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Artikel „Camerloher, Placidus“ von Wilhelm Heinrich Riehl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 728, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Camerloher,_Placidus&oldid=- (Version vom 3. Oktober 2024, 16:35 Uhr UTC)
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Camerloher: Placidus (auch Don Placido de C. genannt), ein vielseitig thätiger Tonsetzer aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Die biographischen[WS 1] Notizen über C. in den musikalischen Wörterbüchern sind ungenau. Auf Grund urkundlicher Nachforschungen in München und Freising stellte J. Sighart (1861) folgende Thatsachen fest, nach welchen die geläufigen Angaben zu berichtigen sind. – C. stammte aus einer bairischen Familie, Ort und Jahr seiner Geburt sind unbekannt. Von 1730–48 war er kurfürstlicher Kammervirtuos in München und componirte dort die Oper „Melissa tradita“ eine Anzahl Symphonien und wahrscheinlich auch seine instrumentalen „Meditationen“. 1748 erscheint er als Priester, dann als Canonicus in Freising. Er war in den geistlichen Stand getreten, um, wie er selbst andeutet, „seine Kunst fortan ausschließend der Religion und Tugend zu weihen“, und vereinigte die Titel eines fürstbischöflichen Hofcapellmeisters und Geistlichen Rathes. Seine Thätigkeit als Componist in Freising läßt sich bis 1769 verfolgen, und in diese Zeit fällt neben zahlreichen andern Werken eine vollständige Passionsmusik, welche bis zur Gegenwart noch während der Charwoche im Freisinger Dome aufgeführt wurde, nach Sighart’s Urtheil eine einfach ernst und kirchlich gehaltene Tondichtung. In den letzten Lebensjahren widmete C. sich hauptsächlich dem Musikunterrichte und starb 1776. Die Musik der Oper Melissa ist verschollen wie auch die Partituren einer Anzahl Schulopern, welche C. in Freising schrieb. Von acht derselben sind jedoch die Textbücher noch erhalten. Sie behandeln Stoffe des Alten Testaments und der Legende in lateinischer, italienischer und französischer Sprache und wurden von Schülern der Freisinger Gelehrten-Schulen im Verein mit der bischöflichen Hofcapelle aufgeführt. Das kunstgeschichtliche Interesse des Namens C. knüpft sich übrigens lediglich an seine Instrumentalwerke. C. schrieb eine beträchtliche Zahl Symphonien für Streichchor (zum Theil auch mit Blasinstrumenten), 24 Trios für 2 Violinen und Baß, sowie verschiedenes für die Laute. Seine Symphonien, in welchen die rohe Grundform von Symphonie und Streichquartett noch verbunden erscheint, waren weit verbreitet in den zahlreichen Instrumental-Capellen des vorigen Jahrhunderts. Sie bestehen meist aus 3 Sätzen: einem mehrentheils scholastisch trockenen Allegro, einem Adagio, welches durch lyrischen Schwung und breite Cantilene nicht selten an gute italienische Vorbilder erinnert und einem häufig ganz kurzen, leicht hingeworfenen Finale, worin der Componist dann wol die barockeste Laune entfaltet, oder auch statt dessen aus einem reicher durchgebildeten Menuett. Als Ganzes bieten sie ein seltsames Gemisch überraschender, oft höchst origineller Geistesblitze und todter Phrasen; das unleugbar eigenartige Talent des Componisten ringt vergebens mit den überlieferten Formen, so daß diese Werke vielmehr die Erstarrung und Auflösung der älteren instrumentalen Kunst Süddeutschlands darstellen, als den Aufschwung einer neuen Epoche. Für das Studium des musikalischen Interregnums zwischen Bach und Haydn sind sie höchst lehrreich. Aber nur die geringe Bekanntschaft mit den edelfeinen Gebilden der italienischen Trio-Componisten seit Corelli und der reichen symphonischen Musik Sebastian Bach’s und seiner besten Schüler macht es erklärlich, daß frühere Schriftsteller C. in seinen Symphonien als den Vor-Erfinder des Haydn’schen Quartetts bezeichnen konnten.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: biogragraphischen