Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Xantunung

Band: 60 (1749), Spalte: 609–614. (Scan)

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Xantung, Latein Xantonia, auch Cattigara, eine von den fruchtbarsten Landschafften des Königreichs China, gegen Mitternacht, welche man mit gutem Fug eine sehr grosse Insel nennen mag. Denn gegen Mitternacht, Mittag und Morgen grentzet sie an die offene See, und wird auf der Seiten gegen Abend allenthalben von den Flüssen durchwässert, und ist deswegen allenthalben schiffbar.

Grentzen.

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Ihre Grentzen sind gegen Mitternacht die Landschafft Pecking, und der Meer-Busen Cang, gegen Morgen schliest de offene See, der Fluß Cy läufft mitten dadurch: Gegen Mittag liegt die Landschafft Nanking und die offene See, und wird von der Landschafft Nanking durch den Safran-Fluß entschieden. Das übrige beschliest der Fluß Jun, dessen Canal gegraben, und der Fluß Guei, der seinen natürlichen Gang behält.

Beschaffenheit und Fruchtbarkeit.

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Der Grund dieser gantzen Landschafft ist wegen so reicher Flüsse Seen und geführten Bächen [610] sehr fruchtbar, indem alle nothdürfftige Sachen hier über alle massen wohl wachsen, an Weitzen, Reiß, Hirsen, Dinckel, Gersten, Bohnen, Köcher, und was sonsten aus der Erden und an Bäumen wachsen mag. Nichts hindert mehr als die Dörre, und die Plage der Heuschrecken, weil es selten regnet, und daher grossen Schaden verursachet. Doch ist das Land so weit, breit und fruchtbar, daß man dafür hält, ein einiges fruchtbares Jahr bringe eine solche Erndte, daß das Land wohl zehen Jahre darmit versehen, und den benachbarten Landschafften dennoch behülfflich seyn könne. Die Hüner und Eyer kaufft man hier sehr wohlfeil, wie auch die fetten Capaune; und, was anders wo nicht eben gebräuchlich, so kaufft man die grossen und fetten um geringer Geld, als die kleinen und Küglein. Auch sind die Fasanen, Rebhüner, Wachteln und Haasen nirgend bessern Kauffs, weil die Sineser dieser Enden der Jägerey am meisten obliegen. Das Land hat auch Wölffe, so Vieh und Menschen Schaden zufügen. In Seen, Flüssen und dem Meere giebt es eine solche Menge an Fischen, daß man um einen Heller unserer Müntze wohl zehen Pfund erkauffen kan. Dieses ist was seltsames, und ein überaus starcker Beweis, wie gütig die Natur diesem Volcke sey, daß bey ihnen die Seide an den Bäumen und auf dem Felde sich selbsten erzeugt, die denn nicht von aufgezogenen Würmern, sondern von Raupen gesponnen wird, auch nicht zusammen oder in ein Ey gekugelt, sondern in einem sehr langen Faden, der allgemach aus dem Munde gehet, weiß von Farben ist, an den Gesträuchen und Hecken hanget, und von dem Wind hin und hergeführet wird. Und hieraus, wie auch aus dem wahren Bysso, macht man seidene Tücher, welche zwar etwas rauher fallen, denn die häußlichen Seiden, doch weit fester und stärcker sind. Diese Landschafft trägt auch allerhand Gattungen Birn, Castanien und Nüsse, ja auch eine so grosse Menge an Pflaumen, daß man sie, eben so wohl als die Birnen dörret, und in andere Landschafften verführet. Auch findet sich allhier eine Art Aepffel, Suçu genannt, so zwar auch in andern Landschafften befindlich, jedoch nicht in solchem Ueberfluß: Man dörret sie, wie die Feigen in Europa, das gantze Jahr über zu behalten, und werden sie durch das gantze Sineser-Land von den Kramern verführt. Dieser Apffel ist etwas grösser als die unsrigen, fast gantz rund, Pomerantzenfarbigt oder röthlicht, und hat inwendig des Fleisches kleine Kerne, oder platte und runde Körnlein, so groß wie ein Heller, alles unter so harter Schaale, als Holtz, doch nicht in der Mitten des Apffels, sondern zu oberst in dem Fleische anhangend, nicht überzwerg liegende, sondern stracks empor gerichtet, zwar einer ungewissen Zahl, doch gemeiniglich zehen, auch fünffe, nachdem der Apffel klein oder groß ist, mehr oder weniger, wie er denn bisweilen auch gar ohne Körnlein ist. Das gantze Fleisch ist röthlich, und wenn der Apffel zeitiget, wird er wie ein Sperber gantz weich, und ist eines sehr lieblichen Geschmacks. Wenn man ihn dörret, so [611] giebt er eine Krüste, gleich als von Honig und Zucker, als wie man die Pommerantzen-Schaalen mit Zucker einmachet. Etliche tragen eine grüne Rinde, welche auch, nachdem sie zeitig worden, nicht weich werden, sondern sich mit dem Messer oder Zähnen, wie unsere Aepffel, müssen zerstücken und schälen lassen, die anderen sind wie die Pomerantzen. Es wird dieses Gewächs nirgend ausserhalb Sina gefunden, wächset auf einem ziemlich grossen Baume, und bedarff fast gar keiner Arbeit.

Anzahl der Menschen.

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Das Sinesische Register, in welchem eines jeden Orts Inwohner nach den Köpffen verzeichnet, giebt dieser Landschafft 77,0555 Haußgesassen, 6,759,675 Mann.

Beschaffenheit der Inwohner.

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Diese Nation ist vor andern Sinesern eines dummen Verstandes und grob, dahero wenig unter ihnen zur Gelehrsamkeit gelangen, doch können sie Arbeit und Frost wohl leiden, sind starck von Leib, und sehr beherzten Gemüths. Wie man denn die Kinder im harten Winter nicht nur nackend und bloß spielen, sondern auch sich im kalten fliessenden Wasser baden siehet; Und saget man, ihr erstes Bad nach der Geburt sey kalt Wasser, dahero kein Wunder, daß diese Leute so arbeitsam und behertzt sind; Wie es denn unter ihnen sehr viele Strassen-Räuber giebt, die sich zuweilen mit solcher Macht zusammen geschlagen, daß sie zu Felde gezogen, nach dem Regiment gegriffen, und dem Kayser selbst bange gemacht, also, daß die Beamten jederzeit viel Mühe mit ihnen gehabet. Man hat unter ihnen so viel verruchte Leute gefunden, daß sie auf den Sinesischen Charten-Blättern mit Nahmen stehen, wie hoch und viel jedes gelten solle, zumahl der Sineser Charten-Spiel weder an der Zahl, noch im Wercke anders ist, als das unsrige, auch mit vier Farben unterschieden, doch tragen sie an statt eines Königs den Kopff und den Nahmen eines solchen verruchten Reuters, Fußgängers oder Weibes, auf daß die Spieler, die sonsten leichtlich zu Räubern werden, auch im Spielen der Räuber Ausgang und böses Ende sehen und darüber erschrecken. Bey dem letzten Kriege der Tartarn, ist diese Landschafft sehr übel mitgenommen worden, weil das Volck gar zu wachsam und frech, von den Tartarn bald hie, bald dort abgefallen, sehr grosse Niederlagen gelitten, also daß das Land-Volck sehr umkommen, und fast allenthalben einsam worden.

Städte und Gemeinden.

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Die gantze Landschafft Xantung zählet sechs fürnehme Städte, welche alle mit dem Beynahmen Fu benennet worden, und folgende sind: 1) Zinan-Fu, oder Cinan-Fu: 2) Juncheu-Fu, 3) Tunchang-Fu, 4) Chincheu-Fu, 5) Tengcheu-Fu, und 6) Laicheu-Fu: Und zwey und neuntzig Gemeinden.

Der Tribut vom Hirsen, Reiß und Weitzen bringt 281,2119 Säcke, bereiteter Seide [612] 54,990 Ballen; 52,449 Pfund Baumwollen, 3,824,290 Gebund Stroh und Heu; Neben den Zollen, deren dreye auf dem Fluß Jun liegen, zumahl alle Schiffe durch denselben nach Pecking gehen. Denn obschon der Tribut von den durchgehenden Waaren, oder selbiger Zoll nicht eben groß ist, sondern vielmehr leicht und geringe; So kommen doch so mancherley Waaren, und in solcher Menge, daß der Zoll fast bis an zehen Millionen, oder hundert mahl hundert tausend Ducaten steiget; nicht gerechnet, was die Beamten heimlich abzwacken, und in ihren Nutzen verwenden.

Canäle und Wasser-Fälle.

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Dieser Landschafft Reichthum wird sehr vermehret durch die Bequemlichkeit des Flusses Jun, der gantz künstlich gegraben ist, also daß durch ihn fast aus dem gantzen Kayserthum alle Schiffe und Waaren zu der Königlichen Residentz Pecking gelangen. Dieser Graben fänget an gegen Mitternacht der Gemeinde Socien, an dem Gestadt des Safran-Flusses, aus welchem die Schiffe von allen Enden ankommende in den Fluß Jun gesetzt werden; Von dannen reicht er bis an Chining, bald kommt er zu der Gemeinde Linching, wo er in den Fluß Guei sich ergießt. In gedachtem Canal, weil an vielen Orten das Wasser vor die grossen Schiffe zu niedrig ist, kan man über zwantzig Schleussen, aus Quader- und geschnittenen Steinen, von sehr schöner und fester Arbeit gebauet, zählen, da ein Thor steht, daß ein Schiff durchkommet. Man schliest gemeldetes Thor mit grossen und dicken Bretern, das Wasser aufzuhalten; Wenn man denn die Breter mit einem Rade und Gestelle ohne sonderliche Arbeit aufziehet, so lauffet Wasser und Schiff mit einander durch, bis sie zu der zweyten Schleussen fast auf gleiche Ordnung und Manier gelangen, auch endlich nach einander die übrigen Schleussen alle durchfahren; Sie lassen aber auf halber Reise, ehe sie nach Cining kommen, aus dem See Cang, durch eine sehr grosse Schleusse, so viel Wasser, als sie wollen, einlauffen, doch schliessen sie den See, damit nicht zuviel auslauffe, oder der Boden ohne Wasser sey, zu rechter Zeit wieder. Denn es ist die Bley-Waage des Wassers in dem umliegenden Lande höher, darum zum wenigsten acht Schleussen, nahe beysammen liegen, so insgemein Tung-Pa genennet werden, dieweil sie das Wasser aus dem See in dem Falle und Lauffe auf- und zurück halten: Wenn aber die Schiffe bis gar an den See kommen, hat man, damit sie den gantzen See nicht überfahren müssen, an dem Gestade des Sees, einen Graben oder Canal, auf beyden Seiten mit Dämmen sehr wohl verwahrt, gezogen, auf daß die Schiffe alle desto leichter fortkommen. Gewiß, wenn unsere Wasser-Künstler und Werckmeister in Europa zur Stelle wären, und entweder die Länge dieses Wasser-Ganges, oder auch die Dicke und Höhe zuweilen an den Dämmen, ja der Schleussen Zierde und Veste, von lauter geschnittenen Steinen, sehen solten, würden sie lauter Ursache haben, sich über der Sineser Kunst und Fleiß zu verwundern, und zu sagen, man werde nicht bald bey einer [613] Nation so mit Fleiß gemachte Arbeit finden. Zu jeden Schleussen sind gewisse Leute bestellet, die aus der Rent-Cammer bezahlet werden, daß sie die Schiffe mit dem Seil und Hacken fortziehen, biß sie über die Schleussen sind.

Es befindet sich in dieser Landschafft der Berg Hoang, welcher gegen Mitternacht der Stadt Laicheu lieget, und dem eine Jungfrau, Hoang genannt, den Nahmen gegeben. Daher auch dieser Jungfrauen, zum Gedächtniß ihrer Jungfrauschafft, eine Capelle daselbst geweyhet ist. Am Ufer des Meeres bey der Gemeinde Kiao liegt der Berg Tachu, und bey Cieme der Berg Lao, welcher auch gegen das Meer auslauffet.

Flüsse.

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Das Meer läufft gegen Mitternacht in die Stadt Laicheu, und spielt wider die Gemeinden Changye, Vi, Kiao und Cieme. Es befinden sich aber alhier nicht mehr als zwey fürnehme Flüsse. Der erste Kiao bey Pingtu, genannt das Leym-Wasser, weil er zeh und trübe ist: Der andere heist, Vi bey Caomie, welchen Hansinius mit Sand-Säcken schwellen ließ, und dadurch Gelegenheit bekam, den Feinden einen grossen Abbruch zu thun. Auch springt ein Brunn mit sehr gutem Wasser bey Pingty, Seuyto genannt

Diese Landschafft hat auch etliche Inseln, und zwar diese folgende, als die fürnehmsten: 1) Feuyeu, gegen Abend, ist nicht eben groß, doch gantz wohl gebauet; 2) Tienheng im Meere, bey Caomie, in welcher fünffhundert Weisen, weil Kayser Xius den Studien feind war, sich in das Meer gestürtzet, 3) die Insel Xamuen, ist sehr Volckreich, und die allergröste in dem Meer-Busen Cang, da die Schiffe am allerfüglichsten stehen, und leichtlich nach Corea, Pecking und Leaotung überlauffen: Auch mag man von hinnen grosse Sachen vornehmen, und wird geschrieben, daß allhier viel Gold, und sehr reiche Gold-Gruben seyn, die man doch wohl verwahre, damit niemand etwas graben könne.

Festungen.

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Wo nur das Meer ins Land läufft, oder die Schiffe anckern können, fürnehmlich an den Ausflüssen der Ströme, sind Festungen gebauet, und zwar offt von solcher Grösse, daß sie an Menge des Volcks auch den grossen Gemeinden gleich sind; Sie werden genannt: 1) Ningeling, 2) Cinghai, 3) Chinaxan, 4) Gueiha, 5) Sanxan, 6) Kixan, 7) Civenxan, 3) Mauan, 9) Siaoye, 10) Haicang, 11) Punglai, 12) Chin, und 13) Xechin.

Besondere Merckwürdigkeiten.

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In dieser Provintz soll der Chineser ihr Philosoph Confutius, 500 Jahr vor Christi Geburt entsprossen seyn, dahero sein Gedächtniß allhier am meisten verehret wird.

Bey der Stadt Cingcheu fischen die Leute mit einem Vogel, den sie Louwa nennen, welcher fast einem Raben gleichet, und von ihnen unter Wasser geschicket wird, die Fische zu fangen, da sie ihm [614] denn in währedem solchem Fang einen Ring um den Hals legen, damit er die gefangene Fische nicht selbst verschlinge. Wenn er nun zur Gnüge gebracht, wird ihm der Ring abgenommen, und dadurch die Freyheit gegeben, nunmehro vor sich selbst den Fang anzustellen. Ein solcher Vogel bringt seinen Besitzern so viel Geld ein, daß sie dem Kayser jährlich einen grossen Tribut davon entrichten können.

Schrifften.

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Martini Atlas Sinens. p. 55 u. ff. Brands Beschreib. seiner Chinesisch. Reise, p. 217 u. f. Vollständiges Lex. der Alten, Mittlern und Neuen Geogr. p. 1224b. Berckmayers Antiquar. II Theil, p. 188. Cellarii neue Geogr. p. 824. Melißantes Geogr. II Theil, p. 429 u. f. Schmidens rückständige Politische Fragen zu Weisens Politick, III Band, p. 383. 395. 403 und 409. Uhsens Historisch-Geogr. Lex. II Theil, p. 548. Teutsche Staats-Geogr. p. 129. Baudrands Lex. Geogr. T. II, p. 344. Hübners vollständige Geogr. II Theil, p. 533. Allgemeines Historisches Lexicon. Schramms Historischer Schau-Platz der merckwürdigsten Brücken.