll; neben unsern Dirk schrieb er 1635 hin, und so hat man denn blindlings, wie in so zahlreichen Fällen, dieses Jahr als das der Geburt Dirk’s angenommen. Das ist indessen vollständig falsch, da bereits aus den zwanziger Jahren Bilder von D. existiren. Das von Andern angenommene Geburtsjahr 1607 stände allerdings mit jener Thatsache wol in Einklang, auf einer sichern Angabe beruht es jedoch wol schwerlich. Am besten setzt man sein Geburtsdatum um 1605. Houbraken hat ihn zum Schüler des berühmten Haarlemer Malers Frans Hals gemacht. Das ist an sich schon auffällig, denn Hals war ein Porträtmaler, von ihm konnte D. sicherlich nicht seine Architekturen lernen. Nun kommt es zwar allerdings vor, daß Schüler schließlich eine ganz andere Kunstweise, als sie der Meister pflegte, ergreifen, allein ohne Noth werden wir doch nicht leicht so etwas annehmen. Eine genaue Betrachtung der de Bie’schen Auslassungen überzeugt uns, daß Houbraken eine Stelle derselben, die auf Ph. Wouverman ging, fälschlich zu D. gezogen hatte. Ich habe dies ausführlich in der Lützow-Seemann’schen Zeitschrift für bildende Kunst, IX. 1874. S. 95, gezeigt, woselbst es der geneigte Leser nachschlagen möge. Daß Houbraken sich die Gelegenheit nicht entgehen ließ, dem von ihm karrikirten Frans Hals durch D. (in Gemeinschaft mit Brouwer, der ebensowenig ein Schüler des Haarlemer Meisters war) einen Possenstreich ausüben zu lassen, kann nicht befremden, Herr Houbraken wünschte eben seinem Publicum eine amüsante Lectüre zu bieten, und die Gebote der Wahrheit und das Kopfzerbrechen moderner Kunstschriftsteller konnten ihn nicht geniren. Wer wirklich unserem Dirk das Malen beigebracht hat, steht also noch [20] in Frage. Jedenfalls besuchte der Künstler, dem Strome seiner Landsleute folgend, Italien, denn im J. 1632 entstand eine Ansicht der St. Peterskirche zu Rom (Galerie zu Augsburg). Später ließ er sich zu Arnemuiden in Zeeland nieder, wo er, trotzdem man ihn zum Bürgermeister ernannte, doch nicht den Pinsel als seiner nunmehr unwürdig betrachtete. Dirk hatte das Glück oder Unglück, sich dreimal verehelichen zu müssen: seine erste Frau, Maria van der Gracht, starb den 30. August 1650 im Alter von 62 Jahren, seine zweite, Katharina de Have, den 4. December 1652 im Alter von 34 Jahren, seine dritte, Johanna van Balen, den 16. December 1668 im Alter von 68 Jahren. In welchem Jahr der Künstler selbst das Zeitliche segnete, wissen wir nicht mit Bestimmtheit, der Tag jedoch ist uns erhalten, es war der 16. Mai, als D. 66 Jahre zählte. Jedenfalls ist er vor 1669 nicht gestorben. Zwischen dem 18. Sept. 1668 und dem 18. Sept. 1669 verzeichnet die Rechnung der Antwerpener Rhetorikerkammer zum Oelzweig (Olyftak) die Thatsache, daß „der Herr Bürgermeister“ van D. ein Bild der St. Lukasgilde daselbst schenkte. Es stellt eine Allegorie vor: im Vordergrunde sitzen die Personificationen der Dichtkunst und Malerei auf einem Thron; sie reichen sich die Hände auf die Aufforderung der Eintracht hin, welche in der Rechten zwei vereinigte Herzen trägt. Rechts umschlingen sich zwei Genien, links vertreiben zwei andere die Zwietracht, einige schweben oben in der Luft. Dieser figürliche Theil ist von Theodor Boeyermans gemalt, die Architektur, eine riesige Halle, rührt aus der Palette des Gebers selbst her. Jetzt bewahrt das Antwerpener Museum das Bild.

Dirks Gemälde sind wenig zahlreich. In der Galerie des Barons von Speck-Sternburg zu Lützschena (unweit Leipzig) zeigt man das „Innere einer Kirche mit Säulen und Bogen“, mit Figuren von Fr. Francken, dasselbe soll die Jahreszahl 1623 tragen, wäre demnach das früheste von Dirk uns bekannte Bild; denn das zu Augsburg befindliche, das nach dem Kataloge die gleiche Jahreszahl trägt, scheint vielmehr von 1632 datirt zu sein. Nach der Zeit folgt ein Bild in der Eremitage zu St. Petersburg: in einer großen Säulenhalle geht die Geschichte von Christus und der Ehebrecherin vor sich (von 1627). Die Eremitage bewahrt noch zwei Werke Deelen’s. Der Säulenhof mit Ballspielern im Louvre zu Paris trägt die Jahreszahl 1628. Ein Interieur mit Bordellscene besitzt oder besaß, nach Chr. Kramm, der Graf Nahuys zu Utrecht, ein anderes Bild aus demselben Jahr ist auf dem Schlosse Wychen bei Nymwegen, ein drittes, ebenso datirt, besitzt Graf Harrach in Wien. Bei dem letztern befindet sich auch ein undatirtes Bild, mit merkwürdiger Staffage: Herzog Alba hält Gericht über die Niederlande, deren Provinzen in allegorischen Figuren vor ihm stehen. Vom J. 1632 ist, wie es scheint, die erwähnte große Ansicht des St. Petersplatzes zu Rom, mit reicher Staffage, in der kgl. Augsburger Galerie. Das herzogliche Museum zu Braunschweig bewahrt einen Prospect zweier Gartenschlösser, vom J. 1635; dies Bild ist etwas hart und bunt, prachtvoll hell und klar dagegen das undatirte: Inneres einer gothischen Kirche. Die kgl. Galerie zu Kopenhagen besitzt eine „Unterhaltung auf der Straße“ Von 1638. Deelen’s Hauptwerke befinden sich in der glänzenden Galerie des kaiserl. Belvedere zu Wien. Das eine, ein prächtiges Gartenpalais mit vornehmer Staffage, trägt die Jahreszahl 1640; es ist von ungewöhnlichem Umfange (gegen 5 Fuß groß, 9 Fuß breit), allerdings zu groß für ein derartiges Architekturbild, dem doch weiter keine tiefere geistige Bedeutung inne wohnt, und das zugleich keineswegs als bloße Wanddecoration wirken soll. Das andere, mit keiner Jahreszahl versehene, ein Prachtbau mit Säulenhallen, ist, wennschon bedeutend kleiner, doch immer noch von ansehnlichen Dimensionen. Von 1642 befindet sich eine schöne Architektur [21] in der Galerie Steengracht im Haag. Ein gutes Bild sieht man im Museum zu Berlin (1647). Sehr merkwürdig ist der Saal des Binnenhofes im Haag während der großen Versammlung der Generalstaaten im J. 1651; die Figuren dazu rühren von A. Palamedesz her. Das Bild im Antwerpener Museum habe ich schon erwähnt, es ist vielleicht sein letztes Werk. – D. ist ein Maler von namhaftem Verdienste. Sehr richtig urtheilt Bode: „Dirk van D. wählt sich zur Darstellung große freie Räume: Prachtgemächer, Höfe von Palästen, die von Säulenhallen umgeben sind, oder denen sich französische Parkanlagen anschließen, zuweilen auch weitläufige Hallenkirchen. Ein helles gleichmäßiges Tageslicht beleuchtet diese Räume, deren Wände und Fußböden, deren Decken von der bunten Pracht der schönsten Steinarten, von farbigem und vergoldetem Holzgetäfel erglänzen. Durch seine frischen Farben, durch seine flüssige und leichte Behandlung und einen äußerst feinen Luftton weiß uns der Meister diese Prachtbauten in ihrem charaktervollen Stil, ihrer heitern und äußern Pracht so anziehend zu schildern, daß wir das Element der Gemüthlichkeit nicht einmal für sie verlangen.“ Fügen wir zur Ergänzung dieser Schilderung hinzu, daß seine Bilder einen silbernen, klaren Ton, eine treffliche Zeichnung und Perspective haben, daß sie jedoch, gegen die Hervorbringungen der späteren Meister des gleichen Faches gehalten, etwas Hartes, häufig Buntes und Metallenes nicht freizuwerden vermögen. Palamedes, Codde, Dirk Hals, Boeyermans u. A. malten ihm die Staffage, eventuell er ihnen den Hintergrund.