Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Y oder Het-Y

Band: 60 (1749), Spalte: 809–812. (Scan)

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Y, y, Lat. Y, y, Griech. ϒ, υ ist der vier und zwantzigste Buchstabe in dem Deutschen Alphabete. Ursprünglich ist er von denen Griechen entlehnet, und soll er von dem Palamedes erfunden [810] worden seyn, welcher solchen, gleichwie die Buchstaden Θ, Ε, Φ, Χ zu dem Griechischen Alphabete hinzugefüget haben soll. Die Form des ϒ, soll er von dem Fluge der Kraniche hergenommen [811] haben, daher auch diese Vögel von dem Martialis PALAMEDIS AVES, genennet werden.

Ob nun wohl dieser Buchstabe Griechischen Ursprungs und Nahmens ist; so ist er doch in den alten Runen oder Buchstaben selber zu finden, allwo er zwar nicht i sondern so viel als ein weiches und gelindes u, oder fast so viel als ein ü, gegolten hat. Man schreibt dahero düngen, foeeundare agros, mit einem ü, weil es von dem alten Worte Dy, terra pingvior, herkommt, und heist also düngen eine magere Erde fett machen. Siehe hiervon Worms Literaturam Run, und Rudbecks Atlanticam T. II.

Um dieser Ursache willen wird auch das y oben mit einem e, welches die zwey kleinen Strichlein, so man insgemein darüber setzet, anzeigen, bezeichnet.

Ob das Y in unserer Deutschen Schrifft nöthig und zu behalten sey? ift, obgleich der Gebrauch fast allgemein, dennoch unter den Sprach-verständigen streitig, und noch nicht ausgemacht.

Man braucht aber das y 1) im Anfange der Wörter York und Ysop, und in etlichen wenigen andern; 2) in der Mitten in solchen Wörtern, deren Primitiva sich auf y endigen, als beyde, bleyern, Dreyer, eya, seyn, zweyfach, Zweyfel, u. d. g. von bey, Bley, drey, ey, sey, zwey, u. s. f. Jedoch wird das Wort Zweyfel von den meisten mit einem schlechten i geschrieben: vielleicht darum, weil sie nicht wissen wollen, daß es von zwey und fallen herkommt. Hingegen schreiben einige Eys, feyern Heyl, u. d. g. Wörter mit einem y, da man es doch in denenselben gar wohl entbehren könnte: jedoch lässet man es nach dem allgemeinen eingeführten Gebrauch in den Wörtern: Bayern, Kayser, Maya, Mayntz, Steyermarck und Wayse (Orphanus) gelten. 3) Am Ende wird es gebrauchet in solchen Wörtern, die sich auf i endigen, als Abtey, Abgötterey, Artzney, bey, Bley, Brey, drey, frey, Geschrey, Heucheley, Jägerey, Krämerey, Lay, u.d. g.

Im Lateinischen ist das Y, als ein aus der Griechischen Sprache und Schrifft in die Lateinische übernommener Buchstabe, eigentlich nur in den Worten, so aus der Griechischen Sprache herstammen, behalten, sonst aber nicht gebrauchet worden: wiewohl ihn einige von den Alten gantz weggelassen, und an dessen statt i gesetzet, und z. E. an statt Hypocrita, mit einem schlechten i Hipocrita geschrieben haben. In einigen andern Oertern wird er in u verwandelt, als Sugambri an statt Sygambri u. s. w.

Der alte Weltweise Pythagoras hat diesem Buchstaben wegen seiner Gestalt Y, eine geheime Bedeutung zugeeignet, und das Leben eines Menschens daran furgebildet, der im Anfange einen schlechten und graden Weg in der unschuldigen Kindheit vor sich habe; wenn er aber das verständige Alter erreichet, den Scheide-Weg der Tugend und des Lasters für sich finde, da er Ursache habe, sich zu bedencken, welchen unter beyden er einschlagen wolle, weil sie zu einem gar ungleichen Ausgang führen. Und in solchem Sinn [812] ist dieser Buchstabe der Pythagorische Buchstabe (LITERA PYTHAGORAE oder LITERA PYTHAGORICA) genennet worden. Daher saget Persius:

Et tibi quae Samios deduxit litera ramos,
Surgentem dextro monstravit limite callem.

Ingleichen Virgilius:

Litera Pythagorae discrimine secta bicorni,
Humanae vitae spatium praeferre videtur, etc. etc.

Und Persius:

Pythagorae bivium ramis patet ambiguis Y.

So schreibt auch Lactantius L. VI, c. 3: Omnis igitur haec de duabus viis disputatio ad fragilitatem & luxuriam spectat dicunt enim humanae vitae cursum Y literae similem: quod unusquisque hominum, cum primae, adolescentiae limen attigerit, & in eum locum venerit, partes ubi se via findit in ambas, haereat nutabundus ac nesciat, in quam se partem potius inclinet.

Die Alten pflegten diesen Buchstaben, sowohl als Z in ihre Marck-Steine einzuhauen, um anzudeuten, daß in der Nähe ein Brunnquell wäre.

Er soll auch unter den Zahlen 150, und etwan gar 150 tausend bedeutet haben.

In der Bilder-Kunst wird das Y dem freyen Willen auf die Spitze seines Zepters gesetzet.

Die Indianer, vornehmlich die Chineser, machen ein rechtes Heiligthum aus dem Y, immassen sie gemeiniglich denen Sachen, so sie groß und hoch schätzen, davon eine Benennung geben, oder in derselben Nahmen diesen Buchstaben voran setzen. Die Ursache solcher Hochachtung soll seyn, weil ein weiser Kayser unter ihnen in seinem Nahmen den ersten Buchstaben davon geführet, Yaus, welchen die Deutschen nach ihrer Art Hiaovus nennen.

Wie denn auch in China ein Fluß gefunden wird, weicher in seinem Lauffe ein rechtes Y vorstellen soll.

Allgemeines Historisches Lexicon. Pohls neu-verbesserte Deutsche Orthographie, p. 161 u. f. Jablonski allgemeines Lexicon der Künste und Wissenschafften. Bruckers kurtze Fragen aus der Philosophischen Historie, II Theil, p. 199. Das A B C cum notis variorum, I Th. p. 107 u. f. Johann Christoph Männling hat in seinem Curiositäten-Alphabet, III Theil, p. 408 u. ff. eine besondere Abhandlung, die betitelt: Das merckwürdige Y. So hat auch Johann Schaller eine besondere Dissertation de Y geschrieben.