Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Conrad Eckhof
Zum Vater, Begründer und Bildner der neuern deutschen Schauspielkunst – selbst, wie diese, aus ärmlichen und beschränkten Verhältnissen hervorgegangen,
war Eckhof berufen. Er wurde zu Hamburg geboren, sein Vater bekleidete den Posten eines Stadtsoldaten, und versah das Geschäft des Lampenputzers und Theaterdieners
bei der Schinemann’schen Bühne. Da lernte nun freilich frühzeitig genug der Knabe Eckhof die Welt hinter den Coulissen praktisch kennen, doch fesselte sie ihn damals noch nicht. Erst später wob sich um ihn das magnetische Band, das selten einen, und am
wenigsten die begabten, aus seinem Banne läßt.
Der Knabe lernte lesen und schreiben, und konnte ziemlich frühzeitig die Stelle eines Postschreibers bei einem schwedischen Postkommissar versehen, den das Glück später bis zum Gesandten in Hamburg emporsteigen ließ. Einem Scribenten Lakaiendienste anzusinnen, war in jener Zeit gar nichts unerhörtes, und so sollte auch der junge Eckhof Sonntags, wenn die Frau Postkommissarin zur Kirche fuhr, hinten auf stehen. Er that es einmal und nie wieder; er verließ seinen Dienst und schritt weiter vor in der Schule des Lebens; er wurde noch einmal Schreiber – bei einem Advokaten in Schwerin. Dieser Prinzipal war kein trockener juristischer Aktenwurm, der Justinian stand ihm nicht über allen Musen und Gracien; er besaß eine treffliche schönwissenschaftliche, zum Theil theatralische Büchersammlung, deren Benutzung der Schreiber sich mit erfreuen durfte. Da weckten Funken Flammen, die Jugenderinnerung lockte mächtig, und Schönemann – spielte mit seiner Gesellschaft in Schwerin. Ihm schloß Eckhof sich an, folgte ihm, trat 1740 zum erstenmale in Lüneburg auf, und blieb Schönemann siebzehn und ein halbes Jahr treu verbunden, in welcher Zeit sein angeborenes Talent zum Genie sich verklärte und ernstes redliches Studium dem Genie die gediegene künstlerische Grundlage gab, durch die allein es möglich ist, auf die Dauer großes zu leisten und dem flüchtigen Kranze des Mimen Unverwelklichkeit zu verleihen.
Durch sein bewegtes Künstlerleben, das, in das einzelne zu schildern, den Umfang von Büchern erfordert, [Ξ] begleiteten Eckhof stets hohe Tugenden des Menschen, hohe Eigenschaften des Künstlers. Mit den körperlichen Mitteln hatte Mutter Natur Eckhof nur stiefmütterlich bedacht, ausgenommen das gewaltige, füllreiche und doch wieder milde, hinreissende Organ. Eckhofs Leibesgestalt war klein, der Bau seiner Füße unschön, die Schultern waren hoch, seine Haltung außer der Bühne nachlässig, schlotterig, aber auf der Bühne – da war an ihm nichts von allen diesen Gebrechlichkeiten und Nachlässigkeiten erkennbar. Die Gestalt abgerechnet, wurde Eckhof der Roscius der deutschen Bühne.
Eckhof war ohne alle Ansprüche, liebevoll, gefällig, wohlthätig, voll Ordnungsliebe, voll Redlichkeit, voll ächter Humanität und Religiosität; er war es, der den Stand eines deutschen Schauspielers durch seinen makellosen Wandel, durch die hohe Gediegenheit seines Charakters auch in gesellschaftlicher Beziehung auf eine Stufe der Ehre hob, die jener früher noch nicht einnahm. Als Künstler, als Mimiker, wie als Redner hatte noch keiner so gespielt wie Eckhof; so naturtreu, so hingebend an den Dichter, so zu den Gefühlen sprechend, so erheiternd, so erschütternd; denn er war gleich groß als Tragöde wie als Komiker, im Konversationsstück wie in der Posse.
Es ist überall bei allen, die über Eckhof geschrieben haben, nur eine Stimme des Lobes und der unbegrenzten Anerkennung. Er war, sobald er heraustrat auf die weltbedeutenden Bretter, nicht mehr der Schauspieler Eckhof – er war ganz der Mann des Charakters, den er darstellte, er spielte diesen nicht, er lebte ihn, darin bestand vor allen seine Größe.
Eckhof war selbst Schauspieldichter und schrieb als Dramaturg über die Bühne. Seine Stücke sind verklungen, sie sind es nicht, die seinen Namen unsterblich machen, darin allein hat sein Nachfolger Iffland ihn überflügelt. Aber in Darstellungen seiner Rollen verlieh Eckhof selbst der Tirade des Dichters Reiz, und verschönte die Alltagsrede, ohne aber zu predigen und zu deklamiren, nein, auch bei ihm war Ausdruck und Gefühl alles, „Name war Schall und Rauch, umnebelnd Himmelsgluth“ – wie Goethe’s Faust bei Erwähnung des erhabensten Gedankens sagt. Von Lessing wurde Eckhof auf das freudigste anerkannt.
Die bedeutendste Wirksamkeit Eckhofs entfaltete sich nächst der Schönemann’schen Bühne auf der von Franz Schuch, zu jener Zeit eine der besten in Deutschland, der von Koch in Lübeck, dem Eckhof nach Schönemann’s Tode dessen Gesellschaft zuführte, woraus 1764 Eckhof zu Ackermann nach Hamburg kam, dann 1769 bei Seyler in Hannover Engagement nahm. Im Jahr 1775 that sich ihm ein Hafen, nicht für träge Ruhe, sondern für energisches gesichertes Wirken auf, er wurde Mitdirektor der Sachsen-Gothaischen Hofbühne, die er, jede anderweite Lockung ausschlagend, nur zu Gastspiel in Weimar verließ. In Gotha vor allem lebt sein Andenken gefeiert fort, dort ist sein Grab. Der Geist im Hamlet war seine letzte Rolle, der Zuruf: „Gedenke meiner!“ – sein letztes Bühnenwort. Er blickte ruhig dem Tod ins Antlitz und starb sanft und ergeben, wenige Monden nach seinem letzten Auftreten. Höchst ehrenvoll war sein Leichenbegängnis. Er war Mitglied der Freimaurerloge Ernst zum Compaß in Gotha gewesen, die Loge veranstaltete seine Beerdigung mit entsprechender Feierlichkeit. Ein Baum beschattet sein Grab, ein einfacher Denkstein schmückt es.