Textdaten
Autor: Heinrich Seidel
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Titel: Zum neuen Jahre
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 894
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[894]

(1899)

ZUM NEUEN JAHRE.

Wiederum verging ein Jahr,
Das nicht g’rad’ besonders war.
Diesen war’s ’ne gute Nummer,
Andern bracht’ es Leid und Kummer,

5
Mancher kam und mancher ging.

Gute Stunden – böse Stunden,
Herzen haben sich gefunden –
Sich getrennt, die einst verbunden,
Klein ward groß, und Groß gering.

10
Und wir steh’n und sinnen nun:

Was mag in der Zukunft ruhn?
Und es fragen Feind und Freund sich:
Achtzehnhundertneunundneunzig,
Wird es ein vergnügtes Jahr?

15
Wird es sich zum besten wenden,

Wird’s mit nimmer leeren Händen
Allen Glück und Segen spenden?
Oder bleibt es, wie es war?

Allen, wünsch’ ich, sei vom Glück

20
Zugedacht ein gutes Stück,

Was sie hoffen, soll’n sie schauen!
Und den Männern wie den Frauen
Sei das Jahr voll Sonnenschein!
Immer soll die Tugend siegen

25
Und das Laster unterliegen!

Die sich lieben, soll’n sich kriegen,
Die sich kriegen, glücklich sein!

Gerst’ und Hopfen, Korn und Wein,
Obst und alles soll’n gedeihn!

30
Alles soll von Segen schauern,

Und nicht nur die dümmsten Bauern
Mächtige Kartoffeln bau’n.
Selbst in Schlesien und Sachsen
Soll ein gutes Weinchen wachsen,

35
Wimmeln jeder Fluß von Lachsen,

Groß und dick und fett zu schau’n!

Dieses Jahr sei, hoch beglückt,
Mit dem Palmenzweig geschmückt!
In den Hütten, auf den Thronen

40
Soll die holde Eintracht wohnen,

Friede unter jedem Dach.
Russen, Deutsche und Franzosen
Sollen miteinander kosen,
Lämmern gleich, die unter Rosen

45
Weiden an dem Silberbach.


Mit so vielgestalt’gem Wunsch
Trink’ ich den Sylvesterpunsch!
Und ich könnt’ mein Füllhorn rütteln
Und noch weiter Wünsche schütteln,

50
Denn das kostet ja kein Geld.

Doch was nutzt es: Lust und Plage,
Leid und Wonne, Freud’ und Klage,
Gute Tage, böse Tage
Bleiben doch der Lauf der Welt!
 Heinrich Seidel.