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Artikel „Baer, Franz Josef“ von Friedrich von Weech in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 206–207, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:B%C3%A4r,_Franz_Josef&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 17:05 Uhr UTC)
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Baer: Franz Josef B., Geheimer Rath und Vorstand der Oberdirection des badischen Wasser- und Straßenbaues, geboren zu Konstanz am 16. Juni 1809, † zu Karlsruhe am 16. August 1890. Sohn eines Professors am Lyceum zu Konstanz erhielt B. dort seine erste gelehrte Schulbildung, besuchte die Universitäten Freiburg und Heidelberg, wo er Philosophie, Mathematik, Naturwissenschaften, Volkswirthschaft und Rechtswissenschaft studirte, bestand 1830 die cameralistische Staatsprüfung und war dann an mehreren Domänenverwaltungen und seit 1835 als Secretär und Cassier an der neugegründeten Allgemeinen Versorgungsanstalt im Großherzogthum Baden thätig. 1836 wurde B. Regierungsassessor bei der Kreisregierung in Mannheim, 1839 Assessor im Ministerium des Innern. Bei der Oberdirection des Wasser- und Straßenbaues wurde B. 1842 als staatswirthschaftlicher Rath angestellt, einer Behörde, deren Gebiet er von nun an, theils als Mitglied, theils als Referent über ihren Geschäftskreis im Ministerium des Innern, zuletzt als Director während voller 45 Jahre angehörte. 1887 erbat er seine Zuruhesetzung und widmete die letzten Lebensjahre noch, seiner Neigung entsprechend, wissenschaftlichen Arbeiten.

Als Vorstand der genannten Oberdirection, zu deren Geschäftskreis bis 1872 der Eisenbahnbau gehörte, hat er den Bau des größten Theiles der badischen Bahnlinien in oberster Instanz geleitet, unter seiner Verwaltung wurde die Rheincorrection fortgesetzt, die Verbesserung der wichtigsten Flußläufe vorgenommen, wurden Hafenbauten ausgeführt, neue Straßen gebaut, für die sorgfältige Unterhaltung der bestehenden gesorgt. Es ist ein bleibendes Verdienst Baer’s erkannt zu haben, daß auch in dem Zeitalter der Kunstbauten auf dem Gebiete der Eisenbahnen, des Wasser- und Straßenbaues, die einfache Straßenunterhaltung eine wichtige Sache sei und daß die Staatsstraßen (gewöhnlich Landstraßen genannt) auch heute noch ihre große Bedeutung im Verkehrsleben besitzen. Als man in Baden, um für das Staatsbudget Ersparnisse zu machen, in den 1850er Jahren viele Straßen aus dem Staatsverband loslöste und den Gemeinden überwies, andere durch die Gemeinden mitunterhalten ließ, machte B. es sich zur Aufgabe, bei den Gemeinden das Interesse an den Straßen zu wecken und zu erhalten. Als 1868 und 1884 gesetzliche Regelungen des Straßenwesens erfolgten, war bei den Vorbereitungen zu dieser gesetzgeberischen Thätigkeit B. mit großem Verständniß und rastlosem Eifer thätig. Es war wesentlich sein Werk, daß eine sehr große Anzahl von Straßen in die Fürsorge der Kreise aufgenommen und dadurch diesen Organen der Selbstverwaltung ein wichtiges Gebiet einer für die Gesammtheit nutzbaren Thätigkeit eröffnet wurde. Als 1872 die Eisenbahnbauverwaltung von jener des Wasser- und Straßenbaus getrennt wurde, war er bestrebt, in den Wirkungskreis der seiner Leitung anvertrauten Behörde andere wichtige Geschäftszweige zu ziehen: das topographische Bureau, das alsbald eine neue Karte des Großherzogthums herzustellen hatte, das Landesculturwesen einschließlich der Feldbereinigung und die Catastervermessung, denen er seine Arbeitskraft in ausgiebigster Weise widmete. Man hat es oft bemängelt, daß an der Spitze von Collegien, deren meiste Mitglieder Techniker und denen nur technische Behörden unterstellt sind, in Baden fast immer Juristen oder Cameralisten stehen. B. hat die Schwierigkeit einer solchen Stellung glücklich überwunden, einerseits indem er in rein technischen Fragen die Fachleute nicht belehren wollte, andererseits, indem er durch den hohen Grad seiner allgemeinen Bildung und die soliden Kenntnisse, die er [207] sich auch auf technischen Gebieten zu erwerben erfolgreich bestrebt war, dennoch im rechten Augenblick einen bestimmenden Einfluß auch auf die Fachmänner auszuüben verstand. Seine gründliche Orientirung in der Technik seines Verwaltungsgebietes befähigte ihn auch zur Vertretung der Bedürfnisse desselben bei den höheren, den einschlägigen Fragen fremd gegenüberstehenden Instanzen. In dieser Richtung darf auf die Errichtung des Centralbureaus für Meteorologie und Hydrographie und auf die neue Organisation der Wasserbaubehörden in Baden hingewiesen werden. Die Vielseitigkeit seiner Bildung zeigte sich auch in seinem feinen Kunstverständniß, dem eigene Befähigung zu künstlerischer Thätigkeit zur Seite stand. Auch litterarisch war er productiv durch systematische, statistische und historische Arbeiten aus dem Gebiete seines amtlichen Wirkens, theils selbständige Werke, theils Druckschriften und Artikel in Zeitschriften. – B. gehörte auch der bad. Zweiten Kammer von 1851 bis 1865 an, 1855 bis 1860 war er Vorstand der Budgetcommission und Mitglied des landständischen Ausschusses. Sachkundig und mit anerkannter Autorität sprach B. über Fragen des Budgets und wirthschaftliche Angelegenheiten. Ein Versuch, seiner Objectivität in den Verhandlungen über das Concordat im J. 1860 durch einen Vermittlungsantrag Geltung zu verschaffen, konnte keinen Erfolg haben, da die Frage von der Mehrheit als eine ausschließlich politische und die Beseitigung des Concordats wesentlich als Eröffnung der Aera eines Liberalismus betrachtet wurde, dem allerdings die Sympathien Baer’s nicht gehörten. Ein klarer, vorurtheilsloser Mann, sehr anregend in kleinem geselligen Kreise, frei von bureaukratischer Engherzigkeit und Ueberhebung war B. von denen, die ihn wirklich kannten, sehr hochgeschätzt. Das lebhafte Interesse, mit dem B. alle Vorgänge des bürgerlichen, vor allem des wirthschaftlichen Lebens, jeden Fortschritt auf dem Gebiete der Wissenschaft, alles Bemerkenswerthe auf jenem der Kunst verfolgte, blieb ihm bis in das hohe Alter von 81 Jahren treu, das er in einer nur ganz zuletzt etwas getrübten geistigen und körperlichen Frische und Rüstigkeit erlebte.

Schriften: „Die Wasser- und Straßenbauverwaltung im Großherzogthum Baden“ (1870); „Chronik über Straßenbau und Straßenverkehr in dem Großherzogthum Baden“ (1878); „Das Straßenbauwesen im Großherzogthum Baden unter dem Einfluß der Eisenbahnen mit besonderer Rücksicht auf den Kreis- und Gemeindewegebau und auf die Straßeneisenbahnen“ (1890).

Bad. Biographien IV, 518 ff.