Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Philippus Aureolus Theophrastus Paracelsus

Textdaten
<<< >>>
Autor: Ludwig Bechstein
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Philippus Aureolus Theophrastus Paracelsus
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 33–34
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[Ξ]


Philippus Aureolus Theophrastus Paracelsus
Bombast von Hohenheim.
Geb. 1493, gest. d. 23. Sept. 1541.


Theophrast war einer der merkwürdigsten Gelehrten, welcher nicht nur seinen Zeitgenossen ein Räthsel blieb, sondern auch vielen der Nachkommen ein solches noch bis diese Stunde ist. Uebel beurtheilt, häufig sogar geradezu verurtheilt, als medicinischer Marktschreier mißachtet, ist er fast stets der Menge vorgeführt worden, und nur wenige tiefer in seinen Geist, sein Wesen und sein Wissen eindringende haben ihn besser gewürdigt, obschon auf die Gefahr hin, selbst, gleich ihm, verkannt zu werden. Theophrastus Paracelsus wurde zu Einsiedeln in der Schweiz geboren, einem berühmten Mirakel- und Wallfahrtort, wo sein Vater Licentiat der Medicin war. Der Vater gab dem Sohne eine sorgfältige Vorbildung und zugleich Anleitung, auf der eigenen wissenschaftlichen Bahn fortzuschreiten, wozu eine gute Sammlung der in jener Zeit bedeutendsten ärztlichen Schriften trefflich diente. Mit der Arzneikunde war damals das Studium der Physik und Alchymie auf das innigste verknüpft; eine reine Medicin und eine reine Chemie gab es noch nicht; die gelehrtesten Aerzte des Mittelalters huldigten als Söhne ihrer Zeit den sogenannten geheimen Wissenschaften und suchten das Wesen der Natur und alles erschaffenen durch erstere zu erforschen. Als der Sohn vom Vater nichts mehr lernen konnte, soll ersterer den Unterricht des berühmten freilich halbmythischen Basilius Valentinus empfangen und von diesem die Kunst erlernt haben, den Stein der Weisen zu bereiten. Sicherer ist, daß Trithemius und Sigismund Fugger Paracelsus unterwiesen, worauf er ein Wanderleben begann, und – seine Kunst übend und dabei fortlernend – ganz Europa, wie Theile Asiens und Afrikas durchzog. Daß diese Reisen für den hellen Kopf des Kunstjüngers nicht ohne Frucht und nicht ohne die Schätze reicher Erfahrung blieben, daß er für sein Wissen ungleich mehr gewann, als wenn er geeilt hätte, sich nach dem Studium weniger Jahre behaglich in irgend einem Ort den häuslichen Heerd zu gründen, ist außer Zweifel, und der Spruch: »Kenntniß ist Macht«, bewährte sich bei Paracelsus in glänzender Weise. Die berühmtesten Aerzte der damals bekannten Welt hatte der junge Priester des Heilgottes aufgesucht [Ξ] und von ihnen gelernt; wundersame Heilmittel des Orients hatte er gesammelt, manches Geheimniß erlauscht oder erkauft, und so ausgerüstet kehrte er mit 28 Jahren nach der Heimath zurück und schlug nun in Basel seinen Wohnsitz auf, wurde Magister und Professor der Medicin und lehrte an der dortigen Hochschule, nebenbei erwarb er sich bald Ruf und Ansehen durch die glücklichsten Kuren selbst verzweifelter Krankheiten. Das weckte naturgemäß den Neid seiner ärztlichen Kollegen. Paracelsus mußte verschrieen werden und ward es lege artis. Er lebte gut und glänzend, folglich mußte er Gold machen können, den Stein der Weisen besitzen; er vollbrachte Wundercuren, folglich mußte er ein Teufelsbündner sein. Er wußte in seinen Vorträgen tausend neue vorher unbekannte Heilmittel zu nennen, mancher Krankheit neue Namen zu geben, Worte zu gebrauchen, die man vorher noch nicht vernommen; folglich mußte sein Latein barbarisch sein und insofern, daß der Wortschatz der alten Klassiker ihm nicht ausreichte, ist es freilich barbarisch. Den schlimmsten Verstoß gegen den Schlendrian des Herkömmlichen beging aber Paracelsus dadurch, daß er begann, seine Vorträge in deutscher Sprache zu halten, das war kaum erhört und erschien ganz unverzeihlich. Endlich fand sich ein Anlaß, den Verhaßten aus Basel fortzubringen. Ein Kanonikus, Cornelius von Lichtenberg, lag, von allen Aerzten aufgegeben, am Tode und verhieß dem Retter und Helfer 100 Goldgulden. Paracelsus gab ihm nur drei vergoldete Pillen, und jener genaß. Karg und undankbar weigerte der Genesene die verheißene Belohnung, und auch die Richter sprachen sie dem großen Heilkünstler ab. Da schüttelte Paracelsus den Staub von Basel von seinen Schuhen, wandte sich in das Elsaß, durchzog auf mancher Wanderung Süddeutschland, verkehrte viel mit dem Volke, half ihm und lernte von ihm, und weil er dieses Volk nicht in den Prunksälen der Großen fand, so erwuchs ihm der Vorwurf, daß er in Schänken sich umhertreibe und viel zeche, ja es ward ihm Schuld gegeben, daß er seinem Famulus Johann Oporin seine Werke im Rausche dictirt habe. Freilich vielleicht im Rausche, aber nicht im gemeinen, sondern in der Göttertrunkenheit mystischer, übersinnlicher Anschauungen, innerer Offenbarungen, welche der große Haufe nicht verstand, noch weniger zu würdigen verstand. Ein Trunkenbold schreibt nicht, wie Paracelsus gethan, so viele Schriften und gelehrte Abhandlungen aus dem mannichfachen Gebiete der Philosophie, Arzneiwissenschaft, Staatswissenschaft, Mathematik und spagyrischen Weisheit – als ein Jahr Tage zählt – ein gemeiner Trunkenbold sieht nicht, wie Paracelsus sah, gleich ahnungsvoll und weise im großen Kosmos des Alls die wirkende, lebende Seele der Gottheit im ewigen Schaffen thätig. Wessen vom Genius tieferer Forschung wach geküßtes Auge es vermag, in Paracelsus dunkeln, vom Nebelwust alchymistisch-kabbalistisch-theosophisch-astrologischer Wundersprache umhüllten Schriften zwischen den Zeilen zu lesen, der wird den Geist klar erkennen, den drei Jahrhunderte verkannt haben. Paracelsus beschloß sein merkwürdiges Leben in Salzburg; dort, wie in Wien, gehen noch Sagen von ihm im Volke, dort schmückt sein Bildniß noch das Haus, wo er wohnte, dort wird noch sein Schädel gezeigt. Er, der so lange ruhelos umher gepilgert, fand die Ruhestätte auf dem Kirchhofe des St. Sebastian-Hospitals. Der Erzbischof selbst ließ ihm ein ehrendes Denkmal errichten, das seine Wissenschaft als Arzt rühmte, wie seine Wohlthätigkeit gegen die Armen. Außer seinen in 3 Folianten gesammelten Werken hat man von Paracelsus auch Medaillen mit Zauberquadraten und Planetenbildern, die allzumal auf höheres, als aus einen Quacksalber hindeuten. Ob er selbst sich den langen seltsamen Namen beilegte, und warum er Bombast von Hohenheim genannt ward, ist dunkel, bekannt aber, daß schwülstige Sprech- und Schreibweise nach ihm mit dem Ausdruck Bombast bezeichnet wurde. Sein Leben und seine Lehren geben viele Räthsel auf; vielleicht findet sich einst der Kundige, der sie befriedigend löst.