Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Baumann, Oskar“ von Hans Meyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 255–256, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Baumann,_Oskar&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 18:37 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Baumann, Ernst
Band 46 (1902), S. 255–256 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Oscar Baumann in der Wikipedia
Oscar Baumann in Wikidata
GND-Nummer 119365146
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|46|255|256|Baumann, Oskar|Hans Meyer|ADB:Baumann, Oskar}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119365146}}    

Baumann: Oskar B., Afrikareisender, wurde am 25. Juni 1864 als Sohn eines Bankbeamten in Wien geboren. Auf der Wiener Universität hörte er geographische und naturwissenschaftliche Vorlesungen und übte sich, mit dem Wunsch, sich in den Dienst der geographischen Forschung stellen zu können, auf dem Wiener militärgeographischen Institut im Aufnehmen und Zeichnen von Karten. Im heimathlichen Hochgebirge stählte er nicht nur seine schon von Natur sehr kräftige Constitution, sondern auch Willenskraft und Wagemuth für künftige schwere Aufgaben. Schon als Neunzehnjähriger machte er 1883 eine erfolgreiche Reise nach Montenegro und Albanien, und als Einundzwanzigjähriger wurde er 1885 der von O. Lenz geführten österreichischen Kongo-Expedition beigeordnet. Seitdem hat ihn Afrika nicht wieder losgelassen. Am oberen Kongo schwer erkrankt, mußte B. allein zurückkehren. Dabei vollendete er die erste Kartenaufnahme des Kongo und besuchte die im Guineagolf liegende Insel Fernando Póo, worüber seine grundlegende Arbeit „Fernando Póo und die Bube“ (Wien 1887) berichtet. 1888 vollendete B. seine naturwissenschaftlichen Studien in Leipzig und promovirte daselbst zum Doctor. Unmittelbar danach folgte er der Einladung Dr. Hans Meyer’s, ihn nach Ostafrika zu begleiten. Die Expedition hatte das centralafrikanische Runsoro-Schneegebirge zum Ziel, scheiterte aber am arabischen Aufstand. Nach der erstmaligen Durchforschung Usambaras fielen die Reisenden in die Gefangenschaft Buschiri’s und retteten nichts als die Tagebücher und Kartenaufnahme. Daraus entstand Baumann’s Buch „In Deutsch-Ostafrika während des Aufstandes“ (Wien 1890). Auf diese Arbeit hin wurde B., nachdem er 1889 eine zweite Reise in die montenegrinischen Berge ausgeführt hatte (Mittheil. d. k. k. Geograph. Gesellsch., Wien 1889 u. 1890) von der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft wieder nach Usambara entsendet, um Vorarbeiten für wirthschaftliche Unternehmungen zu machen. Er erfüllte diesen Auftrag vorzüglich und publicirte darüber die werthvolle Monographie „Usambara und seine Nachbargebiete“ (Berlin 1891) mit einer großen Karte des Landes.

1891 wurde B. vor die Hauptaufgabe seines Lebens gestellt: das deutsche Antisklaverei-Comité betraute ihn mit der geographischen und wirthschaftlichen Erforschung des südlichen Victoriasee-Gebietes. Der noch nicht Dreißigjährige entledigte sich des Auftrages 1891–93 mit glänzendem Erfolg. Durch die Massaisteppe auf neuen Routen zum Victoriasee vorgedrungen, bereiste er zum ersten Mal die sagenhaften Königreiche Ruanda und Urundi und erforschte das Quellgebiet des Kagera. Hat sich auch später herausgestellt, daß der von ihm entdeckte Kagerazufluß nicht die eigentliche Nilquelle ist, wie B. glaubte, so thut dies doch der Bedeutung seiner im übrigen außerordentlich ergebnißreichen Reise gar keinen Abbruch. Baumann’s hierüber veröffentlichtes Werk „Durch Massailand zur Nilquelle“ (Berlin 1894) gehört zum besten, was die wissenschaftliche Afrikalitteratur besitzt.

1895 ist der Unermüdliche schon wieder in Ostafrika geographisch thätig, indem er im Auftrag des Vereins für Erdkunde zu Leipzig den Sansibar-Archipel bereist und kartographisch aufnimmt. Obwol von dem seit Jahren immer wiederkehrenden Klimafieber dem Tod nahegebracht, hat er doch auch diese [256] Arbeit innerhalb der nächsten Jahre vollendet: „Der Sansibar-Archipel“ (Wissenschaftliche Veröffentlichungen d. Vereins f. Erdkunde zu Leipzig 3. Bd., 1896, 1897, 1899).

Inzwischen war B. 1896 zum österreichischen Consul in Sansibar ernannt worden. Aber es war ihm nur kurze Zeit beschieden, seine in hartem Kampf gesammelten Erfahrungen seinem Heimathland nutzbar zu machen. Sein vom Tropenklima geschwächter Organismus hielt einem erneuten schweren Krankheitsanfall nicht mehr Stand; am 12. October 1899 starb er, erst 35jährig, nach qualvollen Leiden in seiner Vaterstadt Wien.

B. hatte bei allen seinen Reisen nur ein Ziel vor Augen: Förderung und Erweiterung der geographischen Kenntniß. Die coloniale Bewegung berührte ihn, den Oesterreicher, innerlich nur wenig, obwol er mitten darin stand und oft für coloniale Körperschaften thätig war. Aber die deutsche Colonisation hat große Vortheile aus seinen Arbeiten gezogen. Die wirthschaftliche Entwicklung in Usambara ist vor allem seinen dortigen Untersuchungen zu verdanken. Das wichtigste seiner Forschungen war ihm immer die Kartenaufnahme; die vom Obersten v. Sternegg übernommene Aufnahmemethode entwickelte er in Anpassung an die afrikanische Reiseart zu einer hohen Vollkommenheit und ließ sich in der Aufnahmearbeit durch kein Hinderniß, keine Krankheit unterbrechen. Auf Nachtmärschen mit der Handlaterne und bei Durchzügen durch feindliche Volksmassen mit dem Gewehr im Arm, laß er ununterbrochen Compaß und Uhrzeiten ab und notirte Beobachtetes. An seiner Willensenergie brachen alle Widerstände. „Bwana Kivunja“, der Zerbrecher, hieß er beim ostafrikanischen Neger mit Recht. In der Behandlung des Negers war er ein Meister. Auch auf dem Gebiet der physischen Geographie und der Ethnographie zeichnen sich seine Arbeiten durch reiche Beobachtung und größte Zuverlässigkeit aus. Seinen Büchern wie seinen Vorträgen ist ein Grundzug von Sachlichkeit eigen, der in der Darstellung oft an Nüchternheit grenzt, aber doch durch den Inhalt des Erlebten und Gesehenen außerordentlich fesselt. B. war ein Mann der sorgsam geplanten und mit eiserner Zähigkeit durchgeführten That, aber in der harten Brust schlug ihm ein warmes Herz. Einen liebevolleren Sohn seiner Mutter hat es nicht gegeben. Das darf nicht vergessen werden, wenn man seinen Charakter verstehen will.

Biographische Abrisse über Baumann schrieben: O. Lenz (in: Die Zeit, 21. October 1899), Hans Meyer (in: Koloniale Zeitschrift 1900, Nr. 1), M. Haberlandt (in: Neue Freie Presse, 14. October 1899, u. in Abhdlgn. d. k. k. Geogr. Gesellsch. in Wien, 2. Bd. 1900, Nr. 1) u. A.