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Artikel „Cancrin, Georg Graf von“ von Karl Theodor von Inama-Sternegg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 742–746, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Cancrin,_Georg_Graf_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 14:55 Uhr UTC)
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Cancrin: Georg Graf v. C. (nach russischer Schreibweise Kankrin), der Sohn des ehemaligen hessen-hanauischen Oberkammerraths und nachmaligen russischen Staatsraths Franz Ludwig v. C. (s. d.), war am 8. Dezember 1774 zu Hanau in Kurhessen geboren. Seine erste Jugend verlebte er im elterlichen Hause; aber schon im J. 1783 verließ sein Vater in Folge eines Zerwürfnisses mit seinem Landesherrn den hessischen Staatsdienst, und folgte 1784 einer Berufung als Collegienrath nach St. Petersburg, während der Sohn in Deutschland zu seiner weiteren Ausbildung verblieb. Im J. 1790 bezog Georg v. C. die Universität Gießen und widmete sich daselbst juridischen und staatswissenschaftlichen Studien, die er 1794 in Marburg beendete. Aber trotz seines rühmlich bestandenen Doctorexamens fand er in seinem engern Vaterlande Hessen keine Anstellung, so daß er sich nach Anhalt-Bernburg begab, wo er bald zum Regierungsrath befördert wurde. Es scheint ihm jedoch auch diese Stellung nicht zugesagt zu haben; denn schon im J. 1796 begab er sich zu seinem Vater nach St. Petersburg, obwol er hier zunächst keine Anstellung fand und bei den theuern Lebensverhältnissen dieser Stadt und dem bescheidenen Einkommen seines Vater sich große Entbehrungen auferlegen mußte. Zuerst fand er dann eine Verwendung als Gehülfe seines Vaters bei der Verwaltung der Salzwerke von Staraja Russa, welche diesem übertragen worden war. Aber bald erkannte der damalige Kanzler Graf Ostermann sein hervorragendes Administrationstalent und C. wurde im J. 1800 in das Ministerium des Innern als Collegienrath bei der Abtheilung für die Reichsökonomie einberufen. Bei seiner ungewöhnlichen Arbeitskraft, verbunden mit einer rastlosen Thätigkeit, ausgebreiteten Kenntnissen und einer in Rußland damals seltenen Gewissenhaftigkeit, ward er nun rasch zu höheren Stellen befördert. Im J. 1805 wurde er Staatsrath und 1809 Inspector der deutschen Colonien im St. Petersburger Gouvernement, in welcher Stellung er anderthalb Jahre auf dem Lande in glücklicher Muße verbrachte, die er zur Abfassung seiner ersten Schrift „Fragmente über die Kriegskunst“ (1809) verwendete. Dieser Erstlingsleistung folgte bald das ungleich bedeutendere Werk „Ueber die Verpflegung der Truppen“ (1811), wodurch er besonders die Aufmerksamkeit des General Phull auf sich zog, durch dessen Einfluß er im J. 1811 zum wirklichen Staatsrath im Kriegsdepartement und zunächst zum Gehülfen des Generalproviantmeisters ernannt wurde; aber schon ein Jahr später ward er Generalintendant der Westarmee und marschirte mit derselben nach Deutschland, wo er auch Hanau und seine Jugendfreunde wieder sah. In diese Zeit fällt auch das Erscheinen des ersten Theiles seines bedeutendsten Werkes über die Heeresverwaltung: „Die Militärökonomie im Frieden und im Kriege, und ihr Wechselverhältniß zu den Operationen“ (3 Bde., abgeschlossen 1823), welchem er, verbunden mit seiner erfolgreichen praktischen Wirksamkeit, seine Beförderung zum Generalintendanten sämmtlicher activen Armeen mit dem Rang eines Generalmajors zu verdanken hatte. In dieser Eigenschaft wurde er zu den Verhandlungen mit Frankreich wegen der Kriegsentschädigung von 30 Millionen Frcs. (1814 und 1815) zugezogen und wegen des hiebei erzielten Erfolges im J. 1815 zum Generallieutenant befördert. So kehrte der rasch zu hohen Ehren emporgekommene Ausländer nach Rußland zurück, und erfreute sich bald eines immer wachsenden Einflusses und eines unbegrenzten Vertrauens des Kaisers. Das aber erregte den [743] Neid der Altrussen, welche ihn in einen Proceß wegen Unterschleifs bei der Armeeverpflegung verwickelten; und obwol er aus demselben glänzend gerechtfertigt hervorging, so war doch seine Stellung als Generalintendant dadurch unhaltbar geworden, um so mehr als inzwischen der Oberbefehl über die Armee von dem Fürsten Barklay auf den ihm abgeneigten Fürsten von Osten-Sacken[WS 1] übergegangen war. So bat denn C. im J. 1820 um seine Enthebung von diesem Posten, die auch vom Kaiser gewährt wurde; doch sandte ihn derselbe im Juni 1821 zum Congreß nach Laibach, ernannte ihn sodann zum Mitglied des Reichsrathis für das Departement der Staatswirthschaft und 1823 zum Finanzminister, sein durch alle Intriguen seiner Feinde unerschüttertes Vertrauen dadurch aufs neue in auffälligster Weise bekundend. 21 Jahre hindurch führte nun C. die Zügel des russischen Staatshaushalts und übte auch über sein eigenstes Ressort hinaus den maßgebendsten Einfluß auf die Verwaltung der inneren Angelegenheiten des großen Reiches aus. Er war lange Zeit hindurch der mächtigste Mann in Rußland, sowol durch seine überlegene Persönlichkeit, mit der er selbst dem autokratischen Willen des Kaisers imponirte, als durch die Klugheit, mit der er dessen Vertrauen benützte und sich ihm vollkommen unentbehrlich zu machen wußte und durch die große Rolle, welche gerade in Rußland das Finanzwesen und die damit enge zusammenhängende Staatswirthschaft im ganzen Systeme der Verwaltung spielte.

Als C. die Leitung des Finanzwesens übernahm, fand er einen durch seine Vorgänger Gurjew und Camphausen gänzlich entleerten Schatz und ein horrendes Deficit vor. Der Staat stand an der Schwelle des Bankerotts. Es ist begreiflich, daß unter solchen Verhältnissen in den ökonomischen und financiellen Fragen der Schwerpunkt der ganzen inneren Politik gelegen war. Hier galt es mit ebenso großer Umsicht wie Energie und Rücksichtslosigkeit mit dem bisherigen System der Ausgaben zu brechen und neue großartige Hülfsquellen für den Dienst des Staatsschatzes zu erschließen. Und hiezu war allerdings C. der Mann. Von seiner allgemeinen nationalökonomischen Befähigung hatte er in seinem Werke „Weltreichthum, Nationalreichthum und Staatswirthschaft oder Versuch neuer Ansichten der politischen Oekonomie“ (anonym erschienen 1821) einen unzweifelhaften Beweis geliefert; überdies war er der gründlichste Kenner aller Zweige der Militärökonomie, bei welcher vor allem mit Ersparnissen begonnen werden mußte. Sein ganzer Charakter, streng, energisch, befehlshaberisch war dazu angethan, die tiefgreifendsten Reformen rücksichtslos durchzuführen, sobald ihm nur die Macht zu Gebote stand. Wie in seinen Schriften, so sah er auch in seiner amtlichen Wirksamkeit mit vornehmer Ueberlegenheit auf seine Vorgänger und ihre Leistungen herab und zweifelte keinen Augenblick an der Richtigkeit seiner starr festgehaltenen Ueberzeugung. Ein solcher Mann in solcher Zeit mußte Großes leisten; und groß, im Guten wie im Schlimmen, sind die Ergebnisse der Cancrin’schen Finanzverwaltung in Rußland. Das im J. 1823 vorliegende Deficit wußte er theils durch Ersparungen der Militärökonomie, theils durch Vermehrung der Einnahmen bald zu decken. Da das Militärdepartement mit Ersparnissen vorangegangen war, konnten sich die übrigen Ministerien einer entsprechenden Minderung ihrer Etats nicht entziehen, so daß die Ausgaben um etwa 47 Millionen Rubel verringert wurden, während die Einnahmen durch Abstellung von Mißbräuchen, durch Verbesserung der Branntweinregie und durch die höheren Zollsätze sich dergestalt steigerten, daß schon im J. 1824 das Deficit schwand und der Staatscredit sich mehr und mehr hob. Noch wichtiger aber und wirksamer als diese fiscalischen Maßregeln sind die wirthschaftspolizeilichen Grundsätze, nach welchen C. die Staatswirthschaft umgestaltete. Die systematische Schwächung des Privatcredits zu Gunsten des Staatscredits wurde dadurch bewerkstelligt, [744] daß bei dem völlig unzureichenden Schutz, welchen die Gesetze den Privatgläubigern gewährten, die kaiserlichen Creditanstalten, eine Schöpfung des Fürsten Gurjew, allein die wünschenswerthe Rechtssicherheit dem Capitale boten, also auch in ausgedehntester Weise benutzt wurden; so daß bei einem Privatzinsfuße von 12% der Staat stets bereitwillig zu 4% geliehen erhielt. Durch diese Creditanstalten und durch anderweitige Einmischung der Regierung wurde ferner Handel, Industrie und der ganze öffentliche Verkehr systematisch von dem Staate abhängig gemacht, besonders durch die in großem Stile versuchte Staatsmanufactur und die absichtliche Verkümmerung der inneren Verkehrslinien. Und endlich wurde ein umfassendes Prohibitivsystem durchgeführt, zum Schutze der zahlreichen Staatsgewerbe, die mit Zuhülfenahme der von den Creditanstalten entnommenen Baarfonds betrieben wurden, aber auch zum Zwecke einer indirecten Besteuerung der privilegirten Stände, deren Steuerfreiheit eine gerechte directe Besteuerung des Einkommens unausführbar machte. Mit solchen Mitteln gelang es ihm, nicht blos das Deficit zu beseitigen und ein, wenigstens äußerliches Gleichgewicht des Staatshaushalts herzustellen; sondern er vermochte auch die Einnahmen des Staates um 160 Millionen Rubel Banco zu vermehren und seinen Verpflichtungen gegen die auswärtigen Staatsgläubiger pünktlich nachzukommen, so daß neue Anleihen unter wesentlich günstigeren Bedingungen abgeschlossen werden konnten.

So erwies sich C. als ein hervorragender Finanzkünstler und wußte sich und sein System auch immer unentbehrlicher zu machen. Auch Nikolaus I., der nach Alexanders I. Tod gegen Ende des Jahres 1825 den Thron bestieg, ergab sich trotz mancher verschiedener Ansichten und trotz seines stark autokratischen Charakters doch dem mächtigen und überlegenen Finanzminister, der ihm stets aufs bündigste bewies, daß das System strenger Prohibition das einzige sei, welche das Czarenthum von der zersetzenden Kraft westeuropäischer Cultur zu bewahren vermöchte, und der es verstand, den Kaiser in all seinen Verlegenheiten immer hülfreich zur Seite zu sein, so wenig er sich auch scheute, selbst seinen liebsten Neigungen und Plänen zu widersprechen. Ja die anormale Nachgiebigkeit Nikolaus’ I. gegen C. kann nur dadurch vollständig erklärt werden, daß beide doch in dem Grundprincip zusammenstimmten, daß alle nicht russischen Einflüsse dem Staate zum Verderben gereichen müßten und daß jede Abweichung vom System in der Lage des Volkes die Revolution herbeilocke. Ueberdies war auch das finanzwirthschaftliche System mit seinem künstlichen Staatscredit, seinen darauf gebauten großartigen Staatsmanufacturen und seiner, die Concurrenz zu Gunsten des Gedeihens derselben fernhaltenden Prohibition und inneren Verkehrshemmung in sich so geschlossen, daß die geringste Abweichung von demselben den Zusammenbruch des Ganzen herbeiführen mußte. Aber freilich war C. durch die Consequenz desselben und die Macht der Verhältnisse genöthigt, dasselbe so ins Uebermaß zu steigern, daß dadurch eine völlige Lähmung des volkswirthschaftlichen Lebens, eine ununterbrochene Aussaugung des ganzen Volkes auf Kosten der Erhaltung des Finanzgleichgewichts erzeugt wurde, und es darf nicht Wunder nehmen, wenn das russische Volk die Zeit der Cancrin’schen Finanzverwaltung zu den unglücklichsten Perioden seiner Geschichte zählt, und ihm heute noch Flüche in sein Grab sendet, während Rußland, der Autokratenstaat, ihm zu tiefstem Danke verpflichtet war und ihn 1829 zur Belohnung seiner Verdienste in den Grafenstand erhob. Hat es doch selbst sein Nachfolger Wrontschenko noch nicht gewagt, das Canerin’sche Princip zu ändern oder die Cancrin’sche Praxis aufzugeben.

Die beiden nationalökönomischen Hauptwerke Cancrin’s, der schon erwähnte „Weltreichthum“ (1821) und „Die Oekonomie der menschlichen Gesellschaften und das Finanzwesen“ (1845) schließen Cancrin’s Ministerlaufbahn wie mit einem [745] Rahmen ein; die erste das Programm, die letzte das Testament eines Theoretikers, dem die gefährliche Macht zu Gebote stand, seine Doctrinen durch äußere Zwangsmittel durchzusetzen. Im Vergleiche zu dem, was er im praktischen Staatsleben für die menschliche Cultur, wenn auch oft in negativer Richtung, gewirkt hat, ist der Einfluß seiner Schriften sehr gering; aber immerhin sind sie bedeutend genug, um unter den Leistungen der theoretischen Nationalökonomie der nach Smith’schen Periode eine bemerkenswerthe Stelle einzunehmen; freilich nicht zum kleinsten Theil durch die beständige Richtung auf das praktische und concrete Leben, wodurch sie sich bei aller oft sehr abstracten Formulirung der Gedanken auszeichnen. In dem Grundgedanken des „Weltreichthums“ klingt schon das ganze System des nachmaligen Finanzministers an; der Weltreichthum ist der Inbegriff der Güter, die zum Leben des Menschen im geselligen Zustande auf der ganzen Erde dienen; der Nationalreichthum ist der Grad des Antheils, den eine Nation am Weltreichthume hat. Ein solcher Antheil kommt einer jeden Nation nach Maßgabe ihrer natürlichen Productionsfähigkeiten zu und es muß das erste Bestreben der Politik sein, ihr diesen Antheil gegen all die fortwährenden Bestrebungen anderer Nationen zu schützen, die auf Kosten derselben ihren Nationalreichthum durch die sogenannte Production des Raubes vergrößern wollen, wie im Handel die sogenannte Production der Privation die wichtigste Rolle spielt, die auch nur auf eine Ausbeutung der ökonomisch Schwächeren durch die Stärkeren hinzielt. Indem jede Nation ihre productiven Kräfte, unter denen C. besonders Gewicht auf die allein „schaffende Kraft der Natur und des Genies“ legt, möglichst verwendet, steigert sie den Weltreichthum und kann den Ueberschuß des eignen Bedarfs an andere Völker abgeben, um dafür Geld einzutauschen, das unter allen Umständen wahrer Reichthum ist. So gilt ihm der auswärtige Handel nur, so weit er Geld ins Land bringt; den Binnenhandel unterschätzt er auffallend, wie es ja auch von ihm bekannt ist, wie sehr er gegen Eisenbahnen und Verbesserung der Communicationsmittel überhaupt eingenommen war. Auch sonst finden sich in seinen Schriften viele Anklänge an den Mercantilismus, von dem er selbst sehr hoch denkt, wenn er auch zugesteht, daß der Grundgedanke desselben oftmals übertrieben worden sei. Für ein „werdendes Land“, bei einem „infraeuropäischen“ Volke, wie C. Rußland zu bezeichnen liebt, mag dieses System, als historisch berechtigte Vorstufe einer freiern wirthschaftlichen Organisation immerhin einige Anwendbarkeit gefunden haben; aber es ist ebenso begreiflich, daß seine Schriften keinen Einfluß auf die Ausbildung der volkswirthschaftlichen Theorie gewinnen konnten, die ja doch inzwischen durch die Smith’sche Schule und durch die großen Fortschritte nationalökönomischer Analyse und historischer Kritik auf eine Höhe gekommen war, zu welcher der den geistigen Strömungen des Zeitalters fernstehende mit den Angelegenheiten eines russischen Sonderculturlebens vollauf beschäftigte Mann sich nicht zu erheben vermochte. Besonders sein letztes Werk zeigt es deutlich, wie dürftig und unvollkommen die systematische theoretische Erfassung des Wirthschaftslebens bei ihm war, trotz seiner reichen praktischen Erfahrung und seines scharfen, zu consequentem Denken geübten Verstandes, der ihn immer auszeichnete.

Die großen Reichthümer, welche sich C., ohne Zweifel durch Benutzung seiner Stellung zu glücklichen Speculationen, erwarb, sowie sein zähes Festhalten an seinem finanzwirthschaftlichen System, sind von seinen Gegnern auf die unlautersten Ursachen zurückgeführt worden; aber alle Verdächtigungen seines Charakters und seiner Amtsehre sind doch nach den übereinstimmenden Zeugnissen unparteischer Beurtheiler grundlos. Jedoch waren sie geeignet, ihm immer mehr seine Stellung zu erschweren und zu verleiden. Seit 1839 fing überdies seine Gesundheit zu wanken an, und jüngere Kräfte schmälerten seinen [746] Einfluß, so daß er sich von den Geschäften zurückzuziehen wünschte. Aber noch war er für den Kaiser Nikolaus unentbehrlich und selbst eine äußerst heftige Scene zwischen beiden im J. 1841 vermochte keinen Bruch herbeizuführen. Der Kaiser suchte ihn dadurch zu halten, daß er ihm früher für unmöglich gehaltene Concessionen in Betreff der Einschränkung der kaiserlichen Reisen, der Armeereduction u. a. machte, und ihm längeren Urlaub ins Ausland gewährte; ja selbst als er im Mai 1844 die erwünschte Entlassung erhielt, blieb er doch noch Mitglied des Reichsraths.

Seit 1816 war C. mit einem Fräulein Murawiew aus angesehener Familie verheirathet, die ihm zwei Söhne und drei Töchter schenkte; auch pflegte sie ihn, als seine Leiden, Gicht, apoplektische Zufälle und Wechselfieber, zunahmen, mit treuer Liebe. Er starb zu Pawlowsk unweit St. Petersburg am 21. September 1845. Die vielen Züge humaner Gesinnung, welche aus seinem Leben bekannt und in seinen Schriften enthalten sind, lassen jedenfalls, trotz der Härte und der theilweise unseligen Folgen seines Systems, annehmen, daß sein Selbstbekenntniß mehr als eine bloße Redensart war, indem er ausprach: „Mein einziger Zweck war, den Menschen Gutes zu thun, das Besserwerden der Dinge zu fördern, neues Nutzbare einzuführen und Kenntnisse und Civilisation zu verbreiten.“

Ueber Cancrin’s Leben und Wirken vgl. den Artikel Cancrin in Bluntschli’s Staatswörterbuch (von Bodenstedt), ferner: Die Gegenwart Bd. II und IV. Leipzig, Brockhaus 1849 und 1851. – Rußland und die Gegenwart etc. Leipzig bei Weidmann. 2 Bde. 1851. – Reisetagebücher des Grafen C. 1840 bis 1845 herausgeg. vom Grafen Keyserlingk 1865. 2 Thle. – Besobrasoff, De l’influence de la science économique sur la vie de l’Europe moderne (Mémoire lu à l’Academie imp. de St. Pétersbourg, 5. Mai 1867). – Briefwechsel zwischen Humboldt und Cancrin 1869 (bes. interessant die Frage der Verwendung von Platina als Münzmetall, welche sie beide verneinten). – Roscher, Geschichte der deutschen Nationalökonomik, München 1874 S. 813 ff. – Hanssen im Archiv der polit. Oekonomie, N. F. 4. Bd. Heidelberg 1846. – Ueber Cancrin’s Finanzverwaltung vergl. Alfr. Schmidt in der Russ. Revue 1875 Bd. VII und die dort angef. Litteratur.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Fabian Gottlieb von der Osten-Sacken (1752-1837), russischer Heerführer aus baltendeutschem Adel, 1821 russischer Graf, 1832 Fürst.