Übersicht der Märchenliteratur/Nachwort
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Die volkstümliche Märchenliteratur ist in ihrer Gesamtheit umfangreich, aber dessen ungeachtet ist sie noch weit entfernt, den Bedürfnissen des Forschers zu genügen. Um der Wanderung eines Märchens Schritt für Schritt folgen zu können, müsste der Forscher aus jedem Lande genügendes Material zur Verfügung haben. Nun ist jedoch die Sammelarbeit ausserhalb Europas bisher verhältnismässig wenig ausgeführt worden und in Europa ist sie in den verschiedenen Ländern ungleichmässig gewesen. In den gedruckten Sammlungen, wo die Märchen beinahe immer in ihrer vollkommenen Form vorkommen, ist eine ganz beschränkte Anzahl der Aufzeichnungen enthalten. Sammlungen können in irgendeinem Lande zehn bis zwanzig sein, aber Märchen finden sich in ihnen nicht mehr als einige hundert. Die von dem Forscher aus ihnen gewonnene Ausbeute beschränkt sich vielleicht auf zwei bis drei Varianten. Für die Klarlegung der Schicksale des Märchens in einem Lande ist dies eine gar zu geringe Anzahl. Die Sammelarbeit ist deshalb noch immer fortzusetzen, und Eile ist nötig, denn die wachsende Volksbildung vermindert allmählich den Wert der volkstümlichen Aufzeichnungen. Was unsere Zeit in dieser Beziehung unterlässt, das kann die Zukunft nicht mehr bessern. Und die Aufzeichnungen müssen auf eine die Bedürfnisse der Wissenschaft befriedigende Weise gemacht werden. Der Sammler darf das Gehörte nicht verändern. Wichtig beim Bestimmen des Wertes einer Aufzeichnung [75] sind auch die Nachrichten über den Erzähler und die Mitteilung, woher er das Märchen gehört hat.
Man hat mitunter Furcht vor dem überflüssigen Anwachsen der volkstümlichen Märchenliteratur geäussert und gemeint, dass es alle Märchenforschung unmöglich mache. Dies ist ein offenbarer Irrtum. In Bezug auf die Bequemlichkeit des Forschers ist eine kleinere Materialanhäufung zu verteidigen, aber wenn unser Ziel in der allseitigen Erklärung der Schicksale der Märchen besteht, ist es natürlich um so besser, je reichere Materialvorräte uns zur Verfügung stehen, denn eine grössere Menge Material bietet grössere Gewähr für das Gelingen der Arbeit. Übermässig wird auf diesem ebenso wenig als auf anderen Gebieten der Untersuchung das Material anwachsen. Für die Einteilung und äussere Anordnung der Arbeit sorgt wohl die Forschung zu jeder Zeit.
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