Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Ludwig Michael von Schwanthaler

Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Ludwig Michael von Schwanthaler
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 335–336
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Ludwig Michael von Schwanthaler.
Geb. d. 26. Aug. 1802, gest. d. 14. Novbr. 1848.


Einer der vollendetsten deutschen Bildhauer, die je gelebt, ein Künstler, der seinen Ruhm durch eine Fülle allbewunderter Werke begründete, und in der Großartigkeit seiner größeren Bildwerke nicht minder unerreicht dasteht, als in der Lieblichkeit und klassischen Vollendung der kleinern Bildwerke, die der Stolz zahlreicher Sammlungen sind.

Schwanthaler wurde zu München geboren, Sohn des Bildhauers Franz Schwanthaler und überhaupt Abkömmling einer Bildhauerfamilie. Von dem Kunstfleiße des Vaters und des mit diesem gemeinschaftlich arbeitenden Oheims, Anton Schwanthaler geben in München noch zahlreiche Arbeiten, Bildsäulen, Ornamente dgl. an öffentlichen Gebäuden, Denkmäler auf dem Friedhof u. a. rühmlich Zeugniß, und so trat schon bei der Geburt der Sohn in eine durch bedachten Fleiß und sorgsame Studien geweihte Werkstätte, in der ihm der Weg bereitet war, den er erst mit Künstlerfleiß wandeln, dann ihn mit dem Fluge des Genius durchmessen sollte. Der junge Schwanthaler besuchte die Münchener Kunst-Akademie, und verrieth ebenso sehr ein ausgezeichnetes Talent, als die Neigung, seinen eigenen Weg zu gehen. Schon seine erste bedeutendere Arbeit, in Reliefs für ein Tafelservice des Königs Maximilian von Bayern bestehend, erregte viel Aussehen, später erhielt er von Cornelius und Klenze Aufträge für die Glyptothek, und ging 1826 nach Rom, wo er unter Thorwaldsen sich fortbildete, aber 1827 wieder nach München zurückkehrte, da ihm das Clima in Rom nicht zusagte. Schwanthaler begann nun die Arbeiten für die Glyptothek, mythologische Reliefs, die Cornelius gefeierten Gemälden entsprechen, und antike Göttergestalten. In dieser Periode von Schwanthalers Künstlerleben entstand auch der Bacchuszug, ein 150 Fuß langer und 8 Fuß 8 Zoll hoher Fries im Palais des Herzogs Max von Bayern, und die großen Reiterreliefs in der fürstl. Thurn und Taxischen neuen Reitschule zu Regensburg.

Noch einmal ging Schwanthaler 1822 nach Rom, verweilte diesesmal zwei Jahre dort, mit Thorwaldsen eng befreundet, und sah sich durch den kunstsinnigen König Ludwig auf das ehrenvollste gefördert, gehoben [Ξ] und anerkannt, der ihn nach der Rückkehr von Rom, wo er mehreres für die Walhalla entwarf und ausführte, im Jahre 1835 zum Professor an der Akademie der Künste in München ernannte, und wo Schwanthaler als Haupt und Meister einer Künstlerschule glänzte, welche nächst ihm der deutschen Bildnerkunst zu ehrenvollen Stützen dient. Ein besonderer Grundzug im Wesen und im schöpferischen Walten Schwanthalers war der, daß er fern von aller Einseitigkeit nicht blos der antiken Kunst nachstrebte und ihr huldigte, sondern mit gleicher Liebe und geschichtlicher Treue auch die mittelalterliche Kunst wieder hob, und von einem eigenthümlich deutschromantischen Sinne beseelt war, der ihn Gebilde hervorrufen ließ, die groß, ideal, formvollendet und doch voll einfacher Wahrheit und Treue vor den Blick des Beschauers treten. Es gelang ihm eben alles, was er begann, und jedes Werk trug den Stempel der Hand eines allseits durchbildeten Genius. Zahllos ist die Menge der Kunstwerke, welche aus Schwanthalers Atelier hervorgegangen sind; wäre nicht schon jetzt Sorge getragen, sie zu verzeichnen, so würde die spätere Nachwelt ebenso an der Aechtheit aller zweifeln, wie wir nicht begreifen, wo Dürer die Zeit hernahm zu der überreichen Mannigfaltigkeit seiner Schöpfungen. Schwanthaler schmückte, wie schon gesagt, die Glyptothek mit Reliefs und Figuren, er schmückte mit seinen Schülern und Jüngern die Pinakothek mit Maler-Statuen; er schuf dem Königsbau seine bedeutendsten Zierden, Götter und Heroengestalten, mythologische Kreise und Gruppen; er verkörperte die Ideen- und Gestaltenwelt der klassischen Dichter von Hellas, des Orpheus, des Hesiod, Pindars und Homers, des Sophokles und des Aristophanes; den Saalbau zierte er mit einem 266 Fuß langen und 4½ Fuß hohen Fries aus dem Leben Kaiser Friedrich Barbarossa’s, wie mit den 12 ehernen Standbildern der Wittelsbacher, jedes 16 Fuß hoch und massiv vergoldet. An der Walhalla prangen Schwanthalers Reliefs, allegorische Verherrlichungen von Deutschlands Ruhm und Größe, Nationalität und Siegeshoheit. Das neue Ausstellungsgebäude zu München erhielt von Schwanthaler seinen Ausschmuck mit Allegorien auf das Wiederaufblühen der bayrischen vaterländischen Künste. Schwanthaler schuf für die Ruhmeshalle bei München die colossale Bildsäule der Bavaria, gegossen von Stiglmayer und Miller, das größte gegossene Erzbild in Deutschland, 54 Fuß hoch, denn der Herkules auf Wilhelmshöhe ist nur aus getriebenem Kupfer geschmiedet.

Zahlreiche Statuen und Denkmale in Erz und Marmor reihen sich diesen Arbeiten an, Mozart für Salzburg, der Großherzog Carl Friedrich von Baden für Carlsruhe, der Großherzog Ludwig zu Hessen für Darmstadt, Goethe für Frankfurt a. M., Jean Paul Friedrich Richter für Bayreuth, Markgraf Friedrich Alexander von Brandenburg für Erlangen; Tilly und Wrede für die Feldherrenhalle in München und noch viele andere, theils für Bayern, theils für das Ausland; ebenso ein schöner, reich mit allegorischen Figuren verzierter Brunnen für Wien. Auch das Denkmal für den Bau des Donau-Mainkanals wurde nach kleinern Modellen Schwanthalers ausgeführt. Dazu kommt noch eine Fülle kleiner, feiner, zart ausgeführter Kabinetsstücke, ebenso Büsten, wie auch Zeichnungen und Modelle, nach denen andern Künstlern die Ausführungen zu liefern überlassen blieb.

Aeußere Ehren strömten von nahe und fern auf den großen Künstler ein, Titel, Orden, Ehrenbürgerschäften – aber er blieb der er war, eine ächt deutsche und höchstgemüthliche Künstlernatur, dessen Lebensglück nur in den spätern Jahren anhaltendes Siechthum verbitterte. Zu seiner Zerstreuung und Erholung gewann er einen alten Ruinenthurm im Isarthale und baute und schmückte diesen deutschmittelalterlich aus, lebte und schwärmte sich in die deutsche Romantik sinnig und innig hinein. Gleichen Sinnes in dieser Beziehung war mit ihm ein treu verbundener Freund, der auch heimgegangene Geschichtenmaler Wilhelm Lindenschmit aus Mainz, der lange in München lebte und noch einige auserkorene Bundesgenossen.

Mit allen unverwelklichen Ruhmeskränzen bedeckt fand und führte den hohen deutschen Künstlergenius der stille Genius hinab zu den Schatten.