Zu einer Totenfeier für Arnold Böcklin

Textdaten
<<<
Autor: Hugo von Hofmannsthal
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Zu einer Totenfeier für Arnold Böcklin
Untertitel:
aus: Gedichte, S. 82–83
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1892
Erscheinungsdatum: 1922
Verlag: Insel Verlag
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld und Commons
Kurzbeschreibung:
Zuerst gedruckt als Prolog zu »Der Tod des Tizian«
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[82]
ZU EINER TOTENFEIER FÜR ARNOLD BÖCKLIN


(In die letzten Takte der Symphonie tritt
der Prolog auf, seine Fackelträger hinter
ihm. – Der Prolog ist ein Jüngling; er ist
venezianisch gekleidet, ganz in Schwarz,
als ein Trauernder.)


Nun schweig, Musik! Nun ist die Szene mein,
Und ich will klagen, denn mir steht es zu!
Von dieser Zeiten Jugend fließt der Saft
In mir; und er, des Standbild auf mich blickt,

5
War meiner Seele so geliebter Freund!

Und dieses Guten hab ich sehr bedurft,
Denn Finsternis ist viel in dieser Zeit,
Und wie der Schwan, ein selig schwimmend Tier,
Aus der Najade triefend weißen Händen

10
Sich seine Nahrung küßt, so bog ich mich

In dunklen Stunden über seine Hände
Um meiner Seele Nahrung: tiefen Traum.
Schmück ich dein Bild mit Zweig und Blüten nur?
Und du hast mir das Bild der Welt geschmückt

15
Und aller Blütenzweige Lieblichkeit

Mit einem solchen Glanze überhöht,
Daß ich mich trunken an den Boden warf
Und jauchzend fühlte, wie sie ihr Gewand
Mir sinken ließ, die leuchtende Natur!

20
Hör mich, mein Freund! Ich will nicht Herolde

Aussenden, daß sie deinen Namen schrein
In die vier Winde, wie wenn Könige sterben:
Ein König läßt dem Erben seinen Reif
Und einem Grabstein seines Namens Schall.

25
Doch du warst solch ein großer Zauberer,
[83]
Dein Sichtbares ging fort, doch weiß ich nicht,

Was da und dort nicht alles von dir bleibt,
Mit heimlicher fortlebender Gewalt
Sich dunklen Auges aus der nächtigen Flut

30
Zum Ufer hebt – oder sein haarig Ohr

Hinter dem Efeu horchend reckt, drum will ich
Nie glauben, daß ich irgendwo allein bin,
Wo Bäume oder Blumen sind, ja selbst
Nur schweigendes Gestein und kleine Wölkchen

40
Unter dem Himmel sind: leicht daß ein Etwas,

Durchsichtiger wie Ariel, mir im Rücken
Hingaukelt, denn ich weiß: geheimnisvoll
War zwischen dir und mancher Kreatur
Ein Bund geknüpft, ja! und des Frühlings Au,

45
Siehe, sie lachte dir so wie ein Weib

Den anlacht, dem sie in der Nacht sich gab!

Ich meint um dich zu klagen, und mein Mund
Schwillt an von trunkenem und freudigem Wort:
Drum ziemt mir nun nicht länger hier zu stehen.

50
Ich will den Stab dreimal zu Boden stoßen

Und dies Gezelt mit Traumgestalten füllen.
Die will ich mit der Last der Traurigkeit
So überbürden, daß sie schwankend gehn,
Damit ein jeder weinen mag und fühlen:

55
Wie große Schwermut allem unsern Tun

Ist beigemengt.
 Es weise euch ein Spiel
Das Spiegelbild der bangen, dunklen Stunde,
Und großen Meisters trauervollen Preis

60
Vernehmet nun aus schattenhaftem Munde!