Zeitungskorrespondenzen der Rheinischen Zeitung

Textdaten
Autor: Max Stirner
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Titel: Zeitungskorrespondenzen der Rheinischen Zeitung
Untertitel:
aus: Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen auf die Kritik seines Werkes: „Der Einzige und sein Eigenthum“ aus den Jahren 1842–1848. S. 51-96
Herausgeber: John Henry Mackay
Auflage: Zweite, durchgesehene und sehr vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: BERNHARD ZACK’S VERLAG
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[51]
RHEINISCHE ZEITUNG
FUER POLITIK, HANDEL UND GEWERBE
KOELN 1842


I.
No. 66.
7. März 1842.
Deutschland.

(×) Von der Spree, 2. März. Folgende Ministerial-Veraenderungen sind jetzt so gut als gewiß. Graf Alvensleben wird erster, General von Thiele aber zweiter Schatzminister werden; der Oberpräsident v. Bodelschwingh Finanzminister und der Oberpräsident Flottwell wird nach Königsberg kommen. Wahrscheinlich ist es, daß Graf Kanitz Maltzahn’s Stelle als Minister der Auswärtigen einnehmen wird. Seit Kurzem soll ein Institut ins Leben getreten sein, deren in Rußland und Oestreich schon längst recht gründliche existiren. Es kann nicht verlangt werden, daß ein Institut, das geheim bleiben will, in einer Zeitung öffentlich genannt werde. Ich aber gehe lieber auf etwas Anderes über, und theile meine Verwunderung über eine Katechismusstelle mit, die sich in Kniewel’s „Christlichem Religionsbuch für mündige Christen und die es werden wollen“, findet, einem Buche, das, weil es in den Schulen unseres Vaterlandes dringend empfohlen wird, innerhalb einiger Jahre sechs Auflagen erlebt, und durch alle den folgenden, wunderbaren Passus durchzubringen gewußt hat: Zu dem im achten Gebote verpönten, falschen Zeugniß gehört auch, als hinter dem Rücken des Anderen geschehend, das Verrathen, Ausplaudern anvertrauter Geheimnisse, Angeberei: also die geheime Polizei eine [52] Sünde gegen das achte Gebot! (siehe Kniewel, Seite 50 der ersten Ausgabe.)

Der Verfasser von „Preußen, seine Verfassung etc.“, Herr v. Bülow-Cummerow ist, nachdem dem Könige ein Prachtexemplar dieses Werkes zugesandt wurde, zur königl. Tafel gezogen und mit Huld empfangen worden.

Der Dr. Haering (Willibald Alexis als Schriftsteller) hat zu dem Zwecke, mit dem „Berliner Lese-Kabinet“ eine Buchhandlung zu verbinden und das Erstere dadurch zu heben, sich zum Buchhändler machen lassen, und bestimmt die „Buchhandlung des Berliner Lese-Kabinets“ sowohl zum Verlag als zum Sortimentshandel.

Liszt wird am nächsten Donnerstag in einem glänzenden Komitat von den hiesigen Studirenden nach dem nahen Dorfe Friedrichsfelde geleitet und dort unter dem festlichsten Jubel aus einem Kreise treten, in welchem er die ausgezeichnetsten Ehrenbezeugungen erhalten hat. -


2.
No. 87—88.
29. März 1842.

Berlin, 25. März. Die Rheinische Zeitung enthält in Nr. 76 eine aus der Düsseld. Ztg. entnommene Berliner Korrespondenz des Inhalts, daß „ein hiesiger beliebter Literat (da sein Name in anderen Blättern schon genannt worden ist, so gibt es keinen Grund, ihn hier zu verschweigen: es ist Dr. Mügge) bei der Behörde um ein Auswanderungspatent nachgesucht haben soll, da seine politischen Ansichten mit denen unserer Regierung nicht harmoniren können.“ Obgleich ich nicht die Ehre habe, ein officieller Lügen-Aufdecker zu sein, so nehme ich doch gerne die Gelegenheit wahr, ex officio der Wahrheit zu erklären, daß das gemeldete Gerücht ein officielles Gift sei, das in allen Apotheken der gemeinen Welt unter dem Namen „Verläumdung“ [53] verkauft und in besonders akuten Fällen von Aerzten, welche höhere Rücksichten zu würdigen wissen, verschrieben zu werden pflegt. Uebrigens aber gehört ein gewisser Grad von Naivetät und unschuldiger Bewußtlosigkeit, wie er nur unter patriarchalischen Verhältnissen gedeiht, dazu, wenn man durch ein derartiges Gerücht sich täuschen lassen soll. „Weil die politischen Ansichten eines Einzelnen mit denen der Regierung nicht harmoniren,“ darum sollte er auswandern wollen! Als ob diese Harmonie verlangt würde, als ob sie überhaupt nöthig, ja als ob sie nicht selbst schädlich wäre, da ein Staat ohne Opposition, ohne selbstständiges Denken unselbstständige „Ansichten“ der Einzelnen gar bald von der zehrenden Luft der Zeit angefressen würde. Es gibt freilich zweierlei sonderbare Käuze, die als Extreme zusammengehören und sich als solche geziemendermaßen hassen und verachten; in Ermangelung altüblicher Namen kann man sie Auswanderer und Nesthocker nennen. Jene laufen, wenn es ihnen einmal quer geht, gleich aus dem Lande und meinen, den Sieg nicht anders davon tragen zu können, als wenn sie ihr Bündel aufpacken und Reißaus nehmen. Kann man aber auch siegen, ohne zu kämpfen? Wie glücklich sind dagegen die Nesthocker! Ihnen gehts niemals quer, denn sie gehen im seligen Rausche des Optimismus selbst immer quer; sie prallen auch nie an einen Stein des Anstoßes, weil auf den Gassen der Alltäglichkeit keine Granitblöcke liegen. Im Schooße kinderloser Weiber und alter Jungfern sind solche wohlgenährte Kätzchen beneidenswerte Geschöpfe; es blüht unter der mütterlichen Fürsorge das Wohl dieses Volkes. O, ihr verzagenden Australienfahrer, ihr seid mir doch tausendmal lieber, als diese blinden Nesthocker.

War der Gerüchterfinder ein Auswanderer oder ein Nesthocker? Eine Frage an Alle, die nutzlose Räthsel lösen! Wir wollen ihnen durch folgende Anweisung auf [54] die Spur helfen. War er ein Auswanderer, so suchte er den Literaten hinter dem Ofen, wo er selbst steckt: ein gar nicht ungewöhnlicher Fall; hatte er dagegen die Freude, ein Nesthocker zu sein, so kannte er natürlich keine größere Beschimpfung für seinen Mitmenschen, als wenn er ihn als sein Gegenbild ausschreit und Gott dankt, daß er nicht ist, wie dieser da.

Der famagläubige Korrespondent der Düsseld. Ztg. fügt noch hinzu, daß dem Dr. Mügge der Bescheid geworden sei, seinem Auswandern stehe zwar nichts entgegen, doch könne seiner Gattin ihre Pension im Auslande nicht bezahlt werden. Das kommt davon, wenn die Leute die Gesetze nur lernen sollen; gelernter Stoff ist todter Stoff und nicht Jeder hat ein gutes mechanisches Gedächtniss. Der Berlin-Düsseldofer Korrespondent hat’s auch nicht, sonst wüßte er, daß man bei einem Verluste von 10 pCt. seine Pension ganz nach Belieben im Auslande verzehren kann.


3.
No. 87—88.
29. März 1842.

Dunker, der Verleger der „Literarischen Zeitung“, kündigte dem Redakteur derselben im vorigen Jahre an, daß er das Blatt wegen zu geringer Einträglichkeit eingehen lassen werde. Der Redakteur hatte bisher 720 Thlr. erhalten, dafür aber die Honorare bezahlen müssen. Im Dezember machte er nun dem Verleger plötzlich den Vorschlag, ihm die Redaktion noch länger zu lassen, wogegen er sich um 200 Thlr. weniger begnügen wolle, falls nämlich derjenige § gestrichen würde, welcher dem Verleger eine Stimme bei der Wahl der Artikel einräumt. Mit Erstaunen sah nun der Verleger, der zwar nicht einsah, wie der Redakteur bei so geringer Einnahme bestehen könne, dieß jedoch auch nicht weiter seine Sorge sein ließ, wie mit Anfang dieses Jahres neue namenlose Geister in [55] sein Blatt einsprangen, und erklärte sich die Uneigennützigkeit so so. Die Zeitung aber hat unstreitig gewonnen; denn sie ist jetzt doch das Organ einer Partei.


4.
No. 94.
4. April 1842.

Der Direktor Diesterweg hat seiner „Einladung zur öffentlichen Prüfung der Seminarschule am 18. März 1842“ einige „Bemerkungen“ hinzugefügt, an deren Schluß er sagt: „In diesen Bemerkungen liegt zugleich eine ernste Mahnung für die, denen es obliegt, den Forderungen, die die Lehrer sich selbst stellen, Vorschub zu leisten, durch die Förderung der zweiten Seite der Erziehung, der leiblichen, durch Turnplätze. Der Frühling naht heran! Oder soll unsere Hoffnung abermals zu schänden werden?“


5.
No. 126.
6. Mai 1842.

Unter den Aufsätzen der Vossischen Zeitung, die von den meisten auswärtigen Lesern gewiß in der nicht eben tadelnswerthen Voraussetzung, daß nichts von Werth darin sei, überschlagen werden, findet sich hin und wieder doch manches Interessante. Dahin darf ein in der Nummer vom 30. April enthaltener Aufsatz: „Die hohe Besteuerung des Zeitungs-Debits und die Feststellung dieser Steuer durch die Postbehörden in den deutschen Postgebieten“ gerechnet werden. Darin heißt es unter Anderm: „Es hängt von der Postbehörde ab, das Zeitungsporto für den Debit von Zeitungen, statt nach den speziellen Berechnungen zu erheben, in Aversionalbeträge (d. h. nach einer Abschätzung in Bausch und Bogen) zu verwandeln. Daß bei solchen [56] Aversionalbewilligungen auch einzelne Begünstigungen zum Nachtheil anderer Verleger ähnlicher Zeitungen vorkommen können, und daß diejenigen Redaktoren und Verleger von Zeitschriften, die sich solcher Begünstigungen erfreuen, im eigenen Interesse vielfache Rücksichten bei der Redigierung der Zeitungsartikel gegen die betreffenden Staatsbehörden nehmen werden und müssen, dabei also nicht frei und unabhängig handeln können, um sich den vermehrten und erleichterten Debit ihrer Zeitung zu sichern, das ist wohl unzweifelhaft zu erkennen, ebenso daß der politische Einfluß solcher Begünstigungen Seitens der Administrationsbehörden auf den Werth und Gehalt der Zeitschriften überhaupt von hoher Wichtigkeit für die Oeffentlichkeit ist.“ Deshalb verlangt der Verfasser des Aufsatzes „einerlei Preissätze für den Debit der einzelnen Zeitschriften bei jeder deutschen Postanstalt, und zwar nach den Prozenten von oder zu dem Verlagspreise der Zeitschriften.“ Die Gleichmäßigkeit liegt dann darin, daß ja „der Umfang des Debits sich nur nach dem inneren Werthe der Zeitschriften richtet.“ Auf diese Weise „würden alle Elemente zu speziellen Debitbegünstigungen periodischer Zeitschriften Seitens der Administration gesetzlich verhütet. Begünstigungen oder Ermäßigungen dieser Provisionen oder Debitsantheile dürften hiernächst nur von des Königs Majestät Allerhöchst Selbst als besondere Gnadenbezeugungen zu bewilligen und diese Königlichen Gnadenbewilligungen dann deshalb zu veröffentlichen sein, um jedes Verkennen der Quelle und Veranlassung zu verhüten.“ Unter anderen Berechnungen wird auch angeführt, daß die Staatszeitung früher 1 Thlr. 15 Sgr. an die Post zu zahlen hatte, die übrigen Berliner Zeitungen aber 2 Thlr., daß jetzt jedoch die erstere gar nichts bezahle, die letzteren dafür aber um 20 Sgr. gesteigert worden sind.

[57]
6.
No. 128.
8. Mai 1842.

Im Deutschen Courier (welch conträrer Platz!) erläßt Herr von Fouqué ein Manifest in Betreff der Adelzeitung (Nr. vom 10. April), worin er es dem Bürger- und Bauernstand an's Herz legt, für Aufrechthaltung des Adels alle Kräfte anzustrengen, da „alle drei mitsammen stehen oder fallen.“ Denn „wer den Adelstand gründlich befestigen will, hilft auch zugleich den Bürgerstand und den Bauernstand gründlich befestigen.“ Als ob es den beiden letzteren Ständen je einfallen könnte, die Halsstarrigkeit der Standesunterschiede zu behaupten, als ob Bürger- und Bauernstand sich gründlich befestigen wollten!


7.
No. 130.
10. Mai 1842.
Deutschland.

Berlin, 6. Mai. Der „Hauptverein zur Beförderung einer würdigen Sonntagsfeier“ gibt in den hiesigen Zeitungen eine Erklärung ab, aus welcher folgende charakteristische Stelle herausgehoben zu werden verdient, weil sie offen zeigt, welcherlei Früchte der Verein zu tragen gedenkt. „Der Verein wird sich auflösen, wenn die rechte evangelische Sitte hergestellt, oder wenigstens im geeigneten gesetzlichen Wege eine Kirchenverfassung ins Leben gerufen sein wird, die besser als alle Vereine zur Wiederherstellung evangelischer Sitte zu wirken, im Stande ist.“ Durch jenen Beschluß, erst dann zu sterben, wenn eines dieser Kinder geboren ist, hat der Verein gewiß das beste Mittel ergriffen, sich ein ewiges Leben zu sichern. – Es ist sehr ersprießlich, daß endlich die durch Armuth gedrückten Schullehrer ihre Stimme laut erheben und in [58] Organen der Oeffentlichkeit z. B. in den hiesigen Zeitungen, den Zustand ihrer Verlassenheit und Dürftigkeit Allen vor Augen stellen. Denn es ist nur zu wahr, daß derjenige unberücksichtigt zu bleiben pflegt, der sich nicht vordrängt und seine gerechten Forderungen mit allem Eifer geltend macht. Man muß nicht schweigend dulden, wenn man durch Reden sein Recht erlangen kann. Auch genügt es nicht, in Schulzeitungen denen sein Elend zu erzählen, die es längst kennen, aber theils selber darin schon athmen, theils nicht helfen können. Man gewinnt seine Sache am besten dann, wenn man die allgemeine Sympathie zu erwecken weiß, und viel gelesene Zeitungen sind dazu das geeignetste Mittel. Hat man das Herz des Volkes eingenommen, so ist man in den wahren Justizpalast der schirmenden Gerechtigkeit eingetreten. — Der Schwäbische Merkur enthält im zuversichtlichsten Tone Folgendes, was auch in die Rh. Ztg. (Nro. 118) übergegangen ist: „Es ist ungegründet, daß von der hiesigen Vossischen so wie Spenerschen Zeitung schon größere Artikel über wichtige, innere Angelegenheiten zurückgeschickt worden sind, weil sie die Censur nicht passiren würden.“ Der Verfasser dieser Notiz sollte nicht so anmaßend andere Leute Lügen strafen. Ich bin im Stande, ihm zwei zurückgeschickte Artikel dieser Art nebst Brief zu zeigen, und darf deshalb wohl seine Behauptung mit mehr Recht eine „ungegründete“ nennen.


8.
No. 131.
11. Mai 1842.

Ein Berliner Korrespondent der Leipziger Zeitung nennt ein Gesetz, das den „jüdischen Gemeinden Korporationsrechte bewilligt“ das freisinnigste Gesetz. Nach solcher Logik könnte man selbst das spartanische Gesetz, wonach die ihrer Freiheit und Ehre beraubten Messenier in [59] die „Korporation der Heloten“ versammelt wurden, ein „freisinniges“ nennen, und die mittelalterliche Absperrung der Juden in Judenviertel (Ghetto) wäre doch gewiß eine „freisinnige“ Einrichtung, da diese abgesperrten ihre eigenen Korporationsrechte hatten, um die sie freilich kein Christenmensch beneidete.


9.
No. 132.
12. Mai 1842.

„Wenn früherhin die banale Formel lautete: von dem Rhein bis zur Weichsel, so ist man jetzt in Deutschland so gnädig, zu sagen: vom Rhein bis zum Pregel. Der Königsberger Huldigungslandtag von 1840 und der Danziger Landtag von 1841 erinnerten das übrige Deutschland wieder lebhaft daran, dass jenseits der Weichsel Freiheit und Intelligenz noch keineswegs zu existiren aufgehört haben.“ Dies sind Worte eines nicht bloß in der philosophischen, sondern in der gebildeten Welt hochgeachteten Mannes, entnommen aus der Vorrede zu seinem nächstens erscheinenden Buche: „Königsberger Skizzen von Karl Rosenkranz. Danzig bei Gerhard.“ Nur Wenige würden noch vor zwei Jahren an diesem Buche, so weit es wenigstens den Ort und seine Eigenthümlichkeit zum Inhalte hat, ein besonderes Interesse gefaßt haben; wie ganz anders jetzt, seit der Königsberger Freimuth und Hochherzigkeit durch ganz Deutschland in allen biederen Herzen wiederklang. An großen, wie an befreundeten Menschen kümmert uns Alles, selbst das Unbedeutendste, und wer uns Kunde von ihnen bringt, erfreut uns sicherlich und verdient sich unsern vollsten Dank. Ist aber der Bote gar um seiner eigenen Person willen ein so willkommener, wie es Rosenkranz ohne Zweifel Allen ist, die ihn kennen, wer lauschte da nicht mit Lust und Freude seinen harmlosen Worten! Wir kennen erst das Vorwort zu dem, was kommen soll; so [60] mag denn einstweilen Einiges schon aus diesem verrathen werden, damit sich durch zeitigen Zuruf die neugierigen Hörer zahlreich versammeln. „Ich würde diese Skizzen vielleicht nicht drucken lassen, hätte sich mir das Material dazu nicht ganz ohne Absicht angesammelt. Ich setze den Werth meiner Beobachtungen in ihre Unbefangenheit. Nur die öffentlichen Geheimnisse sind meine Domaine. Ich werfe wohl im Vorübergehen einen Blick in Euere Stuben; ich kenne in den meisten Quartieren der Stadt den gestickten Wandkorb, die Pendule, die Blumenvase, den Nähtisch, das Familienportrait am Fenster; ich kenne die stereotypen Physiognomien an denselben; ich sehe jeden neuen Laden ausbrechen, ein neues Schild befestigen, eine neue Tünche des Hauses vornehmen. — Aber ich thue das Alles ganz harmlos. Ich bezwecke nichts damit, und Ihr habt mich also nicht als einen Verräther zu scheuen, etwa gar wie einen Beamten, der eine Conduitenliste Eueres Betragens zu schreiben verpflichtet wäre.“

„Ostpreussen, Westpreussen und Litthauen sind freilich nicht Glieder des deutschen Bundes. Das ist aber kein Grund, sie nicht in dem Princip ihrer Kultur, im Wesen ihrer Entwicklung für germanisch zu halten. Dass Preussen sich sein Stammland unabhängig von dem deutschen Bund erhalten hat, dünkt mich eher eine lobwürdige Klugheit zu sein und nur darüber wundere ich mich, daß man diese Sonderung so oft zu vergessen und alle Massnahmen des deutschen Bundes sofort als auch für uns geltende anzusehen scheint. Das Interesse, welches man seither von auswärts an Königsberg zu nehmen angefangen hat, ist daher gross und allgemein. Nur ein geringes Nachdenken muss schon dazu führen, einer Stadt nähere Aufmerksamkeit zu schenken, aus welcher Männer wie Kant, Hamann, Kraus, Hippel, Herder, Scheffner, Werner, Hoffmann u. A. hervorgegangen, aus welcher von [61] Zeit zu Zeit der übrigen Kulturwelt so nachhaltige Impulse gekommen sind.“

Allein „diese Skizzen berühren auch allgemeine Fragen der Zeit. Die eigentlich religiös-kirchlichen Probleme berühre ich als Aufgaben der Wissenschaft in dieser Schrift nirgends. Um so mehr wird man dagegen in politischer Beziehung mich der Kritik unterwerfen.“ Es führt nun der Hr. Verfasser seine „politische Beichte“ mit den Worten des Freiherrn August von Haxthausen ein, aus dessen „ländlicher Verfassung Preussens S. 7ff.“, die zum Auszuge zu weitläufig, recht wohl bis zum Erscheinen des Buches selbst verspart werden kann, wo sie in eigenen Worten weit bessere Gelegenheit zu Betrachtungen darbieten dürfte. Genug, dass Deutschland im Voraus erfährt, das Portrait eines seiner besten und edelsten Individuen werde ihm nächstens, von sinniger Künstlerhand entworfen, vorgelegt werden.

Stirner.


10.
No. 132.
12. Mai 1842.

Während Potemkin entschieden darauf drang, daß Rußland ein asiatischer Staat sein müsse, leitete die Kaiserin Catharina II. ihre Instruktion für die Gesetz-Kommission mit den Worten ein: Rußland ist eine europäische Macht. Sie hatten beide Recht: es ist im asiatischem Sinne ein Staat, für Europa aber eine Macht.


11.
No. 135.
15. Mai 1842.

Zwei Dinge scheinen sich bei uns zusehends heben und erweitern zu wollen: der Verlag des Berliner Lese-Kabinets und — die Presserlaubniss (ein Wort, das sich vielleicht am besten zur Bezeichnung unserer dermaligen Pressfreiheit [62] eignet). Ersterer liefert rasch hintereinandere Broschüren, die allem Anschein nach einen guten Abgang haben, und die Presserlaubniss hat im Frühling dieses Jahres schon manchen wackeren Keim hervorgetrieben, der, wenn die Witterung nicht plötzlich schlecht wird, zur süßen Frucht gedeihen kann. Ein solcher Keim dringt soeben wieder aus dem Verlage des Berliner Lese-Kabinets hervor und führt den Titel: „Ueber die Anstellung der Theologen an den deutschen Universitäten. Theologisches Votum.“ Welchem Ereignisse das Schriftchen seinen Ursprung verdankt, kann Keinem zweifelhaft sein, der die Vorgänge der Gegenwart, zumal die vaterländischen, mit Theilnahme verfolgt, und wer bei dem hier gemeinten, der Fakultätsausschliessung Bruno Bauer’s, Betrachtungen angestellt hat, wie denn ein wahrer Patriot sich eben dadurch zu erkennen gibt, dass die Lebensäusserungen seines Staates seine Aufmerksamkeit und wo möglich seine mitwirkende Thätigkeit spannen, — der mag wohl zu ähnlichen Gedanken hingedrängt worden sein, wie sie der Verfasser des erwähnten theologischen Votums des Weiteren entwickelt. Gerne würden wir seine trefflichen Reflexionen hier in Kürze wiedergeben, wenn dadurch nicht der Broschüre selbst Abbruch geschähe und wenn — was, um es ehrlich zu sagen, der Hauptgrund der Unterlassung ist, — die Gunst der Umstände es erlaubte. Darum möge hier nur so viel Platz finden, dass der Verfasser eine strenge Scheidung zwischen wissenschaftlichen und kirchlichen Anstalten fordert, so dass „einerseits den Universitäten ihre Bedeutung, Sitze der freien Wissenschaft zu sein, ungeschmälert gelassen wird, andererseits aber die Kirche ihre eigenen Institute erhält, in denen ihre Diener herangebildet werden.“ In dem zweiten Abschnitte seines Votums eifert der Verfasser gegen den „Austritt aus der Kirche“, wobei er unter mancherlei Gründen auch folgenden herbeizieht: „Ist es denn heuzutage etwas so Unerhörtes, der Kirche äusserlich anzugehören, und dennoch mit ihr [63] zerfallen zu sein? Jenes Verhältniss, wonach das äussere Bekenntniss unmittelbar auch das geistige wäre, hat faktisch längst aufgehört; eine Menge der verschiedensten Richtungen, die sich nicht mehr als kirchlich bezeichnen lassen, hat in die eine Kirche sich eingedrängt. Ja, es lässt sich nicht einmal von irgend einer Seite her die Forderung des Austritts aus der Kirche stellen.“ Da es hier der Ort nicht ist, die Punkte unserer Uebereinstimmung mit dem Verfasser hervorzuheben, so ist es billiger Weise auch der Ort nicht, mit ihm zu streiten. Deshalb genüge das kurze Referat, das deshalb in eine vaterländische Zeitung gehört, weil es ein Zeugniss ablegt von der durch Allerhöchsten Willen verminderten Censur-Aengstlichkeit.

Stirner.


12.
No. 150.
30.Mai 1842.

Marheineke’s Votum ist noch nicht erschienen; er will die drei ersten Vorlesungen seines Kollegiums über die Bedeutung der Philosophie in der Theologie zugleich abdrucken lassen, weil er sich darin sowohl über Schelling als über Strauß, Feuerbach und Bauer erklärt.

Die „Glossen und Randzeichnungen zu Texten aus unserer Zeit von Walesrode“ haben schon jetzt, im ersten Monat nach ihrer Erscheinung, eine zweite Auflage erlebt.

Hoffmann von Fallersleben wird nächstens Schlesische Lieder herausgeben. — Als er vor Kurzem bei seiner Durchreise sich in Berlin ein Paar Tage aufhielt, vermied er jedes Aufsehen und nahm nur die freundliche Einladung zu einem Frühstück an, bei welchem er im Kreise von etwa zwanzig Studenten unter dem lebhaftesten Austausch von Gedanken und Gedichten einige fröhliche Stunden verlebte.

[64]
13.
No. 151.
31. Mai 1842.

Das Foreign Quarterly Review behauptet zwar, es sei noch keine wahrhaft wissenschaftliche Abhandlung über die Polizei erschienen, ja es ist bekannt, daß man die Polizei geradezu für einen undefinierbaren Begriff ausgegeben hat: das ist aber für ein redliches deutsches Gemüth nur eine Anreiz mehr, jenes mysteriöse Wesen, die Polizei, über Alles zu lieben. Was wir nicht begreifen, daran glauben wir, und lieben es über die Maßen. Ein deutscher Philister geräth in Verzweiflung, wenn er einen Nachtwächter schlafen sieht: die Polizei soll wachen, damit er schlafen kann.


14.
No. 158.
7. Juni 1842.

Wiederum bringt uns die Berliner Presse ein sehr empfehlungswerthes Schriftchen, wie sie sich denn seit Bülow-Cummerow’s Buch sichtlich bemüht, von der dermaligen Presserlaubniss einigen Nutzen zu ziehen. Darin zeichnet sich, was wir schon mehrmals zu bemerken Gelegenheit hatten, besonders der Verlag des „Berliner Lesekabinets“ aus, und wenn die Uebrigen diesem guten Beispiel nachfolgen wollten, so liesse sich einige Hoffnung fassen, daß die steifbeinige Hauptstadt sich von der schnellfüssigen Provinz nicht um ganze Siriusweiten werde überholen lassen. Sie wird ziemlich hastig nachhumpeln müssen, bis sie in dem nördlichen Sternbild „Königsberg“ das funkelnde Sternlein „Walesrode“ nur wieder zu Gesicht bekommt. Die erwähnte Broschüre führt den Titel: „Die juristische Fakultät der Universität zu Berlin, seit der Berufung des Hrn. v. Savigny bis zur Niederlegung seines akademischen Amtes, und deren erforderliche Umgestaltung [65] Berlin. Verlag des Berliner Lesekabinetts.“ Es wäre unbillig, wenn man aus einer Flugschrift das Beste ausziehen wollte, da mancher Leser dadurch verleitet würde, sie selbst zur Seite liegen zu lassen; dagegen ist es nöthig, darauf aufmerksam zu machen, dass obige Broschüre sich nicht bloss auf die Berliner Juristen-Fakultät bezieht, sondern auf alle preussischen, ja auf die deutschen überhaupt. Denn nachdem das Wesen der „historischen“ oder besser „unphilosophischen“ Rechtsschule charakterisirt und die durch sie verschuldete Unlebendigkeit der Rechtwissenschaft bewiesen worden, wird eine nothwendige Reform der Fakultät in Vorschlag gebracht, die, weil sie „in der Natur der Verhältnisse selbst begründet ist und von dieser gefordert wird“, nicht als abenteuerlich zurückgewiesen werden kann. Und diese Reform ist auf jeder Universität nothwendig und wird sich auch Bahn brechen: „denn der Zeitgeist lässt sich nicht hemmen, und wenn er nicht von Denen verstanden wird, die geordnet sind, ihm gesetzliche Wege zu bahnen, so schafft er sich diese selbst auf thatsächliche Weise“. Wer könnte wohl jetzt noch Aeusserungen gut heissen, wie die des Hrn. v. Savigny in seiner Schrift „Vom Beruf unserer Zeit“, in welcher eine stolze Philologie sich in folgenden Worten ausspricht: „Was insbesondere die Vorlesungen über das Landrecht betrifft, so glaube ich allerdings, dass diese in der gegenwärtigen Lage besser nicht gehalten werden, indem zum praktischen Bedürfniss die spätere Einübung hinreicht, eine wissenschaftliche Seite aber dem Gegenstande abzugewinnen, aus Mangel an speziellen geschichtlichen Quellen schwer sein dürfte.“ Dass die „spätere Einübung“ nicht hinreicht, wird Hr. v. Savigny in seiner jetzigen Stellung wohl erkennen, und wenn er damit die Einsicht verbindet, dass es für seine „historische“ Weise allerdings keinen andern entsprechenden Pol gibt, als die „spätere Einübung“, weil jene Weise und diese Einübung gleich sehr mechanisch [66] sind, so wird er eine Umgestaltung der Fakultät, wie sie der Verfasser so einfach und überzeugend vorzeichnet, natürlich nur nothwendig finden. Denn die „historische Schule“ hat die ihr vom Zeitgeist gestellte Aufgabe gelöst und zum äusseren Zeichen der Vollendung dieser Periode hat denn auch gegenwärtig ihr Haupt, Hr. v. Savigny, sein Amt als öffentlicher Lehrer niedergelegt.“ Den Plan der Umgestaltung sehe Jeder nach auf Seite 26—32.

Stirner.


15.
No. 164.
13. Juni 1842.
Die Sitte ist besser als das Gesetz.
(Im Verlage des Berliner Lesekabinets.)

Wenn den Landtags-Ausschüssen bei ihrem auf den September angekündigten Zusammentritt die Frage vorgelegt wird — wie dies nicht unwahrscheinlich ist, — ob sich nicht das Bedürfniss eines strengeren Ehescheidungsgesetzes kund gebe: so können die Befragten, wollen sie anders nicht die genau vorgezeichnete Linie ihres bloß provinziellen Berufs- und Gesichtskreises überspringen, keine aus dem Wesen der Sache selbst entnommene und auf den ganzen Staat bezügliche Antwort geben, sondern müssen sich darauf beschränken, über die Wünsche und etwaigen Bedürfnisse ihrer respektiven Provinzen Auskunft zu ertheilen: sie werden — denn dies ist allein ihre Aufgabe — ein provinzielles Urtheil fällen. Das erfordert eine Ergänzung, und der publizistische Schriftsteller, der auf die Forderung des ganzen Landes horchen und die Sache selbst im Auge haben darf, muß sich in diesem Augenblicke gedrungen fühlen, jene Ergänzung durch Mittheilung seiner von einem freieren und allgemeineren Standpunkte aus gewonnenen Ansicht herzustellen. Dieß hat denn auch in diesen Tagen ein Publizist übernommen, [67] der, durch eine eben so praktische als rationelle Behandlung der Frage, seinen Beruf, ein gewichtiges Wort einzulegen, vollkommen bewährte. Der Titel seines, im Verlage des Berliner Lesekabinets erschienenen Schriftchens lautet so: „Die Sitte ist besser als das Gesetz. Eine Verwahrung gegen ein neues Ehescheidungsgesetz.“ Einige Auszüge aus dieser werthvollen Broschüre werden dazu dienen, das Publikum mit ihr zu befreunden. „Ein neues Gesetz über die Ehescheidungen ist im Werke. Herr v. Savigny sprach sich schon früher in Schrift und Wort gegen die laxen Grundsätze aus, welche unser Landrecht in Betreff der Ehe und namentlich der Ehescheidung aufstelle, und die Praxis unserer Gerichte geheiligt habe. Klagend rief er: unsere Sitten sind besser als unsere Gesetze! Des Königs Wille hat Hrn. v. Savigny zu einer Stellung berufen, wo er nicht mehr zu klagen braucht; wo ihm die Macht wurde, seine bessere Einsicht zum Gesetzvorschlage zu erheben. Eine große Partei, Fromme, Pietisten, Orthodoxe, wie sie sich, oder ihre Gegner sie nennen mögen, die längst Dasselbe oder Aehnliches fühlten, predigten und klagten, finden in seiner Autorität einen Hort, und was früher ein ohnmächtiger Versuch war, nur ein bescheidenes Anklopfen an die Thore der Gesetzgebung, könnte jetzt ein Sturm werden, vor dem ihre Flügel sich aufthun müssen. — Reif ist das Gesetz auch als Projekt gewiß noch nicht. Doch das davon Bekannte und Geahnte genügt, um das Publikum in Furcht zu setzen. Denn jede Beschränkung einer Freiheit, gleichviel ob einer heilsamen oder verderblichen, ängstigt die Gemüther, welche ihrer theilhaft waren. Es kommt hier dazu, daß man den einen Schritt rückwärts nur als das Glied einer Kette betrachtet, als den Versuch einer religiösen Reaktion, welche uns um eine errungene Freiheit bringen, und in einen Zustand der kirchlichen Beaufsichtigung und Beschränkung zurückversetzen will, aus der frei geworden zu sein, wir für einen Gewinn, einen [68] Fortschritt schätzen. Wie auch die übrigen Bestimmungen des drohenden Gesetzes lauten mögen, darin stimmen alle Vermuthungen überein: daß man die Gründe, aus denen bis jetzt auf Scheidung geklagt und darauf erkannt werden kann, einschränken und schärfer bestimmen, daß man, wenn nicht den ganzen Scheidungsprozeß dem weltlichen Gerichte entziehen und vor ein geistliches bringen, so doch den Einfluß der Geistlichen beim Sühneversuch verstärken und den Richter nur wie in zweiter Instanz oder in der Art sprechen lassen wolle, wie er nach dem Verdikt der Geschworenen das Urteil fällt; daß endlich in vielen Fällen, wo die Gerichte bis jetzt auf Scheidung erkennen, nur auf die Trennung von Tisch und Bett erkannt, beiden Theilen in diesem Falle keine anderweitige Verheirathung, wo aber die Scheidung wegen Ehebruchs erfolge, dem schuldigen Theile unbedingt die mit der betheiligten Person untersagt werden solle.“

„Man möchte uns das Gesetz von vorn herein als ein wohlthätiges empfehlen. Ist das ein Grund, um neue Gesetze zu machen, daß sie unser Heil und Glück befördern dürften? Gerade von der Seite, von wo uns das neue Gesetz, wie wir sagen, droht, wird auf das Bestimmteste gegen solche Grundsätze angekämpft. Wo nicht die Willkühr im Spiel ist, dürfen neue Gesetze nur aus der Ueberzeugung von ihrer Nothwendigkeit, von dem allgemein gefühlten Bedürfniß und der gänzlichen Unhaltbarkeit der aktuellen Zustände erlassen werden. Ja auch dann, nach der strengen Theorie, dürfen diese neuen Gesetze nicht eigentlich gegeben werden, sie müssen schon im Volke, in dem allgemeinen Bewußtsein, in der allgemeinen Billigung leben, und der Gesetzgeber — sanktionirt nur durch Wort und Schrift das bereits in der Sitte und dem Gebrauche Gültige. — Die Aufgabe des neuen Ehescheidungsgesetzes ist aber eine vollständige reformatorische: die Ehescheidungen waren leicht, und sie sollen schwer werden. Man [69] will sie möglichst verhindern. Man will die bestehende Praxis, die sich auf das bestehende Gesetz stützt, umstoßen. Also eine neue machen.“

Das Gesetz wird „aus zwei Motiven gefordert. Zum Heil des kirchlich religiösen und des sittlichen Gedeihens des Staats. Beide erklärt man für angegriffen.“

Von hier ab sei es vergönnt, um in den Organismus des kleinen Buches nicht beeinträchtigend und beraubend einzugreifen, nur noch einige einzelne Stellen im Interesse unserer Leser herauszuheben.

„Die Ankläger nennen unseren Zustand einen der Unsitte, der nicht länger zu dulden gewesen: ein leichtfertiges Spiel mit dem heiligsten Bunde, einen Geschäftsverkehr mit dem Sakramente getrieben, eine Wechselbank, wo Gesetze und Gerichte den Umsatz unveräußerlicher Güter erleichtern. Ist dem so? Nein!“

„Man höre auf die Klagen Derer, welche mit ihren Scheidungsanträgen von unseren Gerichten abgewiesen wurden, weil es an Gründen fehle. Diese Klagen könnten ein furchtbares, herzzerreißendes Konzert abgeben. Jene arme Frau muß zitternd mit ihren verhungernden Kindern zu dem wüsten Manne zurück, der von den sauren Früchten ihres Fleisses seinen Lüsten lebt und mit Ausbrüchen des Trunkes und barbarischer Wuth sie quält; der ihr schon im Gerichtssaal heimlich die geballte Faust zeigt und mit teuflischem Lächeln ihr zuwinkt, sie solle es nun noch ärger haben und büßen für die Klage. Ihr fehlte der gültige Beweis der Sävitien; oder vielleicht waren die Folgen nicht von der schlagenden Art, daß sie nach den Worten des Gesetzes unter Leuten dieses Standes die Scheidung begründen. Jener unglückliche Ehemann muß sein freches Weib, den Alp und Vampyr seines Lebens, wieder aus dem Gerichtssaal mit nach Hause schleppen, wo Friede und Ruhe auf immer dahin sind; denn sie war zu schlau und er zu hitzig in seinem gutem Rechte. Diese Fälle sind nicht Ausnahmen, [70] sondern die überwiegende Mehrzahl unter den niederen Ständen. Wie leicht sie in die Ehe gingen, so schwer ist es für sie wieder herauszukommen, weil sie, dem Gefühle und der Leidenschaft ihr Recht lassend, sich an die Formen der Gesetze stoßen und nicht begreifen, daß diese nicht weichen wollen, wo ist natürliches Recht so sonnenklar — für sie spricht. Die höheren Stände finden den Ausweg; mit Ruhe und Besonnenheit wissen sie sich um jene Formen wegzuschlängeln. Das Gesetz ist alt und starr geworden, es hat sich nicht fortbewegt und entwickelt mit dem vielbeweglichen Leben, und seine Priester müssen im strengen Tempeldienst nur zu oft Diese, die unwürdig sind, durch die Pforte lassen, Jene, denen Erlösung Noth thäte, mit schweren Herzen zurückweisen. Es ist eine Unwahrheit, daß Gesetz und Richter die Ehescheidung erleichtern.“

„Die Geistlichkeit soll hineingezogen werden? Die armen Geistlichen! Um Förderung des religiösen Gefühls? Ihr werdet es so wenig wecken, als durch das Gebot der strengeren Sonntagsfeier. Die zurückgewiesen worden, jetzt schimpfen sie auf die Richter; dann auf die Geistlichen. Wenn Ihr die Achtung vor denen erhalten und erhöhen wollt, so laßt sie hier aus dem Spiele. Die Zeit ist vorüber, wo sie als Richter auftraten; Bann und Interdikt wirken nicht mehr in ihren Händen.“

„Was das Gesetz bezwecken soll, ist schon da, Anhänglichkeit und Treue, gesittete Familienverhältnisse, religiöse Scheu vor dem Bruch derselben.“

„Es wurden im Mittelalter mehr Ehen getrennt (versteht sich, unter hohen Personen, die nach Rom zahlen konnten) um zu nahe Verwandtschaft, (oft so entfernte, daß wir uns scheuten, auf das Verwandtschaftsverhältniß Anspruch zu machen) als unsere Gerichte um gegenseitige Einwilligung scheiden. Und das geschieht noch heut. Exempla sunt odiosa.“ [71] „Alles trifft die Armen am Härtesten, Alles wird ihnen schwerer gemacht, Alles müssen sie theurer bezahlen — bis auf den Tod. Es ist so und keine Gesetzgebung ändert’s, keine Parlamente und kein König. Alle Zeiten haben sich vergebens bemüht, ihr Loos zu bessern; nicht die Halljahre der Juden, nicht die agrarischen Gesetze, nicht die Jacobiner haben’s durchgesetzt, und keiner Zeit wird es gelingen, Armengesetze zu erfinden, nach denen der Reiche nicht leichter gewinnt und wohlfeiler einkauft, als der Arme. Daß aber auch ein Gesetz, das über Ehescheidung, aus Christus Geboten seinen Ursprung herleitend — der das Himmelreich vorzugsweise den Armen predigte — daß auch dies Gesetz wieder vorzugsweise die Armen drücken soll!“

„Zwei Strömungen begegnen sich in unserer Gegenwart. Dem unaufhaltsamen Strom der vorwärts dringenden[WS 1] Intelligenz, die alle Schranken bricht, alle Traditionen überfluthet, was uns ehrwürdig und heilig war als Illusion bei Seite wirft, begegnet eine religiöse Rückströmung. Der Kampf der beiden Strömungen ist noch lange nicht entschieden. Durch äußere Gewalt wird er es nicht. Wer dazu greift, bekennt vor den Gegnern seine eigene Schwäche, den Mangel an Vertrauen zu seiner Sache. Der alte Glaube, die alte Sitte, fühlen sie sich schon so schwach, daß sie zu den Gesetzen flehen müssen: rettet uns! Der Nimbus freilich thut es nicht mehr. — Ihr meint besser zu thun im Flicken und Ausputzen der untergegangenen Vergangenheit, im Spiel mit alten Formen, im Hervorsuchen alter Gesetze. Umsonst, die Welt beugt sich nur noch vor dem Geiste."

Die eigentliche Entscheidung der Frage ist in diesem Auszuge geflissentlich übergangen.


16.
No. 164.
13. Juni 1842.

Le Semeur, ein Pariser Journal für religiöse, politische, philosophische und literarische Interessen, gibt [72] in seiner Nummer vom 4. Mai ein getreues Referat der Bruno Bauer’schen Angelegenheit, und fügt zu der Versicherung der Bonner Fakultät, daß sie die Freiheit der philologischen, kritischen und historischen Untersuchungen in der Theologie nicht beeinträchtigen wolle, folgendes Urtheil hinzu: „Ungeachtet aller dieser Verwahrungen ist es unverkennbar, daß, wo auch immer man die Grenze ziehe, von dem Augenblick an, wo man überhaupt eine zuläßt, die Wissenschaft nicht mehr ihren freien Lauf hat. Man bestimmt ihr ihren Weg im Voraus; es ist daher natürlich, daß auch ihre unabhängigsten Ergebnisse Mißtrauen erwecken. — Diese Angelegenheit wird, wie wir nicht zweifeln, in den Zeitblättern Deutschlands zu sehr lebhaften Debatten führen. Nur ein einziges Beispiel einer ähnlichen Absetzung ist bekannt, das des berühmten Philosophen Christian Wolf im Jahre 1723.“


17.
No. 171.
20. Juni 1842.

Es ist nöthig, einen Vorfall an der Universität Kopenhagen mitzutheilen, von welchem die Jenaische Literatur-Zeitung als von einem „sprechenden Zeichen der Zeit“ Nachricht gibt.

Der 21 jährige Studiosus der Theologie, Bröchner, meldet sich zum theologischen Amtsexamen und erklärt sich in seinem Petitum, ohne daß solche Erklärung nothwendig gewesen wäre, für einen Straussianer. Die theologische Fakultät, welche dieß Examen in Gegenwart geistlicher Censoren hält, antwortet, nachdem Bröchner noch auf weitere Anfrage erklärt hatte, daß er ein geistliches Amt, wozu ja auch durch das Examen noch kein unmittelbarer Zutritt eröffnet werde, nicht suche, sondern sich „ausschließlich den Wissenschaften widmen wolle, um sich zu einer akademischen Wirksamkeit auszubilden, bei welcher [73] die religiöse Ueberzeugung nicht in Betracht kommt“, Folgendes: „Da es mit der Stellung einer theologischen Fakultät in der Kirche wie in dem Staate als unvereinbar angesehen werden muß, das verordnete theologische Amtsexamen mit Studierenden anzustellen, welche der Fakultät erklären, daß ihre Ueberzeugung sie von dem christlichen Glauben hinweggeführt habe, und daß sie mit dieser Ueberzeugung nicht ohne den höchsten Grad von Gewissenlosigkeit ein geistliches Amt würden annehmen können: so sieht sich die Fakultät durch das von Ihnen eingereichte Petitum und die später abgegebene Erklärung in die unangenehme Nothwendigkeit versetzt, Ihnen den begehrten Zutritt zu dem bevorstehenden Examen zu verweigern.“ — Bröchner beschwerte sich hierauf bei der Königlichen Universitätsdirektion — er hatte ja ausdrücklich auf ein geistliches Amt Verzicht geleistet und verlangte nur Eröffnung der akademischen Carriere. — Deshalb trug er auf eine gesetzliche Bestimmung für künftige Fälle derselben Art an. Die Direktion erwiederte einfach: „sie sei mit der Fakultät völlig einverstanden und auf den gethanen Antrag sei weiter keine Rücksicht zu nehmen.“


18.
No. 184.
3. Juli 1842.

Als ich in der Broschüre des Staatsraths Hoffmann: „Zur Judenfrage“, Seite 24 folgende Stelle las: „Dem Juden in seiner jetzigen Stellung erschweren es die Vorschriften und Gebräuche seines Glaubensbekenntnisses, Handarbeiten gemeinschaftlich mit Christen zu verrichten. Die Christen aller Religionsparteien feiern gemeinschaftlich die Sonntage und die meisten Kirchenfeste. Die Juden können schon vermöge ihrer Minderzahl keinen Anspruch auf die Befugniß machen, an diesen Sonn- und Festtagen, welche zusammengenommen beinahe ein Sechstheil des Jahres ausmachen, die Feier der Christen durch öffentlichen [74] Betrieb ihrer Geschäfte zu stören,“ — da überkam mir eine Anwandlung von übertriebenem christlichen Billigkeitssinn. Was in aller Welt, dachte ich, hat denn die „Minderzahl“ hier zu schaffen? Wenn die Christen verlangen können, daß ihre Festtage durch keinen Geschäftsbetrieb gestört werden, warum denn die Juden nicht auch? Hat Gott kein Gefallen daran, daß eine christliche Andacht durch Lärm unterbrochen werde, so wird er auch den Christen schwerlich freundlich sein, die eine jüdische Andacht mit Hämmern und Aexten durchlärmen. Was ist denn da für ein Unterschied? Verlangt Gott selbst Ruhe für die Andächtigen, so muß am Sabbath so gut als am Sonntag von Allen Ruhe gehalten werden; verlangen aber bloß die Christenmenschen für ihren Sonntag allgemeine Ruhe, so ist das ja ein ganz exclusives Privilegium, und wie das recht und billig sein soll, das verstehe Einer. Der Verfasser von „Zur Judenfrage“ versteht es aber, und mit ihm verstehen es — deß bin ich sicher — Millionen guter Christen, die gar kein Arg darin haben, daß Recht und Billigkeit nach der „Minderzahl“ abgewogen werden sollen. Sie finden es ganz in der Ordnung, daß sie gerade auf die Sonnabende ihre geräuschvollen Markttage verlegen und durch Scheuern und Abfegen ihres wochenalten Schmutzes neben den Stuben, Häusern und Synagogen der betenden Juden einen Mordspektakel machen, der ihnen am folgenden Tage von diesen durch — Schließen der jüdischen Läden und Einstellung alles jüdischen Geschäftsbetriebes — vergolten wird. Wann der Jude betet, schachert und scheuert der Christ, und wann der Christ betet, soll der Jude — faullenzen.

Solche curiosen Grillen fuhren mir bei der Hoffmann’schen Stelle durch den Kopf. Seit ich aber mein christliches Bewußtsein und Hochgefühl wieder gesammelt habe, lache ich mich über meine kindische Guthmüthigkeit aus. Der Anfall menschlicher Schwachheit ist vorüber.

[75]
19.
No. 193.
12. Juli 1842.
Der Patriot.

Berlin, 3. Juli. Wenn die Sonne den Boden lange Zeit ausgetrocknet hat, so birst er, nach Wasser lechzend, an tausend Stellen. Die vormundschaftliche Sonne hat uns endlich so dürre gemacht, daß wir aller Orten, nach dem Necktartropfen freier Mündigkeit dürstend, aufzubrechen anfangen. Zwar wird es noch oft versucht werden, auf unsere Spalten den Schutt der Willkür zu werfen, um sie zu verdecken; wo soll aber zuletzt aller Schutt herkommen, wenn das Zerplatzen kein Ende nimmt? Doch unser Bild soll nicht so lange dauern, als die Dürre. Wir wollten eigentlich nur anzeigen, daß so eben hier in Berlin das erste Heft einer Monatsschrift: „Der Patriot. Inländische Fragen von L. Buhl“ ausgegeben ist und uns zu Ohrenzeugen einer jetzt in Preußen nicht allzu seltenen Erscheinung macht, der Erscheinung nämlich, daß ein Kind der Wissenschaft, nachdem es von dieser Mutter — ob sieben oder neun Monate, bleibe unentschieden — ausgetragen worden, sein erstes Geschrei in der Welt der Politik erhebt. Damit macht es sich zum Bürger dieser Welt und kann nicht mehr in den Mutterleib zurück. Die schöne Mutter mag neu, wenn auch nicht mehr weiblich und häuslich, in dem muskelkräftigen Sohne, dem männlichen Abbilde der zarten Frau, wieder aufblühen. Einstweilen freilich haben wir nur ein schreiendes Kind vor uns, daraus in Zukunft ein Mann werden soll. Der „Patriot“ geberdet sich noch ungelenk und wehrt sich überhaupt erst gegen das Einströmen der zudringlichen Weltmächte. Mit der Zeit jedoch wird er sich seinen eigenen Platz erkämpfen, und mancher Stein, über den er noch nicht wegklimmt, wird dann von ihm sich als Baustein müssen verbrauchen lassen. Freuen wir uns indessen ein wenig an dem hoffnungsvollen Würmchen, das [76] schon recht ungeduldige Bewegungen mit seinen kleinen Vorderarmen macht und nur mit den Oberärmchen noch nicht ganz von seinem Leibe loszukommen versteht.

Der kleine Patriot scheint noch nicht genau zu wissen, was das für Menschen sind, die um ihn herumstehen. Er äußert sich allzu häufig in der von seiner Mutter, der Wissenschaft, ererbten Lauten, als läge er noch im stillen Schooße und schaute garnicht in die wettergebräunten Gesichter, die von den feinen Gerüchen der Philosophie in ihrem Leben wenig genossen haben und Ambra den schlichten Räucherkerzchen schwerlich vorziehen. Was soll solch’ ein Wettergesicht sich dabei denken, wenn ihm Gestalten vor den Augen flimmern, wie: „Nothwendige Mission der Geschichte; abstraktes Preußenthum und abstraktes Deutschthum; ein Geist, der das Agens ist; religiöse Partikularität; Partikularitäten, welche die Gesetzkommission zu begründen suchte; Vollseligkeit des Quietismus; Sich mit dem Staat und seinem Zweck identificiren; die Religion bringt ihre Wahrheiten nicht in der Form des reinen Begriffs zum Bewußtsein“ u. s. w.? Sind das nicht auch „Kassandraworte“?

Der kleine wackere Patriot muß sich also künftig vorsehen und seine Leute kennen lernen; dann wird er sich gewiß auch darauf einüben, mit den Keulen der Thatsachen drein zu schlagen und die Hiebe nicht zu zählen. Am Besten ist ihm (das erste Heft besteht aus vier Abschnitten) sein erster Laut gelungen: „Das alte Preußenthum“; zum zweiten: „Die Volksschule als Staatsanstalt“ hat ihm ein herzhafter Schlag verholfen, welchen ein Mann aus dem Volke ihm zur guten Stunde beibrachte; der dritte „Religiöse Carricaturen“ würde einem Seitenkinde der Wissenschaft immer noch Ehre machen; im vierten aber ist wenigstens eine halbe Seite (41) ein Gequarre.

Ueber vier Wochen ist das kleine Ding einen Monat [77] älter. Da sollt Ihr hören, wie es schon ganz anders fistuliren und sich Hrn. Biedermann trotzig an die Seite und gegenüber stellen wird.


20.
No. 207.
26. Juli 1842.
Deutschland.

Berlin, 22. Juli. Mehrfachen, sehr glaubwürdigen Versicherungen zu Folge, haben wir mit Ende des Jahres ein Preßgesetz zu erwarten, wonach Allen, die einen akademischen Grad haben, Preßfreiheit unter sehr strengen Repressivmaßregeln, wobei königliche Gerichte, nicht Geschworene, die Entscheidung über das „Schuldig“ aussprechen, zugesichert wird, die anderen dagegen irgend einen beliebigen Regierungsbeamten oder Professor sich zum Censor zu wählen angewiesen werden, und dann aller Verantwortlichkeit überhoben sind. Die Ersteren müßten stets ihren Namen nennen, den Letzteren blieb Anonymität gestattet. Wie kommt nun aber in einer Zeit allgemeiner Bildung der akademisch Graduirte zu dem Privilegium der Preßfreiheit? Die ostpreußischen Stände wiesen die Zumuthung, ihre Privilegien zu wahren, gebührend von sich; werden die Graduirten weniger Gemeingeist haben? Nach jenem Gesetze würden also die Professoren und Akademiker, gewisse Beamte und die Graduirten zusammen, den „Verein der Freien“ bilden; das übrige Volk die „große Masse“, bevormundet durch die „Freien.“ Der Königsberger Magistrat hat sich geweigert, die durch die Entfernung der Prediger Ebel und Distel erledigten Stellen mit Pietisten zu besetzen. Dies wußte ein Prediger im „Nassen Garten“, einer Vorstadt Königsbergs, seiner Gemeinde so darzustellen, daß sie darin für ihn ein Unrecht sah. Daher zogen kürzlich die Gemüseweiber, von denen jene Gegend hauptsächlich bewohnt wird, in Prozession [78] zum neuen Oberpräsidenten, Herrn Bötticher, und stellten ihn vor, wie ihnen ihr Herr Prediger gesagt hätte, daß man ihn, den frommen Mann, nicht predigen lassen wolle, und wie sie jetzt gekommen wären, dem Hrn. Oberpräsidenten das zu sagen, und ihn zu bitten, daß er das Heil der Kirche bedenken möge. Das war gewiß eine eigenthümliche Volksbegrüßung, die der neue Chef erfuhr, und er mag sie nicht ohne einige Verlegenheit empfangen und abgewiesen haben. — Zwei Gedichte, jedes in einem besonderen Hefte, sind jüngst in Königsberg an’s Licht getreten, nämlich: „Stimme aus Zion“ und „Ostdeutschlands Glocke und Kanone,“ beide der dort herrschenden liberalen Richtung angehörig. Besonders das Letztere ist in hohem Grade energisch. Die „Lieder der Gegenwart“, die uns gleichfalls von daher so eben zukommen, werden einiges Aufsehen machen.


21.
No. 207. Beiblatt.
26. Juli 1842.
Königsberger Skizzen von Karl Rosenkranz.

Das Buch ist, nachdem schon mannigfach die Erwartungen gespannt waren, nun erschienen. Erfüllt es die Erwartungen? Ich glaube, ja! Man kann diese nach zwei Seiten hin gehegt haben, entweder, was die Hauptsache ist, dass wir ein gelungenes Bild von dem in neuester Zeit uns so liebgewordenen Königsberg erhalten werden, oder dass Rosenkranz auf manche interessante Tagesfrage tiefer eingehen werde. Was zunächst den ersteren Punkt betrifft, so habe ich mich zwar in reichem Maaße befriedigt gefunden, muss jedoch hinzusetzen, dass ich selbst in Königsberg zu kurze Zeit lebte, und über meinen dortigen Aufenthalt schon zu viele Jahre vergangen sind, als dass ich, namentlich im Einzelnen, dem Verfasser mit einer Kritik folgen könnte. So weit ich das aber vermag, musste [79] ich ihm überall vollkommen beipflichten, und ich zweifle nicht, dass auch für diejenigen, welche Königsberg nie gesehen haben, eine überraschend deutliche Anschauung aus diesen Skizzen resultiren wird. Aber man muss es ganz lesen und nicht diese oder jene Skizze nur auswählen wollen. Suchte man einen oder den andern besonders schlagenden Effekt, so wäre es leicht, deren viele zur Mittheilung aufzufinden; es scheint mir indess zweckmässig, nur aus der allgemeinen Charakteristik Königsbergs Einiges herauszunehmen, damit bei recht Vielen sich mit dieser Stadt ein bestimmter Gedanke verknüpfe. Rosenkranz sagt: „Mir scheint der Hauptzug Königsbergs in einer durch den nüchternsten Verstand beherrschten Universalität zu liegen. Die Universalität versammelt in ihm fast alle bedeutenden Culturelemente, jedoch wegen der Isolirung der Stadt in einer eigenthümlichen Verkürzung. Es fehlt nicht leicht etwas. Jedes Gewerbe, jede Kunst, jede Wissenschaft, jede Lebensart, jede politische oder kirchliche Richtung haben ihre Vertreter. Aber oft ist auch ein Element eben nur repräsentirt. Es wurzelt nicht tiefer, es ist nur da, um an sich zu erinnern. Es ist mehr als eine Möglichkeit, denn als Wirklichkeit vorhanden. Ein Spötter könnte daher Veranlassung nehmen, Königsberg als die Stadt zu bezeichnen, in welcher alles im Zustande des Beinahe existire u.s.w.“ — „Nichtsdestoweniger ist es sehr wichtig, dass Königsberg eine solche Allseitigkeit der Culturelemente besitzt. Es beweist dadurch seine Anlage zum Fortschritt. Es schliesst von Vornherein nichts von sich aus, sondern kommt auch dem Fremdartigsten mit Empfänglichkeit entgegen. — Aber in seiner Universalität ist es zugleich von unerbittlicher Verständigkeit. Die Deutlichkeit der Begriffe, die Klarheit der Urtheile sind eines der ersten Erfordernisse für den Königsberger u. s. w.“ — „Diese Verständigkeit ist in Verbindung mit jener Universalität der Grund einer seltenen Gerechtigkeit [80] des Urtheils. Der Verstand allein würde zu dem äussersten Prosarigorismus führen. Alles ihm nicht sogleich Begreifliche würde er von sich abweisen. Aber die Mannigfaltigkeit der Interessen, die sich in Königsberg bewegen, verhindert eine solche Verödung. Wofür der Eine mit seinem Verstande nicht ausreicht, dafür findet sich ein Anderer. Dieser weiss seinen Gegenstand zu rechtfertigen und vor dem Verstande zur Geltung zu bringen. Man kann daher oft beobachten, wie bei gegebener Veranlassung zu urtheilen zunächst zwei entgegengesetzte Parteien da sind, eine verwerfende und eine anerkennende. Die Dialektik ihres Streites fördert aber bald ein Urtheil heraus, worin die Heftigkeit des Tadels durch bessere Einsicht gemildert, die Uebertreibung der Gunst durch Aufdeckung wirklicher Schwächen der Sache herabgestimmt ist. Dies als Resultat gewonnene Urtheil wird dann gewöhnlich in die allgemeine Tradition aufgenommen. Allerdings ist der eben geschilderte Process der, welcher überall in der Welt vorkommt. Aber in Königsberg ist er so zu sagen organisirt. Auch da, wo man es nicht erwarten sollte, wird in Königsberg eine Opposition laut werden."

So viel über die erste Erwartung, die, wie ich meine, sich nicht getäuscht sehen wird. Sogar eine Karte mit Figuren ist dem Buche hülfreich beigegeben. Auch das zweite Versprechen, „allgemeine Fragen der Zeit zu berühren“, hat der Verfasser gehalten, und über manche durch geistreiche Wendung ein erhellendes Licht verbreitet. Hierbei kommt nun der Autor nothwendig selbst in Betracht, weil von seinem Standpunkte sein ganzes Urtheil abhängt, und ihn die Welt nicht anders anschaut, als er sie anschaut. Wenn wir Rosenkranz nun immer noch so liebenswürdig, wie sonst, so heiter, offen, freimüthig, so anmuthig und zartsinnig finden, so soll es doch auch nicht verschwiegen werden, dass er dem Zeitgeist, wie er ihn selbst in dem Einen Worte: „Eklekticismus“ auszusprechen [81] glaubt, in seiner eigenen Person darzustellen scheint. An mehreren Orten handelt er von diesem Zusammenlaufen des Einzelnen mit der Strömung des Allgemeinen, und wird gewiss keinen Tadel darin sehen, wenn man ihn ein Kind seiner Zeit d. h. des Eklekticismus, nennt. Allein man kann auch in dem Flusse der Zeit zurückbleiben und wird dann ein Bewohner des Binnenwassers, ohne je in die Fluchen des Oceans hinauszuschwimmen. Wo Strom und Meer zusammenkommen, da schaut man in die Weite, betrachtet gelassen und mit Interesse die vorbeiziehenden Seegestalten und — hält sich fein zu Hause. Wohl sehen unsere Tage noch sehr eklektisch aus, doch sind sie es nicht mehr. Ein Bruch ist durch sie hingegangen, wie über Nacht die Eisdecke des Haffs zerreisst, und ohne ihn zu kennen, wird mancher sorglose Wanderer beim dämmernden Morgen hineinstürzen, weil er von dem krachenden Donner der Nacht nichts vernommen hat und wähnt, er müsste von einem Bruche doch etwas wissen, da er noch vor Kurzem dieselbe Strasse ungefährdet hin- und hergezogen sei. Unsere Zeit ist nicht mehr eklektisch und parteilos; aber Tausende sind es noch und wollen es bleiben. Schöne Unparteilichkeit, wer deinen idyllischen Frieden genösse! Ich aber mag dich nicht, nicht die Fülle deiner Genüsse, nicht deine wunderselige Allseitigkeit, nicht deinen Frieden, nicht deine Unschuld! So lange das Wesen unserer Zeit eklektisch war, galt Rosenkranz unbestritten als einer ihrer Vordermänner; seitdem aber nur ihr trügerischer Schein eklektisch geblieben ist, müsste er kühner ausschreiten, als er es thut, um nicht zu einem Nachzügler zu werden.

Die vorliegenden beiden Bände geben reichlichen Stoff, auf diese Gefahr des Zurückbleibens hinzuweisen. Der Leser, welcher in seiner eigenen Brust es fühlt, dass der Eklekticismus vorüber ist, wird von selbst darauf stossen; ich meinerseits will gerade eine sehr unscheinbare Stelle [82] hervorheben, damit gutmüthigen Beurtheilern eine liebevolle Entschuldigung offen bleibe.

I., 286. „Wenn ich im Bilde den Juden sehe, wie er dem Landpfleger ruft: Kreuzige, kreuzige ihn! Sein Blut über uns und unsere Kinder! und trete aus der Kirche oder von dem Steinbilde der Station zurück, um auf der Strasse dieselbe Physiognomie zu treffen, so gehört eben schon eine festere Christlichkeit dazu, mich zu erinnern, dass Christus den Juden vergeben hat, vergeben musste, weil sie nicht wussten, was sie thaten. Der Pöbel vermeint wohl, sich darin christlich zu zeigen, wenn er es noch jetzt dem Juden nicht vergisst, was er einst gethan.“

So muss man also ein Christ sein, und zwar ein „festerer Christ“, um die Juden nicht zu hassen? Es ist zwar richtig, dass die christliche Religion die Feindesliebe als einen ethischen Satz in sich aufgenommen und dadurch vor anderen Religionen etwas voraus hat; allein dieser Vorzug vor anderen Religionen kann nicht für einen Vorzug vor der Humanität angesehen werden und dazu dienen, die Feindesliebe dem Christentum als etwas Eigenes zuzusprechen. Sie ist durchaus etwas Menschliches, und man braucht nicht nur kein „festerer Christ“, sondern überhaupt kein Christ zu sein, um seine Feinde zu lieben. David liebte Saul, Sokrates sein Volk, das ihn vergiftete, wie das jüdische Christum kreuzigte, und Seume’s wilder Canadier einen — Christen. Und nun gar einem unzurechnungsfähigen Feinde, wofür Christus selbst die Juden ansah („Vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun!“) und seinen späten Enkeln nichts nachzutragen, dazu soll eine „festere Christlichkeit“ gehören? So entrückt man das einfach Menschliche von seinem Boden, um es in den christlichen Himmel zu verpflanzen, und so kommt man consequenter Weise zu einem christlichen Staate und wohl auch zu einer christlichen Philosophie. Im Gegentheil, eben die „Christlichkeit des Pöbels“ ist es, die ihn [83] zum Judenhasse treibt. Wenn ein Christ in das Gesicht eines Neugriechen blickt, so wird es ihm nicht einfallen, denselben als den Nachkommen derer, die Sokrates vergifteten, zu hassen; bei einem Juden aber erinnert er sich des Mordes Christi. Weil er ein Christ ist, darum ist sein erstes Gefühl gegen den Juden-Hass. Lässt er dann aber die Menschlichkeit in sich zu Worte kommen und empfindet er die Inhumanität des Hasses, so kann er sich dabei freilich wieder auf das Christenthum berufen, aber nur darum, weil dasselbe aus der Humanität die Feindesliebe in sich aufgenommen und gleichsam entlehnt hat. Daher wird es wohl so sein, dass man, um der Versuchung, die Juden für die Missethat ihrer Ahnen zu hassen, nicht zu unterliegen, ein „festerer Christ“ sein, d. h. sich des aus der Humanität in die Religion hinübergezogenen christlichen Gesetzes von der Feindesliebe erinnern muss; dass man hingegen, um eine solche Versuchung sich gar nicht einmal anwandeln zu lassen, nichts als ein wahrer Mensch zu sein braucht. Auch die „festeren Christen“ sind dieser Versuchung erlegen, wie das Mittelalter beweist, und erliegen ihr noch, wie der „christliche Staat“ zeigt; ein freier Mensch, von edlem Selbstgefühl durchdrungen, erwürgt diese Schlange durch die Macht der Humanität schon in der Wiege. Und so ist es in unzähligen anderen Fällen, dass das Christenthum uns in Versuchung führt und uns dann nur durch einen von der Humanität erborgten und zu einem religiösen Gesetze ausgeprägten Satz errettet.

Ich wählte diese an sich wenig bedeutende Stelle auch darum, weil man den Löwen an der Klaue erkennt, und weil sie eine hinreichende Andeutung enthält, dass Rosenkranz nicht rein und ungetrübt von der Höhe der Humanität aus die Welt betrachtet, wenn er auch im gewöhnlichen Sinne des Wortes gewiss einer der humansten und liberalsten Menschen ist. Die Humanität leitet ihn [84] wohl, wie unzählige Andere, auf allen seinen Wegen, allein sie ist nicht in ihm persönlich geworden, nicht die Idee, die sich zur Welt seines Selbstes ausbaute, sie ist nicht sein alleiniges Selbstbewusstsein, sein volles Ich, und hat darum keine andere Energie, als die, dass sie ihn beherrscht. Der Beherrschte kann es aber nicht lassen, dass er nicht zuweilen seine eigenen Capricen hinter dem Rücken des Herrn hätte: der Herr ist doch immer nicht Er selbst, und der Diener der Humanität bleibt — für sich ein Christ. Im Leben bestimmt seinen Willen der Herr, die Humanität, in seinem Kämmerlein bestimmt er sich selbst und ist — Christ. An Versuchen wird er es überdem nicht fehlen lassen, den Herrn zu seinem Glauben zu bekehren. — Mit seinem guten Glauben, dass Alles zur Verherrlichung des Christenthums dienen müsse, erinnerte mich Rosenkranz lebhaft an die Leichtgläubigkeit Marheineke’s, der „kein Bedenken trägt, zu behaupten, dass wenn man den Kern des Buches von Bruno Bauer (die Synoptiker) in’s Auge fasst, dasselbe auf die Verherrlichung des Christenthums abzweckt“, wie er in mir — da ich einmal beim Tadeln bin, so sei auch das noch hinzugesetzt — durch die Spielerei seiner Symbolik (z. B. in dem Artikel „Kant’s Haus“) die Erinnerung an Göschel wieder weckte.

Aber bei allem dem, wie viel Herrliches bietet das Buch! Man lasse sich durch mein Bekritteln den grossen Genuss nicht stören, der in seiner Lectüre liegt, sondern nehme es nur als eine Zuthat von bittern Mandeln, die Alles um so schmackhafter macht. Es ist einmal so des Kritikers Sache: er denkt seine Pflicht nicht zu thun, wenn er nicht ein wenig auf den Autor loszieht und Ausstellungen macht. Dafür sollen auch für den freundlichen Leser noch ein paar Citate aus dem Buche hier nachfolgen, weil sie in einer Zeitung willkommen sein werden.

I., 288: „Interessant ist es, zu sehen, in welche Bedrängniss die christlichen Feudalherren unter uns ihrerseits [85] mit dem Judenthum kommen. Da sie an die Bibel alten Testaments nicht weniger eifrig, als an die neuen Testaments glauben, so müssen sie das jüdische Volk sehr hoch halten. Sie citiren auch, wenn sie irgend einmal eine Glaubenswahrheit beweisen wollen, ohne alle Kritik die Psalmen und Paulinischen Briefe, Genesis und Apostelgeschichte durcheinander. Es ist ihnen Alles Wort Gottes, Alles Offenbarung, Alles inspirirt; auf den Zusammenhang kommt es nicht an. Sie reden daher auch stets von dem Volk Gottes, aus dessen königlichem Stamme Jesus hervorgegangen, welche fürstliche Verwandtschaft sich beiläufig doch diejenigen merken sollten, die in Christus immer eine absolut demokratische Natur zu erblicken unhistorisch genug sind. Sie gestehen sich, dass, wenn sie so einen schönen Judenkopf mit hoher Stirn, sinnenden Augen, edler Nase, feinen und doch kraftvollen Lippen und dunklem Bart vor sich haben, Jesus wohl ganz ähnlich ausgesehen haben könne. Aber dennoch wollen sie nichts vom Juden wissen. Als Hausirer ist er ihnen zu schmutzig, zu gewinnsüchtig, in seinen Manieren zu lächerlich. Als wohlhabender Handelsmann, der die Messen bereist, der sein Lager hat, ist er ihnen zwar leidlich, aber doch nur nothgedrungen, beim Kauf und Verkauf, oder im Postwagen. Er riecht noch zu stark nach Knoblauch und hängt gar zu sehr an seinem alten Testament. Als Banquier, der in modernster Toilette dort mit den herrlichsten Vollblutpferden zur Börse eilt, dessen Haus ein Muster von Eleganz ist, der täglich „bei sich empfängt“ und so trefflichen Champagner hält, dessen Bücherschränke Schiller und Goethe, Byron und Scott, Victor Hugo und Balzac in englischen Einbänden dir entgegenstrahlen, dessen Tochter zur Begleitung des wiener Flügels die neuesten Opernarien aus Meyerbeer’s Hugenotten singt, als Banquier, der den Erlöserorden von einem christlichen Monarchen geschenkt bekommen hat, der eine Art von Diplomat, eine politische Macht ist; als [86] Banquier ärgert der Jude den Aristokraten durch seinen Reichthum, durch seinen Luxus, seine Bildung und seinen Einfluss. Und so ist auch dieser ihm nicht recht. Als aufgeklärter wissenschaftlicher Arzt kann er den Juden vielleicht nicht entbehren, allein er hasst an ihm die Aufklärung, er beschuldigt ihn, zu sehr sich entnationalisirt zu haben. Als Schriftsteller aber, wie Riesser, ist er ihm vollends ein Greuel. Für den Juden, der Journalartikel schreibt oder gar ein Journal redigirt, hat er nur noch Schimpfwörter. „Judenjunge“ ist hier sein technischer Ausdruck.“

I., 320. „Zwischen Preussen (der Provinz) und Schwaben besteht ein tiefer Zusammenhang. In der Diagonale deutschen Lebens von Südwest nach Nordost bilden sich die Pole, die mit einander in geheimer Wechselwirkung stehen, wie dies die Literaturgeschichte nachweisen kann. Wie nun Kant einst die Tübinger Theologen, Storr, Flatt, gegen sich in die Schranken rief, bis in Strauss doch der Rationalismus über den Supernaturalismus siegte, so schlägt nun Strauss gerade hier wieder mächtiger ein, als irgendwo. Mit Erstaunen habe ich im Kreise meiner beschränkten Erfahrung wahrgenommen, dass preussische Gutsbesitzer einen ganzen Winter consequent Seite für Seite von Strauss durchgelesen, durchgesprochen haben, ja nachher für ihre abweichenden Ansichten mit einander in Briefwechsel getreten sind.[1] Die Geistlichen sind bei uns, wie ich nicht anders glauben kann, aus dem wohlmeinendsten Interesse heraus oft terroristisch gegen die Strauss’schen Lehren aufgetreten. Hier und da, eine Zeitlang wird dies wirken, aber nicht auf die Länge, denn die Freiheit der Forschung ist vom Protestantismus unzertrennlich. Wollten sich die Straussianer, was übrigens anzunehmen gar keine Thatsachen [87] vorliegen, als Confessionen constituiren, so würde keine Macht der Erde sie daran hindern können. An Fanatismus, also auch an Freudigkeit, zu leiden, sich zu opfern, würde es ihnen so wenig fehlen, wie jemals einer bedrängten Sekte. Die Hengstenbergische Kirchenzeitung hat diesen Punkt oft in der Weise hervorgehoben, als zweifelte sie bei den Straussianern an dem Muth, irdischen Besitz, irdische Ehre für die Ueberzeugung in die Schanze zu schlagen. Sie irrt. Für viel untergeordnetere Dinge sind die Menschen standhaft in den Tod gegangen, immer aber löwenkühn, wenn es sich darum gehandelt hat, durch ihr Blut einem neuen Glauben Bahn zu brechen. Die Märtyrerpalme ist die süsseste. Wie noch jüngst erst die Prediger der Altlutheraner, von den Ihrigen getrennt, ihres Amtes entsetzt, im Gefängniss leidend, nur immer höheren Muth gewonnen, so würde es auch bei den Straussianern sein.“

II., 65. „Dem ungestümen Drange, uns der französischen Bühne der Gegenwart sogleich zu bemächtigen, muss etwas Tieferes zu Grunde liegen. Es muss eine Sympathie der Nationen sein, welche diesen Zauber bewirkt und diese Sympathie muss wiederum durch den Gegensatz bewirkt werden, den die Franzosen und Deutschen zu einander machen, den sie aber auch zu versöhnen trachten. Die Zeit des Hasses ist für beide Völker vorüber. Sie sagen es sich zwar oft noch sehr nachdrücklich, dass sie höchst unabhängig von einander seien und sich, ihre Selbstständigkeit zu wahren, einander sogleich mit allen Mordinstrumenten der modernsten Kriegsführung todtschlagen würden. Herr Becker hat diesen Trotz der Nationalität den Franzosen, und Herr Alfred de Musset den Deutschen erst neuerlichst zugesungen. Allein viel mehr als auf den Krieg sind sie auf den Frieden mit einander gestellt und wir haben das merkwürdige Schauspiel erlebt, dass eine Armee von 600,000 Mann, die vor Schlachtenruhm zu brennen schien, [88] nach einigen Monaten wieder in die friedlichste Stimmung zurückging, dass Rüstungen, die allem menschlichen Urtheil nach in einem kriegerischen Ausbruch endigen mussten, ruhig wieder zurückgenommen werden konnten. Der Deutsche hat an dem Franzosen Alles, was ihm fehlt, äusserliche Glätte, gesellige Vielseitigkeit, persönliche Unbefangenheit gepaart mit grossem persönlichen Selbstgefühl, Nationalbewusstsein, Oeffentlichkeit des Lebens, Raschheit der That. Umgekehrt hat der Franzose an dem Deutschen die Innigkeit des Gefühls, die Nachhaltigkeit der Bildung, die Humanität des Bewußtsseins, die Universalität des Lebens und Strebens, die Reife der Handlung. Aber eben weil nun der Deutsche der universellere ist, weil ihn kein Nationaldünkel hemmt, so ist er der geschäftigere, sich das französische Element anzueignen.“

II., 100. „Der Germane ist von den ältesten Zeiten her dem Trunke leidenschaftlich ergeben. Deutschland ist das Land, in welchem Wein, Bier und Branntwein herrschen. Der Deutsche trinkt Alles. Und diese Sucht hat er durch die Kolonieen weiter verpflanzt. Aber bei ihm geht die Neigung zum Trunk aus einem ganz anderen Grunde hervor, als bei Völkern, denen die Vegetation des Bewusstseins, die halbe Bewusstlosigkeit noch die grösste Wonne gewährt. Bei ihm ist es der Uebermuth des Selbstgefühls, der sich mit dem Trunk gleichsam als mit einem Feinde einlässt, der ihm nichts soll ansehen können. Er ist die bis zum Frevel kühne Freiheit des Selbstbewusstseins, die ein schauerliches Gelüsten empfindet, mit der Natur sich einzulassen, zu sehen, wie weit sie es wohl zwingen könne.“

„Der Germane hat, so zu sagen, einen Ueberschuss von Kraft in sich, dem er abermals durch ein Unmaass begegnet. Der Romane, wie der Araber, weiss nichts von diesem seltsamen Drange. Er ist ohne Kampf gegen eine Versuchung massig, weil es ihm nothwendig ist, mit sich [89] und der Welt im Gleichgewicht zu leben. Der Germane aber hat um so mehr einen Trieb nach einem Zustande in sich, der ihn ihm selbst zu entreissen vermag, je mehr er seiner selbst im Innersten gewiss und daher auch von vorn herein mit der Welt zu spielen geneigt ist. Nicht der momentane Selbstmord, auf den der Finne und Slave im Trunk ausgeht, nicht der sinnliche Kitzel als solcher, sondern die Macht des Geistes ist es, die den Germanen reizt, Glas auf Glas zu leeren. Es liegt eine Verachtung der Natur als Kraft in seinem maasslosen Trinken. Das Trinken, nur um sich zu berauschen, nur um bewusstlos ausschnarchen zu können, um die Seligkeit des Nichtseins zu geniessen, würde ihm gar keinen Genuss gewähren, aber als eine Macht, gegen die er sich frei erhält, indem er sie unmittelbar in sich aufnimmt, sie mit seinem Blut sich vermählen lässt, hat das Trinken für ihn einen grauenhaften Reiz. Es liegt in ihm dieselbe Keckheit, mit welcher der Seekönig Regnar Lodbroki, als im Thurme die Schlangen ihn zernagten, seine Thaten mit dem Refrain sang: „lachend werde ich sterben.“ Ohne diese dämonische Tiefe der Versuchung würde es kaum zu erklären sein, mit welcher Lust der Germane trinkt. Viel trinken zu können, ist bei ihm eine Art Ehrensache geworden.“

Ich erlaube mir hierzu eine Note beizufügen, die ich vor Jahren zu Tacitus Germania 24 machte, und die ich ohne weitere Verbesserung als Parallele geben will: Die Spielsucht der Germanen liess sie selbst Freiheit und Leben opfern. Es ist dies die stärkste Abstraktion, zu der es der Mensch, der das ihm Eigene opfert, zu bringen vermag. Das Substantielle, was bei diesem Aufgeben der höchsten persönlichen Güter zurückbleibt, ist die Treue im Vertrage, das verpflichtete Wort. Hierin erscheint der Germane, nach der äussersten Abstreifung alles Zufälligen, wozu selbst Alles, was an der Freiheit Verlierbares ist, gehört, rein in seinem Wesen. Nur das reine, unzerstörbare [90] Selbst, hier in der Gestalt der Treue oder des Worthaltens, bleibt übrig, nachdem Weib und Kind, die Freiheit, ja selbst das Leben in die Schanze geschlagen worden. Der Germane stellt sich selbst, seine Unverbrüchlichkeit, muthwillig auf die Probe, um damit in jeder Probe zu bestehen. Diese Leidenschaft, Alles auf’s Spiel zu setzen, Gewinn- und Verlierbares ganz zu gewinnen oder ganz zu verlieren, war äusserst heftig, war Spielsucht, Sucht, dasjenige, was sonst als ein höchst Positives galt, auch in seiner höchsten Negativität darzustellen. In der Kampf- und Kriegslust setzten sie dieselben Güter auf’s Spiel und das oft aus keinem andern Grunde, als der abenteuerlichen Begierde, sie daran zu wagen.

Was an Vorstehendem undeutlich ist, das erklärt sich hinlänglich aus Rosenkranz lichtvollerer Darstellung.

Stirner.


22.
No. 259.
16. September 1842.

Wir müssen es recht sehr wünschen, daß Zeitungen von Allen gelesen werden, damit sie den Zeitgeist immer mehr kennen lernen, der ja ihr eigener Geist ist. Gehört aber zu dem Zeitgeiste nicht auch der Geist der Sprache, und dürfen Zeitungen zu Sünden gegen diesen Geist verführen? Schon genug hat man zu leiden von den verworrenen Satzbildungen, in deren Gestrüpp sich die struppigen, begrifflosen Vorstellungen ihrer Verfasser verkriechen: warum muss jetzt noch die tollste Participialkonstruktionenwuth über uns herfallen? Und jene Participialkonstruktion, von welcher Walesrode sagt, sie sei „so wunderbar gigantisch gewesen, daß alle Gymnasiallehrer Deutschlands erbleichten, und die Tertianer von den Schulbänken sprangen und jauchzend riefen: Nun haben wir Hundstagsferien!“ — sie war noch königlich im Vergleich mit den Participien, die wir alle Tage in öffentlichen Blättern lesen müssen. [91] Auch die Rheinische Zeitung, die hoffentlich diese Rüge aufnehmen wird, mag an ihre Brust schlagen, damit ihre vielen Schwestern aus falscher Schaam nicht unterlassen, sich — zu schämen.

Hier, um Raum zu sparen, nur ein Paar Beispiele aus deutschen Zeitungen: „Die sich dargebotene Gelegenheit.“ „Der in seinen Pflichten als Landstand sich befundene Denunciant.“ „Die sich bei der Berathung herausgestellten Meinungsverschiedenheiten.“ „Das sich selbst geschaffenere Feld bearbeiten.“ „Die überhand genommene Branntweinspest.“ „Das betroffene Unglück.“

Den Grund, warum man nicht so schreiben darf, liefert jede gute deutsche Grammatik. Ein leiserer Fehler besteht darin, daß man häufig reine Participien wie Adjectiva gebraucht findet, z. B. „Der betroffene Dieb.“ Man verzeihe diese unpolitischen Worte in einer politischen Zeitung und mache, daß Niemand ihrer künftig zu gedenken braucht.


23.
No. 261.
18. September 1842.

Berlin. In einem hiesigen Blatte (da es nicht nennenswerth ist, so wollen wir die Leser mit seinem Namen nicht behelligen) wird die unlängst erschienene Carrikatur „Der deutsche Michel“, die trefflichste unter den wenigen deutschen, aus dem Grunde verworfen, weil es schändlich sei, sich selbst, sein eigenes Volk, zu verspotten. So etwas, heißt es, thäten die Engländer und Franzosen nicht. Stellt man uns Engländer und Franzosen darum als Muster auf, weil sie keine Carrikaturen auf sich selbst machen, warum denn auch nicht darin, daß sie keine Carrikaturen aus sich machen lassen? Aber auch abgesehen hievon, so finden wir bei diesen Völkern ja häufig sehr schneidende Carrikaturen auf sich selbst; man erinnere sich nur John Bull’s? Und darum wohl dem Deutschen [92] der sich über die Selbstzufriedenheit erheben konnte; denn:

„Wer sich nicht selbst zum Besten halten kann,
Ist wahrlich keiner von den Besten!“


24.
No. 263.
20. September 1842.
Der Doktortitel.

Man wird es nachgrade satt, wenn man alles Mögliche rühmen und preisen hört, principlos und in den Tag hinein. Es ist doch wahrlich eine Injurie, zu behaupten: „alle Ehrenmänner Breslaus hat die Aufhebung der Bull-Doktoren sehr angenehm überrascht“, als wenn, wer sich nicht sehr angenehm überrascht fand, kein Ehrenmann Breslaus sein könnte. Das ist aber so der gedankenlose Styl Derer, die in um so größerer Freude taumeln, je mehr der Gegenstand ihrer Freude eine Bagatelle ist. Und dieses Prädikat wäre in der That das geringste und gelindeste, das man jenem Titeledikte beilegen müßte. Wer promovirt, der macht doch gewiß kein schwierigeres Examen, als wer sich z. B. als Theologe oder für den höheren Lehrerberuf prüfen läßt; jener gewinnt aber einen wohlklingenden Titel und dieser heißt schlechtweg — Kandidat. Will letzterer nun, weil er ein Titelchen braucht, etwa um seines Bräutchens oder Weibchens willen oder auch seine eigene Eitelkeit zu befriedigen, den Doktortitel haben, so hat er ein Examen bereits durchgemacht, das dem des Promovirenden gleichkommt, und mancher „Ehrenmann Breslaus“ wird’s ihm nicht verdenken, wenn er den bloßen Titel eben auch — bloß kauft. Das ganze Ding besteht ja doch nur noch deshalb, weil wir Deutsche Michel sind, die ohne Titel keinen Fuß vor die Hausthür zu setzen wagen. Und daß diesem Titelkitzel nun durch ein [93] Edikt gegen die Käufer des Titels Vorschub geleistet wird, das sollen „alle Ehrenmänner“ gutheißen? Mit Speck fängt man Mäuse, das ist’s, was ich in dieser Titelbegünstigung sehe, und alle Herren „Von“ und das ganze Mittelalter und unsere drei Stände auf dem Landtage und alle sentimentalen und lügenhaften Mummereien unserer Gegenwart fallen mir dabei ein, bei dieser Titel-Schmeichelei. Aber die Sache hat ihre ernstere Seite, wie uns der Breslauer Correspondent der Leipziger Allgem. Zeitung vom 2. September, der die schöne Phrase von den „Ehrenmännern“ vorbrachte, beehrt. Er sagt: „Die Kaufdoktoren (beiläufig gesagt, es sind alle Doktoren — Kaufdoktoren) üben bei uns gegen Nicht-Doktoren ein offenbares Unrecht.“ Es ist das Nachfolgende zu wichtig, als daß es nicht den Lesern vorgeführt werden müßte; man blickt dabei, wenn man’s nur recht ansieht, unserem ganzen Staatsleben tief in’s Herz. „Erstlich haben sie, weil sie zu den Eximirten gezählt werden, einen höheren Gerichtsstand; dann aber führt in gewissen Fällen, z. B. bei Injurien u. dgl. der Staat für sie die Prozesse; sie denunciren nur, und die weitere Gerichtsform ist die fiskalische Untersuchung, während dergleichen Prozesse bei allen Nicht-Eximirten im Wege des Bagatell- oder gewöhnlichen Civilprozesses abgemacht werden. Dann trifft z. B. bei Beleidigungen stets den bürgerlichen Injurianten dem eximirten Doktor gegenüber eine höhere Strafe, als wenn ihm der Doktor gleich oder wohl gar niedriger stehend erachtet würde.“ Ist ein solches Privilegium nicht himmelschreiend, und hätte der Correspondent nicht dagegen eifern sollen? Nein, er findet es ganz in der Ordnung, daß der rite Promovirte ein finstern Zeiten angehöriges Standesprivilegium habe, und ist empört, daß man ein solches unnatürliches Vorrecht sich — erkaufen kann. „Die Kaufdoktoren, sagt er, üben gegen Nicht-Doktoren ein offenbares Unrecht.“ Nein, die Doktoren, der eximirte Adel, oder [94] besser der Staat selbst, der solchen Unfug sanktionirt, die „üben das offenbare Unrecht.“ Ich fürchte, die statistische Angabe von den „Ehrenmännern Breslaus“ bewährt sich schlecht, so schlecht, als die Deutsche-Michel-Freude über Titelchen und Sternchen.


25.
No. 263.
20. September 1842.
Die Hörfreiheit.

An der Preßfreiheit pflegt man nur die eine Seite hervorzuheben, daß sie die Redefreiheit sei, und die andere ganz außer Acht zu lassen, wonach durch sie die eben so unveräußerliche Hörfreiheit gesichert wird. Die Censur legt nicht bloß der Redefreiheit das Joch auf, sondern bringt auch die Hörfreiheit um’s Leben. Ja, während sie in der Unterdrückung der Redefreiheit nicht alle Redenden um ihre Freiheit bringt, sondern namentlich den Regierenden zu sagen gestattet, was sie nur irgend sagen wollen, so übt sie als Beherrscherin der Hörfreiheit eine unerbittliche Gewalt gegen die Fürsten selbst. Der Fürst hat nicht die Freiheit, zu hören, was er will, sondern das Wenige, was der Censor und dessen Vorgesetzte wollen.

Allein man erwidert vielleicht, der Fürst wolle eben dieß und jenes nicht hören, es sei sein Wille, daß das und jenes nicht zu seinen Ohren komme. Ganz gut! Er verbietet also z. B. alles „Unanständige“ und weiset den Censor an, dasselbe zu streichen. Darin liegt der Wille des Fürsten, daß er das „Anständige“ hören wolle. Aber ein Censor streicht tausend anständige Dinge, weil sie ihm nicht anständig vorkommen. Wie viel Anständiges der Fürst jährlich einnehmen soll, darüber bestimmt der Censor. Wiederum will ein Fürst nichts „Uebelwollendes“ hören; für alles „Wohlwollende“ bleibt sein Ohr geöffnet. Allein mag er sein Ohr offen halten, so viel er kann, alle wohlwollenden [95] und wohlmeinenden Worte, die der Censor nicht in jenes offene Ohr einlassen will, die kommen nicht hinein. Vielleicht beleidigt ein wohlwollendes Wort sein, des Censors Ohr, oder das Ohr einer rücksichtswerthen Respektsperson: Grund genug, es auch dem fürstlichen Ohre zu entziehen. Er hat’s gehört, was brauchen’s Andere noch zu hören. Mithin kann ein Fürst mittelst der Censur zwar bewirken, daß er das nicht hört, was er nicht hören will: er kann das wenigstens in den meisten Fällen; allein die Erlaubniß erringt er von dem Censor nimmermehr, Alles hören zu dürfen, was er hören möchte. Nein, der Hörer ist so gut ein Mündel des Censors, als der Sprecher: beiden gewährt er von ihrem unermeßlichen Kapital jährlich nur so viel Zinsen, als er nicht lieber für — sich behalten will. Darum wird es um die Preßfreiheit so lange nicht besser stehen, als nur die Redenden die Unehre der Bevormundung empfinden. Erst wenn auch die Hörenden zum Gefühl ihrer Ehre kommen, wenn auch sie es nicht länger tragen wollen, daß ein Anderer ihre Hörfreiheit ihnen entziehe: erst dann wird die Preßfreiheit, sie, die sowohl Hör- als Redefreiheit ist, über die Censur siegen.


26.
No. 263.
20. September 1842.

Die Börsen-Nachrichten der Ostsee weisen in Nro. 70 in einem Artikel „Die deutschen Handelstraktate“ darauf hin, daß es außerhalb Deutschland jetzt besonders drei Länder gebe, auf die der deutsche Zollverein seine Blicke richten müsse, nämlich Nordamerika, Brasilien und Spanien. An allen dreien haben die Engländer ihr Aussaugungssystem lange genug geübt, und mit Freuden werden sie auf Handelsverbindungen mit Deutschland eingehen. In Bezug auf Spanien wird auch noch besonders darauf aufmerksam gemacht, daß es zugleich von politischer [96] Wichtigkeit sei „als eine nicht wieder in gleicher Art zu findende Diversionsmacht,“ besonders gegen Frankreich. Unsere steifnackige und prüde Staatszeitung ist bekanntlich nicht gut auf Spanien zu sprechen, was diesem Lande gewiß viel Kummer macht und jeden guten Preußen abhält, für ein so unloyales Volk einige Sympathien zu fühlen; daher widmen ihr die Ostseeblätter eine Warnung, ihren Madrider Correspondenten Ø von seiner unverständigen und staatszeitungsmäßigen Ansicht abzulenken: „Es scheint uns nicht der rechte Weg zu sein, wenn man eine Nation, die unverschuldet so viel Drangsale ertragen mußte, in einem officiellen Blatte fortwährend mit Schmähungen überhäufen läßt.“


27.
No. 286.
13. Oktober 1842.

Gervinus sagt in seiner „Nationaliteratur der Deutschen“: „Es ist eine Art von historischem Gesetz, daß Zeiten, welche einen gewissen Zustand vollenden und ablegen, eben diesem Zustande Monumente der Wissenschaft und Kunst zu setzen pflegen." Ist dieß nicht das treffendste Wort für unsere monumentengierige Zeit? Ihre Dogmatiken und Staatsrechtslehren, ihre Kirchen- und Weltgeschichten, ihre religiösen und romantischen Gemälde, ihre Walhalla- und Kirchenbauten, ihre — doch wo wäre ein Ende des Aufzählens zu finden! — sind das nicht alles Beispiele von der Wahrheit jenes „historischen Gesetzes?“

  1. Vorlage: drigendenn

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Es mag hierbei bemerkt werden, dass viele Gutsbesitzer der dortigen Gegend sich gleich nach der Kunde von dem Verein der „Freien“ bereit erklärten, demselben sich zuzugesellen.