ADB:Brandis, Eberhard Freiherr von

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Artikel „Brandis, Eberhard Freiherr von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 177–178, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Brandis,_Eberhard_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 22:03 Uhr UTC)
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Brandis: Eberhard Freiherr von B., königlich hannoverscher General und Kriegsminister, am 3. Februar 1795 zu Hildesheim geboren, folgte seinem Vater, welcher, nach der infolge der am 5. Juli 1803 abgeschlossenen Elbconvention geschehenen Auflösung der kurhannoverschen Truppenverbände, als Capitän im 5. Linienbataillone der englisch-deutschen Legion in britische Dienste getreten war und als solcher im J. 1809 in Portugal einer Krankheit erlag, nach England, ward hier zunächst in einer Schule zu Winchester unterrichtet, in welcher die Regierung den Söhnen von Officieren die Aufnahme unter billigeren Bedingungen vermittelte, als von den übrigen Zöglingen zu erfüllen waren, wurde aber schon im J. 1806 als Cadett in das Bataillon eingestellt, welchem sein Vater angehörte, nahm im folgenden Jahre an dem unter den Befehlen von Lord Cathcart ausgeführten Zuge nach der Insel Seeland theil, wo er bei dem Angriffe auf Kopenhagen zum ersten Male ins Feuer kam, wurde dort am 29. September Officier, gehörte 1808 zu der unter Sir John Moore nach Schweden entsandten Truppenabtheilung, welche aber unthätig vor Gothenburg liegen blieb, und segelte von hier nach der Pyrenäischen Halbinsel zum Antritte eines fast sieben Jahre lang nur kurze Zeit unterbrochenen Kriegslebens unter den Befehlen von Sir Arthur Wellesley, des späteren Herzogs von Wellington. Neun Spangen auf dem Bande der von der Königin Victoria gestifteten Kriegs-Medaille – die Aufschriften Talavera, Busaco, Fuentes de Onoro, Ciudad Rodrigo, Salamanca, Vittoria, San Sebastian, Nivelle, Nive tragend – zeichnen die Spuren des Kriegspfades, welchen er von 1809 bis 1814 – beschritt; Contusionen, welche er erhielt, und Kleidungsstücke, welche durch feindliche Geschosse beschädigt wurden, legen vielfaches Zeugniß ab für die Gefahren, von denen sein Leben bedroht war; seine Verwendung als Schützenofficier und zu Dienstleistungen außerhalb der Front, worunter die letzte die als Aide de Camp seines Brigadecommandeurs, des Oberst v. Ompteda (s. A. D. B. XXIV, 353), im niederländischen Feldzuge vom Jahre 1815 war, beweisen seine militärische Brauchbarkeit. – Als Capitän mit einem lebenslänglichen englischen Halbsolde von etwa 2400 Mark jährlich kehrte er 1816 aus dem Feldzuge in die Heimath zurück, wo seine Leistungen durch die damals sehr seltene Verleihung des Guelphenordenes erneute Anerkennung fanden, mußte nun aber, zuerst in Celle, dann in Harburg, bis zum Jahre 1838 in diesem Dienstgrade ausharren. Dann ernannte König Ernst August ihn zum Major in dem zu Hannover garnisonirenden Garderegimente und 1846 zum Commandeur des 2. leichten Bataillons in Einbeck.

Die nächsten Jahre brachten mehr Abwechslung. 1848 wurde Oberstlieutenant v. B. zunächst nach Hildesheim entsendet, wo stattgehabte Unruhen eine straffe Handhabung der getroffenen militärpolizeilichen Anordnungen erforderten; dann rückte er mit seinem Bataillone nach dem Kriegsschauplatze in Schleswig-Holstein ab, auf welchem aber die Feindseligkeiten fast zu Ende waren, und 1849 wurde er mit dem Oberbefehle einer aus Anlaß der im Kurfürstenthum Hessen bestehenden Verhältnisse um Göttingen zusammengezogenen aus allen Waffengattungen gemischten Brigade betraut, welche indessen keine Veranlassung zum Eingreifen fand.

[178] Als am 17. November 1851 König Ernst August starb, befand sich B. seit kurzem als Generalmajor und Commandeur der 1. Infanteriebrigade zu Hannover. Der Nachfolger, König Georg V., berief ihn in das neugebildete Ministerium Schele. Nur ungern gehorchte der General. Er fühlte, daß er für die Stellung wenig geeignet sei. Zeitlebens Soldat, und zwar mit Leib und Seele praktischer Soldat, gewesen, sah er sich plötzlich in einen Wirkungskreis versetzt, der ihm ganz fremd war und dessen Uebernahme ihm um so weniger erwünscht sein konnte, als der Kriegsminister, in Gemäßheit der Geschäftsvertheilung zwischen ihm und dem Generaladjutanten, lediglich ein Verwaltungsbeamter war und die Behörde, an deren Spitze er trat, fast nur aus bürgerlichen Mitgliedern zusammengesetzt war. Außerdem erfreute sie sich bei den Truppen geringer Werthschätzung. Aber als Soldat ordnete er seine persönlichen Neigungen dem Willen des Kriegsherrn unter. Dazu kam, daß B. eine leichtlebige, für die Annehmlichkeiten und die Vortheile, welche der Inhaber des Postens für ihn selbst wie für seine Angehörigen daraus ziehen konnte, nicht unempfindliche Natur war. Sein Amt machte ihm wenig Sorgen. Um die Politik, äußere wie innere, kümmerte er sich nicht, daher überdauerte er auch den vielfachen Wechsel der Ministerien, welcher während seiner Amtsführung sich vollzog. Die Regierung in den Kammern zu vertreten, hatte er von vornherein abgelehnt; er überließ es dem Generalsecretär des Kriegsministeriums, dem fleißigen General Schomer. König Georg war ihm allezeit sehr gewogen und gab ihm vielfache Beweise seiner Huld, so verlieh er ihm den Freiherrntitel. Trotz seiner Schwächen war B. in allen Kreisen wegen seiner persönlichen Liebenswürdigkeit und seines Wohlwollens gegen Jedermann in hohem Grade beliebt.

Als im J. 1866 der Krieg gegen Preußen ausbrach, begleitete B. den König in das Feld. Eine Rolle hat er dort nicht gespielt und einen Einfluß auf den Geist der Heeresleitung hat er, obgleich er stets in der Umgebung seines Kriegherrn war, nicht ausgeübt. Ob dieser ihm in Göttingen, als die Armee vor ihrem Aufbruche nach dem Süden sich dort sammelte, den Oberbefehl angetragen und ob B. sich zur Uebernahme bereit erklärt hat, wenn der König sammt seinen nichtsoldatischen Rathgebern die Truppen verließe und ihm selbst ganz freie Hand geben würde – steht nicht fest. Voraussichtlich würde B. das Unternehmen zu günstigem Ausgange geführt haben. Nach Beendigung der Feindseligkeiten begleitete er den König nach Oesterreich, kehrte aber im Herbst nach Hannover zurück und verlebte den Rest seiner Tage in geistiger und körperlicher Frische auf dem von ihm, als er Minister war, erworbenen Landsitze Schloß Ricklingen bei Wunstorf. Hier ist er am 13. Juni 1884 gestorben.

Militär-Wochenblatt Nr. 70, Berlin 1884.