Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Paul Eber

Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Paul Eber
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 85–86
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Paul Eber.
Geb. d. 11. Nov. 1511, gest. d. 10. Dez. 1569.


Paul Eber erwarb sich Anerkennung, Ruhm und Ehre als Schüler, als Freund, wie als Amtsgenosse der Reformatoren und um die Wittenberger Kirche, der er in den letzten Jahren seiner Wirksamkeit vorstand, große und namhafte Verdienste. Er wurde in dem Mainstädtchen Kitzingen geboren; der Vater war ein ehrsamer Schneider, der seinen Knaben zuerst die heimathliche Schule besuchen ließ und ihn dann im zwölften Jahre auf die Schule nach Ansbach brachte. Dort erkrankte Eber, mußte nach Hause reisen und hatte das Unglück, von einem wilden Pferde, das er auf dieser Reise aus Ermüdung bestieg, abgeworfen und fast eine halbe Stunde lang elendiglich geschleift zu werden; er kam mit dem Leben davon, behielt aber als traurige Folge dieses Unheils eine entstellte und gebrechliche Gestalt. Eber hielt sich nun nothgedrungen wieder im älterlichen Hause auf, erlebte dort die Schrecken des Bauernkriegs mit und begleitete 1525 seinen Vater nach Nürnberg, wo er das neu errichtete Gymnasium, die Lorenzer Schule bezog, die Melanchthon eingeweiht hatte und an welcher Camerarius, Eoban Heß, Roting und andere wirkten. Eber wurde seinen gefeierten Lehrern bald lieb und konnte mit den besten Zeugnissen im Jahre 1532 auf die Hochschule Wittenberg entlassen werden. Dort saß er nun, um Philosophie und Theologie zu studiren, freudig zu Luther’s und Melanchthon’s Füßen, und lernte so lange, bis er selbst zu lehren begann, wie denn in jener Zeit lernen und lehren oft lebenslänglich Hand in Hand gingen. In dem herrlichen Kreise bewunderter geistiger Größen, den die damalige Professorenwelt Wittenbergs bildete und in welchem neben den schon genannten noch Bugenhagen, Jonas, Cruciger, Forster glänzten, wie im Kreise von Alters- und Studiengenossen, die sich nicht minder, wie Eber selbst, berühmte Namen schufen: Matthesius, Georg Major, Stiegel und andere – wurde es dem begabten Eber nicht schwer, zumal Melanchthon ihn mit voller auszeichnender Gunst beehrte, sich selbst eine geeignete und erwünschte Stellung zu erringen. Nach vierjährigen Studien erwarb Eber den philosophischen Magistergrad, trat als akademischer Lehrer in Wittenberg auf, und wurde Melanchthon’s vertrautester Freund. [Ξ] Insgemein wird Eber als Melanchthon’s Famulus genannt; das war er vielleicht auch als Studirender eine Zeitlang, aber dieses Verhältniß akademischer Dienstbarkeit hob ihn bald auf eine ungleich edlere und höhere Stufe. Alle Geheimnisse vertraute Melanchthon unbedenklich seinem Eber an, und durfte dieß mit getroster Zuversicht thun; oft mußte Eber für ihn schreiben, und bald wurde er Melanchthon’s rechte Hand, bald Philippi repertorium genannt. In Leid und Kummer tröstete Eber’s Freundestreue den oft schwer gekränkten Melanchthon, und sein Zuspruch erhob ihn über die erfahrenen Unbilden. Als Melanchthon in bedrohlicher Zeit von Wittenberg nach Zerbst geflüchtet war, blieb Eber zurück und verwaltete des Freundes Hauswesen. Aber auch Luther schätzte Eber überaus hoch und sprach einst zu ihm: »Du wirst Paulus gerufen, darum vermahne ich Dich, daß Du nach Pauli Beispiel strebest, beständig die Lehre aufrecht zu erhalten und zu schützen, welche Paulus überliefert hat«. Melanchthon war es auch, der Eber eine Lebensgefährtin, Helena Kuffner aus Leipzig, zuführte, mit der der letztere in glücklicher Ehe und mit Kindern reich gesegnet lebte. Im Jahre 1544 wurde Eber Professor der Grammatik, und las nächst dieser über mehrere griechische und römische Klassiker, über Physik  u.s.w. Im Jahre 1550 war er Decan der philosophischen Facultät und kündigte ein Magister-Examen in lateinischen Distichen an. Doch war Eber nicht blos befähigt, in lateinischer Sprache der Poesie zu huldigen, auch als geistlicher Liederdichter zeichnete er sich aus und vermehrte in entsprechendster Weise den Liederschatz der evangelischen Kirche; zwar nicht der Zahl, wohl aber dem Gehalte nach sind seine Lieder bedeutend, und es genüge, hier nur das bekannte Trostlied: »Wenn wir in höchsten Nöthen seyn« anzuführen. Als im Jahre 1556 Dr. Johann Förster, der Reformator eines guten Theils des nordöstlichen Frankenlandes und der Grafschaft Henneberg, gestorben war, welcher Prediger an der Hofkirche zu Wittenberg und Professor der Theologie und hebräischen Sprache gewesen, schlug die Universität dem Kurfürsten August – Eber zu Förster’s Nachfolger vor, und der Kurfürst bestätigte gern den Vorgeschlagenen, der aber bald von der Stelle eines Schloßpredigers, welcher nur Sonntags und Mittwochs zu predigen hatte, zum Amte eines Stadtpfarrers und General-Superintendenten ernannt wurde, und sonach die höchste geistliche Würde im Kurstaate Sachsen erlangte. Mit tiefem Schmerz erfüllte Eber der 1560 erfolgte Tod seines geliebten Melanchthon, der ihm bis zum Grabesrande ein treuer Freund geblieben war. Eber lebte und lehrte mit Eifer und Thatkraft; seinem wichtigen Amte mit voller Hingabe treu, war er auch als geistlicher Schriftsteller thätig, schrieb eine »Geschichte des jüdischen Volkes«, einen »historischen Kalender«, gab in Verbindung mit Peucer eine »kleine Naturgeschichte« heraus, und wurde als Liederdichter völlig volksthümlich, was daraus erhellt, daß – was vielleicht nicht allgemein bekannt sein dürfte – die Bettler in den ostfränkischen Gauen, gewohnt, mit längern oder kürzern Gebeten vor den Thüren oder in Häusern das Mitleid anzuflehen, nichts so häufig herbeten, als aus Ebert’s Lied »In Christi Wunden schlaf ich ein« die Stelle:

Christi Blut und Gerechtigkeit
Ist mein Schmuck und Ehrenkleid.
Damit will ich vor Gott bestehn.
Wenn ich zum Himmel werd’ eingehn.

In den theologischen Streitigkeiten, an denen die Zeit, in welcher Eber amtlich wirkte, so überreich war, zeigte er sich zunächst als abgesagter Gegner des Interims, litt im Stillen mit seinem Melanchthon über die diesem und auch ihm selbst gemachten Beschuldigungen, und neigte sich im Abendmahlsstreit wohl innerlich zu dem Zwingli’schen Bekenntniß hin, vermied indeß, als Kämpfer im Für und Wider aufzutreten, zeigte vielmehr die schöne und edle Mäßigung seinen bis in den Tod geliebten Meisters Melanchthon, und konnte keine Freude an dem zur Schlichtung der adiaphoristischen und synergistischen Streitigkeiten angeordneten Kolloquium zu Altenburg (1563) haben. Die Mehrzahl dieser Kolloquien trug das Stigma der ganzen deutschen endlosen Schwatzsucht, Rechthaberei, hartnäckiger Einseitigkeit der verschiedenartigsten Meinungen und des Hervortretens jugendlicher höchst anmaßender Persönlichkeiten an der Stirne, die noch durch alle Jahrhunderte dahin gestrebt und gewirkt haben, Eintracht nie aufkommen zu lassen, wie die deutsche Geschichte in alter, neuer und neuester Zeit in schlagenden Beispielen gelehrt hat. Die leidige unversöhnliche Rechthaberei aller theologischen Parteien verkümmerte und trübte Eber’s Dasein, kränkte ihn tief, indem eine Anzahl der streitenden Theologen ihn für unwürdig der Theilnahme an den beiden Sakramenten erklärt hatte. Dieß und schweres Hauskreuz, was ihm zu tragen auferlegt war, zehrten die Lebenskraft des ohnehin schwächlichen Mannes bald auf, dessen Andenken aber in hohen Ehren bei der dankbaren Nachwelt fortblüht.