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Artikel „Bollensen, Friedrich“ von Walter Neisser in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 91–92, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bollensen,_Friedrich&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 15:47 Uhr UTC)
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Bollensen: Friedrich B., Sanskritforscher, geboren am 12. Januar 1809 zu Roßdorf, Kreis Göttingen, † am 29. Februar 1896 zu Wiesbaden. B. studirte anfänglich Theologie, wurde aber durch H. Ewald der morgenländischen Geschichts- und Alterthumsforschung zugeführt, in deren Bereich zu jener Zeit auch die Indologie bisweilen gezogen wurde. Ueber den speciellen Gang seiner Studien hat sich keine Ueberlieferung erhalten, sogar die Dissertation ist verschollen, auf Grund deren er 1830 an der Georgia Augusta promovirte. Auch für die Folge fließen die Quellen spärlich, B. selbst empfand geringe Freude am Rückblick auf sein Leben. Dem jungen Doctor ward zunächst Gelegenheit geboten, in Kurland im Hause eines russischen Fürsten Privatunterricht zu ertheilen. Damit beginnt die russische Epoche seines Lebens. B. wurde December 1834, nachdem er ein Staatsexamen an der Petersburger Universität absolvirt, zum Oberlehrer (später Adjunctprofessor) an der kaiserl. Waisenerziehungsanstalt zu Gatschina ernannt. In Petersburg hatte er mittlerweile Gelegenheit genommen, den im Gewahrsam der Akademie der Wissenschaften befindlichen, von Rob. Lenz, dem Frühverstorbenen, hinterlassenen kritischen Apparat zu Kalidasa’s Urvasi zu studiren. Daraus erwuchs 1846 die Ausgabe dieses Dramas, die zu den grundlegenden und unvergänglichen Werken der Sanskritphilologie zu zählen ist. Die dialektgemäße Herstellung der in Prakrit geführten Reden, die sachlich und sprachlich gleich eingehenden und weit ausgreifenden Erläuterungen, die einsichtige Darlegung der metrischen Regeln, endlich die prächtig gelungene Uebersetzung, die treu und lesbar die Mitte hält zwischen zwei von B. gekennzeichneten Extremen („die tiefe Uebersetzung versteht man beinahe, wenn man das Original versteht, die flache begreift man nicht mehr, wenn man jenes versteht“) –, das [92] sind Vorzüge, die nur bedauern lassen, daß es B. nicht ferner vergönnt war, seine Arbeit zu gleichen Höhepunkten zu fördern. Als äußeren Erfolg brachte die Urvasi ihrem Herausgeber die Ernennung zum ordentlichen Professor des Sanskrit an der Universität Kasan (1852). In dieser Stellung ist er sechs Jahre verblieben. 1858 kehrte er in die Heimath zurück mit der Absicht, an einer deutschen Hochschule seine Lehrthätigkeit fortzusetzen. Leider ließ er durch die ersten Widerstände, denen er in Jena begegnete, sich zum Verzicht auf die Durchführung seines Vorhabens bewegen und zog nach längerem Aufenthalt in Göttingen, der Stätte seiner ersten Studien, in das einige Meilen von dort entfernte freundliche Werrastädtchen Witzenhausen, die Heimath seiner Frau, sich zurück. Hier hat er drei Jahrzehnte in der Stille gelebt. Im Sommer 1895 siedelte er eines Bronchialkatarrhs wegen nach Wiesbaden über.

Die litterarische Thätigkeit der letzten Epoche wird eingeleitet durch den 1862 in Benfey’s ‚Orient und Occident‘ Bd. 2 veröffentlichten Aufsatz „Zur Herstellung des Veda“, der den Versuch macht, die überlieferte Sprachform der rigvedischen Hymnen von den nach Ausweis des Metrums nachträglich eingetretenen Trübungen zu reinigen. Diesem Aufsatze folgte eine Reihe in der Zeitschrift der D. Morgenländ. Gesellschaft veröffentlichter Studien mit weiteren Beiträgen zur Revision des Rigvedatextes nebst lexicalischen und grammatischen Einzelerklärungen, in denen freilich der Mangel vollständiger Uebersicht über das noch nicht durch Specialwörterbücher und Indices aufgeschlossene sprachliche Material bisweilen fühlbar wird. Der fortschreitenden Arbeit der Fachgenossen vermochte B. aus der Abgeschiedenheit seines Wohnsitzes nicht hinreichend zu folgen. An Wärme des Interesses zwar gebrach es ihm nimmer, die Kraft der Begeisterung näherte noch den Siebenzigjährigen dem Jüngling, der etwa aus Göttingen Neues vom Büchermarkte ihm zutrug und nie ohne nachhaltige empfangene Anregung von ihm schied. Gesund und edel war das Mark in dem alten Stamme geblieben.

Nekrolog mit Schriftenverzeichniß in Bezzenberger’s Beitr. z. Kunde d. indogerm. Sprachen, Bd. 24.