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Autor: Froben Christoph von Zimmern
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Titel: In disem capitel werden etliche schimpfliche abenteuren vermeldet, die der zeit zu Mösskirch und sonst von aim burger zu Mösskirch, genannt Petter Schneider, fürgangen und gehandelt worden.
Untertitel:
aus: Zimmerische Chronik Band 2. S. 30–40
Herausgeber: Karl August Barack
Auflage: Zweite Verbesserte Auflage
Entstehungsdatum: 16. Jahrhundert
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck)
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Erscheinungsort: Freiburg und Tübingen
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Quelle: Digitalisat der UB Freiburg
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[327] In disem capitel werden etliche schimpfliche abenteuren vermeldet, die der zeit zu Mösskirch und sonst von aim burger zu Mösskirch, genannt Petter Schneider, fürgangen und gehandelt worden. [1]
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Wir haben ain zeitlang einher etliche trawrige capitel gehabt, dann der unfahl uf das zimbrisch geschlecht so hauffecht gerathen, das kain beharrliche bösserung noch zu diser zeit zu verhoffen gewesen, derhalben ain capitel von etlichen gueten schwenken einzmischen nit underlassen wellen.
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Darumb ist zu wissen, das umb die zeit ain burger zu Mösskirch gelept, genannt Petter Schneider, der ist ain wunderbarlicher, frölicher mann gewesen und seiner lecherlichen bossen halb weit erkannt. Er nam sich an, were ain fahrender schuoler und mermals in fraw Venus berg gewesen,
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und konte also darvon reden, auch das alles mit sollichen umbstenden herfürbringen, das im billich hett megen glaubt werden. Er sagt auch für wahr, das er uf ain zeit in fraw Venus perg[2] gefaren were und het ain burger von Mösskirch, seiner gesellen ainen, den er mit seinem zunamen den Strölin
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nampt, mit sich genomen. Nun weren sie durch alle lüften uf zwaien kelbern[3] gefarn und, als sie zu angennder nacht geen Rotenburg an Necker kommen, weren sie ob allen heusern und insonderhait ob ainem würtshaus, das inen auch wol bekannt, hingefaren, und hette dasselbig würtshaus
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ain vorder groß storkennest gehabt, und wiewol sie baidt nit reden dörfen, er auch sollichs seim mitgeferten, dem Strölin, hoch eingepunden, idoch, als den Strölin bedaucht hatte, sein kalb het ab dem großen storkennest gescheucht,

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[31] derhalben ain großen sprung gethonn, het er unverdacht gesprochen: »Petter, das ist ain sprung von aim kalb!« und mit dem wort were der Strölin im storkennest gelegen, darauß er auch kainswegs kommen oder auch reden künden
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biß an dritten tag; do het er im an seiner widerhaimfart außer dem storkennest darvon geholfen und darvon gebracht. Und wiewol das mit fraw Venus berg für ain fabel und erdicht ding geachtet wurt, so ist doch nichts gewissers, dann das bei unsern vordern vil dieselbig abenteuren versucht,
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in dem berg gewesen, auch ains thails die schwarzen kunst darin gelernet, sich vahrende schuoler [4] genempt und von wunderbarlichen, ungleublichen sachen reden haben künden; es sein auch deren ainsthails darin bliben. * [1557] Es sein auch nit allain schlechte leut mit disem
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Venusberg umbgangen, sonder auch fürsten und andere, die in hohem ansehen gewest. Dess findt man ain exempel im Änea Silvio, in seinen sendbriefen [5], im ersten buch, das er seinem bruder schreibt und begert, das er aim Deutschen, den er zu ime schickt, bericht geb, wo der Venusberg [6] in
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Italia und wie es ain gestalt darum hab. Zaigt darbei an, das ain fürnemer und reicher man, ein medicus bei dem herzogen von Sachsen, solchs zu wissen begere; begert darneben, das er dem werber anlaitung geb an ein gelerten man der kaiserlichen rechten, genant Savinus, der hab im
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hievor aller hand gelegenhait darvon anzaicht. Und wie man sagt, so ist dozumal der herzog von Sachsen selbs mit diser hantirung umbgangen, der durch den Silvium den bericht hat begert zu überkommen. Dise gotlose, abgeterische kunst ist zu derselben zeit heftig im schwank gangen, also
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das die remische kaiser ainstails und ander potentaten und fürsten sich dero angenommen. * Als der groß reichstag zu Costanz geweret, hat obbemelter Petter Schneider vil junger hüner ufkauft, die in etlich kerb gethon und geen Costanz uf ainem karren fieren
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lassen. Denselbigen karen hat er bei seinem eltesten son für Stockach und Bodman vorgeschickt, und ist er uf Überlingen zugeraist. Hat sich aber ohne geferdt gefüegt, das

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[32] desselbigen tags wochenmarkt, auch vil frembder kaufleut zu Überlingen gewesen, derhalben er under dem obern thor bei seinen erkannten sich befragt, seitmals, wie er höre, der mark groß, ob er nit [328] etwa ain stal oder zwen meg
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in der statt bei dem see bekomen, dann er laß im etlich hundert hüner von Mösskirch nachtreiben, die welle er über see geen Costanz liffern. Damit ist er in die statt gangen, in Zuckmantels haus (also hat der wirt domals gehaißen, ist die herberg allernechst dem see, wurt iezundt zum Kopf
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genempt), darin hat er sambt dem würt und etlichen kaufleuten zu morgen gessen. Mittler weil aber ist es in der statt erschollen, das Petter Schneider von Mösskirch, der den sonst bei allen Überlingern wol erkannt, ain solche große suma junger hüner wie die herden in die statt lassen
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treiben, und hat sich die sag also gemehret, das es auch die höchsten und maisten der statt ist fürkommen. Solchs als ain ungewonlichs hat sich menigclich so hoch verwundert, das dero vil dem obern thor zugeloffen und das wunder von hünern besehen wellen, under denen dann nit auch die
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wenigesten der statt. Die sein lang under den thoren gestanden und gewart, wann die herden hüner kommen werden, und hat sich der haufen leit stets gemeret, also, wann die letzstlich nit wider zu haus gangen, so stunden sie noch da. Indes, als der Petter Schneider zu morgen gessen, auch
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dem würt und andern gesten iezgehörte facetia eröffnet, dessen sie alle wol lachen megen, ist er, als in die zeit bedauchte, in ain schiff gesessen und über see geen Costanz gefaren, und hat den großen haufen under den thoren uf die hüner warten lassen.
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In kürze darnach ist er widerumb uf ain wochenmarkt geen Überlingen kommen, und als er vil kaufleut von Lindaw, Sant Gallen und andern orten des Schweizerlandts abermals alda gefunden, und dabei etlich haffner bei der protlauben ire heffen und ander kachelwerk fail gehabt, ist er zu
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derselben aim gangen und haimlich befragt, wie er sein ganzen krom fail thue; und wie er dessen bericht empfangen, hat er im das hafenwerk alles abkauft, doch in vertrawen mit im überlegt, so er ußer Zuckmantels haus also (und hiemit hat er im die wort erzellt) mit ime reden werde, soll er die
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heffen all zerschlagen. Das hat im der haffner verhaißen. Domit ist er wider in die herberg gangen. Als nun under dem imbis sein wirt, der Zuckmantel, auch die kaufleut von

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[33] fraw Venus berg und der schwarzen kunst vil mit im gespracht, und er inen gueten beschaid geben, haben sie in gebetten, so er was von solcher kunst berichten, das er inen was zu ainer kurzweil und schimpfbossen erzaigen well. Also
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hat er zum fenster uß gesehen und dergleichen gethon, als ob im das ungeferd zufall, gesagt, so etwar under inen die heffen bei der protlauben und was die urten, so sie alle verzeren, bezallen wurdt, wellte er mit seiner kunst den haffner zwingen, die hefen alle zu verschlagen. Das haben
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die kaufleut mit willen angenomen. Also hat Petter Schneider dem haffner seine zaichen geben, auch die bestimpte wort gegen ime gesagt. Gleich hat der haffner alles sein haffenwerk zu stucken zerschlagen, dess sich menigclich hoch verwundert, und haben die kaufleut, was verwettet
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worden, dessgleichen was die heffen wert, mit guetem willen bezallt, auch ain guete [329] zeit hernach hat anders niemandts gewist, dann solch misterium seie per artes[7] magicas und sonderliche verborgne künsten zugangen. Desselbigen tags ist diser Petter Schneider zu
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Überlingen bliben. Nachts hat Zuckmantel, der würt, ine, auch etlich kaufleut und ander gest in ain große kammer, so uf die gassen hinauß ire fenster, gelägt. Nun hat der Petter Schneider under aim bet etliche zusamengebundene liderne weinschleuch gesehen. Hat sich die selbig nacht
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ungeschicht gefüegt, das der kaufman im[8] bet, darunder die schleuchen gelegen, heftig gerauset und geschnarchet, das niemandts darvor kain rhuo haben oder auch vor im schlaffen künden, derhalben der merthail ganz undultig worden, insonderhait Petter Schneider hat sich ains verdruß angenomen
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und gesprochen: »Nun höre auf rausen, oder ich würf dich zum laden hinauß!» Das hat er nun mermals gesagt; der ander aber hat sollichs nit hören megen, sonder für geschnarcht. Dess haben die ander all wol megen lachen. Letzstlich aber ist Petter Schneider im pett eilendts
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aufgestanden, zu des schnarchenden bet gangen, darunder die schleuch erwüscht und die gleich zum nechsten fenster an die gassen hinab geworfen. Dieweil aber der wurf uf dem pflaster stark ertönet, haben sie alle nit anders vermaint, dann der Petter hab iren gesellen hinabgeworfen. Nun hat
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aber der rauser ain schwager in der cammer gehabt; so

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[34] bald der den wurf erhöret und anders nit gewist, dann es sei sein schwager, facht er ain groß geschrai an, eilt der thür zu, damit inen der tetter nit ertrinne, ermanet die andern auch. Also standen sie alle uf und fiengen den Petter
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Schneider. Es ward ain solche rumor und geschrai in der cammer, das der alt Zuckmantel mit seinen knechten uf war; bracht ain liecht, öffnet die cammer und wolt ihe wissen, was das für ain handel. Indes war der rauser von dem getümmel auch erwacht. Der stunde auch uf, stande bei den
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andern. Sie hielten den gueten Petter gefangen und erzallten dem würt mit heftigen meeren, wie der Petter in ainer unbesinten weis iren mitgeferten und schwager uf die gassen hinab geworfen het. Ihe als sie die clag ein guete weil getriben und letzstlichen sie befunden, das der, von dessen
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wegen sie ain solliche unrhuo angefangen, noch bei und mit inen, haben sie den Petter wider ledig gelassen. Der hat inen, wie er die schleuch zum fenster hinauß geworfen, angezaigt, und ist die turba zu eim großen gelechter und schimpf gezogen worden.
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In wenig zeit hernach hat er zu Mösskirch fürgeben, er hab im Newen, unfer von Ingelswis, ein wildtschwein mit etlichen frischlingen aller oberst im gipfel uf ainer aichen gefunden; dann als Engelswis domals kain dorf, sonder noch ein eitele wiltnus, war dasselbige alles von dem alten herr
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Wernhern sälligen der statt Mösskirch umb ain tausendt guldin hauptguots, doch uf ain widerlosung, verpfendt worden. Die brauchten nun die weld, auch die wisen und waiden mit irem vich ires gefallens, also das der Petter Schneider vilmals seiner gescheften halb in dieselbigen weld
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kame, derhalben auch fürgab, [330] wie er das schwein sambt den frischlingen uf der aichen gefunden. Es gieng die redt so weit, das solchs den graffen von Werdenberg fürkame. Die verwunderten sich dessen so hoch, das sie iren forstmaister geen Mösskirch schickten, zu erfaren, ob Petter
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Schneider das gesagt, und wa die aichen were. Also sagt im der Petter, es were im Newen, also genannt, ain aichbaum über ein bronnen gefallen, do het er das schwein sambt den frischlingen in den tolden gefunden; er megte aber nit wissen, ob sie noch alda oder nit; sagt im dabei,
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wo er den bronnen, auch die umbgefallen aichen fünden wurde. Dess warde von iederman gelacht, und kunte der

1 [35] forstmaister seinen herrn sagen, wa das schwein uf dem aichbaum zu fünden were.

Er, Petter Schneider, hat uf ain zeit zu Mösskirch fürgeben, wie er köstlichen kappassomen ußer fraw Venus
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berg gebracht; damit hab er die Wolfhalden zu Mösskirch übersehet, welle damit zu Mösskirch ein solliche wolfaile und überfluß ins kabaskraut bringen, dergleichen in vil jharen nit gewesen. Das haben ime nun vil geglaubt und haben sich mehrthails weiber alda daran verlassen, kain kraut
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gesetzt, sonder immer gehofft, das vil ringer bei Petter Schneidern zu bekommen, wann das in der Wolfhalden ufgange. Darauf haben sie lang gewartet, und soll derselbig kappas noch wachsen. Eins mals ist er seiner gescheften halb geen Sigmaringen
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geraist und am fürreiten, wie er für Boll[9] kommen, hat er etlich weiber allernechst an der straß in ainem hanfacker ersehen; zu denen ist er in hanfacker geritten, sie gegrüßt und freuntlich zugesprochen. Dieweil das ross aber inen den hanf zertretten, sein sie übel zufriden gewesen, in übel
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gescholten, also ist er darvon geritten. Als sie aber im lang nachgeflucht, hat er sich wider umbkert und ist durch den ganzen acker der zwerch nach zu inen gerennt und gefragt, was sie doch wellen; seitmals sie im nachgeschreien, hab ers nit hören künden. Damit hat er die weiber also
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erzürnt, das sie mit stainen zu im geworfen, das er weichen und inen entreiten müeßen. Darauf ist er geen Sigmaringen seinen gescheften nach kommen. Im sein aber die weiber, denen er den schaden im hanfacker zugefüegt, nachgefolgt und ine vor dem vogt zu Sigmaringen desshalben verklagt.
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Der vogt hats volgendts seinen herren, den graven, angezaigt, und als die alle gelegenhait erfaren, haben sie, als den der Petter Schneider mit seinen schimpflichen bossen wol erkannt gewesen, sich der sach nit annemen wellen und haben die weiber den hingang für den hergang gehabt.
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* [1248] Bemelter Petter Schneider hat bei seinen zeiten den Necker mit den früchten und auch mit anderer handtierung vast gebraucht. Uf ain zeit ist er geen Winterlingen kommen, daselbst er ain gesellen gehabt, genannt Auberle Stöffle, welcher dann mit ime und andern mehrmals an
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Necker hinab geritten und früchten kauft. Nun ist dozumal

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[36] ein pfarrer daselbst gewesen, der hat etlich, und der nit wenig, der bösten capponnen gezogen. Das hat Petter Schneider erfaren und ain lust gewonnen, derselbigen auch ainstails zu versuchen, derhalben mit hilf Auberlis ain knaben
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bestellt, der hat in der weil, als der pfaff in der kirchen gewest, ein rauch von bilsensomen in das hünerhaus gemacht, darvon gleich die hüner, hennen und capponnen hingefallen, auch so wenig, als ob sie todt weren, sich geregt haben. Dess ist der pfaff zu seiner widerhaimkunft übel erschrocken,
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dann er all seine kurzweil mit dem gefügel het. Nun schickt sich der Auberle Stöffele auser anrichten Petter Schneiders zum pfaffen, bei dem er sich was geschefts anname. Do clagt im der pfaff, was großen unraths im mit seim gefügel zugestanden, bat in umb rath. Darauf Auberle antwurt,
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es were im ain aubenteurliche sach, darvon er nie gehört, und gedecht aber, sie weren villeucht alle vergift worden; iedoch sprach er: «Es ist nechten ain farender schueler von Mösskirch alher kommen, der weist vil künsten und ist im auch manich wunder begegnet, den wellen wir beschicken
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und hören, was er darzu sagt.» Das gefiel dem pfaffen. Man schickt nach Pettern Schneidern. Als der kam, nam er sich wenig an zu wissen, warum er berueft were. Also clagt im der pfaff sein unfall, mit beger, ob er dem gefügel nit wider helfen könte. Petter Schneider war uf die sach
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bedacht und gefast zu helfen, sagt im zu, dem gefügel wider hilf zu thuon, doch besorgte er, es wurde beschwerlich mit den capponnen gerathen. Also uf pitt und anhalten des pfarrers und Auberlis, der auch zu den sachen redte, underwande sich der Petter der sach, doch so dingt er vier
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der bösten capponnen uß, waver er den andern helfen, das man im und der gesellschaft die in das geloch schenken sollte; andere besoldung, noch auch kain gelt, were er nit gewonn zu nemen. Das bewilliget der pfaff. Also wie iederman abtratt, macht Petter sein gauggelspill, das die
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capponnen und das ander gefügel alles wider zu im selbs kam. So baldt die hanen sich wider ermunderten, fiengen sie an zu krehen. Do gewann der pfaff ain guete hoffnung seiner [1249] capponnen halb, kunte sich lenger nit enthalten, er lüff dem hünerhaus zu und fandt, das alles
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gefügel sich ermundert und wider lebendig war worden. Damit het sich Petter Schneider seins zusagens und vertröstens quittiert und nam vier, nit die bösten, capponnen,

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[37] dess der pfaff wol zufriden war. Die capponnen waren bei Auberlin Stoffelin verzecht und der pfaff sambt andern gueten gesellen mehr darüber geladen. Der het mit inen ain guets müetlin, und sagt menigclich von der großen kunst und
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erfarnus des varenden schuelers von Mösskirch. Dieser Auberlin Stöffelin war ain reicher, wolhabender gewerbsman, der merthails mit früchten umbging und wol haus hielte. Er ist bei zwainzig jharen hernach von seinem allerliebsten und vertrawtesten gesellen jemerlichen[10] ermürt
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und umbgebracht worden. Und wiewol solcher excursus in dise materia nit gehörig, er, Auberlin, auch kein zimbrischer underthon gewesen, sonder zu Winterling under Würtemberg gesessen, nochdann, dieweil es ain grausame that, auch die der gedechtnus wert, kan oder soll ich dieselben
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alhie auch mit einzumischen nit umbgehn, und hat sich also geschickt. Bemelter Auberlin het ain gueten gesellen, der im vil jhar sonderlich vertrawt und gehaim gewesen war, auch vil früchten im[11] geholfen hat am Necker kaufen und an Bodensee verfüeren, genannt Conrat Gretzinger. Der saß
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zu Benzingen im dorf in ehren und guet, het auch gleich wie sein gesell, der Auberlin, ein erlichs, frumbs weib und vil liebe künder. Begab sich, das derselb Conrat Gretzinger zu spilen anfieng und in ain solchs verspilts wesen gerüete, das er seinen gleubigern nit mehr glauben halten kunte,
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auch in ain solch geschrai und unglauben kam. Also, wie man sagt und die warhait, als dann das die deglich erfarnus gibt, das der bös gaist in solchen fällen nit feire, sonder das sein auch darzu thue, das beschach do auch. Er wisst, das sein allerliebster gesell und freundt, der Auberle Stöffele,
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reich, wolhäbig, auch mehrmals vil gelts bei und mit ime füerte. Do facht der bös gaist in also an, das er weder tag oder nacht kain ruhe hett; es facht in an, bemelten Auberlin zu mürden und im sein gelt zu nemen, damit seine schulden zu bezallen. Es kam dahin, das im menigclich
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wol ansahe, das er ain groß anligen het, niemandts wust aber, warumb, allain das sich vil versahen, daz es der ursach beschehe, dieweil es ime mit dem spill etliche mol missraten; darzu im die gewerb nit nach gefallen fortgeen wellten. Aber es het ain andere mainung, wie hernach volgen wurt.
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Der guet Aberle Stoffele het in solchem ein herzliche be-

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[38] schwerdt mit seim freundt und gueten gesellen, erbott sich, ime zu leihen und trewlichen fürzesetzen, dess doch der ander sich bedankte und nit annemen wolt. Es gieng die sach so lang umbher, das bemelter Gretzinger sich entlichen
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entschloß, ab der sach zu kommen und den Auberlin umbzubringen. Hierauf gesellet er sich zu im, er rit mit ime geen Überlingen zu markt. Nach dem markt raiste er mit ime durch Laiz uf Winterlingen, und wie er in das holz kompt zwischen Winterlingen und Laiz, so überwindt in der geiz
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und bös feindt, das er sich zu im nehert, und zuckt ain schweren faustkolben ab dem sattel, schlecht dem Auberlin damit ain straich uf sein haupt, darvon er allen verstandt und vermüglichkait verlore, vom ross sank und gleich verschide. Alsbaldt nimpt er die sateldeschen, laust den gueten
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Auberlin ligen, auch das ledig ross seins gefallens laufen. Wie er nun uf den aubendt heim kompt geen Benzingen, het er ain son, war noch ain klein kündt, das war vorhin, so er außgeraist und wider kame, allweg zu im geloffen, aber iezmals wolt es im nit genahen, sonder flohe in. Das
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beherziget in so hoch und vil, das er kein ruhe mehr hett und in die Furiae anfiengen zu plagen. Hiezwischen ward der Auberle, sein gesell, den er, wie gehört, ermürdt, gefunden, und gieng die red auß, es were im von niemands anders, dann von seim gesellen, dem Gretzinger, [1250]
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beschehen. Der wolt das nit gestendig sein, sonder verfüegte sich den nechsten zu graf Christoffen von Werdenberg geen Sigmaringen, bei dem wolt er sich des todtschlags entschuldigen. So baldt in aber der graf ansichtig, sprücht er: «Sommer die feifel! Conrat, du bist der thatt schuldig, ich
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sich dirs an, du kanst mirs nit verbergen.» Damit erschreckt er den mörder, das er nichs mehr reden kunt. Hierauf ließ in graf Christof fahen und fragen. Do bekant er alle ding, wie es ergangen, ohne alle marter. Also ward er für recht gestellt und peinlich beclagt und empfieng darauf sein
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verdiente straf. Er hat under anderm bekannt, ehe und zuvor er die thatt begangen, seie im nit anders gewesen, als ob ainer bei im wer gewesen, der stettigs zu im hett gesprochen: «Schlag in zu todt! schlag in zu todt! » und derselbig hab in auch nit verlassen, biß er die that volpracht. Er
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soll, wie man sagt, in der marter ganz gedultig sein gewesen und mit großem rewen über sein begangen missethatt und mordt abgeschiden sein, also auch, das alle zu-

1 [39] seher, wie ich mehrmals von den alten gehört, ein sonders mitleiden und erbärmbde mit im gehabt. Und verhoffenlich so hat in der allmechtig an seinem ende wider begnadiget.

Aber Petter Schneider, seiner gesellen einer, ist über
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etlich jhar hernach zu Mösskirch in guetem friden gestorben. Er hat etlich, und derselbigen nit wenig, kindtskünder erlept. Man sagt auch von im, in kurze vor dem er gestorben, seie er vor weinnecht an Necker geritten und früchten kauft; am widerkeren seie er geen Guttenstain kommen,
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hab er vil der meier und seldner bei ainandern steen sehen, die er mit ernstlichen geperden angeredt und gesprochen, er hab unfer von Guttenstain in aim dal das gröst wunder von aim wilden schwein und etlichen frischlingen gesehen, so sich in ainer reuchin von wegholder dermaßen
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beschlagen, das er wenig hilf, wist er die alle zu fahen. Wie die pauren solchs erhörten, hat iren kainer der letzst sein wellen, sie waren mit spießen und stangen uf und zogen im nach. Er füert sie in ain tobel, genannt.... Alda stallt er ieden nach seim gefallen und gab inen für, sie sollten alda warten,
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er welt die sewen bestetten und nachgendts wider zu inen kommen und allen beschaidt geben, was weiter zu thuon. Die pauren gaben im glauben, ließen sich stellen, er aber, nachdem er der helzer und welde nach notturft bericht, rit er den nechsten geen Mösskirch und ließ die pauren warten.
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Die verharten ieder, wie er gestellt, biß in die sinkenden nacht, und weren sie nit wider haim gangen, so stunden sie noch uf der schiltwacht, scart halten. Und noch heutigs tags wollen die Guttenstainer dise facetia und daz sie also geefft worden, nit verguet haben. *
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* [1285] Es ist gehört worden in der historia, daz grave Christof von Werdenberg dem [Gretzinger][12], der den Aberle Stoffele ermürdet, solch mordt hab er im am angesicht angesehen und abgerathen. Das gemanet mich fast an ain alte sach, die vor etlichen hundert jaren im
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Bayrlandt beschehen ist, wie man das im closter Wessenbronnen aigentlichen beschriben findt, namlich das graf Bechtoldt von Witlsbach gar ain frommer und gerechter herr sei gewesen. Dem hab uf ain nacht getraumpt, wie ain unerkanter mann zu im kommen, der gesprochen: »Grave, du richtest
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dein volk nit gleich, darum, so du morgen ufstehest, so gang

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[40] under das thor, und welcher dir am ersten entgegen uf der brugken entkompt, der ist des tods würdig.« Wiewol nun des morgens der grave nichs uf dem traum hielt, so gieng er doch nichs desterweniger under das thor und uf die brugken. So
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entkompt ime sein hoffmaister, den er denn für ain frommen man achtet und ime auch sonderlichen vil vertrawet und lieb hett. Zu dem sprücht er in schimpf, gleichwol mit ernstlichem gesicht: »Wolan, hofmaister, schick dich und beicht deine sündt! die laß dir laidt sein, dann du muest
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deines verschuldens halb heutigs tags sterben!« Wiewol nun dem graven nit ernst, dann er den traum für ain lautere fantasei und unwarhait gehalten, so sprach doch der hofmaister: »O himmlischer Gott, wie bistu in deinem gericht so gerecht!« und bekannt da offenlich und unbezwungen vil böser
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sachen, darum in auch der graf, der sich dessen gar nit het versehen gehapt, verdiente straff ließ empfahen. *



  1. dieses capitel fehlt in A.
  2. fraw Venus perg] s. darüber Grimm, Deutsche Mythologie (2. ausgabe) s. 887; 888; 1008;1230; Schreiber, Taschenbuch 1839, s. 548 ff.; Gräße, Der Tannhäuser und Ewige Jude (2. auflage) 1861; H. Holland, Die Sage vom Ritter Tannhäuser, in der »Neuen Münchener Zeitung« 1860.
  3. uf zwaien kelbern] über einen ähnlichen ritt auf einem kalbe s. Stälin a. a. o. III. 759, anmerk. 1.
  4. vahrende schuoler] über diese s. z. b. Pfeiffers Germania IV, 84 und anmerk. 84; Bader, Badenia II (1862), 401 ff,; O. Dolch, Geschichte des Deutschen Studententhums s. 97 ff.
  5. sendbriefen] in epistola XLVI.
  6. Venusberg] vgl. Grässe, Der Tannhäuser und Ewige Jude s. 9 ff.; Simrock, Quellen des Shakspeare (2. aufl.) II, 162.
  7. per artes] hs. peraites.
  8. im] hs. ain.
  9. Boll] hs. Bollt.
  10. jemerlichen] hs. jmerlichen.
  11. im] hs. in.
  12. Gretzinger] hs. lücke.