Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Max. Julius Leopold
Ein edler Fürst, dessen Seelengüte und aufopfernde
Menschenliebe ihm das dankbare Andenken der Nachwelt
dauernd gesichert haben. Herzog Leopold von
Braunschweig war der jüngste Prinz des Herzog Karl
und der Herzogin Charlotte von Braunschweig, einer
königl. preußischen Prinzessin, und wurde zu Wolfenbüttel
geboren. Der junge Prinz zeichnete sich schon
als Knabe durch Liebenswürdigkeit aus und empfing
die sorgfältigste Erziehung, so daß er zu den schönsten
Hoffnungen berechtigte. Diese Erziehung leitete vorzugsweise
der berühmte Abt Jerusalem, der Religionslehrer
des Prinzen, welcher auch dessen bei der Konfirmation
abgelegtes Glaubensbekenntniß durch den Druck
veröffentlichte. Wissenschaftliche Studien und belehrende
Reisen vollendeten die Erziehung des Prinzen, welcher
sich auf einer dieser Reisen zu seinem mütterlichen
Oheim König Friedrich II. begab und den Revuen in
Schlesien beiwohnte. Dort war er Zeuge des Besuches,
welchen der junge Kaiser Joseph II. dem großen
Preußenkönige machte; später verweilte der Prinz auf
der in jener Zeit von deutschen Fürstensöhnen zahlreich
besuchten Universität Straßburg, wo Kriegswissenschaft
in Verbindung mit den Künsten der höheren Geselligkeit,
der Unterricht in der französischen Sprache und
die Tanzkunst die wichtigsten Bildungsmittel der bevorzugten
Stände abgaben und mit Vorliebe gepflegt
wurden. Nach einer Reise durch mehrere Provinzen
Frankreichs kehrte Prinz Leopold im Mai 1772 nach
Braunschweig zurück und trat 1775 eine abermalige
Reise nach Italien an, auf welcher ihm der kenntnißreiche
Lessing als Begleiter und Geleiter in die Sphäre
des Kunstschönen und der Antike diente. Auf dieser
Reise legte der junge Herzogsohn den Grund zu der
Vorliebe für Kunst und Wissenschaft, die ihn in seinem
nachherigen Leben dauernd beseelte, während zugleich
andererseits das Streben des Prinzen, die Bekanntschaft
berühmter und durch Wissenschaft wie durch Edelsinn
ausgezeichneter Personen zu machen, die vollste Befriedigung
fand.
Nach der Rückkehr in die deutsche Heimath übernahm Prinz Leopold das ihm von seinem Oheim bereits früher übergebene preußische Regiment, welches [Ξ] sein Standquartier zu Frankfurt an der Oder hatte, und indem er sich 1776 an dessen Spitze stellte, strebte er dahin, durch geeignete Thätigkeit eine ihm und seiner Abkunft ziemende Stellung einzunehmen und eine Laufbahn zu verfolgen, die ihm volle Beschäftigung, Ehre und Auszeichnung bot.
Ebenso in einem kriegerisch bewegten Leben, als in der Muße, die das Standquartier gewährte, blieb Prinz Leopold sich gleich in der Liebe zu den Wissenschaften, in edler Denkart und in einer Herzen gewinnenden Menschenfreundlichkeit. Die höchste Einfachheit seiner Lebensweise bot ihm die Mittel zu unbegrenzter Wohlthätigkeit, die er nach vielen Richtungen hin bethätigte; dabei zeichnete ihn aber auch jede Tugend des Militairs aus, vor allen Muth und persönliche Tapferkeit.
In den Jahren 1778 u. 1779 machte Prinz Leopold unter dem Oberbefehl des Prinzen Heinrich von Preußen den Feldzug nach Sachsen und Böhmen gegen Oesterreich an der Spitze seines Regimentes mit, fehlte bei keinem Gefecht und drang oft muthvoll weiter vor, als nöthig und aus strategischen Gründen anrathsam war. Nach erfolgter Rückkehr nach Frankfurt a. O. fuhr Prinz Leopold fort, durch seinen Wohlthätigkeitssinn, seine Humanität und die Biederkeit seines Wesens sich die Liebe aller Menschen zu gewinnen. Er ließ arme und verwaiste Kinder erziehen, ließ sie Handwerke erlernen, suchte häufig Hülfebedürftige persönlich auf, um sich von deren Lage zu überzeugen und zu sehen, wie am wirksamsten zu helfen sei, und scheute selbst nicht persönliche Gefahr, wenn es galt, bei Bränden oder bei den so häufigen Austritten der Oder bedrohtes Menschenleben oder Eigenthum retten zu helfen. So dankte namentlich im Jahre 1780 Frankfurt bei einer großen Ueberfluthung der Thätigkeit und Geistesgegenwart des Prinzen Leopold von Braunschweig fast ausschließlich die Rettung vom Untergange, indem der Prinz durch die anhaltendste und angestrengteste persönliche Thätigkeit und durch sein kühn vorangehendes Beispiel den Durchbruch eines Dammes verhinderte.
Eine solche Ueberschwemmung der Oder sollte leider einem so edlen und würdigen Dasein das irdische Ziel bereiten; sie erfolgte im April 1785 und setzte eine Vorstadt Frankfurts fast ganz unter Wasser. Der Hülferuf der Bewohner jener von den Wogen umrauschten Häuser drang schauerlich durch das Brausen der Fluth; der Prinz bestieg einen Kahn und ruderte allein nach einem der am meisten bedrohten Häuser, die Warnungen und flehenden Bitten seiner Umgebung, sich nicht in das drohende Verderben zu stürzen, mit kühner Todesverachtung überhörend. Schon war der Prinz jenem Hause in seinem Kahne nahe, da stieß der letztere mit Heftigkeit an einen schon überflutheten Weidenstamm und schlug in Folge dieses Anpralles und des entgegen kommenden Wogenschwalles um. Ein Schrei des Entsetzens erscholl vom Strande, wie die wirbelnde Fluth den edlen Prinzen mit sich fortriß und dann verschlang. Erst sechs Tage nach dem Unglück wurde die fürstliche Leiche gefunden. Nicht nur ganz Frankfurt, ganz Deutschland betrauerte den Opfer Tod des heldenmüthigen Prinzen, und Bildnisse sowie ein ihm in Frankfurt a. O. errichtetes Denkmal überlieferten der Nachwelt seinen Namen mit dem ehrenden Schmuckwort: der Menschenfreund.