Zimmerische Chronik/Band 1/Kapitel 63

<<< Kapitel 63 >>>
aus: Zimmerische Chronik
Seite: Band 1. S. 427–433
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[427]

Wie herr Wörnher freiherr von Zimbern die regalia und andere freihaiten bei kaiser Friderrichen dem driten widerumb ernewert, auch von etlichen andern handlungen.

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Es ist hievor anzaigt worden, das die regalia und pann über das bluot von unverdechtlichen jharen von römischen kaiser und königen der freiherrschaft Zimbern, wie sie das von alter und guter gewonhaiten her[216]gebracht, und nit zu lehen, wie andern reichstenden gebreuchlich, verlihen.
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Als nun herr Wörnher von Zimbern in die regierung komen, hat er die regalia, zugleich wie seine vorfarn, auch nit zu lehen empfangen, vermainet, ime mechte dardurch ain eingang, auch schmelerung und abbruch an obgedachter freihait begegnen; nichts destoweniger aber er die regalia gebraucht, derhalben er dann von seinen missgönnern bei
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kaiser Friderrichen dem dritten, als ob solichs Ir Majestat zu verachtung und verclainerung von im beschehen, angeben und dermaßen einbildt worden, das Ir Majestat ine, herrn Wörnhern, anno 1457 peremptorie an hundert mark goldes vor Ir Majestat und derselben hofräthen in sechs wochen
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und dreien tagen den nechsten zu erscheinen und, umb soliche misshandlung abtrag zu thuon, oder aber gepürlichs rechtens zu erwarten, citiert und erfordert. Durch was mitel nun das ernstlich fürnemen des kaisers dozumal gemültert und angestellt, ist in vergess komen, ich finde aber,
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als über vierzehen jar hernach, namlich anno domini 1471, ain reichstag zu Regenspurg gehalten, das herr Johanns Wörnher freiherr von Zimbern, iezgedachts herr Wörnhers son, solchen reichstag besucht und bei kaiser Friderrichen von seins herrn vatterns[1], auch seins vetterns, herrn
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Gottfrids, wegen umb bestettigung irer alten, hergebrachten privilegien, guoten gebreuchen und gewonhaiten solicitiert und

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[428] angehalten hab, auch dozumal sovil zuwegen gepracht, das bemelter kaiser inen, auch iren elichen leibserben die hochen gericht zu Mösskirch und Oberndorf, wie sie die von weilundt kaiser und königen und dem hailigen reich redlichen
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erworben, gnedigclichen widerumb confirmiert; dessgleichen das sie, ire hünderseßen und verwandten auf kain hof- oder landtgericht sollen fürgefordert oder geladen werden, sonder desshalben in ewig zeit gefreit, wie die originalia, so noch verhanden, das außweisen.
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Herr Wörnher freiherr von Zimbern ist gar ain güetiger, barmherziger herr gegen den armen leuten gewesen, wie solchs auß den hernach volgenden handlungen wol zu sehen; dann als er auf ain zeit zu unser Frawen jenet der Ablach zu Mösskirch gewesen und allain wider in die statt gangen,
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hat er underwegen ain frembden mann, der im unbekannt, etliche ochsen treiben sehen, dess sich herr Wörnher nichts angenomen; allain wie die ochsen so miedt gewesen und langsam gangen, derhalben sie in an seim gang geirrt, hat er mit aim stecken, den er ohne geverde in der handt
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gehabt, die ochsen geschlagen und die aus dem weg getriben. Desselben tags ist pottschaft geen Mösskirch komen, gemelte ochsen seien dieplicher weis empfiert, darumb der arm mann, so solchs gethon, gefangen und verwart worden; und wie er vom vogt und andern ambtleuten desshalben beclagt, hat er
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nit geleugnet, sonder gesprochen, herr Wernhern von Zimbern hab im zu solchem diebstall geholfen [217] und im die ochsen helfen treiben. Wie solche antwurt herrn Wernhern angezaigt, hat er ain erbärmbde mit ime gehabt, und dieweil sein widerparthei aufs recht nit getrungen, hat er inen
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die ochsen wider zu geben bevolchen und den armen mann haißen für sich bringen und zu im gesagt: »Seitenmal kuntbar, das du die ochsen gestollen und ich sie dir hab helfen treiben, so will ich dich aufs pannholz (also haist ain gehülz bei Mösskirch) schicken, zwo widden, uns baide daran zu
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henken, mitzubringen«, hat in also ledig gelassen; der ist aber nit widerkommen, die widden zu bringen, sonder, als im dise genad bewisen, ist er in das Bayer zogen, alda er sich hinfüro so erlich und wol gehalten, das er ain reiche fraw sampt ainer würtschaft überkomen. Und über
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etliche jhar hernach ist herr Wörnher geen Bayern geritten und ungeverde underwegen bei disem würt übernacht beliben; der hat im alle ehr bewisen, sich in gehaim zu er-

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[429] kennen geben, auch zum höchsten der gnaden, im bewisen, nit unpillich sich bedankt. Es hat herr Wörnher ain vogt zu Mösskirch, Vogtherre genannt, gehabt, der ist ain tirrannisch, unbarmherzig mann gewesen. Zu ainer zeit hat im
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herr Wörnher bevolchen, ain block zu ainer gefenknus geen Wildenstain lassen zu machen, welches der vogt gethon; hat in aber so scharpf lassen machen, das die zimerleut, so daran gewerket, und andere das unmült, unbarmherzig fürnemen des vogts beredt. Solchs ist herrn Wörnhern
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fürkomen; der hat den vogt für sich berueft und desshalben übel gescholten; darauf aber der vogt geantwurt, man müeße das übel strafen und man künde denen, so es verschulden, nit küechli bachen. Also hats herr Wörnher auf dizmal beleiben lassen. Unlangs hernach ist obgenannter Vogtherre
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aus verschulden von herrn Wörnhern gefengklich angenomen und der erst, der in den scharpfen block gesetzt worden; und wiewol er heftig für solche gefengknus gebetten, nochdann hats in herr Wörnher nit erlassen, sonder gesagt, es seie unbillich, das aim unbarmherzigen, strafwürdigen gnad
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und barmherzigkait mit werde gethailt. Also ist er, wie billich, mit seinem aignen gedicht gestraft worden. Herr Wörnher hat seine burger und unterthonnen lieb gehabt, auch großen fleis fürgewendt, sie bei iren hab und güetern zu erhalten, weislich fürbetrachtende, was nutz und
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wolfart das aufnemen der underthonnen, hinwider was nachthail und abgang aus verderben der armen leut ainer ieden herrschaft und oberkait begegnen mege, derhalben er ain großen verdruß empfangen, wo er seine burger zu Mösskirch, auch andere seine hünderseßen das ir zu verthon
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erfaren. Damit er aber solch zechen, sovil im meglich, abstellet, ist er gewonnlich nach dem morgenessen am Markt zu Mösskirch gewest und die, so er täglichs in die wierts[218]heuser zur zech geen gesehen, hat er übel gehandelt und ernstlich, von irem fürnemen abzusteen, ermant,
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dardurch er erhalten, das vil [A168a] aus forcht und schrecken die zechen vermiten. Doch sein im etliche anzaigt, die, unangesehen seiner trewen warnung, das ir ganz überflissig und gefärlich vertrunken und verthon haben; denen hat er den win in der stat Messkirch zu trinken an ain straf
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verpoten. Under denen aber ainer im nichts destweniger win bringen und den vor seim fenster, das in der ringkmaurn gewesen, getrunken hat, vermainende, an solchem kain ge-

1 [430] pot geprochen zu haben. Als solchs herrn Wörnhern fürkomen, hat er seiner dorhait gelacht und desshalben witers nichts gegen im oder andern, dieweil er seine trewe handlungen wenig erschossen befunden, fürnemen lassen.

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Die Prediger zu Rotweil haben bei seiner zeiten die stiftung in irem closter, wie die dann von weilund seinem anherrn seligen angesehen, nit gehalten, sonder von tag zu tag abgeen lassen, darab er nit wenig verdruß empfangen. Derhalben sein secretarium, Niclasen Uoln, beruofen lassen,
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dem hat er bevolhen, dem prior und convent darumb zu schreiben, doch solle er in solchem schreiben den münchen ain titl geben, damit sie weder glopt oder gescholten. Als nu das schreiben gestelt und im fürbracht, hat er alle predicata, die der secretari gemelt, als erwürdig, würdig,
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gaistlich, andechtig und andere vernichtet und verworfen, mit anzaigung, sie seien nit erwürdig, nit gaistlich, nit andechtig, deren kains mög inen, sonder vill mer das widerspill mit warhait zugemessen werden. Und als der secretari weiter nit gewist, doch inen ainen titel sollen schreiben,
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hat im zuletst herr Wörnher bevolhen, inen kain andern titel, dann »den gewichten« zu geben; dann [A168b] solchen titel möge er inen nit nemen, seien auch damit weder gelopt oder gescholten; hat auch das schreiben also an die münch ausgeen lassen.
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* [1409] Und fürwar, so haben die gaistlichen der zeit ein großen gewalt gepraucht und sich ires thuens vil übernommen, welches ich vil beispill des orts künt einfüeren, sonderlichen mit den münchen, die sich anstatt der demuet und gehorsame aller hochfart und neids [1410] beflissen, und
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dorft sie auch niemands erzürnen. Iedoch under vilen kan ich nit underlassen zu vermelden, was unmentschlicher thaten solliche gaistliche vätter wenig jar darvor geiebt, fürnemlichen in Sachsen, und solchs hat die gestalt gehapt. Umb die jar nach Christi gepurt 1440 war ain domherr zu
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Halberstatt uf dem hochen stift, genannt herr Hainrich Quire, ein gelerter doctor der gaistlichen rechten. Sein brueder, doctor Ruedolf Quire, war dombbropst uf gemeltem stift. Über etlich zeit ward herr Hainrich domdechan; do fieng gar ein strengs und gaistlichs leben an. Darneben so war er seinen
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domherren in allem, so dem[2] gaistlichen wandel zugegen,

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[431] ganz genahe ufsehen. Damit erlangt er aber bei dem mererthail domherren ein grosen neid und ufsatz; die theten im allen widerdrieß, warin sie konten. Wie er das vermarkt und sahe, das ers nit wenden künt, sonder leuchtlichen dem
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stift zerrüttung wurde haben geschafft, do resigniert er die domdechanei grave Johann von Querfurt, mit gehelle des domcapitels, die ime mit guetem willen erlaupten und fro waren, das sie sein also mit glimpf abkommen. Damit verließ er auch sein domherrenpfrund und ergab sich in die
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Carthaus zu Hildeshaim. Dieweil er aber ain gar strengs leben fürt und der patter in der Carthus bald hernach mit todt abgieng, do wardt er gemainlichen von inen zu irem patter und oberer erwellt. Aber er war inen auch zu streng und zu hert, welches sie dann unleidenlichen sein bedauchte.
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Insonderhait begab sich ainsmals, das zwen conversen in der Carthus sich zertruegen, auch ainandern daruf schluegen. Das ersahe er ohne geferdt von seinem fenster, wolt gleichwol sein schweigen nit brechen, sonder allain mit aim finger trewet er inen. Darab erschracken sie baide so hart,
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forchten sein zorn, das sie sich entschlußen, seinen zorn oder strenge straf nit zu erwarten, sonder vielen beide über die mauren hinauß. Ohne geschicht aber fiel der ain in der flucht in ainen pronnen, das er ertrank. Do namen die Cartheusermünch den gueten patter gefengclichen an, als
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der an sollichem ellenden todt schuldig were, legten den gefangen. Also lag er im kerker etliche jar, das sich niemands sein belude oder anname. Zuletzst ward er von etlichen münchen, die sein pflegen sollten, ußer erbärmbde uß der gefengknus gelassen. Wie er nun ledig, kam er
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wider geen Halberstatt, ganz unerkannt von menigclichem, iedoch gab er sich grave Johann von Querfurt, dem er die domdechanei hievor resigniert, zu erkennen, sprechend: »Ecce homo, homines reliqui, homines inveni«. Der grave empfieng in ganz freuntlich, ließ ine wider klaiden und ganz
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erlichen halten. So baldt aber die Cartheuser zu Hildeshaim erfuren, das er zu Halberstat, waren sie ine mit aller ungestimb postuliern, des vorhabens, den gueten man seiner flucht und ußtrettens halb weiter zu strafen. Der konte aber weder bei im selbs oder auch bei seinen gueten
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freunden an rath erfinden, sich widerumb bei inen zu stellen. Nichs destoweniger trangen die münch mit aller importunitet uf die straf. Es name sich aber seiner der bischof von

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[432] Halberstatt an, dergleichen das tumcapitel daselbs, wie abgonstig sie ime gleich darvor waren gewesen, dergleichen die herzogen von Sachsen und dann zuletst die ganz hoche schuel zu Erdtfurt, da er vor vil jaren het studirt und auch
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doctorirt. Dise alle möchten den gueten doctor kumerlichen erretten und mit aller marter beim leben erhalten. Nach langer underhandlung wardt zuletsten getedingt, das er widerumb in die Carthaus solt und namlich in die Carthus geen Erdfort; da solt er die überig zeit seines lebens
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erlichen underhalten werden, [1411] auch die universitet monatlich durch ire darzu deputaten visitiern und erkundigen, wie er gehalten wurde. Dem ward also nachkommen; aber er lebt in der Carthus nit gar ain jar. Vil vermainten, er het ain welsch süplin gessen, wiewol man das grundlichen nit
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wissen mögen. Wie er nun todt, do kunten die münch iren großen neid und grimmes gemüet nochmals nit verbergen, dann sie wolten ine als ain abtrinigen und ungehorsamen an das geweicht nit begraben, sonder sein leib hinwerfen. Wie das der rector zu Erdtfort erfaren, name
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er seine doctores und mitregenten, auch gemainlich alle glider der hochen schuel zu sich, holeten in bei den Cartheusern, den ließen[3] sie ganz erlichen zu der erden bestatten. In aller rechtvertigung, als ime die münch nit verzeihen wolten und sich vast rimeten, er müeste seiner ungehorsame
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und ußdrettens halb ewigclichen verloren sein, sagt er inen ganz getröstlichen: »Non, impii, non sic, sed misericordiam domini in eternum cantabo«. Ein groß exempel von den neidigen münchen; daher der weis churfürst, herzog Friderrich von Sachsen, da ein handlung wider die bettelörden
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fürgefallen, mehrmals soll gesagt haben, er welte ringer und tröstlicher ein fürsten des römischen reichs erzürnen, dann ain lausigen münch. Und aber sie sein gar ußer solcher achtung kommen, dann sie von wegen irer großen müssbreuch und das sie selbs von irem alten, rechten closterleben
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abgedretten, gar nahe in allen landen in den eusersten abgang gerathen. * * [1231] Es hat herr Wernher freiherr zu Zimbern einsmals seiner diener, ein raisigen knecht, genannt Auberlin, befolchen, des andern tags geen Costanz zu reiten, darbei
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aber nit bevolchen, was er daselbs handlen oder thon solle,

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[433] sonder vermaint, der diener werde noch selbigs tags kommen und umb weiter beschaidt, was er zu Costanz verrichten solle, anhalten, welches aber nit beschehen, sonder der Auberle ist des andern tags morgens früe, ohne gefragt,
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was er doch thuon solle, hinüber geen Costanz geritten, ist übernacht alda bliben und des andern tags wider haimb geritten. Herr Wernher hat in beschickt und befragt, was er zu Costanz außgericht. Aberle sprach, nichts, dann er kein andern bevelch von ime gehabt, dann allain, er sollte
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geen Costanz reiten; dem wer er nachkomen. Herr Wernher war gleichwol der sach nit wol zufriden, iedoch muest er des schwanks und seins alten dieners schalkhait lachen, sagt zu im: »Das dich botz blater schende (also pflag er, der alt herr, zu schweren), du sollt mich ainander mal fragen
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und nit also ohne allen verrern beschaidt hinreiten!« Dem kam hinfüro der Auberle nach, und hett sein herren in disem fall, das er ain diener mit sattem beschaidt abfertigen sollte, wol erinnert. *



  1. vatterns] hs. vetterns.
  2. dem] hs. den.
  3. ließen] hs. ließ.