<<< Kapitel 81 >>>
aus: Zimmerische Chronik
Seite: Band 1. S. 583–608
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[583]
*[1435] Ein sonders capitel, in herr Johannsen
15
Wernhers freiherren zu Zimbern des eltern sachen einzumischen, da es sich hinfüegt.
Herr Johanns Wernher freiherr zu Zimbern hat in seiner jugendt ain großen gunst und willen bei menigclichem gehapt, insonderhait bei denen von Würtenberg, und
20
gemainlich auch bei aller fründtschaft. Einsmals hat herzog Eberhart von Würtenberg ain grosen hoff gen Nürtingen ußgeschriben seinen nachpur von grafen, herr und vom adel, darunder auch iezgenannter herr Johanns Wernher berueft worden; ist aber er wider iren aller verhoffen ußbliben.
25
Dess hat sie was befrembt, doch im in schimpf ain geruempten brief zugesandt, wie der zeit ain ganz geselligclicher geprauch gewest, darin sie im sein nitkommen hoch verwisen, iedoch alle schuld des ußbleibens dem alten herr Wernher, seinem herr vatter (als ob er vom selbigen hieran
30
verhindert worden) zugemessen. Und dieweil aber solcher geruempter brief ganz holtselig gestellt und ich den under den alten geschriften in der registratur gefunden, hab ich nit underlassen sollen, den in diser historia inzuverleiben. Und hiebei ist wol zu merken, das zu selbiger zeiten das
35
trinken und schlafftrinken bei uns Deutschen auch in der übung gewest, dann des würtenbergischen briefs datum laut umb ein uren nach mittenacht, und facht also an:
Ein freiherr von Zimbern, Wernher Hanns,
Was üppigen und öden mans

1

[584]
Magstu immer gesein,
Das du die wort dein
Also hast verachtet?
Das wurt von uns betrachtet,
5
Wie wirs dir ufs hechst anziehen,
Das du also thust fliehen
Sollich gut gesellschaft,
Die du mit urlobs kraft
Dins vatters halb wol gesuchet,
10
Hettest du nit geruchet
Zu Messkürch zu beleiben
Bei junkfrawen und schenen weiben,
Die ir ob inen allen
Lieben. Das lassen wir fallen;
15
Und haben doch das geduldt,
Mainen, es sy nit der schuld,
Und thuegen es dem alten zulegen,
Der maint, uns zu bewegen
Durch irrung seiner geschäften,
20
Die nit allweg inheften;
Werden also verstanden,
Und halten auch in den banden
Die entschuldigung seins darlegen.
Erst thut sich unser zorn bewegen
25
Uf in, und lässen es beleiben,
Wellen in ins auchtbuch schreiben.
Und haben darbei vernommen,
Das dir, Hanns Wernhern, sy zukommen
Von den von Sonnenberg schreiben,
30
Das du nit sollest ußbleiben;
Wo das aber nit möcht sein,
So wellten sie dannocht keren ein
Zu Hochemberg, dem edeln stamm;
Und das da ir kainer kam,
35
Das schafft, das sie on antwurt ließest,
Dess du gar litzel genießest
Vor junkfrawen und auch frawen,
Do wir in kessel hawen
Wellen dich ufs hechst
40
Und deinthalb uf das best
Dich wellen ußbraiten;
Denn Hohemberg die saiten
Dir ufs hechst will spannen;
So will graf Jos nit dannen,
45
Er will auch dein unlob meren.
Noch thut ainer zukeren,
[1436] Johanns, ain freie von Steffeln,
Der maint dich auch zu göffeln
An schener frawen huld,
50
Wo es kompt zu schuld.
Dessgleichen der junge Itelfritz

1

[585]
Helt es auch für ainen schwitz;
Und auch der frei von Sax, Jacob,
Het es vast von dir zu grob.
Melcher[1] der Tierberger
5
Helt es auch für schwer.
So sagt Balthuser von Bühel,
Das du sist ain rechter nihel
Mit deinem ußbeleiben.
Ins best will dirs nit scheiben
10
Mit namen Jacob Schenk.
Hanns Spät auch sein schwenk
Uf das üppigest darzu leut.
Baldegker hat auch vil geseut,
Das darzu ze thund sig;
15
Do lat es Ringelstain beleiben bi;
Der klain, küne man,
Jerg, und Jerg von Aw hand nit span,
Das mans anzieh heßlich.
Es ist auch unvergesslich
20
Von Wehingen Toman und Hainrich,
Die wend es auch unseuberlich,
Wo sie kunnen, ußrichten.
Hölstein wils nit schlichten.
Der von Iserstetten
25
Vermaint, es auch nit zu gletten.
Dessgleich Kleinat von Husen
Will on alles grusen
Das best auch darzu thun.
So hetten diß nachgenannten sun
30
Gern an der sach gemachet;
Von zorn es ganz erkrachet.
Das was Fridrichen von Aw pein,
Das es nit möcht richtig sein.
Wernher und Jerg die Schenken
35
Mainten, wir sollten bedenken
Uns baß in den sachen.
Erhart von Ow wolt machen
Frid an den dingen.
Es thet auch darnach ringen
40
Wernher von Rosenfeld.
Noch ain ich hie meld,
Von Grafnegk, der Ludwig,
Der maint, es pring nit sig
Söllich irrung in landen.
45
Der Schwelher nams zu handen
Und wolt es auch versünen;
Doch wolten sich die küenen

1

[586]
Gar nichts daran keren.
Noch wollt es ainer erweren,
Genannt von Ow der Michel,
Dannocht was er nichel[2].
5
Wiewol von Ramsperg Hanns
Sich des großen spans
Mit antwort het gern gewert,
Do warn wir zu hört,
Und ist daran erfunden,
10
Das es stät unverbunden.
Dess merk Hanns Wernher dise clag
Und thu uns darumben abtrag!
Darin du dich gar wol bedracht!
Geben umb ains nacht mitternacht
Uf mittwoch nach sant Tomen,
Und thu ain ander mal kommen,
So bleibstu unentbresten.
Geschriben im zwai und dreißigesten
Noch in diser zal der jar.
20
Gott geb uns hail! Das werd uns war!
[1436] Herr Johanns Wernher hat ain deutschen spruch gemacht von ainer abenteurlichen handlung, die im in seiner jugendt mit ainer schenen frawen ist begegnet, namlich wie dieselbig neben irem alten eeman mit ainem münch, aim
25
relling, hat zugehalten und wie froh sie damit gewest; und beschaint sich wol, das solchs im Niderland sei fürgangen, wie er dann vermeldet, das es in ainer statt nit weit von Ach beschehen; auch sich vergleicht mit gegenwurtigen zeiten, wie leichtfertig zu oftermal sich die eeleut vor jaren
30
in selbigen landen erwisen, als dann das hernach durch das ganz Niderland und durch Frankereich laider so gar in schwank kommen, das man sollichs nit mer geachtet. Disen spruch hat er herzog Eberharten von Würtenberg zugeschrieben, an dem er gar ain vil gnedigen herren gehapt,
35
und facht der spruch an, wie hernach volgt:
[1437] In ainer statt das geschach,
Die nit weit ligt von Ach,
Ains abents ich spacieren gieng,
An ainer gassen ich anfieng.
40
Ich gedacht: »Es ist noch frue,«
Stand ains still und lug zue,
Was schener jungkfrawen hie sind,
Mägt, weib und auch kindt,
Die alle nach wunsch sind geschaffen.
45
Ein menige von leien und von pfaffen

1

[587]
Standend auch an dem ring.
Da sich der tanz anfieng,
Sach ich ain raien oder zwen
Hin und her für mich gen,
5
Iedoch zuletst da nam ich war
Ains dürnlins, das was brun gefar;
Dasselb mir ganz mein herz besaß,
Ich wist[3] weder diß noch das,
Was ich halten oder lassen sollt;
10
Das macht, das ich so schwitzlich holt
Allain demselben dürnlin was.
Ich gedächt: Ach Gott, der genaß,
Dem die frucht zu tails wurt;
Was im leidens darvon geburt,
15
Das sollt er alles achten klain.
Ich sach das türnlin steets allain.
Da ich sein also name war,
Ich erhub mich und macht mich dar.
Alsbald ich zu ime trat,
20
Nidersitzen es mich pat
Und grüeßt mich ser mit worten klug;
Wann das het endert fug,
So sach es mich gar lieplich an;
Ie mer und mer mein herze bran,
25
Das ich im zur selben stundt
Vor holtschaft kain wort nit reden kundt;
Doch plickt ich es hinwider an.
Das begund es bald an mir verstan;
Wiewol es was der jar ain kind,
30
So was es doch der sach nit blind,
Es sprach: »Gesell, hab mansmut!
Dein sach die möcht noch werden gut;
Ich sich, das du verirret bist
Von ainer lieb, die dir gebrist.
35
Ich pitt, sag mir dieselben that,
Villeucht so gib ich dir ain rath,
Der darzu wol erschießen mag.
Morn so wurts aber tag;
Was heut nit sy, das sy morn!
40
Dein truren das laß sein verlorn!
Ich sich dich fir getrewe an,
Darumb ich dir vil gutes gan.«
Ich dank im zur selben stund,
Entschlossen gar het es min mund;
45
Mir was entschlagen do der ban.
Mein red die hub ich also an
Und sagt ir ganz den willen mein,
Wie sie mich hielt in großer pein;
Ob sie mir nit mit gnaden nig

1

[588]
Und mir ir trew und lieb verzig;
Mit lengern worten ich das thet,
Die sie von mir verstanden het.
Mit lachen sie mich ansach,
5
Gar spottlich zu mir do sprach:
»Gesell, hast du mich darfür,
Das ich gelich entschließ die thier
Gegen aim so frembden man,
Dess ich doch kund nie gewan?
10
Ich main, du seiest uß der affen land;
Sehe hin dir mein trew zu pfand,
Das du nit bist genug gelert
Der spur, die zu den dingen hört.«
Sie sprach: »Du bist ain linder man,
15
Das du dich so bald magst nemen an
Fründtschaft zu aim frembden weib
Und sie darfst bitten umb irn leib;
Ich mein, es habs der wein gethon,
Oder dein hürn das trübt der mon.«
Zu ir sprach ich: »Fraw, zirnet nit!
Verniempt noch ainmal mein pitt!
Lasst euch nit so zornig sehen!
Es ist mir ganz in schimpf geschehen
Die wort, so ich geredt hab,
25
Und das erpüeten, so ich euch gab.«
Ich wand, damit gebessert han,
Erst het ich groß unrecht gethan;
Ich wand, sie wellt mich han geschlagen.
Erst hub sie an ser ab mir clagen
30
Und sprach, ich wer ain bub von art,
Das ich nie wirs gehandelt ward.
Sie sprach: »Hastus gelesen in buchen,
Das man soll frawen also versuchen?
Pfui dich, der großen schant!
35
[1438] Man sollt dich nit lan im landt,
Das du so gar am rugken leist
Und ain er umb schand geist.
Du bist ain zerrichter man,
Es kompt dich von kaim guten an.«
40
In dem kert sie sich von mir.
»Deins besitz ich wol embir[4]
Von angsten war mir haiß und kalt,
Die red die zwang mich mit gewalt,
Das ich nit wist, was ich thet,
45
Das ich die sach so gehandelt het.
Ich wist nit, was ich darzu sollt sagen.
»Der teufel hat mich daher tragen«,
Sprach ich do wider mich.
Ob ich das nun widersprich

1

[589]
Und uf mein alte red kom,
Allererst möcht sie mich haißen nit from
Und sprechen, ich wer ains leichten mut;
Ich waiß nit, ob es taugen tut.
5
Do ich saß also gedenken,
Die sprach: »Schluraff, wie wilt henken
Din kopf so ganz uf die erden?
Bait noch ain weil! laß nacht werden!
Ich sich wol, das dich blanget
10
Nach wein, der dir für die augen hanget.«
Sölcher spottwort sie mir vil gab.
Ich gedacht: »Nain, still dich heflich ab,
Dieweil es so gut ist gethan!
Du magst iezt nit bessers han.«
15
Ich hub mich uf und gieng davon.
Man tanzt forthin, als ist gewon.
Ich stallt mich hindern tanz hindan;
Ganz trurig was ich gethan;
Ich het vil wechselsinn bei mir.
20
Iezo dacht ich, Gott wels füegen schier,
Das sie gedenk dich in gut.
Gleich so verkert sich mein mut.
»Ie, wie thust so derlich denken,
Das du ie nun ir stim willt lenken
25
Zu dem, das ir nit im herzen ist?
Wie bist so thor, das du vergist
Der wort, so sie het geredt?
Gang hinweg, leg dich zu bett!
Da stat dir vil mer gewins bei.
30
Du sichst wol ir wesen frei,
Sie hat lützel laid ab dir.«
Allererst do begund mir
Mein har gen himel grislen
Und alles mein blut wislen,
35
Das ich kom verhub das wainen;
Ich must mich an ain wand lainen,
Das ich nit wol kund gestan.
»Was arbaitselliger, ellendiger[5] man
Bin ich zu disen stunden,
40
Das mich ain weib hett so gebunden!«
Mit der sach ich also rang,
Die mich so genzlich bezwang;
Ich maint, mein leben müest erwinden,
Ob ich nit ir huld möcht vinden.
45
Do mein gedank was also ganz,
Von stund an zerließ sich der tanz;
Do wollt ich gar eben acht han,
Wo das tirnlin hin wollt gan.
Es zoch hin mit andern frawen.

1

[590]
Do begund ich wol ußchawen.
Als es kam für ain staine thor,
Daselbst pegegnet im vor
Ain[6] junger münch in graw beklaidt.
5
Ich waiß nit, was er im seit.
Es nam seiner red gar eben war,
Damit warf es im s'mule dar,
Alda von in baiden ain schmutz.
Wie nach mir vor laid geschach zu kurz,
10
Dess mag ain iedes hermessen,
Dem liebe sein herz hat besessen.
Ich stund als ain unwissender still;
Ich main, es ergieng ir will,
Wan ich was so btoren,
15
Das ich sie hett verloren;
Ich wust nit, wa sie kommen war;
Mir ward in vil jar
Der weil nit so langen.
Erst kament sie gegangen,
20
Ich waiß litzel, waher,
Ob sie kemen uß dem ker,
Oder wa sie wern gesessen,
Dess bin ich ganz vergessen.
[1439] In dem kam ain alter man
25
Uß dem hus fürher gan,
Der hett wol gesehen,
Das der schmutz was geschehen.
Wa er darnach hin wer kommen,
Oder was er mer hat vernommen,
30
Das kan mir nit wissendt sein,
Dann mich irret der sonnen pein.
Do er das dirnlin anesach,
Mögt ir heren, was er sprach:
»Mätzlin, wa seit ir gewesen?
35
Habt ir aber alles ufgelesen,
So krumb es uf der gassen lit?
Ob ich hie erhubt den stritt,
Das brächt mir klainen frommen.
Ich verzeih, biß wir haim kommen.«
40
Do ich die red also vernam,
Ich waiß nit, wa der münch hinkam.
Das metzlin hub sich hinfür,
Ich folgt im biß zu der thür,
Do gieng es hinein.
45
Daran stund die herberg mein,
Darin ich zu huse was;
Do ward mir vil dess baß,
Do ich im so nahent huset,
Wiewol mir doch gruset,

1

[591]
Als ir vor wol hand gehert,
Wie die gespillschaft ward zerstert.
Ains löffens ich do luf
Schneblenclich die stegen uf
5
Und gedacht, ob ich mit fugen
Ienderthin überlugen
Oder heren, was da wellt werden.
Ich such embor und uf der erden,
Ob ich iendert ain lechlin fund.
10
Zu letst do ward mir kund
Ain spalt an ainer wand;
Den begraif ich mit meiner hand.
Ich satzt mich dran und wollt schawen,
Ob ich iendert seh die frawen,
15
Die mir vor so wol gefallen hett.
Als ich so umb mich lugen tät,
So ersich ich die liebsten mein:
Gar nach verschwunden was min pein;
Dann das mir alles inne lag,
20
Das ich gesehen het bei tag,
Do mir der münch in garten trat.
Wie mit klainem fleiß ich in das pat!
Ich gab im auch dess klainen sold,
Das er der were hold,
25
Die ich von herzen lieben thet.
Wenig ir ich das trawet het
Nach den worten, die sie mir gab.
Zu diesem zeil steck ich mein stab
Und mach mich wider uf die straßen,
30
Da ich die red vor hab gelassen.
An die wand schmuckt ich mich dar
Und wolt vil bas nemen war,
Was sich da wellt heben an
Vom dirnlein und vom alten man.
35
Nun was es[7] kommen uf das zil,
Das der vinsteri kam so vil
Von der nacht, das geschach,
Das ich nit wol hindurch sach.
Do waiß ich nit, was im gezam,
40
Gar bald es mit aim liechtlin kam;
Das[8] stackt es neben sich embor,
Darzu ain schatt, der stund darvor.
Das dirlin gieng zu dem bett;
Wie bald es sich usschlaufen thet,
45
Es legt sich an das bett hinan.
In dem so kumpt der alte man
Gegangen zu der kammer in,
Schummet als ain eberschwin;
Kriegens in nit verdroß.

1

[592]
Mit dem er die thür beschloß.
In klaidern legt er sich uf das bet,
Als ob er ain grose krankheit het.
Da er das dirnlin anesach,
5
Mögt ir hören, was er sprach:
»Du waist wol, metzlin, was hast gethon;
Was soll ich dir darumb geben zu lon?
Ich hab dir den münch dick gewert
Und auch dein leib darumb erbert;
10
Das hilft recht, als es mag.
Morn so wurts der fierte tag,
Das ich dich darumb straffen thet.
Ich legt auch vleisig an dich mein pät
Und versucht es mit güte an dich;
15
[1440] Das hat als geholfen nichts;
Du magst der alten tik nit lon,
Den münchen bist du underthon.«
Das dürnlin sich umbkeren thet,
Als ob es fast geschlaffen het,
20
Und sprach zum alten man:
»Du hast mich gelogen an;
Wiltu die rechten warhait jehen,
So hast mich uf dem münch gesehen
Und nit den münch uf mir;
25
Das sag ich in rechter warhait dir.«
Mit dem kert es sich wider umb,
Schwigendt, als ob es wer ain stumb.
Allererst sach ich ain grusen man,
Das im sein herz vor zoren bran.
30
Mengen fluch er dem tirnlin thet,
Das sich darab nit verharmdet[9] hett;
Wie laut er ob im schwur und rief,
Nit minder täts, als ob es schlief.
Der red der traib er also vil,
35
Die ich euch nit halber nemmen will,
Dann es wurd sich lengen.
In dem so begund sich mengen
Der zorn und die liebin,
Die er hett zum dirnlin.
40
Da er wand, es wer entschlaffen,
Da hub er an sein har ußraufen
Und sprach: »Ach ewiger Gott,
Wie ist es mir ain schand und spott,
Das ich die schmach ansehen soll!
45
So mag es auch nit haben wol
An dem futter, das ich im gib;
Und söllt es machen mit dem sib,
So wer es mer dann halber staub.
Ei, wie bin ich so taub!

1

[593]
Seit es nit anheut erwint,
Ain vih gat, da es zu essen findt.
Ich kan im darumb nit find sin,
Wann es hat ganz das herze min.
5
Ee ich von ime wellte lan,
Ich wellt im ehe ußer wege gan.«
Der red von ime ward vil verbracht.
Es nahet sich gen mittenacht,
Das im zu schlaffen auch gezam.
10
Sin zorn der was im worden lam.
Das dirnlin das bedacht sich bas,
Da er allererst entschlaffen was:
Es kert sich gegen im gar schnell,
Ain schrai ließ es, der was hell;
15
Es sprach: »Du mein liebster hort,
Du hast gethan an mir ain mort,
Das du des nachts nit nider gest,
Iez du mich ser erschrecket hest.«
Userm schlaff der alt erschrack,
20
»Pfei dich, du verfliechter sack!
Warum schraustu nit also,
Do der münch dich hett im stro
Und mit dir sin willen hett
Dort an ainer vinstren stett?
25
Du must noch darumb verderben
Und villeucht darzu ersterben!«
Das dirnlin zu dem alten sprach,
Da es in also ligen sach:
»Ei, du mein liebster man,
30
Du hast mir warlich unrecht than:
Von mir hastus nit gesehen,
Es ist dir im trom geschehen,
Ich het nie kain man zu dir,
Das soltu frei glauben mir;
35
Und wist ich, das dus in ernst thetest,
Auch das vertrawen zu mir hettest,
Ich wollt auch nit biß morgen beiten,
Nit mer kem ich an dein seiten.«
Damit thet es sich ufs kise lainen,
40
Mit haisen zeher begund es wainen,
Darzu ser seine hende winden.
»Kain mentsch soll mich nit also finden,
Ob Gott will!« sprach das dirnlin
Zu dem alten manne sein.
45
Do hub an der alt und sprach:
»Kain felscher weib ich nie gesach,
Die will mich mit worten schenden
Und mit offnen augen blenden.
Du waist, als ich necht kummen bin,
50
Das ganz erzürnt was mein sinn,
Und das ich dich darumb straffen thet

1

[594]
Der that ich ie gesehen hett,
[1441] Und wilt mich iez mit worten laichen;
Ich sage dir zu wortzaichen:
Wie der münch dir gab den segen
5
Und wie er wer uf dir gelegen,
Da antwurtest du zur stund
Und kumbst mit aim sollichen fundt
(Ich bin der sach noch nit vergessen),
Du werest uf dem münch gesessen,
10
Und der münch nit uf dir.
Noch mer sagtest mir,
Du wondest bei dem Barfuoßer ligen,
So war ain Prediger zu dir gedigen;
Die red die thetstu mit mir treiben,
15
Darum so laß es am nechsten bleiben!«
Allererst do hub sich jamer und mort.
Das dirnlin wandt sich uf ain ort
Und hub an wainen und clagen
Mit worten, als ich euch will sagen:
20
»O we, o we, mir vil armen,
Das es Gott wol erbarmen
Solch unrecht, das mir geschicht
Von ainem solchen falschen wicht!
Wenn er sich überlet mit wein,
25
So verliert er die stime sein,
Als dir iezo ist geschehen.
Nechten bistu wenig gesehen,
Das du kum hast künnen gen,
Darzu nit am ainli stän;
30
Das ist an dem wol schein,
Du ligst noch als ain schwein;
Dess magst du nit mit warhait fliehen,
Dann du kunt dich necht nit abziehen.
Wann ich dich wolt niderfüeren,
35
So begegnest du mir mit schwüren
Und mit solchem schelten,
Dess ich arme fraw muß entgelten.
Wann dir alsdann ain trom erscheint,
Als dir ist geschehen heint[10],
40
Da dein sinn ist mit wein besessen,
Dann wilts als zum ergsten messen
Und tust nit dann schreien und ruofen[11]
Gleich aim unstimmigen wuofen.
Die warheit ist mir nit verzigen,
45
Du thust noch also da ligen
Und schmeckst als ain essigvaß;
Mir werd wirs oder bas.
Hilft mir Gott, das es wurt tag
Und das ich gen mag!

1

[595]
Ich wolt mich selbs ehe erdrenken
Oder an ain stang erhenken,
Ehe ich das leiden well;
Mir wer baß in der hell,
5
Dann also hederisch leben.
Dess will ich dir mein trew geben.«
Uf das sie ain zittern gewan,
Als ob sie fieber wer kommen an,
Und verkert damit die augen;
10
Ich sag es one laugen,
Sie thet, als ob sie tod wer.
Lachens ich ganz verber;
Ob ich noch also ains sollt schawen
Ainen man, ich geschwig ainer frawen
15
So will ich sein lieber emberen
Und anderer kurzweil geren.
In dem der alt seer erschrack,
Da das dirnlin also lag.
Das kam von zwaien schulden,
20
Von vorcht und von hulden;
Er wond, es wer also,
Als sie gebarete do,
Das er schuld an irem sichtum hett
Und das er sie müeße heben zu bett;
25
Auch was er im so herzlich hold,
Das er dhains fürsten sold,
Den er für sie het genommen,
Das er umb sie sollt sein kommen.
Do sie ain wenig zu ir selbs kam,
30
Ir hand in die seinen er do nam
Und sprach also zu ir:
»Wolltest du glauben mir,
So sprüch ichs wol uf meinen aid,
Es ist mir sicherlichen laid
35
Alles das, so dir gebrist,
Der krankhail, das du inne bist.«
Das dirnlin do gar senfte sprach,
Do es den alten anesach :
»Hab ich noch nit gnug bin,
40
[1442] Das du erst wilt spotten min
Zu dem leiden und schmerzen,
Den ich trag an meinem herzen,
Damit du mich iez tust pfenden?
Dann mein leben will sich enden.«
45
In dem sank es aber dahin,
Als ob es sein letstes wellte sin.
Do der gris diß sach also,
Wie lut er schrai: »Mordio,
Soll ich nun verlieren die?
50
Ich mag nit mer leben hie,
Dann ich wird gar zu nicht

1

[596]
Ab ir end, das geschicht.«
Das und vil anders mee
Redt der alt user grosem wee.
»Ach herr Gott, laß geschehen,
5
Das ich sie gesund mög sehen!
Ich will dir bei meinem leben
Alle jar ain zins geben.
Auch hilf mir, lieber herre
Sant Jacob, der verre!
10
Ich gib dir auch ain gabe,
Hilf mir der sorg abe!«
Alsbald er dess verhaisen het,
Das dirnlin ain aug ufthet,
Als ob es wer erkecket
15
Und von dem tod erwecket.
Do der alt ersahe das,
An seinem herzen ward im bas,
Sein hand hub er uf gen Gott:
»Ach milter herr, durch dein gebott
20
Bistu, wer getrawet dir;
Du hast auch geholfen mir,
Das ich dir immer dank sag,
Als lang ich geleben mag!«
Er[12] thet sich do zum dirnlin.
25
»Ach herzallerliebste min,
Ich mag es für ain warhait jehen,
Es ist ain groß zaichen geschehen
Hit zu tag an dir,
Darvon billichen wir
30
Gott sollent eren
Und sein lobe meren.«
Nu megt ir heren, was geschach.
Das dirnlin zu dem alten sprach:
»Ich sollt sein gestorben,
35
So het mir erworben
Sant Jacob das leben mein.
Noch so leidt ich pein,
Die du mir hest zugefiegt;
Damit dich noch nit benüegt:
40
Du treipst mit mir deinen spott.
Es bleib nit ongestraft von Gott,
Es werd dir darumb der lon,
Dann du hast mir unrecht thon
Dess, so du mich hast gezigen.«
45
In dem do begund nigen
Der alt zu dem dirnlein:
»Ich pitt, verstand die red mein!
Du sollt warlich wissen,
Ich will sein geflissen,

1

[597]
Dich in er und gut setzen
Und dich deins laids ergetzen[13];
Dann ich kan wol verston,
Das ich dir unrecht hett thon;
5
Es soll dir fürhin nit me schaden,
Ob ich mit win wurd so bladen.
Das ich aber ain sollichs wenen wellt,
So sy es zu meiner torhait zellt!
Darum so setz ichs ganz zu dir;
Biß füro ungestraft von mir!«
Und schankt im ain klainat do,
Des ward das dirnlin harde fro.
»Noch will ich dir ains geben:
Du magst nach deinem willen leben
15
Und selbs immer maister sein,
Das hab dir für die pein
Und auch für das zu lon,
Das ich dir unrecht hab gethon!«
Do sprach das dirnlin gar schlecht:
20
»Das du mir dick so unrecht
Deinen zorn hast gegeben,
Es kurzt mir mein leben,
Das ich dester ehe sterben muß.
Noch so gehert uf buß,
25
Das man soll vergeben die tat,
Die dann ains gesundet hat;
Darum dweil du die schuld nennest
Und dich des unrechten bekennest,
So thur dich hernigen,
30
[1443] Ich will dir verzigen
Und mit dir haben son,
Das dus nit mer wellest thon.«
Darauf sprach der alte gris:
»Herzlieb, ich pitt dich mit fliß,
35
Das du dess nit mer wellest gedenken,
So will ich dir ganz anhenken
Die schlüssel zu dem, so ich han,
Das soll dir sein alles underthan.«
Uf das nam es in in seine arm.
40
Das macht dem alten kalt und warm,
Es macht auch uß aim man ain kindt,
Darzu mit offnen augen blindt;
Dann er gedächt, der will wer gut.
Das sterkt dem alten seinen mut,
45
Und hett damit ganz vergessen,
Was im vor sein herz het bsessen,
Auch des schmachs, den er hett vernommen,
Was im ganz uß sinnen kommen.
Damit so ward die sach geschlicht

1

[598]
Und aller handel genzlich gericht.
Der alt sich zu dem dirnlin legt,
Sein kommer der ward ganz wett
Von der liebe manigfalt,
5
Die doch was im dirnlin kalt;
Wiewol es da den gleichen thet,
Als ob es ganz zu dank het.
Noch was er im zu aller stund
Ain surer apfel in den mundt;
10
Dess ließ es doch nit merken sich.
Ie zuweil gab es ain stich
Dem alten mit den augen;
Es kondt gar tougen[14]
Mit dem alten umbgen
15
Und im farben stim wen.
Do es in ganz gefasst hett,
Mögt ir heren, was er thet.
Es hub sein wort also an:
»Herzallerliebster man,
20
Ich wöllt dir gern entschließen,
Wo es dich nit wellt verdrießen,
Das es gar umbsunst ist gethan,
Wo ains weibs furcht der man;
Dann es ist ain alt gesprochen wort,
25
Das du dick hast gehort:
Es ist die aller best hut
Die, so ain fraw selbst thut;
Dann wa aine nit selbs hüeten will,
Da hilft weder litzel noch vil.
30
Noch muß ich dir me ains sagen,
Was geschach vor langen tagen:
In der edlen statt Prato[15]
Was ain gesetz also,
Das ain iedtlichs weib
35
Hett verloren iren leib,
Dess half sie nichts uf erden,
Sie musst verbrennt werden;
Es dienet auch nit weiter me;
Dann, welche brach ir ehe,
40
Auch besunder, wo das geschach,
Das man miet oder glaub anfacht.
Nun in derselben statt
Gar kurz sich begeben hat,
Das ain edle junge fraw alda,
45
Genannt die schen Philippa,
Von irem mann, Rinaldo genannt,

1

[599]
In irer kammer ain jungling fand.
Der was auch von edlem stammen
Und hieß Lazarino mit nammen,
Schlief bei der schenen frawen am bett,
5
Den sie als sich selbs lieb hett,
Mit armen und bain umbfangen;
Ich main, es wer hergangen
Ir baider will zur stunden.
Das sie ir man also hat funden,
10
Darvon großen kommer nam,
Das er nach von sinnen kam
Und an aim klainen erwinden tät,
Das er sie nit baid ertötet hett;
Doch auch ainsthails darum borget,
15
Das er sich vor dem jungen besorget,
Und damit pariret,
Sein zorn auch temperiret,
Doch sich nit ganz meßigen kundt.
Er bedacht an derselben stundt
20
[1344] Der vorgenannten statut und recht.
Er berueft seine mägt und auch knecht
Und sust ander leut vil,
Das sie kemen uf das zil.
Die ließ er alle da anschawen,
25
Wie lag der jungling bei der frawen,
Umb das obs not thet.
Das er sie zu zügen hett.
Nun alsbald sich der tag ufbürt,
Der man sein weib für gericht fürt.
30
Als nun die fraw fürs gericht kam,
Gar bald sie in im sinn nam
Ain starken, vesten mut,
Es sy bes oder gut.
So fasst sie dann zu kurzer frist,
35
Als nach der bulerin gewonhait ist.
Uf das sie gar freulich ufblicket.
Bald nach iren lieben fründen sie schücket,
Die bat sie umb ret,
Wie sie sich fristen thet,
40
Das sie nit wurd geschendt
Und darzu mit feur verbrent.
Die ir rieten mit solchen klenken,
Sie sollt sich uß gehe bedenken,
Damit von dem gericht weichen
45
Und gar verr hinweg schleichen.
Das war ir sonder gefallen,
Dien rat fand sie on inen allen.
Ein gute weil sie also uf ir selb stund,
Sie tät, als noch starke gemüeth thund.
50
Darauf sich gar kurz beriet,
Von ir aller red sie schied

1

[600]
Und wellt ie für recht kommen,
Es brächt ir schaden oder frommen,
Und mit starkem gemüt sterben,
Dann mit ligender frucht verderben
5
Und ehe sie in verlaugnen thet,
In dess ann sie geschlaffen het.
Do sie sich so bedacht hat,
Gar schnell sie für den richter trat.
Als sie nun für den richter kam,
10
Ain frei, freulich gemüet sie an sich nam,
Den richter do fragen began,
Was sie schuldiget der man.
Der richter ain frommer, redlicher man was,
Hub uf und sagt ir das,
15
Wie ir man sein clag thun het
Und wie er den jungling an dem bett
In iren armen het funden schlaffen,
Darumb so müeßt er straffen
Nach der statt statut und recht,
20
»Soverr ir das nit widersprecht;
Dann ewer man schuldigt euch der tat;
Darvor so lugt, was ir zu schaffen hat!«
Die fraw unerschrockenlich den richter ansach,
Züchtig, demüetig und lieplich sprach:
25
»Herr, der richter, ich leugen dess nit,
Ich lag hint Lazerino mit
Ganzer fründtlicher liebe bei,
Das es mich gerowen sei,
Dess einst es warlichen nit gethan,
30
Dann ich waiß in der welt kain man,
Dem ich größer liebe trag;
Die mert[16] sich von tag zu tag.
Aber noch verniempt ain wort mein:
Herr richter, euch solt wol wissendt sein,
35
Das alle gestetzt, statut und recht
Sollent sein also schlecht;
Sie seien groß oder klain,
So sond sie doch sein gemain.
Sie sond sich auch geleichen
40
Dem armen als dem reichen,
Der frawen als dem man,
Solches billich eben stan;
Das wer ain statut gut,
Die alda nit erscheinen thut,
45
Dann allain die frawen und nit man
Dem gesatz sollent sein underthan.
Das bedunkt mich sein ain spott
Und auch darzu wider Gott;
Dann ir man hend diß satzung gemacht

1

[601]
Und habend dabei nie gedacht,
Kain frawen darzu zu nemen.
Wie wol mag sich das gezimen,
Das wir weiber hie uf erden
5
Und nit ir man gebüst werden?
Darumb so sprüch ich wol frei,
Das ewer statut nit recht sei.
Do wie und was man well,
Wend ir euer seel in die hell
10
[1445] Umb meinen leib geben
Und mir nemen das leben,
Das steet wol zu ewerm gwalt.
Noch hat die sach ain gestalt,
Wellt euch das gezemmen,
15
Das ir die wellt vernemen
Und euch so lang entwellen,
Biß ich die möcht erzellen,
Das ist, das ir fragt mein man,
Ob ich im nie gefellt hab daran,
20
Das ich im nit gehorsam sy gesein;
Wann er hab begert mein,
So was ich allweg geschickt;
Wie oft und wie dick
Er das an mich muten thet,
25
So hab ich ims nie verseit.«
Uf das der man anhub und sprach:
»Herr richter, sie hat war an der sach,
Ich hab sollichs nie an sie begert,
Sie hab mich dess von stund gewert.«
30
Alsbald der man die red verbracht,
Gar kurz[17] sich die fraw bedacht
Und sprach zu dem richter do:
»Hett nun mein man also
Sin notturft zu aller zeit gehapt von mir,
35
Genzlich nach allen sins herzen gir,
War soll ich dann das thon,
Das er nit nutzen kan?
Soll ich es dann zu stund
Hinwerfen für die hund?
40
Ist es dann nit besser gethan,
Ich geb es ainem jungen edelman
Und werd im zu willen mit,
Dweil er mich darum pitt,
Und besonder eim, da es also stat,
45
Der mich me, dann sich lieb hat?
Dunkt mich ie bas sein geton,
Dann sollichs verderben lon.«
Nun warend vil von mannen und frawen,
Die alle begunden anzuschawen

1

[602]
Und sich an den ring gestellt,
Besehen, was da werden well.
Als nun die fraw da an der steet
Ir kurzweilig, abenteurig red getet
5
Und ir antwurt also erschein,
Do ward von allem volk gemain
Zu dem richter also geredt,
Das die fraw zumal recht het,
Und mit kurzen worten schlecht
10
So hett ir man ganz unrecht;
Und schreien auch zum richter,
Die gesetz weren zu schwer;
Darvor so sollt im gezimmen
Und das recht abnemen;
15
Das sollt also werden gesetzt,
Damit die weib wurden geletzt,
Das man die straffen söllt,
Die das theten umbs gelt.
Do diß alles so geschach
20
Und der man anesach,
Das er schand und spott empfieng,
Bald von dem rechten weg gieng.
Die schen fraw freelichen stund,
Als noch zu tag leut thund,
25
Die hie uf erden
Vom todt erlest werden.
Gar zichtigclich sie die straf fieng
Und damit wider zu haus gieng.«
Das dirnlin do uf im selber saß.
30
Es besint sich ain wenig baß,
Gar seiner da hub es wider an
Und sprach als zu dem alten man:
»Herzlieb, ains das frag ich dich,
Hastu nun verstanden mich
35
Dess, so ich dir hab erzelt,
So sag mir, wies dir gefellt.«
Der alt sich zu dem metzlin naig,
Als ob er schlief, und schwaig.
Über lang erst da hub er an,
40
Als er sich gar wol besan,
Und sprach do zum dirnlin:
»Ich laß es alles eben sin,
Dann was ich dir zugesagt hab,
Da will ich dir nit prechen ab.«
45
Das bedunkt das metzlin recht,
Damit ward der herr zum knecht
Also nach alten esseln geschehen soll,
Das ist gar billich und wol,
[1446] Die kum mögen gen gemach
50
Und doch wellen laufen umb scharlach.
Das laß ich stan zu diser frist

1

[603]
Und eben sein, wie das ist,
Nit me will ich davon sagen.
In dem do begund es tagen,
Da wir wurden ufsten.
5
Mit dem musst ich dannen gehn,
Damit man nit merken thet,
Was ich alda vernommen hett.
Nun wellen heren, was ich sag!
Es bestund biß nach mittem tag,
10
Ich saß als vor dem haus,
Ob es indert wellt gen herauß,
Das ich mein red gen im thet
Und es aber fründtlich pet,
Damit im erzaigt mein not,
15
Als uf dem alten schrot,
Gleich als Engeleiers knecht,
Wiewol meine wort warendt schlecht.
Doch ich also ainig saß
Und mich alda besinnet baß,
20
So blück ich gen seiner thür.
In dem kam es gangen herfür
Und sprach zu mir, wess ich da säß.
»Ach fraw, und wer es euch gemeß,
Und wellt gar kurz tagen
25
Und euch mein mainung sagen:
Ich sitz[18] durch ewern willen do,
Ir mögt mich laidig und fro
Machen, ob ir gebieten mir;
In ewerm dienst so wurd ich schier
30
Erlöst gar von aller pein;
Nun merkt ir wol den willen mein.«
Sie sprach zu mir: »Du kompst mir recht,
Ich hab mangel an ainem knecht.
Der hacken und reiten kund
In miner wissen, wann ich ims gund;
Darzu müeßtest ußchawen,
Das du kendest holz hawen
Und ander ruhe arbait vil,
Die ich dir iezt nit nemmen will,«
Und hub damit an zu lachen.
Ich verstund mich nit der sachen,
Ob ir wer ernst oder schimpf.
Sie kond auch nit mit glimpf
Lenger bei mir sten;
Sie ward fürußgehn.
Ich saß wie[19] vor gedenken:
»Wie mit abenteurlichen schwenken
Ist das weib beladen gar!
Ich main, ain ganze gauggelerschar

1

[604]
Ir nit gelichen kunde.
Das sie mir ir lieb gunde!
So wer mir geschehen wol;
Sehnen nach ir macht mich dol
5
Und benimpt mir all mein macht,
Das ich weder tag noch nacht
Kain ruhe nit mag gehan.«
In dem kam sie wider her gan
Und sprach: »Du gesell« zu mir,
10
»Ains will ich sagen dir:
Ich hab vor wol verstanden dich,
Wie du gern bsprechest mich;
Nun ist mir auch also;
Ich sag dir, wie und wo
15
Du must suchen ain sölchen list:
In dem hus, da du zu herberg bist,
Hinder dem kemmin
Da sollt du warten min;
So gen ich in mein haus zu hand
Zu dir an dieselben wand;
Da ist ain alt, finster loch,
Sichst mich nit, so hörst mich doch.«
In dem gieng sie bald für
Hinein zu ir thür.
25
Ich hub mich auch bald zu hand,
Da ich, das kemin vand,
Und setzt mich da nider.
Ich hab weder vor noch sider
Nie wirs zeit gehet,
30
Dann mir der rauch thet;
Und hett ich Nerons sündt gethan,
Ich möcht sie da gebüßet han.
Biß zu nacht saß ich da.
Wie dick dacht ich: »Wa
35
Ist das loch oder wann kompt sie har?
Ich main, das sie mit gefar
[1447] Mich daher gesetzet hab.
Ach Gott, nem es noch ab,
Das sie zu mir keme gan!« 
40
Ich wellts als für ain schimpf han.
In dem kam sie zu mir,
»Ach Gott, wie gät es dir?
Es hat mir so wehe gethan,
Das ich dich allain han gelan;
45
Ich was so ganz bladen,
Das ich nit ainen vaden
Nit hett mögen spinnen;
Mein man der was hinnen.
Der ist iezo gegangen uß
50
Und kompt hint nit ins hus;
Darumb so will ich dich laden

1

[605]
Zu mir in mein gaden;
Dahin will ich dich setzen[20]
Und dich laids ergetzen;
Dann ich sag dir uf diser fart,
Das mir kain mentsch nie lieber ward.«
Ich sprach: »Das will ich wol sehen,
Ob ain ding will geschehen,
Das ist, das du nit me
Mit dem münch schaffest, als ehe,
10
Noch mit im redest ain wort.«
Sie sprach: »Du mein höchster hort,
Ich will dir mein trew geben,
Das ich bei allen mim leben
Nimer mit im reden will,
15
Weder lützel noch vil,
Dess soltu von mir sicher sein
Uf die ganzen trewe mein!
Darumb so magst ain weilest gon,
So will ich dich wol wissen lon
20
Und dir schicken main maid,
Die dir die rechten warhait sait.
Damit so wellest hingan
Und uf die maid acht han!«
Mit dem bott sie mir die hand
25
Durch das loch in der wand.
Ich macht[21] mich in jen kemmet,
Allda der würt bedecket het
Den tist, als man essen wollt.
Ich setzt mich do, als ich sollt,
30
Zu meinen gesellen an den tisch;
Es wer hüener oder visch,
Gar nichts ich dess achten tet;
Das schuf die freud, die ich do hett.
Gar bald verkert sich da mein mut.
35
Man hub uf, als man denn thut,
Das wasser ward getragen dar,
Von der tür da nam ich war
Der magt, die mir was bekannt,
Als sie die fraw mir hett genannt.
40
Mein herz das wischt mir uf im leib,
Ich wond, ich sollt gen zu dem weib,
Die mir so wol gefallen thät.
Nun mögt ir heren, was sie thet.
Die maidt die hub mit worten an:
45
»Ach Gott, es will uns übel gan,
Unser freud die ist hint uß,
Der herr ist kommen in das hus,
Und ist mein fraw so übel dran,
Das sie nichts dann weinen kan;

1

[606]
Doch spricht, ir sollts nit haben qual,
Was ietzt nit, sy ain andermal.«
Ich gieng mit ir biß an die stegen;
Glicks des hett ich mich verwegen.
5
In dem do fiel mir eins in sinn,
Ich gedacht: »Nun macht dich wider hin
Und setz dich an die wand,
Do du den spalt mit der hand
Funden hast vornächt,
10
Da du uf ir bettlin sächt.«
Alda setzt ich mich nider
Und sach hin und wider,
Ob das alles wer also,
Wie mir die magt sagt aldo.
15
Gar bald do kam das dirnlin
Und fürt den münch mit im hinein,
Den ich im vor verbotten hett.
Der legt sich zu im an das bett.
Da saß ich als ain trurig man.
20
Ain klaine weil ich mich besan
Und gieng nach meinen gesellen dar,
Ich sprach zu in: »Nun nement war!«
[1448] Und zaiget inen do die tat,
Die sich alda begeben hat.
25
Ich sagt inen auch die mer,
Wie es mir ergangen wer
Von anfang gar biß an das end,
Und was ich vor an der wend
Gesehen und gehert het
30
Mit dem alten an dem bett;
Auch was es mir hett zugesait
Und den münch darüber zu im glait.
Do namen sie mich bei der hand
Und fürten mich hin von der wand;
35
Sie wurdend alle spotten mein,
Es sollt mir nit geschehen sein.
Der wort der tribents also vil
Und brächten mich zu dem zil,
Das ich meiner sinn vergaß
40
Und ganz uf dem esel saß.
Die ding die wollt ich alle rechen,
Baide mit hawen und mit stechen,
Als noch ist solcher lüten sitt.
Die nacht vertriben wir damit.
45
Noch saß ich in grosen sorgen,
Es nacht sich gen mitlem morgen,
Do kamend meine gesellen
Und sprechend: »Wir wellen
Hinweg reiten
50
Dann wir nit beiten
Lenger hier mögen;

1

[607]
Es wurd auch nit tögen,
Ob wir dich hie ließen.
Das laß dich nit verdriesen!
Dann wir haben dess sorgen,
5
Es begegnet dir morgen,
Das du auch wurdest gesehen,
Als dem[22] alten ist geschehen;
Dann dir iezo gebrist,
Das du betöret bist;
10
Dann die lieb on mangel
Dich gefasst hat an angel,
Die du zu dem dirnlin hast,
Das du nit weist, wamitu umb gast,
Und werest auch dess vergessen,
15
Wie du hint bist gesessen
Hinderm kemin am rauch,
Und wie es dich für ain gauch
Umb triben hat,
Und das es nit lat
20
Den münch durch dich.
Darumb nit sprich
Ain wort darwider;
Dann vor noch sider
Haben wir dich so gesehen,
25
Als dir iezo ist geschehen.
Darum so nim dir dann sin,
Du must mit uns hin!«
Ich saß also gedenken,
Ob ich iendert möcht lenken
30
Mit zorn oder mit gebet,
Das ich mich abreden thet.
Sie sahend wol an meiner geberd,
Das ich sucht ain solliche geverd,
Da nur ich da bliben wer:
35
Das was genzlichen mein gär.
Do sprachend sie zu mir:
»Wir folgend als nit dir,
Mach dich uf zum essen,
Das wir uf die straßen
40
Mit ainandern kommen!
Das bringt dir me frommen,
Dann das du legest hie
Und teglich sehest, wie
Das dürnlin und der münch teten
45
Und dich für ain narren hetten.«
Der red triben wir also vil,
Die ich hie nit erzellen will;
Kurz, sie wollten nit mer baiten,
Ich musst mit inen reiten.

1

[608]
Ob ich nur vast erzellen thet,
Wie unmut mich besessen hett
Und wie mir am herzen wer,
Das doch dir ain schimpflich mär,
5
Ob ich das tet ußkünden;
Es wer gegen frembden oder fründen,
So wer es mir selbs schmach gethon.
Darumb so will ichs bleiben lon
Und aim ieden zu messen geben,
10
Dem[23] ihe bei allen seim leben
Ist sein herz embrannt
Und der liebe worden bekannt.
Dabei ichs iezo lassen will
Und il hin zu dem zil,
15
[1449] Damit iemandts blang.
Wir ritten so lang,
Biß wir haim kommen.
Alsbald wir das vernommen,
Was unser aller beger,
20
Das kainer sagte die mer,
Wie es uns wer ergangen.
Also wurden wir empfangen,
Ieder von seinem hausgenoß,
Damit sich die sach beschloß.



  1. Melcher] hs. Welcher; s. Schmid, Geschichte der Grafen von Zollern-Hohenberg II, 900.
  2. nichel] hs. nichil; s. 587, 7.
  3. wist] hs. west.
  4. embir] hs. ember.
  5. ellendiger] hs. elliger.
  6. Ain] hs. In.
  7. es] hs. er.
  8. Das] hs. Da.
  9. verharmdet] so ist wohl das undeutlich geschriebene wort zu lesen.
  10. heint] hs. hint.
  11. ruofen] hs. riefen.
  12. Er] hs. Es.
  13. ergetzen] hs. erzegen.
  14. tougen] hs. togen.
  15. In der edlen statt Prato] wie Liebrecht, Germania XIV, 392, nachweist, ist diese episode aus dem Decameron VI, 7 entnommen; s. Decameron von Heinrich Steinhöwel. Herausgeg. von Adelbert von Keller (bibliothek des litterar. vereins LI) s. 394, 2 ff.
  16. mert] hs. mort.
  17. kurz] hs. kurch.
  18. sitz] hs. sichs.
  19. Wie] hs. Die.
  20. setzen] hs. seyhen.
  21. macht] hs. möcht.
  22. dem] hs. den.
  23. Dem] hs. Denn,