Zwei Mecklenburger Leidensgenossen (1)

Textdaten
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Autor: Henriette von Bissing
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Titel: Zwei Mecklenburger Leidensgenossen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 766–768
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Zwei Mecklenburger Leidensgenossen (2)
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Zwei Mecklenburger Leidensgenossen.

1. Ein Märtyrer aus der Reformationszeit.
Von Henriette v. Bissing.

Am 19. Mai dieses Jahres, während an vielen Orten unsers deutschen Vaterlandes Fichte’s hundertjähriger Geburtstag festlich begangen ward, fand in Rostock die Enthüllungsfeier eines Denkmals statt, das man dort dem Andenken eines andern hochverdienten deutschen Mannes errichtete, dessen Sterbetag der 19. Mai ist. Beide Gefeierte waren von armen Eltern geboren und hatten sich aus der Dunkelheit niedriger Verhältnisse aufgeschwungen zu Lehrern der Menschheit; beide wurden heldenmüthige, begeisterte und hochbefähigte Vorkämpfer für Licht und Freiheit, der eine auf dem Gebiete des Denkens, der andere auf dem des Glaubens; beide starben im schönsten Mannesalter, nachdem sie schon ihre Saaten reifen gesehen. Von dem Einen, weniger bekannten, will ich jetzt den Lesern der Gartenlaube ein Crayonbild zeichnen, so gut es eine Frauenhand oder doch die meine vermag.

Joachim Slüter erblickte um das Jahr 1496 als der Sohn eines Fuhrmannes zu Dömitz an der Elbe das Licht der Welt. Er war also nur 13 Jahre jünger als Luther, dessen Schüler er werden sollte. Im Jahre 1518 studirte er auf der Universität Rostock und vollendete seine Studien in Wittenberg, wo er bald öffentlich zum Protestantismus übertrat.

Bei seiner Rückkehr nach Rostock (1521) erhielt er sofort eine Anstellung als Lehrer an der Petrischule. Nachdem er diese Stelle zwei Jahre bekleidet hatte, beschloß der Herzog Heinrich zu Schwerin, der ebenfalls zum Protestantismus übergegangen und Patron der St. Petrikirche zu Rostock war, an dieser einen lutherischen Pfarrer anzustellen, und dies ward, auf Bitten der Petrigemeinde selbst, Joachim Slüter. Damit sah sich denn der junge begeisterte Glaubensheld auf den Standpunkt gestellt, der ihm zwar ein Märtyrerthum, aber dennoch die Erfüllung seines höchsten Strebens versprach.

Rostock war zu jener Zeit noch eine durch und durch katholische Stadt. Magistrat und Universität waren mit lauter eifrigen Papisten besetzt; im Dom und in den drei übrigen Hauptkirchen ward an 87 Altären von zahlreichen und zum Theil sehr vornehmen und mächtigen Geistlichen das Hochamt verrichtet und täglich Messe gelesen. Außerdem gab es noch sechs Nebenkirchen mit zusammen 64 Altären; ein Franziskaner- und ein Dominicanerkloster, deren 300 Mönche eben so viele erbitterte Feinde Slüter’s und des lutherischen Glaubens waren, den er jetzt öffentlich und mit täglich sich mehrendem Erfolge predigte. Selbst das Nonnenkloster suchte ihm durch Verleumdungen und Familienanhang zu schaden.

Die größte Gefahr für Slüter ging aber aus den Verhältnissen und der Schwäche des Herzogs hervor. Er war mit seinem Bruder, dem zu Güstrow residirenden Herzog Albrecht, in einen Erbschaftsproceß verwickelt, dessen Endurtheil der katholische deutsche Kaiser zu fällen hatte, den Heinrich deshalb nicht noch durch offene Gewalt gegen die papistische Partei mehr erzürnen durfte, als er es ohnehin schon durch seinen Glaubenswechsel gethan haben mußte. Außerdem nahm er Rücksicht auf den Kurfürsten von Brandenburg und auf seinen eigenen Sohn Magnus, der, obwohl noch minderjährig, zum Bischof von Schwerin ernannt worden war.

All dieser Gefahren war Slüter sich wohl bewußt, allein mit unerschütterlichem Gottvertrauen und der Opferfreudigkeit, wie sie einst die Märtyrer besaßen, trat er sein Amt an und verwaltete es offen und mit aller ihm innewohnenden Kraft. Von Tage zu Tage mehrte sich nun, von der Gewalt seiner Rede hingerissen, auch die Zahl seiner Zuhörer, und die Mauern der geräumigen Petrikirche vermochten bald nicht mehr dieselben zu umfassen. Der unerschrockene Slüter ließ sich daher eine transportable Kanzel anfertigen, von der herab er an schönen Tagen unter der großen Linde auf dem Kirchhofe predigte.

Lange wagten es die katholischen Behörden nicht, offen gegen den Schützling des Herzogs aufzutreten, bis sie endlich einen Augenblick ersahen, um, weil Schleichwege, Spott und Verleumdung nicht gefruchtet hatten, mit Gewalt gegen ihn, als „einen Irrlehrer und Aufrührer“, einzuschreiten. Slüter bewohnte ein kleines bescheidenes Häuschen in einer Ecke zwischen dem Petrithor und der Kirchhofsmauer eingeklemmt, das noch heute existirt. Hier lebte er einsam, nur seinem Berufe und Studium, und hier traten einst am hellen Tage die Büttel und Wächter des Rathes bei ihm ein, überfielen ihn und schleppten ihn gebunden, wie einen gemeinen Verbrecher, auf den Kirchhof, an seiner geliebten Kirche vorüber, auf den alten Markt hinaus, von wo sie mit ihm bis zum Rathhaus zu gelangen suchten, wo man dann kurzen Proceß mit ihm zu machen beabsichtigte. Allein das Gerücht von der Gefahr, mit der ihr angebeteter Lehrer bedroht war, lief wie der Blitz durch die Petrigemeinde, und Männer und Jünglinge, Weiber und Kinder, Alles stürzte tödtlich erschrocken aus den Häusern und suchte in Slüter’s Nähe zu kommen, so daß sich der Zug auf Schritt und Tritt vergrößerte. Man verlangte endlich laut und drohend die Freiheit des in der Hoheit der Unschuld würdevoll dahinschreitenden Opfers des Fanatismus, der Rachsucht und blinder Gewaltthätigkeit; und als die Schergen hierauf nicht achteten, sondern nur desto eiliger fortzukommen strebten, überfielen die Lutherischen sie, entledigten Slüter der Fesseln und führten ihn im Triumph auf den Kirchhof zurück.

Hatte Slüter sich vorhin mit dem freudigsten Gottvertrauen und dem Stolz der Unschuld zum Gericht hinweg führen lassen, so sah er es jetzt wieder als eine Fügung der Vorsehung an, daß seine Freunde ihn befreiten, und Angesichts seiner Kirche und seines noch offen, aber unberührt gebliebenen Häuschens, stimmte er in deutscher Sprache einen Dankpsalm an, in den die Versammelten tiefbewegt einfielen, worauf er sich wieder in seine Wohnung zurückzog. Die Männer aber verbanden sich sofort zu einer Art Leibwache für ihn, um ihn bei Tage und bei Nacht mit Leib und Leben zu bewachen und jede Gefahr von ihm abzuwenden.

Einem so deutlich und energisch ausgesprochenen Volkswillen wagten in jenen fernen Zeiten selbst Magistrat und Geistlichkeit nicht offen entgegen zu treten, besonders auch deshalb nicht, weil sie den Herzog auf Slüter’s Seite wußten, und man schlug nun wieder andere Wege ein, um ihn zu kränken und zu schaden. Es wurde zunächst sämmtlichen Schullehrern und andern dazu bestellten Personen auf das Strengste untersagt, einen Anhänger der neuen Lehre bei seinem Ableben mit Gesang zu Grabe zu geleiten, [767] oder sonst irgendwie sich bei dessen Bestattung zu betheiligen. Diese Maßregel war für die damalige Zeit eine wahrhaft furchtbare zu nennen. Ein feierliches Begräbnis gehörte zu den höchsten Wünschen, für deren Erfüllung man das ganze Leben hindurch Opfer brachte. Allein Slüter verstand es, auch hier die erschütterten Gemüter aufzuklären und zu beruhigen; er ordnete an, daß fortan alle dazu befähigten oder schon gesetzeskundigen Männer, Jünglinge und Kinder der Gemeinde bei jeder zu Grabe zu bringenden lutherischen Leiche jene Dienste verrichten sollten.

So prallte denn auch dieser wie alle andern Steinwürfe auf diejenigen zurück, von denen sie ausgegangen. In ohnmächtigem Zorn stachelte man jetzt das gemeine Volk auf, Rache an dem „schwarzen Ketzer“, wie man Slüter seines Haupt- und Barthaares wegen schalt, zu üben. Man dichtete gemeine Spottlieder, mit denen man die Lutherischen und ihren Pfarrer zu reizen suchte. Allein als ein echter Jünger seines Meisters that Slüter auch bei solchen Gelegenheiten, als höre er nicht, und seine Beichtkinder folgten hierin seinem Beispiele.

Diese Vorgänge kamen endlich zu des Herzogs Ohr. Er beschied den geduldigen und unerschrockenen, aber allzu kühnen jungen Pfarrer zu sich nach Schwerin und gestattete ihm nicht, nach Rostock zurückzukehren, bis er selbst ihm wirksameren Schutz zu verleihen würde im Stande sein. Dieser Augenblick schien dem Fürsten gekommen, als am 27. August 1526 der Reichstag zu Speier erklärte, „es solle künftighin dem Gewissen eines jeden Reichsstandes überlassen bleiben, in Befolgung des Wormser Edictes sich mit seinen Unterthanen zu verhalten, wie er es vor Gott und dem Kaiser verantworten könne.“ Dies galt dem Herzoge, sowohl den Rostockern als auch Slüter gegenüber, für Bürgschaft genug, daß man seinen Schützling von nun an in Ruhe lassen werde, und noch in demselben Jahre kehrte Slüter hochbeglückt und jubelnd empfangen in sein Amt zurück.

Es schien auch in der That, als kümmere sich die papistische Partei jetzt wenig mehr um das tägliche Wachsthum der Lutherischen, und bald war Slüter nicht mehr im Stande, all seinen Berufsgeschäften allein vorzustehen. Er bat den Herzog um einen Gehülfen, und es ward an der Petrikirche noch ein Capellan Namens Peschen Gruvel angestellt. Auch trug zu dem Gedeihen der neuen Lehre nicht wenig der Zwiespalt bei, der in dem feindlichen Lager ausgebrochen war. Franziscaner und Dominicaner geriethen in Streit über die unbefleckte Geburt der Jungfrau Maria und haßten sich in Folge dessen bald eben so sehr untereinander, wie vorher die Lutheraner. Ein solcher Scandal, für den dennoch im katholischen Publicum sich zwei Parteien bildeten, führte der neuen Lehre, die nur Frieden und Versöhnung predigte, fast mehr und mächtigere Anhänger und Bekenner zu, als es selbst den begeistertsten Reden ihrer Apostel gelungen war. Mehrere Mitglieder des Rathes wurden lutherisch, und ein Bürgermeister (Gerdes), den die Dominicaner zu Hülfe gegen die Franziscaner riefen, entgegnete ihnen: „er wisse ihnen weder zu rathen, noch zu helfen, da sie selbst ihre Lehre heruntersetzten und in den übelsten Geruch brächten.“

Doch ganz wendeten die Mönche ihre Basiliskenaugen nicht ab von dem gemeinschaftlichen Feinde, obgleich sich namentlich die Franziscaner Mühe gaben, Slüter glauben zu machen, als achteten sie ihn, nachdem sie ihn näher erkannt, und sie sprachen endlich sogar den Wunsch gegen ihn aus, auch mit ihm in geselligen Verkehr zu treten. Sie besaßen neben ihrem Kloster ein Haus, in welchem sie die Laien beherbergten und bewirtheten, die für ihre leiblichen Bedürfnisse sorgten, und wo sie, von eigens dazu angestellten geschickten Haushälterinnen ihres Bettlerordens bedient, sich einen sehr guten Tisch unterhielten.

In dieses Haus luden sie Slüter eines Tages zu einem „collegialischen“ Mahle ein, und dieser nahm bereitwillig die Einladung an. Der Wunsch, sich noch vor der Tafel mit seinen freundlichen Wirthen zu unterhalten, führte ihn wahrscheinlich etwas früher, als sie ihn erwartet hatten, in jenes Haus, auf dessen Flur sich die Küche befand. Als er diese betrat, waren sämmtliche Mönche mit ihren Köchinnen in einem Hinterzimmer versammelt, um dort noch Anordnungen wegen der Bewirthung zu treffen. Nur ein kleines Mädchen stand am Heerde und wendete den Braten. Kaum ward dies Kind Slüter’s ansichtig, als es ihm, der es freundlich wie alle Kinder anblickte und grüßte, ängstlich zuwinkte und ihm dann hastig zuflüsterte: „Herr Joachim, esset um Jesu willen nicht von diesem Braten, er ist vergiftet!“

Jetzt erkannte der arglose Slüter zu spät die Wölfe unter den Schafskleidern, und es war die höchste Zeit, sich zu fassen, denn schon hatten die Mönche das Klingeln der aufgehenden Hausthüre vernommen und traten mit der allerunschuldigsten und freundlichsten Herzlichkeit ihrem Gaste entgegen. Stets Herr seiner selbst, trat er unbefangen mit ihnen in das Gemach ein, in welchem sie ihm die Henkersmahlzeit aufzutischen gedachten. Allein schon während des Empfanges dachte er darüber nach, wie er sich wieder frei machen könne aus der Schlinge, die er sich hatte über den Kopf werfen lassen. Endlich sollte schon angerichtet werden, und man reichte der klösterlichen Sitte gemäß Waschwasser zur Reinigung der Hände herum, die das gesegnete Brod brechen sollten. Auch dies hatte Slüter schon angenommen, als er plötzlich um Entschuldigung bat, wenn er sich nur auf fünf Minuten entferne, um nach seiner nahen Wohnung zu eilen, an der er, wie er soeben bemerke, in der Zerstreuung den Schlüssel habe stecken lassen, und vergebens bemühten sich seine heuchlerischen Wirthe, ihm auf alle mögliche Weise diesen Gang ersparen zu wollen, er entschlüpfte ihren glatten Händen und – kehrte natürlich nicht zurück.

Obgleich Slüter niemals den Herzog mit Klagen belästigte, erfuhr dieser doch endlich wieder einmal durch dritte Hand, wie man seinen Schützling verfolgte, und im höchsten Zorn kam er selbst nach Rostock und ließ Slüter zu sich rufen, um aus seinem eigenen Munde die Wahrheit zu erfahren. Natürlich durfte Letzterer dieselbe schon um ihrer selbst willen nicht verleugnen, aber Namen zu nennen, war er nicht zu bewegen. Gerührt ergriff er daher Slüter’s Hand, lobte seine echt christliche Gesinnung, ermahnte ihn, wie bisher stark und mannhaft, aber auch mild und versöhnlich seinem Berufe vorzustehen, und beschenkte ihn zum Zeichen seiner Huld mit einem neuen Priesterornat.

Neuen Grund zu Haß und ohnmächtiger Rachsucht gab Slüter im Jahre 1528 seinen Feinden, indem er, als der erste Priester in Mecklenburg, ein Weib nahm und zwar Katharina Gelen, die schöne und tugendhafte Tochter eines Schlossers. Der Herzog hatte bereitwillig, der Rath wohl oder übel die gesetzmäßige Einwilligung zu dieser Ehe gegeben. Doch wie ungern dies von Seiten des Magistrats geschehen, zeigte sich schon, als der Hochzeitvater der Sitte der Zeit gemäß die Rathsmusikanten zum Hochzeitmahle bestellte und es diesen Leuten vom Rathe auf das Strengste verboten ward, „auf einem so gotteslästerlichen Feste zu spielen“.

Die Lutherischen veranstalteten nun eine andere, Zeit und Umständen angemessenere Feier. Als am Hochzeitstage der Brautzug das Gelen’sche Haus verließ, zogen voran die Sänger der Gemeinde, Psalmen in deutscher Sprache singend. Ihnen folgte der Bräutigam, umringt von seinen liebsten Freunden und Anhängern, hierauf die Braut mit ihren Verwandten und Brautjungfern, denen sich dann die übrigen zur Hochzeit Geladenen anschlossen. Vom Hochzeithause an, das in der Altschmiedestraße lag, bis über den alten Markt und bis zur Petrikirche bildete die nun schon so ansehnliche Gemeinde derselben ein dichtes Spalier, das noch stand, als der Zug aus der Kirche zurückkehrte, wo der Kaplan die Trauung verrichtet hatte. Als der Zug zu Anfange die Schwelle des Brauthauses überschritt, ertönte das Geläute sämmtlicher Glocken des hohen Petrithurmes und verkündete der ganzen Stadt das Unerhörte, wodurch sich denn bei der Rückkehr aus der Kirche eine so große Menschenmasse eingefunden hatte, daß es, wenn man Zeit und Verhältnisse erwägt, fast ein Wunder schien, daß trotzdem das Fest ohne jegliche Störung endete; – freilich einen Vorfall ausgenommen, der jedoch nur ein kindisches Bubenstück zu nennen war. Slüter’s Schüler, die lutherischen Studenten, sendeten einige Leute nach dem Rathskeller ab, um Wein zu holen. Allein ihre Boten wurden unterwegs überfallen, ihnen die gefüllten Kannen aus den Händen gerissen, der Wein auf die Straße gegossen, die Gefäße mit den Füßen zertreten.

Auch von diesen Vorfällen erhielt der Herzog Kunde und ward darüber so erzürnt, daß er den Rostockern eröffnen ließ, „bei der nächsten Beleidigung, die sie dem von ihm bestellten Magister Slüter zufügen würden, wolle er (der Herzog) blutige Rache an ihnen nehmen.“ Den Lutherischen ließ er seinen „gnädigsten Gruß vermelden“, belobte sie wegen ihrer wackern Theilnahme an dem Feste und schloß damit, „daß, hätte er ahnen können, der Rath werde seine Musici nicht spielen lassen, er seine sämmtlichen Hofmusiker dazu von Schwerin hätte herübersenden wollen.“

Von dieser Zeit an schien es, als hätte der Sturm sich ausgetobt; [768] die neue Lehre verbreitete sich immer weiter, und schon war auf Bitten der Bekenner derselben in den andern Gemeinden Rostocks, zunächst in der heil. Geistkirche, ein lutherischer Prediger angestellt worden. Im Jahre 1530 hatten die Lutherischen in allen Kirchen, und sogar im Dome, der am längsten von den Katholiken allein behauptet worden war, Prediger ihres Glaubens.

Dieses Jahr war überhaupt das schönste in Slüter’s Leben. Ein treues Weib, ein liebliches Kind, der Sohn, den Katharina ihm geboren, schmückte seine Häuslichkeit; angebetet von seinen Pfarrkindern, treue, ihn hochverehrende Freunde zur Seite, und selbst von den edleren unter seinen Gegnern geachtet, in seinem obgleich schweren Berufe das höchste Glück seines Lebens findend, blieb ihm kaum noch ein anderer Wunsch übrig, als den Tag noch zu erleben, wo sein liebes Rostock eine ausschließlich lutherische Stadt würde geworden sein. Allein lange, ehe dieses Ziel erreicht war, führten seine Feinde den Augenblick herbei, wo der edle Glaubenskämpfer vom Schauplatze seines Wirkens abtreten mußte.

Um Neujahr 1532 war Slüter in einem lutherischen Bürgerhause zum Gastmahl geladen. Hier ward ihm von einem ebenfalls anwesenden Buchbinder (seinen Namen hat die Chronik glücklicherweiser nicht aufbehalten) ein Becher Wein zugetrunken, aus welchem der mäßige Slüter nur einige Schlucke, seine beiden Tischnachbarn, ein Böttcher und ein Wollweber, desto mehr tranken. Diese beiden Leute starben nach wenigen Tagen unter sehr verdächtigen Symptomen. Slüter aber begann dahin zu siechen, rasch und ohne daß ihm konnte geholfen werden, so daß er schon in der Passions- und Osterzeit nur noch mit Anderer Hülfe die Kanzel zu besteigen vermochte. Erst wenige Tage vor Pfingsten gab der wackere Glaubensheld diesen furchtbaren Kampf mit einer Macht, der Niemand zu entgehen vermag, auf und verließ von nun an sein Lager nicht mehr. Am ersten Pfingsttage, den 19. Mai, Nachmittags zwischen zwei und drei Uhr entschlummerte er wie ein echter Jünger des Heilandes, indem er noch sterbend „für das Heil aller Welt“, mithin auch für seine Feinde betete.

Nicht weit von der Thüre seines Hauses entfernt, bettete man seine irdische Hülle und legte eine schwere Steinplatte auf das Grab, die noch bis auf unsere Tage erhalten ist. Diesen Stein hat man durch einen ganz ähnlichen neuen ersetzt, hinter welchem sich das Denkmal erhebt, von welchem ich zu Anfange dieses Aufsatzes geredet.