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Artikel „Alard, Franz“ von Adolf Brecher, Johann Friedrich Ludwig Theodor Merzdorf in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 171–173, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Alard,_Franz&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 12:17 Uhr UTC)
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Alard: Franz A., lutherischer Geistlicher, geb. zu Brüssel, † zu Wilster in Holstein 10. Sept. 1578. Sein Vater Wilhelm, einem adligen Geschlecht angehörend, nannte sich nach seinem Landgut Alard de Cantier. Franz, welcher auf den Wunsch seines Vaters in Antwerpen in den Predigerorden eingetreten, verließ, durch einen jungen Hamburger Kaufmann mit Luther’s Schriften bekannt gemacht, [172] im 22. Jahr sein Kloster, entfloh nach Hamburg und erhielt von jenem Kaufmann die Mittel, um lutherische Theologie zu studiren. Nach seines Beschützers Tode aber von Geld entblößt, kehrte er in die Heimath zurück. Hier von seiner eigenen Mutter der Inquisition überliefert und zum Tode verurtheilt, rettete er sich unter großen Gefahren durch die Flucht. Bei dem Grafen von Oldenburg fand er als Prediger ein Unterkommen. Als später die Lutheraner in Antwerpen freie Religionsübung erlangten, folgte er einer Berufung zum Geistlichen dorthin. Doch scheinen die Unruhen der Bilderstürmer ihn bald wieder verdrängt zu haben. Um 1557 ging er nach Ostfriesland, wo er 6 Jahre lang zu Norden, dann nach Holstein, wo er in Kaltenkirchen und Kellinghusen Prediger war. Um 1566 kehrte er aber auf den Ruf der Antwerpener Gemeinde zum zweiten Mal dorthin zurück, als „Prediger in der Scheure“. Hier ordnete er mit Flacius, Cyriacus Spangenberg u. A. das Kirchenwesen; die Antwerpener Agende und Bekenntnißschriften sind von ihm mitunterzeichnet. Auch verfaßte er 1568 einen „Katechismus op Frage en Antwoorde gestellt“, neu ausgelegt zu Antwerpen 1585. Inzwischen mit Gertrud Bennings verheirathet, mußte er aber bei den neuen Verfolgungen der evangelische Kirche durch Alba die Niederlande wieder verlassen. Nach Holstein zurückgekehrt, erhielt er das Pfarramt zu Wilster, wo er bis an seinen Tod blieb. Mit den Flacianern zerfiel er bald über die Lehre von der Erbsünde. Sein „Bewyß uth Gades Worde un den Schriften des düren Mannes Dr. Martini Lutheri, dat der Erff-Sünde nicht sy des Menschen Wesent“, Lübeck 1575, rief eine heftige Entgegnung Spangenberg’s hervor. – Einen schon 1560 zu Frankfurt a. M. gedruckten niederländischen Tractat Alard’s von den Satzungen der rom. Kirche hat Tob. Fabricius unter dem Titel: „Der römische Grempelmarkt“, Neustadt a. d. Hardt 1606, ins Deutsche übersetzt. – A. ist der Stammvater eines durch Gelehrsamkeit ausgezeichneten Geschlechtes, von dem zahlreiche Mitglieder, meistens in geistlichen Aemtern, bis ins gegenwärtige Jahrhundert herab in Holstein, Hamburg, Oldenburg etc. begegnen. Der Familientradition danken wir die Nachrichten über die älteren Mitglieder: eine Biographie des Stammvaters, abgedruckt in der „Dänischen Bibliothek“, 6. Stück, S. 302 f. und die „Decas Alardorum“ Hamb. 1721 von Nic. Alard (Pred. zu Steinbeck und Hamburg, † 1756). Vgl. dazu Moller’s Cimbria lit. Th. 1 und 2 und Schröder’s Hamb. Schriftstellerlex.

Von Franz Alard’s Söhnen hat Wilhelm, geb. 1572 und † 1645 als Prediger zu Krempe, zahlreiche Predigten und Erbauungsschriften hinterlassen, ist auch für seine lateinischen Dichtungen zum Dichter gekrönt worden. Ebenso sein Sohn Lambert, geb. zu Krempe in Holstein 27. Jan. 1602, † 29. Mai 1672. Er studirte zu Leipzig und beabsichtigte sich dort als Docent niederzulassen, zog aber einen Ruf zum Pfarrer in Brunsbüttel in Holstein vor, woselbst er auch als Senior und Assistent des Consistoriums zu Krempe starb. Seine Schriften (Moller a. a. O.), darunter viele Predigten, find meistens theologischen, zum Theil aber auch philologischen und lexikographischen Inhaltes. Seine handschriftlich hinterlassene „Nordalbingia, s. Historia rerum praecipuarum in Nordalb. ad a. 1653 gestarum“ ist bei Westphalen, Monum. ined. I. 1749 abgedruckt.

Der bedeutendste Sprosse der Familie ist Nicolas A., ein Brudersohn des vorigen, zu Süderau in der holsteinischen Propstei Münchdorf, wo sein Vater Wilhelm A. jun. Hauptprediger und Assessor des dortigen Consistorii war, am 12. (17.) Dec. 1644 geboren, † 3. Oct. 1699, besuchte die Schule zu Lemgo, 1659 zu Hervord und 1663 zu Hannover, bezog 1664 die Universität Gießen, woselbst er 1666 zum Doctor der Philosophie promovirt ward, kehrte 1667 in sein Vaterland zurück; 1668 ging er nach Helmstädt, 1669 nach Kopenhagen und [173] 1670 wieder zu seinem Vater, dessen Amt er bei seinen Lebzeiten und nach dessen Tode im Gnadenjahre verwaltete; 1672 begleitete er zwei junge Studirende nach Hamburg und blieb daselbst bis 1675, wo er zum Prediger in Tönningen berufen wurde, 1679 erwarb er sich zu Kiel die theologische Doctorwürde, ward dann 7. Febr. 1682 Propst zu Eiderstädt, wo er – der überhaupt ein streitfertiger Lutheraner war – mit den Davidisten, den Anhängern des David Joris (Georgi), welche die Messiaslehre bekämpften, in vielfache Streitigkeiten gerieth. 1686 erhielt er den Ruf als Generalsuperintendent, Consistorialrath und Hauptprediger an der St. Lambertikirche in Oldenburg, wo er gegen einen Prediger Steffens, der zur reformirten Kirche übergegangen war, heftige Streitschriften erließ, ein Katechismuslehrbuch (das sich lange erhielt 1689. 1707. 1751), ein Handbuch für Prediger (Oldenb. 1690. 1719) herausgab und ein Gesangbuch (1690. 1731. 1740) bearbeitete, überhaupt auf die Reinheit des lutherischen Bekenntnisses hielt. Seiner Gesundheit halber (er war von der Schlafsucht befallen) wendete er sich zur Cur nach Hamburg, woselbst er starb. Seine zahlreichen Schriften sind außer den Dissertationen und Leichenpredigten und der von ihm mit Vorrede herausgegebenen Bibel (1696) meist polemischen Inhaltes.

Vgl. außer den obengen. Werken Oldenb. Kalender 1786 S. 73. Lief. 2 S. 776. Reershem, Ostfries. Pred. Denkm. S. 273. Oldenb. Blätter 1836 Nr. 46.