Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Willibald Pirkheimer
Pirkheimer lebte zu einer Zeit, in welcher das abgeblühte
Ritterthum gern die Waffe von Eisen gegen
die Waffe der Wissenschaft Umtausches; er trat aus der
Welt der Ritter, gleich einem Ulrich von Hutten, in die
der Gelehrten hinüber, unter denen er sich einen ehrenvollen
Namen erwarb. Pirkheimer’s Geburtsort war
Eichstädt in Franken, und das berühmte Hochstift,
wie die nahe Reichsstadt boten dem ritterlichen Vater,
welcher aus einer alten Nürnberger Patricierfamilie abstammte,
Rechtsgelehrter und erzherzoglich östreichischer
Rath war, volle Gelegenheit, den äußerst fähigen Knaben
in den Anfangsgründen des Wissens genügend unterweisen
zu lassen. Der junge Pirkheimer faßte große
Neigung zu einer Menge verschiedener Doctrinen, doch
bevor er dieselbe befriedigt hatte, trat er in den persönlichen
Dienst des Bischofs von Eichstädt, eines der
Häupter des schwäbischen Bundes, und lernte Ritterdienst
und Kriegshandwerk, wozu es bei den ewigen
Fehden jener Zeit vor und selbst noch unter Maximilian’s
Landfrieden an Gelegenheit nicht fehlte. Doch
wünschte der Vater seinen Sohn nicht immerdar in der
Sturmhaube und im Sattel zu erblicken, und rief ihn
zurück, damit er die unterbrochenen Studien fortsetze
und vollende. Nicht für den Krieg, sondern für den
Staat sollte er sich bilden, und that dies auf den
wälschen Hochschulen zu Padua, Pisa und Pavia sieben
Jahre hindurch mit Lust und Liebe. Pirkheimer studirte
Philosophie, Jurisprudenz, Medizin, Theologie
nebst Mathematik mit Astronomie und Astrologie, und
trieb dabei mit Eifer noch alte Sprachen und Musik.
Nach der Rückkehr in die Vaterstadt fand er eine Stellung
im Rathe, vermählte sich 1497 mit Crescentia
Nieter, die ihn durch nichts als durch ihren Tod (1505)
betrübte, und begann nun seine ehrenvolle Laufbahn
als Schriftsteller, Rechtsgelehrter und Diplomat. Er
befreundete sich mit seinen berühmten Zeitgenossen, vor
allen mit Albrecht Dürer, dessen Meistergriffel nicht
allein Pirkheimer’s Züge verewigte; Dürer widmete
ihm sein berühmtes und größtes Werk „Vier Bücher
von menschlicher Proportion“, und ersuchte ihn dessen
Vorrede zu verfassen. Nicht nur diese schrieb ihm der
Freund; da Dürer die Vollendung seines Werkes im
[Ξ] Druck nicht erlebte, widmete er seinem Andenken eine
schöne Elegie. Dürer’s kostbarer Holzschnitt: Der Triumphwagen,
war Pirkheimer’s Erfindung, welcher
dieß seltene Blatt auch beschrieb. Außerdem übersetzte
Pirkheimer mehrere griechische Klassiker in das lateinische,
und widmete einige seiner Schriften seinen beiden gelehrten
Schwestern Charitas und Clara, welche Nonnen
im St. Clarakloster zu Nürnberg waren. Im
Jahr 1499 stand Wilibald Pirkheimer an der Spitze
der Nürnberger Reichstruppen, die er dem Kaiser gegen
die Schweiz zu Hülfe führte, und zeichnete sich in
diesem Feldzuge durch Klugheit und Besonnenheit aus.
Kaiser Maximilian ernannte ihn, den Nürnberger Senator,
zu seinem Rath, und sein Nachfolger Kaiser Carl
bestätigte Pirkheimer in dieser ehrenvollen Stellung.
Beide Herrscher bedienten sich des einsichtvollen, sprachkundigen,
feinen und gewandten Diplomaten häufig
theils als Gesandten, theils auf den Reichstagen, und
zu vertraulichen Missionen, bis er, nach Ruhe sich sehnend,
seine Stelle niederlegte und nur den Wissenschaften
lebte. Ungern wurde er entlassen, allein die Verwaltung
eines reichen Erbes und ein weitläuftiges Hauswesen
forderten seine ungeteilte Sorgfalt. Fortan
lebte Pirkheimer mit wenigen Unterbrechungen ganz
den Musen; er legte Bücher-, Münz-, Gemälde- und
andere Sammlungen an, konnte aber nicht verhindern,
daß er noch einmal in den Rath gewählt wurde,
und sah sich zur Wiederannahme der alten Stelle gezwungen,
bis Krankheit ihn nöthigte, sie abermals
niederzulegen. Wie den Wissenschaften und Künsten
war Pirkheimer auch der Reformation mit voller Seele
zugethan, und förderte deren Einführung in Nürnberg
auf alle Weise, ohne jedoch Freude zu haben an der
verderblichen Spaltung, die im spätern Verlauf derselben
das Vaterland mit Unheil bedrohte. Denn er liebte
sein Vaterland, und als der Tod in seinem 60. Lebensjahre
ihm nahe trat, sprach er noch kurz vor seinem
Ende die Worte und Wünsche aus: „Wollte Gott,
daß es nach meinem Tode dem Vaterlande wohl erginge!
Wollte Gott, daß nach meinem Tode die Kirche Frieden
hätte!“ – Mit ihm erlosch der Pirkheimer altes Geschlecht,
und das Wappen mit der Birke sank mit ihm
in die Gruft.