Textdaten
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Autor: Johann Wolfgang von Goethe
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Titel: Ziblis
Untertitel: Eine Erzählung
aus: Annette. S. 4–12
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1767
Erscheinungsdatum: 1767
Verlag: ohne Angabe
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Johann Wolfgang Goethe Annette, 2. Aufl., Faksimile-Neudruck der Ausgabe Leipzig 1767. Frankfurt a.M.: Insel-Verlag, 1965. Scan auf Commons
Kurzbeschreibung: Erste handschriftliche Gedichtsammlung Goethes; die Abschrift erfolgte durch seinen Leipziger Freund Ernst Wolfgang Behrisch
Erstdruck des Zyklus 1896: Goethes Werke, hrsg. im Auftr. der Großherzogin Sophie von Sachsen, [Abth. 1]: Bd. 37 [Jugendschriften]. Weimar: Böhlau, S. 14–17 Commons
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[4]
Ziblis,

eine Erzählung.

Mädgen, sezzt euch zu mir nieder
Niemand stöhrt hier unsre Ruh,
Seht es kommt der Frühling wieder
Welkt die Blumen und die Lieder,

5
Ihn zu ehren hört mir zu.


[5]
Weise, strenge Mütter lehren:

Mädgen, flieht der Männer List.
Und doch laßt ihr euch bethören!
Hört, ihr sollt ein Beyspiel hören,

10
Wer am meisten furchtbar ist.


Ziblis jung und schön, zur Liebe,
Zu der Zärtlichkeit gemacht,
Floh aus rauhem wilden Triebe,
Nicht aus Tugend alle Liebe,

15
Ihre Freude war die Jagd.


[6]
Als sie einst tief im Gesträuche

Sorglos froh ein Liedgen sang,
Ward sie blaß, wie eine Leiche,
Da aus einer alten Eiche

20
Ein gehörnter Waldgott sprang.


Zärtlich lacht das Ungeheuer,
Ziblis wendet ihr Gesicht,
Läuft, doch der gehörnte Freyer
Springt ihr wie ein hüpfend Feuer

25
Nach, und ruft: O flieh mich nicht.


[7]
Schreyn kann niemals überwinden.

Sie lief schneller, er ihr nach.
Endlich kam sie zu den Gründen,
Da wo unter jungen Linden

30
Emiren am Wasser lag.


Hilf mir! rief sie. Er voll Freude,
Daß er so die Nymphe sah,
Stand bewafnet zu dem Streite
Mit dem Ast der nächsten Weide,

35
Als der Waldgott kam, schon da.


[8]
Der trat näher ihn zu höhnen,

Und gieng schnell den Zweykampf ein
Sie erbebt für Emirenen.
Immer wird das Herz der Schönen

40
Auf des Schönen Seite seyn.


Seinen Feind im Sand zu höhnen,
Regt sich Fuß, und Arm, und Hand.
Bald mit Stosen, bald mit Dehnen
Liebe stärkt die Kraft der Sehnen,

45
Beyde waren gleich entbrandt.


[9]
Endlich sinkt der Faun zur Erden,

Denn ihn traf ein harter Streich.
Gräslich zerrt er die Geberden;
Emiren ihn los zu werden,

50
Wirft ihn in den nächsten Teich.


Ziblis lag mit matten Blikken,
Da der Sieger kam, im Gras.
Wirds ihm ihr zu helfen glükken?
Leicht sind Mädgen zu erquikken,

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Oft ist ihre Krankheit Spas.


[10]
Sie erhebt sich. Neues Leben

Giebt ein heißer Kuß ihr gleich.
Doch, der einen schon gegeben,
Sollte nicht nach mehrern streben?

60
Das sieht einem Mährgen gleich.


Wartet nur. Es folgten Küße
Hundertweis; sie schmekkten ihr.
Ja die Mäulgen schmekken süße.
Und bey Ziblis waren diese

65
Gar die ersten. Glaubt es mir.


[11]
Darum sog mit langen Zügen

Sie begierig immer mehr.
Endlich trunken von Vergnügen,
Ward dem Emiren das Siegen,

70
Wie ihr denken könnt, nicht schwer.


Mädgen, fürchtet rauher Leute
Buhlerische Wollust nie
Die im ehrfurchtsvollen Kleide
Viel von unschuldsvoller Freude

75
Reden, Mädgen, fürchtet die.


[12]
Wacht, denn da ist nichts zu scherzen.

Seyd viel lieber klug als kalt.
Zittert stets für eure Herzen.
Hat man einmal diese Herzen;

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Ha! Das andre hat man bald.