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Artikel „David von Augsburg“ von Wilhelm Preger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 782–784, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:David_von_Augsburg&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 17:38 Uhr UTC)
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David von Augsburg, Franciscaner, † 1272, einer der Altväter der deutschen Mystik und der deutschen Prosa, der Lehrer des berühmten Volkspredigers Berthold von Regensburg. Ueber Davids Leben sind nur wenige Notizen erhalten. Eine Chronik seines Ordens läßt ihn zu Augsburg geboren sein; ob dies auf eine zuverlässige ältere Nachricht sich gründe oder ein unsicherer Schluß aus der näheren Bestimmung seines Namens durch jene Stadt sei, bleibt ungewiß. Denn diese nähere Bestimmung könnte auch nur andeuten, daß das Minoritenkloster zu Augsburg dasjenige Kloster war, dem er zugewiesen wurde oder in welchem er am längsten gewirkt hat. Seine Wirksamkeit als Lehrer und Prediger knüpft sich keineswegs an Augsburg allein. Er war längere Zeit und zwar wol zwischen 1230–40 Novizenmeister an dem Kloster zu Regensburg, wo Berthold von Regensburg sein Schüler wurde, und mit Berthold hat er nachher oftmals als Prediger das Land durchzogen, denn als „Bruder D., der mit Bruder Berthold ging“, bezeichnen ihn die Quellen. Er starb, als Lehrer und Prediger hochgeehrt und um seines frommen Lebens willen bewundert, wahrscheinlich zu Augsburg, denn dort wurde er begraben. Seinen Tod setzen Rader und Andere auf den 15. Nov. 1271. Aber nach dem Anniversar des Augsburger Minoritenklosters starb er am 19. Nov. 1272. Von Davids lateinischen Schriften sind seine „Formula novitiorum“ und die Schrift „De septem processibus religiosi“ zusammen 1596 zu Augsburg und dann wieder in der Maxima bibliotheca veterum patrum (ed. Lugd. Bd. XXV, ed. Col. Bd. XIII) gedruckt worden. Die erstere dieser Schriften, deren erster Theil „De exterioris hominis reformatione, deren zweiter „De interioris hominis reformatione“ handeln, ist geschrieben, als D. Regensburg wieder verlassen hatte. Mit der Abfassung dieser Schrift kam D. einem Versprechen nach, das er seinem Schüler Berthold gegeben hatte, und diesem ist sie auch gewidmet. Der Brief zeigt, wie innig verbunden Lehrer und Schüler geblieben sind. Aus dem Briefe geht zugleich hervor, daß Berthold sein Noviciat noch nicht lange hinter sich hat. Da Berthold seinen Ruf als Prediger in den J. 1240–50 begründete, so dürfte die genannte Schrift um 1240 geschrieben sein. Das Augsburger Anniversar gedenkt seiner Collationes ad fratres und seiner Erläuterung der Franciscanerregel. Die letztere findet sich unter dem Titel „Expositio regule edita a fratre David sanctissimo“ handschriftlich auf der Staatsbibliothek zu München (Cod. lat. 15312). Dieselbe Handschrift enthält auch unter Davids Namen das bisher einem Dominicaner Yvonet zugeschriebene Werk „De haeresi pauperum de Lugduno“. Schon Pfeiffer hatte auf Grund einer Stuttgarter Handschrift, die gleichfalls einen Bruder D. als Verfasser bezeichnet, unsern D. von Augsburg als Verfasser nachzuweisen versucht. Seine Vermuthung wird durch die genannte Münchener Handschrift in soferne bestätigt, als diese gleich alte, von der Stuttgarter Handschrift unabhängige und aus der Augsburger Diöcese stammende Handschrift mit derselben Verfasseraufschrift auch die „Formula novitiorum“ bringt, die unzweifelhaft Davids Werk ist. Die erwähnte Handschrift gibt den Tractat vollständiger als er gedruckt ist. Von den acht deutschen Schriften, welche Pfeiffer unter Davids Namen (Deutsche Mystiker I) herausgegeben hat, gehören nur die drei ersten: „Die sieben Vorregeln der Tugend“; „Der Spiegel der Tugend“; „Christi Leben unser Vorbild“ oder, wie Pfeiffer dieses später von ihm vollständig herausgegebene Stück noch überschrieben hat, „Von der Offenbarung und Erlösung des Menschengeschlechts“ (Haupt, Zeitschrift für deutsches Alterthum Bd. IX) dem D. an. Die letztgenannte Schrift ist indeß theils Uebersetzung, theils freie Nachbildung [783] der Schrift des Anselm von Canterbury Cur deus homo? Erwähnt mag noch werden, daß Pfeiffer auf die Aehnlichkeit des Eingangs der ebengenannten Schrift mit dem Anfang des Schwabenspiegels gestützt und an W. Wackernagel’s Forschungen anknüpfend, den D. auch für den Bearbeiter jenes bekannten deutschen Rechtsbuches hält; - Trithemius schreibt D. auch eine ausgezeichnete Begabung für die Volkspredigt zu. Von seinen deutschen Predigten, deren er gedenkt, hat sich bis jetzt, so viel mir bekannt ist, nichts wieder gefunden. Sie mögen sich, seinen Tractaten nach zu schließen, durch Lehrhaftigkeit, Innigkeit und durch einfache, klare und schöne Sprache ausgezeichnet haben. Aber schwerlich beherrschte er bei seiner mehr in sich ruhenden und der Betrachtung zugewendeten Natur die Massen des Volkes wie sein innig geliebter Freund und Genosse Berthold, dessen Reden von ungemeiner Lebendigkeit und feuriger hinreißender Gewalt sind. Davids Bedeutung lag in seiner Lehrthätigkeit. Er ist in dieser Beziehung einer der ersten deutschen Theologen seiner Zeit, und insbesondere dadurch von großer Bedeutung, daß er, wenn auch nicht als der einzige, doch als der hervorragendste unter seinen Zeitgenossen, die noch von Albert dem Großen verschmähte deutsche Sprache für die theologische Abhandlung verwendet hat. Und er handhabt die deutsche Sprache in meisterhafter Weise. Sie zeigt sich bei ihm schon fügsam genug, um den Empfindungen des bewegten Gemüthes wie dem Gedankengang des erkennenden Geistes zum klaren unmittelbar ansprechenden Ausdruck zu dienen. Seine Sätze tragen das Gepräge großer Innigkeit und Herzlichkeit und eine kräftige und klare Anschauung stellt sich in ihnen mit aller Einfachheit, Bestimmtheit und Kürze dar. Seine Richtung ist wesentlich von den berühmten Vertretern der kirchlichen Mystik des vorhergehenden Jahrhunderts, einem Bernhard, Hugo und Richard von St. Victor bestimmt, welche die unmittelbare Berührung mit dem Leben Gottes auch schon für dieses Leben als Ziel hinstellen. „In Gottes Antlitz begraben sein, Ein Geist mit ihm werden“, das ist’s, wonach der Mensch zu ringen hat. Durch Sammlung der Seele aus der Zerstreuung, durch die Richtung derselben auf das höchste, durch Verzückung gelangt er zu solchem Ziele. In einem so gerichteten Gemüthe wird alles zur Liebe, welche die Seele fließen macht, sie über sich hinaus und zu Gott führt, so daß ihr nun die göttliche Form ausgeprägt werden kann. Den wesentlichen Gewinn der mystischen Vereinigung mit Gott sieht D. nicht sowol in der Frucht neuer Erkenntnisse als in der sittlichen und geistigen Veredlung des Menschen. Die in Davids Zeit bereits so häufigen Visionen und Offenbarungen erscheinen ihm von zweifelhaftem Werthe. Man halte oft für Worte des heil. Geistes, was nur Product des eigenen Geistes sei. Visionen könnten oft blos Sinnestäuschungen oder Vorspiel des Wahnsinns sein. Bis zum Ueberdrusse werde jetzt die Welt mit Weissagungen überhäuft vom Antichrist, von Vorzeichen des Endgerichts, vom Untergang der Orden, von Verfolgungen der Kirche, vom Sinken des Reiches und allgemeinen Plagen. Auch angesehene und fromme Männer schenkten ihnen mehr Glauben als sich gebühre, und machten aus Joachim’s und anderer Weissager Schriften Auszüge und Interpretationen. Selbst wenn sie wahr und authentisch wären, meint er, so könnten doch fromme Leute ihre Zeit fruchtbarer anwenden. Noth sei vor allem die Sünden auszutilgen, der Tugend nachzustreben, den gesunden Schriftsinn zu erforschen, durch das Gebet die Andacht zu entzünden. Das allein begründe Verdienst und Ruhm bei Gott. D. kennt bereits eine Mystik, die ihn mißtrauisch gemacht hat: es ist die auf sittlichen Abwegen sich bewegende pantheistische Mystik der Brüder des freien Geistes, welche zu Davids Zeit von Frankreich her auch über Deutschland sich verbreitete. Neben dieser Secte und früher als sie zählten andere Secten in Deutschland zahlreiche Anhänger. Die Verweltlichung der Kirche, die sittliche Entartung des Clerus rief [784] sie zum Theil ins Leben oder förderte ihre Verbreitung. Am gefährlichsten unter allen erschienen den Vertheidigern der Kirche die Waldesier und mit Recht, da diese in sehr wesentlichen Punkten die Schrift für sich hatten. Aber so groß war die Autorität des römischen Stuhls, daß auch bei so erleuchteten Männern, wie D., die berechtigtste Opposition keine gerechte Würdigung mehr fand, sobald sie von Rom als häretisch bezeichnet war. So athmet denn Davids Schrift wider die Waldesier ganz den harten inquisitorischen Geist seiner Zeit und steht im grellen Gegensatze zu jener Milde, welche seine übrigen Schriften durchweht.

Pfeiffer, Deutsche Mystiker I, Einleitung. Preger, Gesch. der deutschen Mystik im Mittelalter I.