Zedler:Wittenbergische Vertrag

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Wittenborch

Band: 57 (1748), Spalte: 1804–1808. (Scan)

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Wittenbergische Vertrag, wird derjenige genennet, welcher zu Wittenberg 1536 aufgerichtet wurde, und die Vereinigung der Lutheraner und Reformirten zum Gegenstande hatte. Die Gelegenheit dazu gaben die vier Reichs-Städte Straßburg, Costnitz, Memmingen und Lindau, welche auf dem Reichs-Tage zu Augspurg ihre eigene Confeßion übergeben hatten. Sie hatten zwar nachgehends die Augspurgische Confeßion anzunehmen sich erkläret, und wurden in den Schmalkaldischen Bund mit aufgenommen; wie sie aber noch keine vollkommene Erklärung wegen des streitigen Puncts vom Abendmahl gethan, noch die Augspurgische Confeßion mit Verwerffung der ihrigen unterschrieben hatten: also war man von 1531 an um einen Vergleich und Vereinigung bemühet, worinnen sich vornemlich Bucerus viele Mühe gab. Nach vielen Schreiben und Berathschlagungen kam es endlich dahin, daß der Landgraf von Hessen Philipp, der sich das Unions-Werck besonders angelegen seyn liesse, und gerne die Schweitzer mit dazu bringen wolte, bald im Anfang des 1536 Jahres an den Churfürsten zu Sachsen schrieb und verlangte, daß man möchte zusammen kommen und ein Ort zum Convent benennet werden, worauf anfänglich die Stadt Eisenach; nachgehends Grimma ausgesetzet worden. Weil sich D. Luther unpäßlich befande, wurde die Zusammenkunfft zu Wittenberg selbst angestellet. Der Churfürst versahe sich zu den Oberländern nicht viel gutes, daher er an den Cantzler Brück, der sich zu Wittenberg aufhielte, schrieb: er solte D. Luthern, und den andern Gottesgelehrten anzeigen, daß sie auf der Augspurgischen Confeßion und Apologie, auch dem Heil. Sacrament des Altars beständig blieben und feste hielten, und nicht in dem geringsten Puncte davon abgiengen. Denn weil die Oberländischen Prädicanten des Zwinglii und Oecolampadii Episteln, auch andere Bücher hätten heraus gehen lassen, und diese Leute für heilig hielten, so könnte man leicht dencken, daß wenig Hofnung der Concordie seyn wolte. Die fremden Theologen kamen den 21 May zu Wittenberg an, als von Straßburg Capito und Bucerus; [1805] Frechtus von Ulm; Lycosthenes und Musculus von Augspurg, nebst einigen andern von Franckfurt am Mayn, Eßlingen, Memmingen, Reutlingen, mit denen noch Myconius von Gotha und Justus Menius von Eisenach reiseten. Den Tag nach ihrer Ankunfft kamen des Nachmittags in Luthers Hause Pomeranus, Jonas, Cruciger, Melanchton, Menius und Myconius, Weller und M. George Rorarius; von der andern Seite aber Bucerus und Capito allein zusammen. Nachdem Bucerus vorgestellet hatte, wie sehr er sich nach einer Concordie sehnte und an diesem Wercke in das vierte Jahr gearbeitet, so gedachte D. Luther, daß ohnlängst mit Wissen und Willen Buceri die Episteln Zwinglii und Oecolampadii gedruckt, und ein Brief von Bucern vorgesetzet, auch noch andere Büchlein zum Vorschein gebracht worden, welche die wahre Einigkeit zu verhindern schienen, und fügte hinzu, wenn es Bucerus hierinne nicht redlich meynte, so wäre es besser, man liesse die Gedancken wegen einer Concordie fahren, damit nicht Uebel ärger würde, und die Nachkommen über das Blendwerck seufzeten. Bucerus wurde hierüber etwas bestürtzt und verworren; versicherte aber, daß Zwinglii und Oecolampadii Briefe ohne sein Wissen gedruckt worden, und daß er hierbey eine redliche Absicht habe. Wie es nun D. Luthern um eine aufrichtige Einigkeit zu thun war; also begehrte er von den Ober-Ländern, sich dahin zu erklären, daß sie ihre bisher geführte Meynung wiederruffen und öffentlich unrecht sprechen; hingegen die wahre Meynung hinfort mit der Lutherischen Kirche lehren wolten. Sie müsten rein heraus sagen, daß Christi Leib und Blut im Sacrament unter dem Brod und Wein wesentlich gegenwärtig sey, wenn gleich der Conferent und Communicant unwürdig wären; und darüber möchten sie sich bereden und Bescheid geben. Den folgenden Tag, als den 23 May, kamen sie des Nachmittags wieder zu Luthern, bekennten eine leibliche Gegenwart, gaben das Geniessen des Leibes und Blutes Christi auch bey den Unwürdigen zu, und erklärten sich, daß sie vormahls das geistliche Essen nicht in einer blossen Imagination und erdichteten Gegenwärtigkeit; sondern in Opposition gegen die Päbstliche Brod-Verwandelung gelehret. Nach dieser geschehenen Erklärung gieng D. Luther mit den Seinigen in eine Cammer allein, und ein jeder muste seine Meynung darüber sagen, welche denn einmüthig dafür hielten, wenn die Ober-Länder also, wie sie bekannt, mit dem Hertzen glaubten, und die Kirche so unterrichteten, so konnte man mit ihnen zu friedcn seyn. Doch solten sie nochmahls rund heraussagen, daß mit dem Brod, welches mit den Worten der Einsetzung den Unwürdigen gegeben werde, der wahrhafftige Leib Christi sey. Solches giengen die Ober-Länder gleich ein und die Concordie wurde geschlossen, da denn Capito und Bucerus vor Freuden zu weinen angefangen und alle von beyden Theilen GOtt mit gefaltenen Händen gedancket. Philippen Melanchton wurde aufgetragen, die Formul der Concordie aufzusetzen, welche dahin gieng. Es hätten [1806] Bucerus und seine Gefährten sich erkläret, daß sie bekennten, im Sacrament sey ein himmlisches und irdisches Ding; demnach lehreten sie, daß mit dem Brod und Wein der Leib und das Blut Christi wahrhafftig und wesentlich zugegen sey, dargereichet und empfangen werde. Und ob sie wohl keine Brod-Verwandelung; noch räumliche Einschliessung glaubten, so lehreten sie doch, daß um sacramentirlicher Vereinigung das Brod sey der Leib Christi. Ausserhalb des Gebrauchs; oder bey päbstlichen Monstrantzen und Proceßionen wäre keine Gegenwart des Leibes Christi. Es läge auch nicht an der Würdigkeit; oder Unwürdigkeit der Communicanten; sondern die Unwürdigen empfiengen wahrhafftig den Leib und Blut Christi Krafft der Einsetzung. Nebst dem bekannten zugleich die Ober-Länder die Nothwendigkeit der Kinder-Tauffe und daß durch dieselbige die Erb-Sünde abgewaschen und der Heilige Geist mitgetheilet werde, ob man wohl die Art und Weise, wie er in ihnen würcke, zu begreiffen nicht fähig ist. Die Privat-Absolution wolle man wegen des Trostes und Unterrichts; doch mit Verwerffung der Päbstlichen Beicht beybehalten. Solche Formul wurde von beyden Theilen, erst von den Ober-Ländern; hernach von den Sächsischen Gottesgelehrten unterschrieben, auch von der Kantzel abgelesen. Am Sonntage Exaudi predigten Bucerus, Alberus und Luther, und zum Beweiß der Concordie communicirten Capito und Bucerus, welcher letztere auch seine Retractationes drucken ließ, und darinnen die wahre und würckliche Gegenwart des Leibes Christi bekannte. Als sie wieder nach Hause kamen, recommendirten sie ihrem Magistrat die gemachte Concordie. Zu Ulm schrieben nicht nur die gesammten Prediger; sondern auch der Magistrat an D. Luthern und bezeugten darüber ihr Wohlgefallen, welches auch das Ministerium zu Augspurg, und insonderheit zu Straßburg that. Ein mehrers kan man von dieser Sache finden in der Historie des Sacrament-Streits. p. 218; in Zorns Historie der zwischen den Lutherischen und Reformirten Theologis gehaltenen colloquiorum, p. 101 u. f. in Löschers Histor. motuum P. II. L. II. c. 2. p. 221. welcher, ehe er die Erzehlung anfängt, die Documenten anführet, daraus die Historische Wahrheit hierinnen zu nehmen; in Seckendorfs Histor. Lutheran. L. III. p. 130; in Conrad Dietrichs Disp. de formula concordiae, die er zu Giessen 1614 unter Johann Winckelmannen gehalten; in Saligs vollständiger Historie der Augspurgischen Confeßion P. I. L. II. c. 12. §. 27. p. 422. Ein sicheres Document hiervon hat man an Myconii Erzehlung die er an Veit Dietrichen, zu Nürnberg überschrieben, indem er selbst dabey gewesen und einen besondern Ruhm seiner Aufrichtigkeit wegen erlangt. Sie wurde erstlich von Selneccern 1581 ans Licht gestellet, und hernach T. VI. Oper. Lutheri Altenburg. p. 1050 einverleibet.

Nachdem der Wittenbergische Vertrag zu Stande kommen war, so ließ es sich zu einer erwünschten Einigkeit in der Protestantischen Kirche [1807] an. Die Ober-Länder, und die es bisher mit ihnen gehalten, bekannten sich nunmehro zu derjenigen Lehre vom Abendmahle, wie sie vson D. Luthern war vorgetragen worden, und wurde also die Trennung, die sich hervorthun wolte, durch solchen Vergleich gehoben. Die Schweitzer wurden alleine gelassen. Man arbeitete zwar auch starck an einer Vereinigung mit denselbigen, und gab sich insonderheit Bucerus ungemeine Mühe, ihnen die Wittenbergische Concordie angenehm zu machen und es dahin zu bringen, daß sie selbige nach dem Exempel der Oberländischen Kirchen unterschreiben möchten; es ist aber die Sache nicht zu Stande kommen. Denn so viel ist gewiß, daß die Schweitzer weder die Wittenbergische Formul; noch die Augspurgische Confeßion jemahls angenommen; daß sie den Punct von der wesentlichen Gegenwart des Leibes Christi unter dem Brode und von der Geniessung des Leibes Christi bey den Unwürdigen allezeit verworffen; daß sie selbst in der Widerlegung der kleinen Confeßion Lutheri gestehen, die Schweitzerischen Kirchen hätten sich geweigert, die Formul der Wittenbergischen Concordie zu unterschreiben, weil sie mit ihrer Confeßion nicht übereinkomme. Darum schrieb auch der Churfürst zu Sachsen Johann Friedrich 1545 an den Landgrafen zu Hessen: "Es sey gewiß, daß die Zürchischen Kirchen die Wittenbergische Concordie nicht angenommen." Die Reformieren gaben zwar zum Theil für, daß damahls, als das Unions-Werck mit den Schweitzern getrieben worden, D. Luther die Schweizerische Lehre vom Abendmahl angenommen und die Erklärung der Schweitzer, die ihm Bucerus gebracht, gelesen und gebilliget, worinnen man von der alten Lehre im geringsten nicht abgewichen sey. Allein so ungleich und verwirrt diese Historische Begebenheit erzehlet wird, so ist doch so viel klar, daß D. Luther von der Wahrheit selbst niemahls das geringste nachgegeben, ob er wohl vielleicht aus einer menschlichen Schwachheit dasjenige, was damahls mit den Schweitzern tractiret worden, nicht genugsam eingesehen und sich dabey etwas zu gelind bezeiget. Es hatte dieses wieder seine Ursachen. Er sahe gerne, daß die Schweitzer zur Union möchten gebracht werden; indem er aber dem Bucero die gantze Sache überließ, und ihn allzusehr trauete, so geschahe es, daß er sich die Sache auf Seiten der Schweitzer besser vorstellete, als sie in der That war. Denn Bucerus that ihm die grösten Versicherungen, daß wenn gleich die Schweitzer einige Worte brauchten, welche die wesentliche Gegenwart im Sacrament aufzuheben schienen, und von einem Zeichen und Glaubens-Essen redeten, so hätten sie doch von der Sache selbst den Verstand, wie er in der Wittenbergischen, Concordie ausgedruckt worden, wie sie denn auch das Wort wahrhaft und wahre Gemeinschafft des Leibes und Blutes CHristi brauchten. Fanden hingegen die Schweitzer in der Concordie etwas, das ihnen nicht anstunde, als daß darinnen eine wesentliche und leibliche Gegenwart gelehret werde, so suchte Bucerus gleichfalls, ihnen den Scrupel zu benehmen und stellte vor, Luther lehre gleichwohl keine räumliche Gegenwart und Einschliessung. [1808] Beyde Theile wolte er bereden, man wäre nur in den Worten unterschieden und ein solcher Unterschied könne der Vereinigung nicht entgegen stehen. Mehrers hievon ist in der Historie der Augspurgischen Confeßion, die unter dem Nahmen der Historie des Sacraments-Streits pfleget angeführet zu werden und zwar p. 266 u. f. in D. Löschers Histor. Motuum Part. I, L. II. c. 3. p. 238 und in Saligs vollständiger Historie der Augspurgischen Confeßion Part. I, L. II. c. 12. §. 32. p. 429 nachzulesen. Siehe auch Walchs Histor. und Theol. Einleitung in die Religions-Streitigkeiten ausser der Evangelisch-Lutherischen Kirche Theil I, p. 397 u. f. Theil III, p. 33 u. ff. und Kurtze Fragen aus der Kirchen-Historie des Neuen Testaments Theil V, p. 667.