Zimmerische Chronik/Band 1/Kapitel 68

<<< Kapitel 68 >>>
aus: Zimmerische Chronik
Seite: Band 1. S. 486–491
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[A183a] Wie herr Gotfridt freiherr zu Zimbern sambt seinen underthonen zu Winzlaw von Conradten Glücken
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zu Westphaln vorm haimlichen gericht ist fürgenomen und beclagt, und wie solche handlung durch ain apt von Alperspach vertragen worden.
Es ist zu wissen, das umb die jar nach Christi gepurt 1455 ain vermöglicher, wolhabender paursman zu Winzlaw
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in der freiherschaft Zimbern seßhaft gewest, genant Ulrich Huen. Derselbig ist nu bei seinen lebzeiten ain sollich geitig mann [A183b] gewest, das er all sein sinn und gedanken auf zeitlich gut gelegt; und als er in obernembten jar auf den hailigen ostertag am morgen früe auf die felder
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gangen und die früchten wol sten sehen, dardurch er ain wölfele besorgt, ist er in ain solche verzweiflung gefallen, das er sich unferr von Winzlaw in aim waldt an ain bom selbs erhenkt. Wie nu sollichs durch ain hierten im dorf angezaigt, ist menigclich, jung und alt, aus bemeltem dorf
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in den waldt, dise erschrockenliche handlung zu sehen, gangen; und als sie hinaus komen, hat den cörper niemandts ab dem bom nemen dörfen oder wellen, dann menigclich vermaint, es sei ain westphälische handlungen, durch des haimlichen gerichts daselbst zu Westphaln
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processen sei er zum tod erkennt worden, wie dann der zeit in Teutschlandt sich vilmals begeben. Nu ist aber ain junge dochter von Winzlaw gegenwurtig gewest; dieselb, nachdem dann weiblich geschlecht sonderlich hoch in allen rechten, auch bei den westphälischen feimern befreiet, damit der
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arm mann begraben möchte werden, ist sie auf den boum gestigen, hat den strick abgehawen, also ist er begraben worden. Nu hat dise dochter ain muter brueder gehabt, genannt Conradt Glick von Röttenbach, ist zu Schenkenzell seßhaft [236] gewest, gar ain wilder, unverträglicher und
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seltzamer gesell. Derselbig hat ab diser handlung ain groß misfallen tragen und die gemaind von Winzlaw bezigen, als ob sie im sein [A184a] basen genottrengt und gemüst, den armen mann ab dem boum zu hawen. Solchs bezigs haben sich die von Winzlaw entschuldigt und rechts erpoten, hier-

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[487] auf Conradt Glick denen von Winzlaw auf leib und gut abgesagt, ist auch darauf von Schenkenzell gewichen hinab geen Noppenaw, Obernkirch und dieselben landtsart. Nichts destominder aber ist durch etlich nachburn so vil zwischen
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baiden partheien veranlast, das sie güetliche handlung bewilliget und solcher irer spenn halben für die statt Rotweil komen sein. Dieselbigen haben nu baide thail geen Rotweil vertagt und die sach in ain compromis gebracht. Unangesehen dessen alles hat bemelter Conradt Glick die von
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Winzlaw hinderwerts noch in anhangendem compromis in Westphaln am haimlichen gericht verclagt, als ob sie sein basen genöt, den erhengkten cörper ab dem pom ze hawen; item als ob herr Gotfridt von Zimbern leut auf in, Conradt Glicken, bestelt, die in vom leben zum tod bringen solten,
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derhalben vor im in großer unsicherhait stände etc. Mit solchen und dergleichen griffen ist Conradt Glick umbgangen und dermaßen gehandlt, das er bei den westphälischen feimern proces über die von Winzlaw erlangt. Nu ist es derzeit ain sorgcliche sach gewest, an disem
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haimlichen gericht zu handlen haben, dann manich maal etlich leut in craft diser westphälischen freihait gefunden worden erhengkt sein, welchs dann von wissenden beschehen, die solchs one alle straf der oberkait gehandlt; und es sein vilmaln processen ausgangen, das mannicher zum tod
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erkennt worden, dem zum rechten nie verkündt worden, auch darumb nichts gewist, bis so lang die execution der urtl an im volstreckt worden, derhalben [A184b] es ain sorgklichs gefert gewest. * [1423] Man hat umb die zeit und auch darvor vil mit
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dem westphälischen rechten in deutschen landen zu thun gehapt. Es standen umb dise jar oder etwas darvor herr Conrat von Freiberg, ritter, und Haupt marschalk von Bappenhaim der elter im westphälischen rechten gegen ainanderen; kam in ain solche hessige weiterung, das sie ain geding troffen
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und ainander ernstlich versprochen, welcher obleg und das recht gewüne, der sollt den andern one alle gnad und barmherzigkait erhenken[1]. *

Seitmals aber dises gerichts meldung beschicht, will die notturft erfordern, etwas mit kürze zu mererm verstandt von 1

[488] seiner ankunft meldung zu thun, und ist zu wissen, als bi zeiten kaiser Caroli des großen die Sachsen noch unglaubig, das derselb ob dreißig jarn mit inen, allain des christenlichen glaubens halb, von dem sie, die Sachsen, villmals
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über all zusagen und verträg gefallen und ir abgöttisch wesen widerumb annamen, krieg gefüert, und als er sie letstlich aus sonderlicher fürsehung des allmechtigen gedempt, bedacht er, mittel und weg fürzunemen, damit sie bei dem christenlichen glauben erhalten und nit abermals
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vom glauben fielen. Derhalben, damit sie aus vorcht und straf bei dem christenglauben beleiben müesten, hat er zu Westphaln ain haimlich gericht von etlichen haimlichen freischöpfen geordnet, dieselben hat er mit sollicher freihait begabt, wo sie ihemandts im ganzen Sachsen, er [237] were
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glich hochs oder nider standts, erfieren, der vom christenglauben wider zu abgötterei gefallen oder ain mainaid geschworen, das sie denselben under inen selbs verurthailen, zum tod erkennen, auch wo sie den nachgendts ankomen und betretten, mit dem strick richten und an den nechsten
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pom, oder wohin inen aller gelegnest, wol hengken möchten, unverhindert menigclichs, auch one straf aller oberkait. Dises ist die recht ankunft dises haimlichen gerichts und auß diser iezgehörten ursach anfengclichs gestift und geordnet worden; dann dardurch ist alles Sachsenlandt merthails bim
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christenglauben [A185a] beliben und erhalten worden; dann als man im land Sachsen mermals mechtig und wolgeacht leut an bömen funden hangen, allain von des glaubens wegen, ist ain solche forcht in sie komen, das sie fürohin bei dem christenglauben beliben. Nachgendts sein dise
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haimliche freischepfen nit bei ir alten ordnung und so vil inen ire freihaiten zugeben, pliben, sonder haben dieselben vil weiter erstreckt, auch sich anderer handlungen angenomen; dann wiewol sich ire processen außerthalb dem sächsischen bezirk nit solten erstreckt, haben sie doch gar nahe durch
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ganz Germaniam irer freihaiten sich beholfen, bis letstlichen dahin geraten, das der freischeffen ain große anzal in teutschen landen worden, dardurch manichmal vil eerlichen leuten gwalt und unrecht beschehen, die in craft diser westphälischen freihait haimlichen erhenkt, jamerlich umb ir leben
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komen sein; dann deren vil hochs und nider standts gewest, die merthails der ursach geen Westphaln zogen und freischeffen worden (die man sonst wissenden nembt), so sie

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[489] ain bös stuck im sinn gehabt oder ain neidt zu ihemandts getragen, das sie durch disen schein sollichs fügclich zu weg bringen kinden. Aus solchen iezgehörten ursachen ist für kaiser Friderrichen den dritten und hernach für künig
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Maximilianum große clag komen, derhalben dieselbigen, in bedenkung der großen unpillichait und unleidenlichen gwalts, der täglichen fürgieng, solche westphälische freihaiten widerumb einzogen, das gericht reformirt, damit solche unleidenliche und unträgliche proces hinfüro [A185b] cassiert und
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abthon weren[2]. Darumb, wie obgehört, das Conradt Glück als ain böser, arglistiger mentsch herr Gotfriden von Zimbern, als ob im nit recht gedeihen, sonder derselb auf in bestelt, die in vom leben zum tod bringen; dessgleichen die von Winzlaw, wie
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obgehört, vorm haimlichen gericht verclagt und proces wider sie baide, den herrn und die underthonen, erlangt, ist solche handlung herr Gotfriden, dessgleichen den underthonen kains wegs anzuhenken oder zu verachten gewest, in ansehung das deren haimlichen freischeffen und wissenden ain große
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anzal fast durch das ganz Schwabenlandt gewest, vor denen allen seine, herrn Gotfridts, underthonen zu Winzlaw in großer unsicherhait und gefar irs leibs und lebens hetten steen müeßen; dann ob die gleichwol etwas tätlichs gegen den under[238]thonen hetten fürgenomen, wer solchs doch
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one alle straf der hohen oberkait zugangen, dann sich deren westphälischen handlungen domals niemandts gern angenomen oder sich denen widersetzt. Ain solche große blinthait ist in dem tenebroso seculo gewest, das man sich dieselben feimar also schimpflich und spottlich hat lassen
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umbherfüren. Auf solchs hat herr Gotfridt, wie ain trewer herr, der sich seiner armen leuten in irem anligen annimpt, gehandlt und in namen seiner underthonen ain potschaft geen Westphaln zum haimlichen gericht geschickt, sich und seine underthonen deren bezigk, inen von Conradt Glicken
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[A186a] fälschlichen mit unwarhait auferlegt, zu entschuldigen, auch herkomen und gelegenhait deren sachen sie zu berichten, damit auch sovil erhalten, das die freischeffen die sach und handlung gewisen und für die stat Rotweil remitiert haben. Hierauf die von Rotweil baiden partheien ain güetlichen

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[490] tag angesetzt, sie irer spenn zu verhörn und, wa möglich, zu vertragen. Den haben herr Gotfriden und seiner underthanen anwäldt besucht, aber Conradt Glick ist nit komen, hat auch niemandts von seinen wegen geschickt, sonder
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denen von Rotweil geschriben, soverr er laut des compromis gnugsamlichen verglaitet, welle er erschinen; und in wenig zeit darnach hat Conradt Glück herr Gotfriden und seinen underthonen zu Winzlaw, unangesehen das er mit denselben, wie gehört, in anhangendem rechten zu Westphaln und
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Rotweil gestanden, ain vecht zugeschriben, damit auch auf die von Winzlaw angriffen, deren ainstails gefangen und hart beschedigt. Herr Gotfridt, als er gesehen den gwalt und mutwillen, den Conradt Glick über alles rechterpieten geüebt, hat er auf in als uf sein abgesagten feindt zu ros und zu
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fuoß straifen lassen. Solchs hat Conradt Glück abermals hinderrugks herr Gotfridts am westphälischen gericht fürbracht und sich dises straifens und gwalts beclagt. Sobaldt das herr Gotfridt durch sein kundtschaft erfarn, hat er auch sein potschaft geen Westphaln mit bericht aller
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handlung under [A186b] seinem insigel geschickt. Hierauf zu Westphaln der beschaid gevolgt, wiewol die rechtvertigung in aim compromis für die statt Rotweil gewisen, soll sie iedoch iezmals für siben freischeffen gen Wolfach, die rechtlichen auszusprechen, remitiert sein. Als nu die
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partheien für die wissenden geen Wolfach[3] komen, hat denselben nach verhöre baider partheien zu schwer sein wellen, ain rechtlichen ausspruch zu thun, derhalben die partheien für den churfürsten von Cöln, erzbischof Dieterichen, als den conservator des westphälischen gerichts, gewisen; hierauf
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der churfürst die partheien auf ir anhalten, für sich an hof zu Arnsperg vor seinen räten zu erscheinen, beschriben, auf Nicolai anno vierzehenhundert sechsundfünfzige. Nichts desterweniger aber hat herr Gotfridt hiezwischen gegen dem vilgenannten Conradten Glücken, umb alle dise anforderungen
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fürzukomen, vor graf Ludwigen von Würtenberg [239] oder andern graven, herrn vom adel oder stetten sich erpotten, welchs aber alles nichts erschießen oder helfen wellen oder mögen; dann Conradt Glück all sein sach nur uf die vecht und unglick gesetzt, verhoffendt, die pauren von Winzlaw
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zu erzwacken. Was nu hernach vor des churfürsten von

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[491] Cöln räten in diser sach weiter gehandlt und verabschidt, mag ich nit wissen, dann merthails brief verlorn und nur halb verhanden, derhalben diese sachen aus lauteren fragmenten müeßen [A187a] gezogen werden. Ich find aber
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doch, das letstlich apt Andris[4] von Alperspach, seins geschlechts ain edelman von Neunegk, diser handlung, baiden partheien zu gutem, sich undernomen hab, die partheien auf ostern anno vierzehenhundert sibenundfünfzige für sich gen Alperspach beschriben, verhört und endtlich vertragen,
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dermaßen das aller unwill und unfreundtschaft zwischen inen verloffen, tod und absein, und soll Conradt Glück herr Gotfridts diener ain jar lang sein, dargegen im herr Gotfridt ain eerlich dienstgelt geben; item baide partheien sollen alle brief und proces, in diser handlung ausgangen und
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erlangt, dem apt als tädingsherrn überantwurten und zustellen. Disen vertrag haben baid partheien in ansehung des merklichen uncosten, so bisher aufgeloffen, auch der großen mhüe und unruhe, mit willen angenomen, getrewlichen zu halten, mit handtgebner trew an aidesstat versprochen
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und zugesagt, wie dann noch brief darumb verhanden, die sollichs ausweisen etc. Es ist aber insonderhait bei dieser historia zu vermerken, das die stat Rotweil der zeit kein hohe oberkait sich zu oder umb Winzlow angemast, gleicherweis in andern dörfern mer, alda seithere bemelte stat die
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hohe gericht ußer farleßkait der nachbauren gewaltglichen eingezogen und die auch mit irem trutz und hochmut biß uf diesen tag erhalten.



  1. erhenken] s. Pappenheim, von dem vralten Stammen vnd herkommen der Herren von Calatin etc. s. CXXII.
  2. weren] über das westphälische oder fehmgericht s. Eichhorn, Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, 4 ausg. § 418 ff.
  3. Wolfach] A Wolfegk.
  4. Andris] abt Andreas von Neuneck, s. Fickler, Beiträge zur Geschichte der ehemaligen Benedictiner-Abtei Alpirsbach s. 191 ff., und Glatz, Geschichte des Klosters Alpirsbach s. 89 ff.