Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Abraham a Santa Clara
Der eigentliche Name dieses merkwürdigen Mannes
war Ulrich Megerle, sein Geburtsort war das
schwäbische Dorf Krähenheimstetten. Er studirte
zu Wien Theologie und Philosophie, und widmete sich
frühzeitig dem Klosterleben; schon als achtzehnjähriger
Jüngling trat er zu Marienbrunn in den Augustinerorden.
Zum Festtagsprediger nach dem Kloster Tara
in Baiern berufen, begann er bald, sich durch seine
Kanzelvorträge hervorzuthun, welche in vor ihm kaum
dagewesener Weise voll Laune, Humor, Satyre und
Schalkhaftigkeit die Thorheiten und Fehler der Menschen
geißelten, reiche Kenntniß der Welt und des
Menschenherzens kund gaben, und von einer Ueberfülle
theils guter, theils barocker, stets aber origineller
Gedanken strotzten. Wie Abraham a Santa Clara
sprach, ebenso schrieb er auch, und er schrieb gern
und viel, wurde aber auch ebenso gern gelesen als
gehört und seine Schriften fanden im Publicum eine
solche Theilnahme, daß sie nicht nur in andere Sprachen
übersetzt, sondern auch noch in neuerer Zeit,
mindestens ausgewählt, wiederholte Auflagen erlebten.
Abraham a Santa Clara verstand es, durch Wortwitz
zu glänzen, wie keiner vor und nach ihm, dabei neigte
er sich dem Geschmack der Zeitgenossen zu, und wurde
durch freimüthige Derbheit volksthümlich. Der weitverbreitete
Ruf, den er sich gewonnen hatte, war Ursache,
daß man ihn nach Wien verlangte, es war etwas
neues, den Humor auf der Kanzel zu erblicken,
und Wien hat stets lieber gelacht als geweint. Der
Kaiser hatte ihn persönlich kennen gelernt, und beehrte
ihn mit seiner Gunst – Abraham a Santa Clara
wurde Hofprediger zu Wien und Grätz, da er als Augustiner
Ordensmann nicht wohl Hofnarr werden konnte;
das ridendo dicere verum verstand dennoch keiner so
gut wie er. Im Jahr 1689 wurde der Pater Prior
Abraham a Santa Clara zum Provincial seines Ordens
ernannt, und blieb sich im übrigen gleich als
geistlicher burlesker Volksredner, der sich im bis zu
Tode gehetzten Witz und Wortspielen und der Sucht,
Sätze und Gegensätze bis zur Erschöpfung aneinander
abzureiben, gefiel, wobei sich aber aus dem Sande
seiner Mahlsteine auch Goldkörner gediegenen Ernstes
[Ξ] unterweilen lösten. Stets hielt mit dem Gedankenreichthum
seiner Verträge und Schriften auch sein üppig
zuströmender und überströmender Wortreichthum gleichen
Schritt, und wurde nur bisweilen zu Wortschwall und
Schwulst. Wie in Schrift und Rede vieles bei ihm
gesucht und manches Gleichniß gleichsam an den Haaren
herbeigezogen wurde, so war es auch mit seinen
Schriften der Fall, deren gesuchte und barocke Titel
eben nur dem Geschmack und dem Wohlgefallen am
platten, rohen und gemeinen seiner Zeit zusagen konnten.
Die wichtigsten Schriften Abrahams a Santa Clara,
die fast alle in Quart erschienen, sind: Religiöse Grammatik;
Merks Wien; Judas der Erzschelm, 4 Theile;
Wintergrün; Abrahamisches Gehab dich wohl; Reimb
dich oder ich liß dich; Heilsames Gemisch Gemasch;
Huy und Pfuy der Welt; Etwas für Alle; Geistliches
Waarenlager mit apostolischen Waaren; Abrahamisches
Bescheidessen; Abrahamische Lauberhütte; Neu ausgehecktes
Narrennest; Allgemeiner Todenspiegel; Große
Todenbrüderschaft, u. a.
Ungeheure Belesenheit und Bewandertheit des Autors in der heiligen, wie in der Profangeschichte gibt sich in der Mehrzahl dieser Werke kund, und in vielen ist mehr zu finden, als was der Titel ahnen läßt. Wer suchte, um nur ein Beispiel anzufuhren, unter dem burlesken Titel des, Kaiser Joseph I. zugeeigneten »Huy und Pfuy der Welt« ein treffliches Fabelbuch? Dieses eine Werk schließt eine Fülle von Moral und allumfassender Kenntniß ein. Als Mensch ist dem Dichter alles gute Lob ertheilt worden, er war gottesfürchtig, demüthig, eifrig in der Religion, treu seiner Kirche, wie seiner Pflicht. Er strafte ohne zu verletzen, und wenn er mit strafender Rede einen bis zu Thränen rührte, ließ er ihn doch nicht unaufgerichtet und ungetröstet von dannen gehen. Er war geliebt und geachtet, und seine Doppelbegabung, alles, was er sprach, mit hellerer Gemüthlichkeit vorzutragen, und doch die Wahrheit ohne Scheu und Menschenfurcht zu sagen, gewann ihm den allgemeinen Beifall. Er schonte keineswegs den kaiserlichen Hof, und jeder an demselben mußte sich gefallen lassen, die Wahrheit von ihm zu hören. Er war Cato und Democrit in einer Person.
Abraham a Santa Clara brachte sein Leben auf 67 Jahre, und starb mit einem milden Lächeln. Er hatte seinen Lebenszweck erfüllt, war mit dem Tode vielfach vertraut geworden, konnte demselben ohne Furcht entgegensehen, und ihn wie ein Weiser begrüßen.