Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Caspar Schwenkfeld von Ossigk

Textdaten
<<< >>>
Autor: Ludwig Bechstein
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Caspar Schwenkfeld von Ossigk
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 339–340
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[Ξ]


Caspar Schwenkfeld von Ossigk.
Geb. d. 1490, gest. d. 10. Dez. 1561.


Ein frommer Eiferer, männlich festhaltend am einmal in Wort und Lehre, Glauben und Offenbarung für wahr erkannten, dabei kühnen reformatorischen Geistes – stand Schwenkfeld achtunggebietend unter den Zeitgenossen, und schaarte um sich zahlreiche ihm treu anhängliche Bekenner seiner Lehren.

Schwenkfeld war Abkömmling einer altadeligen Familie, und wurde auf seinem Rittersitz Ossigk, eine Stunde von Lüben im Herzogthum Liegnitz, geboren. Er erhielt die Erziehung eines Junkers und studirte zu Cöln, besuchte auch noch andere Hochschulen, dann lebte er an mehreren Fürstenhöfen als Kavalier, lernte als solcher noch griechisch und warf sich, als die reformatorischen Bewegungen in Sachsen und in der Schweiz begannen, auf das Studium der Kirchenväter, um aus den Quellen zu schöpfen. Er nahm am St. Johannescollegium zu Liegnitz ein Canonicat an, und folgte mit Begeisterung dem Aufschwung Luther’s und der Verbreitung von dessen Lehren, wobei aber sein selbstdenken, denn er wollte nicht blindgläubiger Nachbeter sein, ihn in das gefährliche Gebiet religiöser Schwärmerei und Ueberspannung verlockte. Als Canonicus neigte er sich noch völlig zu Luther s Lehre und widmete dem Bischof von Breslau, Johann von Salza, eine Schrift, in welcher er diesen aufforderte, sich ebenfalls der geläuterten Lehre zuzuwenden und diese einzuführen. Eine andere Schrift eignete Schwenkfeld dem ihm gütevoll gesinnten Herzog Friedrich von Liegnitz zu, in welcher er sich über den Mißbrauch des Evangeliums aussprach, aber dadurch manchen Anstoß erregte. Der Bischof von Breslau zumal hatte nicht die mindeste Neigung, die Reformation einzuführen, und that feindliche Schritte gegen den Mann, welcher selbst so große Neigung zeigte, auf eigene Hand der Reformator Schlesiens werden zu wollen. Der Herzog von Liegnitz war weniger abgeneigt, auf eine Kirchenverbesserung in seinem Lande einzugehen, wie der Bischof von Breslau; da aber Schwenkfeld’s Meinungen, namentlich in der Abendmahlslehre von jener Luther’s und der Wittenberger Theologen merklich abwichen, so veranlaßte der Herzog Schwenkfeld, sich mit Luther selbst zu besprechen. Diese Unterredung fand im Jahre 1525 [Ξ] am Freitag nach Andreä in Wittenberg wirklich statt, Bugenhagen wohnte derselben als Zeuge bei, aber es konnte keine Einigung stattfinden, denn die Glaubenssätze Schwenkfeld’s, welcher, gleich Zwingli, die leibliche Gegenwart Christi im Abendmahl verwarf, die Einsetzungsworte mithin anders deutete, Leib und Blut nur sinnbildlich nahm, das Wort der heiligen Schrift der Inspiration (göttlichen Eingebung) unterordnete, und auf die äußerste Frömmigkeit der im Glauben Wiedergeborenen drang, den Mangel der Frömmigkeit hingegen in unrichtigen Glaubenslehren der Reformatoren zu finden glaubte, – standen zu Luthers Ansichten im strengen Widerspruch. Da nun Schwenkfeld dennoch auf seinen, von der katholischen wie von der protestantischen Seite für irrig und verwerflich erklärten Meinungen und Lehrsätzen beharrte, so mußte er 1527 Schlesien räumen, nachdem er bereits im Lande großen Anhang gewonnen hatte, und seine allerdings gefährlichen Neuerungen: Unterlassung der Kindertaufe, die er verwarf, und der Abendmahlsfeier, die er zwar als nützlich, aber nicht für nothwendig erklärte, Boden faßten. Denn wirklich bildeten sich Gemeinden, die aus der Mutterkirche ausschieden und Schwenkfeld’s Lehren folgten.

Die Lehren Schwenkfeld’s, welche Melanchton auf der Theologen-Versammlung zu Schmalkalden im Jahre 1540 in einem Gutachten widerlegte, waren in Kürze diese: Die Bibel sei Zeugniß vom Worte und Geiste Gottes, nicht selbst Gottes Wort. Christus in uns sei allein das lebendige Gotteswort. Predigt und Sakramentfeier helfe nicht ausschließlich zur Seligkeit. Wahrer Priester sei nur der vom Geist Gottes unmittelbar erleuchtete; jeder wahrhaft Fromme könne daher, wenn der Geist ihn ergreife, Priester und Prediger sein. Der Gnadengeist Christi müsse das Herz erneuern, zur Wiedergeburt bekehren und nur der Wiedergeborene sei würdig, die Taufe zu empfangen. Christus sei, obgleich er den irdischen Leib von seiner Mutter angenommen, doch nicht wahrer Mensch und Gott, sondern nur Gott, kein erschaffenes Wesen.

Nach seiner Vertreibung aus Schlesien wandle sich Schwenkfeld nach Straßburg, wo er sieben Jahre lang blieb, viel mit Fürsten und Adel verkehrte und viele Achtung genoß, denn er war fromm, reinen Wandels, durch und durch von Liebe zu Gott und Christus erfüllt, auch keineswegs wiedertäuferisch gesinnt, wollte auch keine neue Sekte bilden; die protestantischen Theologen konnten und durften ihn aber nicht anerkennen, weil er die Lehre verwirrte, daher traten viele in Schriften gegen ihn auf und bekämpften ihn. Aus Straßburg und mehreren anderen Städten, wo Schwenkfeld Aufenthalt nahm, verwiesen, an manchen Orten gefeiert, an andern verfolgt, kam er endlich nach Ulm und unterlag der sich stets aufs neue gegen ihn wiederholten Bekämpfung im 71. Lebensjahre. Die Bekenner seiner Lehre ehrten ihn dauernd dadurch, daß sie sich nach ihm Schwenkfeldianer nannten; es hatten sich Gemeinden, welche dieser Lehre anhingen, in Schlesien und Böhmen gebildet, die sich bis in das 18. Jahrhundert erhielten, und endlich sich, durch die Jesuiten mit Gewalt verfolgt und vertrieben, nach Amerika, dem Lande der Sekten, flüchteten. Dort bestehen sie noch bis heute.