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Artikel „Beyer, August“ von Max Bach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 532–534, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Beyer,_August&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 02:17 Uhr UTC)
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Beyer: August B., Architekt, Professor, geb. am 30. April 1834 zu Künzelsau (Württ.), † am 18. April 1899 in Ulm. Nachdem er seine Lehrzeit als Steinmetz vollendet, besuchte er die Baugewerkenschule in Stuttgart, wo er bis zum Jahre 1854 unter Egle eifrig seinen Studien oblag. Egle erkannte bald [533] die schon früh sich regende Befähigung des jungen Baubeflissenen und nahm ihn in sein Atelier auf. In diese Zeit fällt Beyer’s erste Beschäftigung am Ulmer Münster, mit welchem sein Name für alle Zeiten ruhmwürdig verbunden ist. Egle ließ damals durch zwei seiner Schüler, B. und Rieß, das herrliche Chorgestühl im Ulmer Münster aufnehmen, welche Zeichnungen später als Supplemente zu der kunsthistorischen Beschreibung von Ulm von Haßler erschienen sind. Noch nicht 25 Jahre alt im J. 1858 wurde B. als Lehrer an die Baugewerkenschule in Stuttgart berufen und damit schließt eine harte arbeitsreiche Jugendperiode ab, in welcher er bestrebt war, seine Ausbildung nach allen Richtungen Hzu fördern und in welcher er jene Stählung seines Charakters und seiner Kraft gewann, die sein späteres Leben und Schaffen prägten. Die Lehrthätigkeit wurde abgelöst durch längere Studienreisen in den Jahren 1861 und 1864 durch Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien und Holland. Und die Belehrung, die er namentlich in den letztgenannten, auch in vorgerückteren Jahren von ihm noch wiederholt ausgesuchten Ländern an den alten Bauwerken sammelte, im Verein mit seiner praktischen Bethätigung an den heimischen Baudenkmälern, gaben ihm jene Sicherheit in der Beherrschung der mittelalterlichen Bauweisen, die ihn wie kaum einen zweiten zur erfolgreichen Durchführung seines späteren großen Lebenswerkes befähigte.

Die rege Bauthätigkeit, welche zu Anfang der 70er Jahre in Stuttgart herrschte, veranlaßte B., sich ganz dem Privatbau zu widmen. Nach einander führte er das Hotel Marquardt, das Königin Olga-Stift, das Reichsbankgebäude, die Bauten des Pragfriedhofs und den 36,5 m hohen Hasenberg-Aussichtsthurm aus. Aber auch der Restauration alter Baulichkeiten widmete sich derselbe mit regem Eifer, so wurde ihm unter anderem die Wiederherstellung des Oettingischen Schlosses Baldern, des v. Reischach’schen Schlosses Nußdorf und des Berlichingen’schen Schlosses Jaxthausen übertragen. Eine ungemein anziehende Arbeit war für ihn die Einrichtung und Wiederherstellung der Räume des berühmten Klosters Bebenhausen zu einem königlichen Jagdschloß. Mit vielem Geschick und Verständniß für mittelalterliche Kunst wußte er sich den gegebenen Verhältnissen anzuschließen und den Reiz des Alterthümlichen zu wahren. Am 1. November 1880 starb der Münsterbaumeister Scheu in Ulm, kurz nach Vollendung des zweiten Chorthurms. Als sein Nachfolger wurde im J. 1881 B. berufen und nun tritt in dessen Leben eine Wendung ein, welche ihn aus einem Künstler von Localruf zu einem Künstler von Weltruf machte. 18 Jahre hat B. in Ulm geschaffen und gewirkt, unermüdlich auf- und ausgebaut, dabei schöne und reiche Erfolge gehabt, aber auch herbe Enttäuschungen erlebt. B. stellte vor allem die Gewißheit, den Hauptthurm des Münsters ausbauen zu können, durch Fundament- und Tragkraftuntersuchungen fest. Seine Vorschläge wurden 1882 durch eine Commission von Architekten, darunter Adler, Ferstel, Schmid und Egle sich befanden, geprüft und gutgeheißen, am 30. Juni 1885 begann der Thurmbau, im Frühjahr 1888 war bereits das Octogon vollendet und am 15. Mai 1890 die Kreuzblume aufgesetzt, und das, was man noch vor zehn Jahren fast für unmöglich gehalten, in verhältnißmäßig kurzer Zeit ausgeführt. B. hatte seine Aufgabe mit der ihm innewohnenden Thatkraft und Besonnenheit glänzend gelöst, für alle Zeiten wird der 161 m hohe Thurm den Ruhm seines Schöpfers in alle Lande verkündigen.

Neben der Vollendung des Ulmer Münsters waren es aber noch zwei andere größere Kirchenbauten, welchen er seine Thätigkeit zugewendet hat. Das ist der Ausbau des Münsters zu Bern und die Restauration der Kilianskirche zu Heilbronn. In Bern war ähnlich wie in Ulm der Thurm unvollendet geblieben und erst B. war es vorbehalten, nach Ueberwindung verschiedener [534] Schwierigkeiten den Bau zum Abschluß zu bringen. Am 26. April 1889 übernahm derselbe die Fertigstellung sämmtlicher Pläne und die Leitung der Ausführung und am 25. November 1893 fand die feierliche Versetzung des Schlußsteins des Helmes statt. In „herrlicher Vollendung“ steht das Münster seitdem da und wetteifert mit den hochragenden Bergen. In den Jahren 1888–95 leitete B. die Wiederherstellungsarbeiten an der Heilbronner Kilianskirche, einem reichen spätgothischeu Bau, dessen 62 m hoher Thurm die ersten noch sehr phantastisch anzuschauenden Renaissancemotive enthält; ein Werk des Hans Schweiner von Weinsberg (1513–29).

Noch bis an das Ende seines Lebens nahm der Ausbau des Ulmer Münsters seine Thätigkeit in Anspruch; seine letzte Arbeit dazu war jene sinnreiche Heizeinrichtung, die vermuthlich mustergültig für die Anlage von Heizungen für große Kirchenräume werden dürfte. Sein Plan für die neue Bauhütte und das Verwaltungsgebäude des Münsters an Stelle des alten Hauses wurde von den Vätern der Stadt leider nicht genehmigt, da sich fast die ganze Einwohnerschaft dagegen auflehnte. Dieses Gebäude sollte dem Münsterplatz gegen Norden einen harmonischen Abschluß in mittelalterlichem Sinne geben und wäre keine „Schändung“, sondern eine Zierde, eine passende und nothwendige Vermittlung zwischen Münster und den anliegenden Häusern der Stadt gewesen.

Aus dem „armen Steinmetzen“ ist mit der Zeit ein berühmter Mann geworden, die großen und zahlreichen Auszeichnungen, die man ihm zugewendet hat, konnten sein bescheidenes und schlichtes Wesen nicht verändern, ein deutscher Steinmetz ist er zeitlebens geblieben. B. war Dr. hon. causa der philosophischen Facultät Tübingen, Ehrenbürger der Stadt Ulm, außerordentliches Mitglied der Akademie für Bauwesen in Berlin, Ehrenritter des Ordens der Württemb. Krone, Ritter I. Classe des Friedrichs-Ordens, Ritter des kgl. bair. Verdienstordens vom hl. Michael III. Classe, Ritter des kgl. preuß. Kronenordens und Inhaber der fürstl. hohenzollernschen Medaille für Kunst und Wissenschaft.