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Artikel „Anderegg, Tobias“ von Hermann Wartmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 428–429, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Anderegg,_Tobias&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 09:53 Uhr UTC)
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Anderegg: Tobias A., toggenburgischer Fabricant und Kaufmann, geb. zu Ennatbüel 14. Nov. 1751, † in Wattwil 1. Nov. 1826. – Aus den bescheidensten Verhältnissen und den untergeordnetesten Stellungen durch unermüdlichen Fleiß, strengste Sparsamkeit und Rechtlichkeit sich nach und nach emporarbeitend, gründete Tobias A. im J. 1790 (?) ein eigenes Geschäft in Wattwil. Er handelte in Baumwolle, ließ Baumwolle zu Garn verspinnen und verkaufte Garn, ließ Garn zu Tüchern verweben und verkaufte diese Tücher hauptsächlich auf dem Markt zu St. Gallen. Als seine Söhne Johann Georg und Friedrich (geb. 8. Juli 1792, † 21. Mai 1856; geb. 12. Nov. 1797, † 28. Aug. 1864) herangewachsen waren, nahm der erstere seinen Wohnsitz in St. Gallen selbst, um hier die Handlung zu betreiben, während der Mittelpunkt der Fabrication [429] in Wattwil verblieb. Im J. 1820 erblindete der Vater und die Söhne führten von hier an das Geschäft selbständig. Sie verbanden mit demselben seit dem J. 1835 eine große Bleicherei, Sengerei und Appretur nicht bloß zum eigenen Gebrauch, sondern als sehr nothwendige Ergänzung der toggenburgischen Industrie überhaupt. Der Hauptsitz des Geschäftes, besonders für den Vertrieb der Weißwaaren, blieb fortwährend in der Stadt; daneben aber begannen die Brüder seit den dreißiger Jahren in bunten Geweben von Wattwil aus directe überseeische Geschäfte zu machen, zuerst nach Nordamerika (New-York), dann vorzüglich nach Brasilien (Rio de Janeiro), wo sie mit ihren in jeder Beziehung als vollendet anerkannten Fabricaten unbestritten den ersten Platz einnahmen. In seinen letzten Lebensjahren führte Johann Georg noch mit großem Erfolg die Fabrication fertiger Leibwäsche (Hemden, Unterhosen, Jacken) im Toggenburgischen ein, in der ausgesprochenen Absicht, der Hausindustrie einen neuen Halt zu geben; denn die auch im Thurthale immer unwiderstehlicher eindringende Fabrikindustrie liebten die Anderegg’s nicht und konnten sich nicht mit derselben befreunden, obschon sie sehen mußten, daß die neueren Rivalen (Raschle und Naef) ihnen mit deren Hülfe nach und nach den Vorrang abgewannen. An dem öffentlichen Leben des Kantons und der Eidgenossenschaft nahm vorzüglich Johann Georg lebhaften Antheil und zeigte sich auch hier als conservative, aber ebenso solide Kernnatur von unbedingtem Pflichtgefühl. Als Nationalrath übte er sehr großen Einfluß auf die möglichst freie Gestaltung des eidgenössischen Zollgesetzes und ihm ist es hauptsächlich zu verdanken, daß alle wichtigen Lebensbedürfnisse von Anfang an nur eine ganz geringe Eingangsgebühr bezahlten. Den etwa 1000 Arbeitern, die das Haus A. in seiner Blüthezeit beschäftigte, war es eine förmliche Heimath, wo Jeder, der es verdiente, nicht blos in Zeiten lebhaften und matten Geschäftsverkehrs lohnende Arbeit, sondern auch in Zeiten häuslicher Noth Rath und Hülfe zu finden gewiß war.

F. M. Hungerbühler, Industriegeschichtliches über d. Landschaft Toggenburg (in d. Verhandl. d. St. Gall.-Appenz. gemeinnütz. Gesellsch. für 1851, St. Gallen und Bern 1852).