Über eine neue Bearbeitung des Eurypterus Fischeri Eichw.
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Durch eine besondere Methode ist es mir gelungen die wunderschön erhaltenen Oesel’schen Eurypteriden besser als es bis jetzt Jemandem gelungen ist so zu präpariren, dass Alles, was noch von der Chitinhülle der Thiere erhalten ist, zur Erscheinung gebracht werden kann. Mit dieser Methode habe ich sowohl vollständige Thiere herauspräparirt als auch sämmtliche verschiedene Körpertheile auseinanderlegen können. Es ist mir dadurch möglich gewesen die Harttheile dieser in der silurischen Zeit ausgestorbenen Thiere ganz wie die der jetzigen beschreiben und abbilden zu können. Meine Untersuchungen haben sich bis jetzt nur auf Eurypterus Fischeri bezogen. Ich habe das Vergnügen gehabt der bis jetzt richtigsten und vollständigsten schönen Beschreibung dieses Thieres von meinem verehrten Lehrer und Freunde Herrn Akademiker Fr. Schmidt[1] in beinahe allen wesentlichen Theilen beistimmen und die von ihm vertretene Ansicht, dass die Eurypteriden von den jetzt lebenden Thieren am nächsten mit den Limuliden verwandt sind, in vollem Maase bestätigen zu können. Hierzu kommt als ganz neu eine Reihe von Ergänzungen, was die Details der Unterseite des Kopfes, der zwei ersten Blattfüsse, des Schwanzstachels und der Oberfläche der Haut angeht.
Der Vorder- und Aussenrand des Kopfes bildet an der Unterseite einen sehr schmalen Umschlag dem erhöhten Rande der Oberseite entsprechend. Nach innen von diesem umgebogenen Rande folgen zwei durch eine Naht in der Mittellinie von einander getrennte dünne Hautschilder, die zusammen [370] ungefähr eine halbmondförmige Platte bilden, und nach innen in die zarte Haut, in welcher die Glieder des Kopfes eingelenkt sind, übergehen. Dieser sind wie bei Limulus sechs Paar, von denen das erste Paar nicht, wie es früher angesehen wurde, fadenförmige Antennen bildet, sondern ganz genau wie bei Limulus ausgebildet ist und die allergrösste Ähnlichkeit mit diesen Bildungen bei demselben zeigt. Es ist eben wie bei Limulus nur von einem kurzen, dreieckigen Grundgliede zusammen mit den Scheerengliedern gebildet. Ein Gattungsunterschied zwischen Eurypterus Fischeri und E. scorpioides Woodw., bei welchem letzteren Laurie schon 1893 das Vorkommen von einem präoralen Scheerenpaar beobachtet hat, existirt daher nicht[2].
Das zweite Kaufusspaar zeigt bei einigen Exemplaren am 5-ten[WS 1] Gliede ein eigenthümliches langes Anhängsel eingelenkt. Dieses erstreckt sich, einen Bogen nach hinten, unten und innen bildend, bis zum 2-ten Gliede desselben Fusspaares. Es erinnert etwas an das Anhängsel des Grundgliedes des 5-ten Kaufusspaares bei Limulus. Das Vorkommen oder Fehlen dieses Anhängsels hängt wahrscheinlich mit dem Geschlechtsunterschiede[WS 2] zusammen. Auch bei Limulus ist das 2-te Fusspaar bei den Geschlechtern etwas verschieden ausgebildet, obgleich die Verschiedenheiten dort in dem Vorkommen oder Fehlen einer Scheere oder in der Form derselben bestehen. Der freie Theil der drei ersten Fusspaare hat eine etwas breitere Form als früher angenommen wurde, und sie sind sämmtlich mit Stacheln an beiden Rändern versehen, obgleich die Stacheln des Vorderrandes etwas schwächer als die des Hinterrandes sind.
An den Grundgliedern des zweiten bis vierten Kaufusspaares findet sich ein nach hinten gerichteter, abgegliederter kleiner Lappen (epicoxite) denselben Bildungen bei Limulus sehr ähnlich, welcher mit feinen Bürstenhärchen dicht besetzt ist. Die Zähne der Kauflächen habe ich sehr genau studieren können. Am ersten Kaufusspaare sind sie überhaupt grösser und stumpfer, an dem zweiten und dritten sind sie feiner und spitz, aber die vordersten zwei bis drei Zähne, welche hier nach vorne gerichtet sind, sind grösser und stumpfer als die übrigen. Am vierten Fusspaare fehlen diese stumpferen Zähne. Die Kaufläche des 5-ten Kaufusspaares ist schon von Schmidt ausführlich beschrieben.
Hinten in der Mundspalte, nach innen von dem Metastoma habe ich den Vorderrand einer dem Metastoma ähnlichen Platte, von ungefähr derselben Form wie der Vorderrand des Metastomas, aber mit einem noch tieferen an den Rändern nicht gezähnelten Ausschnitt in der Mitte versehen, [371] gefunden. Von diesem Ausschnitte geht nach innen eine dünne Haut, welche abfällt, als ob sie den Anfang des Schlundes bilden sollte, aus. In der Öffnung dieser Bucht findet sich dort eine zierliche, kleine Haarkalotte, von feinen, spitzen Haaren gebildet. Man darf vielleicht wagen in dieser Haarbildung ein Geruch- oder Geschmacksorgan anzunehmen. Diese innere Platte ist nur am Vorderende des Metastomas ausgebildet und geht vom Umschlage des Metastomas aus. In diesem von dem Metastoma selbst und der inneren Platte gebildeten nach hinten geschlossenen Raum wirken die hinteren, etwas nach innen gerichteten, in einer Reihe sitzenden, stumpferen Zähne des fünften Kaufusspaares, während der vordere, kräftige Zahn das Metastoma aussen umfasst.
Bei dem Metastoma selbst ist oft der Rand des Vorderausschnittes gezähnelt und in ein Paar Fällen habe ich in einer von diesem Ausschnitte ausgehenden bald aufhörenden Spalte in der Mittellinie eine Andeutung zu einer Zweitheilung des Metastomas gefunden. Das Metastoma wird sich dadurch leichter mit der paarigen Bildung am Hinterende der Mundspalte von Limulus vergleichen lassen. Die dünne Haut, in welcher die Grundglieder der Kaufüsse eingefügt sind, trägt eine sehr feine Behaarung.
Von den zwei ersten Blattfüssen kommen zwei verschiedene Formen vor, welche ganz sicher mit den Geschlechtsunterschieden zusammenhängen. Die eine Form ist mit einem kräftigen Medianzipfel sowohl am ersten als am zweiten Blattfusse versehen. An der Innenseite des ersten Blattfusses kommen ein Paar an den Seiten des Medianzipfels befestigte, übrigens vollständig freie rohrförmige oder schlauchartige Bildungen, welche an der Aussenseite durchschimmern und von Schmidt als eine, ein besonderes Feldchen abgrenzende, Naht aufgefasst wurden, vor. Bei dieser Form scheint das Anhängsel des zweiten Kaufusspaares zu fehlen. Die zweite Form trägt am ersten Blattfusse nur einen sehr kurzen, den Hinterrand nicht erreichenden Medianzipfel und am zweiten Blattfusse fehlt gänzlich jede Spur eines solchen, so auch die schlauchartige paarige Bildung an der Innenseite des ersten Blattfusses. Bei Exemplaren dieser Form aber ist das Anhängsel des zweiten Kaufusspaares beobachtet.
Das kleinste Exemplar von Eurypterus Fischeri, dass ich bis jetzt gefunden habe, hat eine Länge vom Frontalrande bis zur Basis des Endstachels von nur 7 mm. Es scheint von den grösseren nur durch die nach hinten spitzer und länger auslaufenden Seitenränder der Hinterleibglieder abzuweichen.
Die ersten Präparirungen von Eurypterus Fischeri wurden im Frühling 1895 an einigen von mir selbst 1884 bei Rootziküll auf Oesel gesammelten Exemplaren vorgenommen. Später bekam ich durch die Freundlichkeit des [372] Herrn Professor G. Lindström alles, was aus diesem Fundorte im Reichsmuseum in Stockholm zu haben war. Zuletzt hat Herr Akademiker Friedr. Schmidt, auf dessen Veranlassung die jetzt unter Ausarbeitung befindliche ausführliche neue Bearbeitung und Beschreibung des Eurypterus Fischeri zu Stande gekommen ist, mit gewohnter Liberalität die meistentheils von ihm selbst während einer langen Reihe von Jahren zusammengebrachten reichen Sammlungen in dem Museum der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg und in dem Provinzialmuseum von Reval, zu meiner freien Verfügung gestellt.
- ↑ Schmidt, Fr. Die Crustaceenfauna der Eurypterenschichten von Rootziküll auf Oesel. – Miscellanea silurica III. – Mém. Acad. Imp. des sc. de St.-Pétersbourg, Série 7, Tome 31, № 5. – St.-Pétersb. 1883.
- ↑ Laurie, M. The anatomy and relations of the Eurypteridae. – Trans. Roy. Soc. of Edinburgh, Vol. 37, Part 2, № 24, Pag. 518. – Edinburgh 1893.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: 6-ten. Berichtigung siehe die Anmerkung auf Seite 16 von Über die Organisation des Eurypterus Fischeri Eichw.
- ↑ Vorlage: Geschlechtsunterschide