Zedler:Zaara, oder Saara
Zaara, oder Saara, eine grosse Landschafft oder vielmehr Wüsteney in Africa.
Ihren Nahmen behauptet sie mit allem Rechte, indem Zaara im Arabischen eine Wüste heist. Von den Arabern wird sie das Sand-Meer, Mer del Sable, genennet, weil ihr Land gegen Abend, voller Sand ist. Sonst wird sie auch manchmahl Lybien genennet.
Diese grosse Landschafft oder Wüsten grentzet gegen Morgen an Abyßinien, gegen Mittag an das Land der Schwartzen, gegen Abend an das Atlandische Meer, und gegen Mitternacht an Bieledulgerid.
Die Länge derselben erstrecket sich auf neun hundert Meilen; die Breite aber auf hundert und funftzig Meilen.
Die alten Einwohner des Landes hiessen BEREBERES, welcher Nahme hin und wieder in Lilens Land-Charten stehet. Auch wohnten weyland darinnen die GETULI gegen Abend, und die GARAMANTES gegen Morgen.
Flüsse findet man in dieser Wüsten zwey, davon der eine Gir heisset, welcher einige ansehnliche grosse Seen machet; sich etliche mahl im [971] Sande verkriechet, jedoch wieder hervor dringt, und endlich in den Fluß Zuenziga fället. Der andere Fluß führet den Nahmen Ouro, von den Portugiesen, wegen des allda gefundenen Goldes, also genennet; wiewohl andere sagen, daß selbiges Gold von einem Schwartzen für seine Rantzion sey bezahlet worden. Er vollführet seinen Lauff unter dem Tropico meistens durch wüste Einöden, und fällt endlich mit zehen oder zwölff Armen in das grosse Welt-Meer.
Die Religion ist im gantzen Lande Mahomethanisch, aber die meisten Einwohner leben ohne Religion.
Es herrschen über dieses Land unterschiedene kleine Herren, welche von den durchreisenden Kauffleuten Tribut empfangen; ihr übriges Einkommen bestehet im Viehe, indem man, wenn von ihrem Reichthum geredet wird, fraget: Wie viel sie Cameele haben?
Was das Land betrifft, so ist die Lufft zwar da sehr hitzig, indem diese Wüsten gleich unter dem Tropico Cancri liegt, aber doch nicht ungesund. Daher bringen die angrentzenden ihre Krancken dahin, die auch meistens alle genesen. Gegen Abend ist das Land voller Sand, daher wird auch diese Wüsten von den Arabern das Sand-Meer genennet. In der Mitte ist alles voller Steine; und gegen Morgen voller Moräste. Das Land ist dermassen dürre und trocken, daß man die grosse Anzahl der Ungeheuer, welche in dasigen Wäldern gesehen werden, dieser Ursache zuschreibet. Denn es kommen in den Gegenden, wo Wasser ist, allerley Thiere zusammen, welche alle wegen der allzu grossen Wärme des Climatis gleich hitzig und brünstig sind, und sich dahero mit einander paaren, und allerley Ungeheuer aushecken, welche von unterschiedlichen Gattungen der Thiere etwas an sich haben. Löwen, Tyger sind nirgend häuffiger, als in dieser Wüsten, darum müssen die Einwohner Schantzen von Sande aufwerffen, und Feuer darauf anzünden. Wegen der Schlangen und Scorpionen müssen sie allezeit gestieffelt seyn. Die Heuschrecken thun zwar erschrecklichen Schaden, und fressen alles auf, was sie finden: Aber die Einwohner fressen die Heuschrecken wieder, und haben also einander nichts vorzuwerffen. Absonderlich müssen wir der Strausse gedencken, die in diesem Lande gefunden werden. Diese sind die grösten unter allen Vögeln, wie denn einige darunter noch grösser und höher sind, als ein zu Pferd sitzender Mann. Sie fliegen niemahls, weil ihre Leiber allzuschwer, und ihre Flügel ziemlich klein sind, die ihnen aber doch so viel helffen, daß sie so geschwinde lauffen können, als ein galoppirendes Pferd. Ihre Füsse sind gespalten, wie Hirsch-Füsse, mit welchen sie Steine von sich werffen, wenn man sie hart verfolget. Sie legen ihre Eyer in den Sand dieser Wüsteneyen, und sollen, wie einige von [972] ihnen berichten, so vergeßlich seyn, daß sie den Ort nicht wieder finden können, so daß die Eyer durch andere Vögel ausgebrütet werden, welche sie finden, und sich auf sie setzen. Allein ein neuer Reise-Beschreiber hat das Gegentheil wahr zu seyn befunden. Er sagt zwar, daß die Straussen ihre Eyer verlassen, wenn sie selbige geleget haben; er setzt aber hinzu, daß sie sie dennoch im Gesichte behalten und bewachen, damit nicht etwas sie verderbe, bis daß die Hitze der Sonne und des Sandes die Jungen ausbrütet, wobey dann das Männlein und Weiblein wechselsweise Schildwache stehen sollen. Sie sind taub, und können dahero leicht gefangen werden, wenn sie schlaffen. Sie können allerley fressen, so daß sie auch, wie man angemercket hat, Eisen und ander Metall verdauen. Das Volck dieses Landes handelt mit diesen Eyern, welche gekaufft werden, um Gefässe davon zu machen, und sie in den Moscheen aufzuhängen. Allein die Federn werden noch höher geachtet, weil man sie nach Europa holet. Wenn bey uns der längste Tag, so ist die Hitze in dieser Wüsten bald nicht auszustehen. Denn die Sonne wirfft alsdenn ihre Strahlen gerade auf den heissen Sand, und trocknet alle Feuchtigkeiten dermassen aus, daß das Volck die meiste Zeit des Tages über in den kleinen Hütten bleiben, oder in Höhlen eine Erfrischung suchen muß. Um deswillen suchen sie solche Oerter, wo sie Brunnen graben können, um ihren übermäßigen Durst zu löschen. Diese Brunnen werden saltzigt und der Wind füllet sie bald mit Sand an, den er hin und wieder treibt, obschon die Einwohner solche mit Thier-Häuten bedecken. Die Kauffleute und andere Reisende versorgen sich im Durchreisen mit aller Nothdurfft, weil öffters binnen hundert Meilen weder Wasser, noch eine Wohnung gefunden wird. Die Caravanen bedienen sich eines Weges, der sie in diesem Lande zu zweyen nahmhafften Brunnen führet, davon der eine Aoran, und der andere Azahat genennet wird, einer aber liegt von dem andern funffzig Meilen. Die Cameele thun die besten Dienste. Es säufft ein solches Thier auf einmahl so viel, daß es sich zwölff Tage damit behelffen kan. Wenn es nun auf der Reise an Wasser fehlet; so schlachten die Passagier wohl eher ein Cameel, und löschen ihren Durst mit dem Wasser, das sich noch in ihren Caldaunen findet. Vom August bis in den Winter regnet es in diesem Lande ohne Unterlaß, davon schiesset etwas Graß aus dem Sande hervor, davon das Vieh lebet.
Was die heutigen Einwohner von Zaara anlanget, so sind die meisten Arabische Vieh-Hirten, und führen auch selber ein recht viehisches Leben, immassen sie das Jahr durch in den Feldern herum streiffen, und sich vom Jagen und Rauben nähren, dabey aber arm und blos sind. Sie sind so wild und kühn, daß sie den grausamsten Löwen und Tieger-Thieren nicht aus dem Wege gehen. Die Bereberes aber sind freundlicher, im Handel getreuer, gegen die [973] Fremden etwas höflicher, haben auch ihre beständige Wohnung, sonst sind sie mager, und bringen ihr Leben nicht allzu hoch. Sie werden in gewisse Familien oder Geschlechter eingetheilet. Das Haupt einer Familie, so allezeit die älteste Person ist, hat in seinem Gebiete allezeit die Ober-Herrschafft. Wenn dieser einen Krieg anfänget, so erwehlet er den behertztesten Mann unter allen übrigen zu seinem Lieutenant.
Es kommen darinnen allerhand Königreiche oder vielmehr Wüsten vor, als da ist:
I. Die Wüsten Zanhaga. Diese Wüsten lieget längs dem Fluß Cavalos vom Königreiche Zuenziga bis an das Atlandische Meer. Es ist darinnen das Schloß Arguin, so von harten gehauenen Steinen gebauet ist, und in seinem Umkreiß 425 Schuhe hat. Ein Brunn mit frischen und süssen Wasser liegt 950 Schritte von diesem Schlosse. Sonst ist es in dieser Wüsten überaus heiß, und hat man allda nur alle 25 Meilen Wasser, welches aber bitter und saltzigt ist, und aus sehr tieffen Brunnen muß gezogen werden.
II. Die Wüste Azoat. Solche gehörete sonst noch mit zu der vorigen, und wird wegen ihrer Unfruchtbarkeit und Dürre also genennet. Hier findet man auf 33 Meilen kein Wasser, ausser einen eintzigen Brunnen, welcher auch Azoat heisset, es regnet auch hier sehr selten.
II.I Die Wüste Zuenziga. Selbige erstrecket sich von Biledulgerid bis an das Land der Schwartzen, und grentzet gegen Morgen an die Wüste Targa, gegen Abend aber an die Wüste Zanhaga. Hier ist es noch verdrießlicher zu reisen, und müssen daselbst viele Menschen und Vieh vor Durst verschmachten.
IV. Die Wüsten Gogden. Diese wird mit zur vorhergehenden gerechnet, man findet daselbst in Acht Tage-Reisen kein Wasser, ausgenommen in einer tiefen Lache, welche der Regen gemachet, und was ein jeder auf seinem Cameel mit sich führet.
V. Die Wüsten Targa, auch Hair und Saghara genannt. Sie liegt zwischen Biledulgerid, und dem Lande der Schwartzen. Hierinne ist die Lufft gemildert, daher findet man auch hier gute Vieh-Weyde. Diele Wüsten ist zwar auch trocken, das Reisen aber fället allda doch nicht so beschwerlich, weil man hier unterschiedliche Brunnen mit gutem frischen Wasser hat, sonderlich auf den Zuenzigischen Grentzen.
VI. Die Wüsten Ignidi oder Lemta und Suma. Hier ist sehr gefährlich zu reisen, sonderlich vor die Kauffleute, die von Constantine nach dem Lande der Schwartzen zu reisen: Denn die Einwohner, ein trotziges, viehisches und wildes Volck, plündern einen jeden, den sie bekommen.
VII. Die Wüsten Berdoa. In selbiger sind drey bemauerte Städte und sechs Dörfer vder offene Flecken. Sie ist sehr trocken und gefährlich vor die Reisenden. An den bewohnten Oertern findet man überall Wasser und viel Datteln. Die Einwohner allda waren vor Zeiten dem Jagen so ergeben, auch darinnen so wohl geübet, [974] daß sie zum öfftern mit dem Wilde in die Wette liessen, Des Sommers soll allda die Sonnen-Hitze so groß seyn, daß man auch ohne Feuer, und nur durch die Sonne die Speisen kochen kan.
VIII. Die Wüsten Tegaza. In derselben heisset der vornehmste Ort auch Tegaza. Daselbst findet man viele Saltz-Gruben, darinnen das Saltz so weiß ist, als weisser Marmor; und umher stehet eine grosse Menge Hütten, darinne die Saltz-Wercker wohnen.
IX. Die Wüsten Angeln. In dieser Wüsten sind drey bemauerte Städte und viele offene Flecken und Dörfer. Man findet daselbst sehr viele Schlangen.
X. Die Wüsten Serte, in welcher noch die verfallenen Stein-Hauffen von der verwüsteten Stadt Serte zu sehen.
XI. Die Wüsten Alguechet. Solche liegt 24 Meilen von Egypten, hat drey bemauerte Städte, viele Dörffer und Dattel-Büsche.
XII. Die Wüsten Borno. In selbiger sind viele Städte, Flecken und Dörfer auf der Fläche, da der König mit seinen Kriegs-Knechten sich aufhält. Die Einwohner haben keinen Gottes Dienst, weil sie weder Christen noch Jüden, noch Mahometaner sind, sondern leben wie das Vieh. In der Fläche wohnen Leute, die sittig leben, und sich ehrlich nähren, auch ausländische Kauff-Leute, so wohl weisse, als schwartze. Aber auf dem Gebürge wohnen Vieh-Treiber. Diese gehen des Sommers mit blossen Haupte, mit Hosen, oder nur mit einem Stücke von Thier-Fellen, vor der Schaam, aber des Winters sind sie mit Fellen gantz bekleidet, pflegen auch darauf zu schlafen. Den König hält man für sehr reich, denn sein Haußrath, als Schüssel, Töpffe und dergleichen Tafel-Gefäße, wie auch seine Sporen und Zügel sind von lautern Golde. Die vornehmste Stadt hierinnen ist Borno.
Marmol de Africa. Hübners vollständige Geographie Theil II, p. 595 u. f. Deutsche Staats-Geographie von Asia, Africa und America, p. 229 u. f. f. Baudrands Lexicon Geogr. T. II, p. 479. Uhsens Geographisch-Historisches Lexicon. Cellarii neue Geographie p. 849. Müllers kleiner Atlas Theil II, p. 102 u. f. Hübners Zeitungs Lexicon. Allgemeines Historisches Lexicon.