Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Wilnaische Conföderation

Band: 57 (1748), Spalte: 317–325. (Scan)

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Wilna, bey denen Pohlen; Wildau, bey denen Deutschen; Vilne, bey denen Franzosen; Vilna, bey denen Lateinern, ist eine grosse, Volckreiche, und wohlgebauete Stadt in Litthauen. [318] Sie liegt in der Gegend, wo die beyden Flüße Wilna und Vilin zusammenkommen; unterm 45 Grad 48 Minuten der Länge, und 54 Grad 38 Minuten der Breite. Sie ist die Hauptstadt nicht nur von der vorstehenden Woywodschaft, sondern auch von gantz Litthauen; wird von denen Einwohnern Wilenski genennet; und stehet allemahl unter dem Ober-Gouvernement des Palatins der Provintz. Der jetzige (1748) Woywode von Wilna ist Michael, Fürst Razwil, Litthauischer Groß-Feldherr: gleichwie der ietzige Castellan von Wilna ist Michael Maßalski, Litthauischer Unterfeldherr. Die Stadt ist von denenjenigen mißvergnügten Italienern, welche sich aus Italien nach Litthauen gewendet, erbauet, und von dem vorbey strömenden Fluß Vilia genennet worden. Um das Jahr 1305 ist sie zu einer solchen Stadt gewachsen, daß sie nunmehro an Grösse der Stadt Cracau, mit denen Vorstädten Casimiria und Clepardia, gleichet. Michovius de Sarmatia Europaea. Die Privat-Häuser sind niedrig und von Holtz gebauet, ausser einige, so von Edelleuten oder Kaufleuten steinern sind aufgeführet worden. Die Kirchen aber, sowohl der Catholischen als der Griechen, gleichwie auch etliche öffentliche Gebäude, sind gantz von Steinen. Unter diesen letztern ist der Pallast der ehemaligen Groß-Hertzoge von Litthauen merckwürdig, worinnen sich eine berühmte Rüstkammer befindet; wie denn viel grobes Geschütz, auch andere Kriegs-Instrumente in dieser Stadt verfertiget zu werden pflegen. Es sind auch zwey Castelle daselbst zu sehen, deren das eine auf einer Ebene an dem Flusse Vilin, das andere aber auf einem Berge, an dem Flusse Wilna, stehet. Dieses ist sehr alt, und fast gantz ruiniret; jenes aber ziemlich schön, und nach den Regeln der neuen Fortification angeleget. Die Handlung floriret gar sehr an diesem Orte, wozu nicht wenig beyträgt, daß von den beyden ietzterwehnten Flüssen der erste schiffbar ist. Insonderheit gehen die Commercien starck mit Moscau, und die Moscowitische Compagnie hat allhier ein schönes Magazin. Es befindet sich in Vilna ein Catholischer Bischoff, welcher unter den geistlichen Senatoren des Königreichs Pohlen der fünfte ist, und durch Litthauen und Weiß-Reussen, bis an die Grentzen von Moscau seine geistliche Gerichtsbarkeit ausübet. In der Domkirche allhier liegt der Cörper des Heil. Casimirs, in einer sehr kostbahr silbernen Grab-Städte, und ist derselbe vom Pabst Leo canonisiret worden. Auf dem Thurme ist eine sehr grosse Glocke, welche von mehr als 24 starcken Männern gezogen werden muß. Dieses Bißthum gehöret unter dem Ertz-Bischoff von Gnesen. Der ietzige (1748) Bischoff heisset Michael Zienkowicz. Es hat auch ein Griechischer Prälat, nemlich der Ertz-Bischoff von Reussen, seinen Sitz in Wilna, u. die Juden haben gleichergestalt alda die freye Ubung ihres Gottesdienstes. Ueber dieses halten sich nicht wenig Türcken daselbst auf. Es werden folglich allda wöchentlich drey Sabathe gefeyret: der Sonntag bey den Christen, der Sonnabend bey den Juden, und der Freytag bey den Türcken. Man findet hier viel blinde Leute, weil sie keinen rechten [319] Rauchfang haben, und viel Zwiebeln und Knoblauch essen, auch viel Milch und Brandewein trincken. Im Jahr 1579 hat der Pabst Gregorius XIII, auf des Valerianus, Bischoffs von Wilna, Anhalten, und mit Genehmhaltung des Königes Stephan Bathori, eine Universität alhier aufgerichtet, welche in der Theologie sechse, in Rechten viere, in der Philosophie fünfe, und in schönen Wissenschaften sieben Professores hat, und wird sie von der Universität zu Cracau mit Profeßoren versorget. Die Reformirten hatten auch alhier ein Gymnasium, es ist ihnen aber durch den Spruch des Reichs-Tages frühzeitig abgesprochen worden. Als obbemeldter König Stephan Bathori im Jahr 1578 sieghaft aus dem Moscowitischen Kriege zurück kam, bewillkommten ihn hier die Studenten. Sothanes Compliment nahm er nun vor ein Zeichen des Triumphs auf, und wiederhohlte seine der Academie schon ums Jahr 1576 gegebene Freyheits-Briefe. Nach der Zeit führete in Wilna Bischoff Valerianus die Jesuiten ein, und gab ihnen Plätze, Häuser und Güter. Dem Ansehen nach haben sie auch weiter um sich gegriffen, und stehet anietzo diese Academie unter ihrer Direction. Sonst findet man auch, daß im Jahr 1676 die Rechte und Immunitäten der Academie in Wilna, von dem König in Pohlen, unter andern Constitutionen des Groß-Hertzogthums Litthauen seynd confirmiret worden. Hartknochs Respub. Polon Lib. II. cap. 2. p. 241. Die Auditoria in Wilna sind auf der Schloßgasse. Sturwolscii Polonia p. 89. Lucä Europ. Helicon p. 277. Ausserdem so bezeugen Cromerus, Bozius, und andere, daß im Schlosse dieser Stadt die Könige jederzeit vor Alters herrliche Bibliothecken aufgerichtet. Hiernächst ist alhier ein allgemeines Landgerichte vor gantz Litthauen. Eine halbe Stunde vor der Stadt stehet ein Königlich Lust-Hauß, welches, weil es nahe bey dem Wasser lieget, Rudnick genennet wird; es ist gantz von Holtz erbauet, und mit einem Thier-Garten, ingleichen mit Lust- und Obst-Gärten gezieret. Im Jahr 1387 hielte der König in Pohlen Uladislaus zu Wilna eine Zusammenkunft seiner Stände, um den Götzendienst in seinen Landen auszurotten. Man verehrte nemlich in der Stadt Wilna ein ewiges Feuer, welches aber der König auszulöschen befahl, und den Christlichen Glauben anzunehmen Befehl ertheilte: Anbey auch alda eine Hauptkirche anlegen ließ, welche nachmahlen einen Bischoff bekam. Dlugossus, p. 110. u f. Allgem. Chron. VI Band, p. 328.

Im Jahr 1599. wurde zu Wilna eine Confoederation zwischen denen Griegisch-Rußischen und Evangelischen Glaubens-Genossen aufgerichtet, davon ein besonderer Artickel folget.

In Adami Naramowski seinem Wercke, welches unter dem Titel: Facies rerum Sarmaticarum in facie regni Poloniae & Magni Ducatus Lithuaniae gestarum zu Wilna 1725 ans Licht getreten, findet man Lib. I Cap. 3 folgenden sonderbahren Zufall angeführet, welcher sich zu Wilna in der Kirche zu St. Johannis, welche denen Jesuiten eingeräumet worden, 1600 soll zugetragen [320] haben: Es starb nemlich daselbst ein Bürger aus dieser Stadt, dessen Cörper des Abends in die Capelle, Mariä-Verkündigung genannt, beygesetzet wurde, um des folgenden Tages mit gewöhnlichen Leichen-Ceremonien in sein Begräbniß eingesencket zu werden. Die Nachtwächter derselben Gegend vermutheten bey diesem Cörper einige Kostbarkeiten, und weil sie davor hielten, daß selbige dem Verstorbenen so wenig, als der Weyrauch, der bey seinem Cörper verbrannt wurde, zu einigem Nutzen gereichten, machten sie nächtlicher Weile einen Anschlag, ihm dieselben in aller Stille abzunehmen. Weil sie sich aber nicht getrauten, ihr Vorhaben selbst auszuführen, waren sie darauf bedacht, wie sie solches vermittelst einer andern Person ins Werck setzen möchten. Nun trug es sich von ohngefähr zu, daß ein junger Mensch, welcher Küster in derselben Kirche war, die Gasse herunter gegangen kam. Die Raub begierigen Wächter fingen denselben auf, und droheten ihn augenblicklich zu ermorden, wenn er ihnen nicht die kostbahren Ringe von den Fingern des Verstorbenen herbey schaffen würde. Da nun dieser unschuldige Mensch bey instehender Todesgefahr sich ihrem Willen nicht widersetzen durffte, haben sie ihn durch ein vergittertes Fenster mit Stricken in die Kirche gelassen; sie selbst aber sind auf demselben sitzen geblieben, um sowohl den jungen Menschen behertzter zu dieser That zu machen, als auch den erhaltenen Raub gleich in Sicherheit zu bringen. Jener nahete sich inzwischen mit Furcht und Zittern dem schon starck riechenden Todtencörper, und ergriff bereits die Hand desselben, um die Ringe davon herab zu ziehen, als er von einer unsichtbaren Gewalt zurück gehalten und vor Schrecken bey nahe selbst in eine starre Leiche verwandelt wurde. Da er aber die Augen ein wenig aufschlug, sahe er mit Erstaunen, wie sich der Cörper in die Höhe richtete, und hörte eine greßliche Stimme erschallen, welche folgende Worte ausrief. Bracia pote plency ratuycie mie. d. i. Ihr verdammte Brüder lauffet herzu und beschützet mich. Denselben Augenblick bewegte sich gleichsam die gantze Kirche, es öffneten sich ohne Verzug alle verschlossene Gräber der allda ruhenden Todten, und er sahe eine grosse Menge scheußlicher Gestalten aus ihrer Asche hervorkommen, welche entweder ihre Knochen nach sich schleppten, oder die halb verfaulten Cörper in Ordnung zu bringen schienen, damit sie den Räuber von allen Seiten umringen möchten. Dieser arme Tropf machte sich vor grosser Angst auf die Beine, und wolte davon lauffen; Allein vergebens, indem er sich aller Orten mit einem starcken Geprassel verfolget sahe. Die Wächter geriethen über diesen erschrecklichen Anblick bey nahe in Verzweifelung, stürtzten sich in gröster Eil von dem Fenster herunter, und waren froh, daß sie mit dem Leben davon kommen konnten. Jener unglückselige Mensch hingegen wuste nicht mehr, wo er sich vor Angst und Schrecken hinwenden solte. Er mochte sich verkriechen, wie er wolte, so sahe er sich auf allen Ecken von grausamen Gespenstern umgeben, und [321] glaubte nicht anders, als daß er jetzo gleich in tausend Stücken würde zerrissen werden. In dieser grossen Noth wurde er gewahr, daß die Chor-Thüre bey dem Pfeiler, welche zu der obern Por-Kirche führet, allwo jedwede Familie einen eigenen Sitz hat, offen stunde. Er drung sich in einen solchen Stuhl hinein und schloß seibigen hinter sich zu, muste aber auch hier keine Sicherheit finden, immassen die ungestümen Todten ihm zu verfolgen beständig fortfuhren. Denn sobald sie gemercket, daß sich jener auf einem so hohen Ort begeben, sind sie alle zu ihren Grab-Stätten gelauffen, und nachdem sie ihre Leichen-Steine und halb vermoderten Särge gleich einer Treppe auf einander gesetzet, haben sie gleichsam angefangen Sturm auf ihn zu lauffen. Dieser seltsame Angriff setzte den geängstigten Küster in noch grösseres Schrecken, weil er nunmehr nicht anders vermuthen konnte, als daß er diesen grausamen Harpuen zu einer blutigen Beute dienen und von ihnen würde zerrissen werden. Da er nun sein Leben bereits für verlohren achtete, fiel er von ohngefehr darauf, daß er, wiewohl mit sehr schwacher Stimme, den Nahmen JEsus anrieff, und sich mit dem Zeichen des Creutzes versahe. Dieses waren die rechten Waffen, wodurch die Gewalt der Geister in einem Augenblick unterbrochen, und das gantze Gerüste der auf einander gelegten Särge und Leichen-Steine zu Boden geworfen wurde; wobey zu bewundern, daß jedweder Cörper an dem Orte, wo er damahls gestanden, zur Erde gefallen, und seinen Sarg bey sich behalten hat. Nunmehro sahe sich der halbtodte Jüngling von seinen Feinden befreyet, nachdem der Kampff bis zur zwölfften Nacht-Stunde gedauret hat. Da nun mit anbrechenden Tage die Kirche geöffnet wurde, konnte man wegen des greulichen Gestancks kaum hinein treten. Noch grösser aber war die Erstaunung, da man durch die gantze Kirche zerstreute Knochen, halb verfaulte, ja auch noch unverweßte Cörper durch einander liegen fand, weil man nicht begreiffen konnte, woher diese seltsame Veränderung entstanden und wer die Todten aus ihrer Ruhe müsse hervorgezogen haben. Endlich erblickte man besagten Jüngling, welcher den gantzen Verlauff der nächtlichen Begebenheit erzehlte, woraus leichtlich abzunehmen war, daß dieses lauter Cörper von verdammten Personen seyn müsten. Wie groß das Schrecken bey ermeldten Küster gewesen sey, ist daraus gar leicht zu ermessen, weil er gleich darauf mit einer schweren Kranckheit befallen, auch noch in derselben Woche Todes verblichen ist. Nachdem er also annoch soviel Zeit gehabt, alle Umstände der Sache ausführlich zu entdecken, hat er seine Aussage gleichsam mit dem Todte bestätiget. Die Kirche muste unterdessen einige Zeit verschlossen und des Gottesdienstes beraubet bleiben, bis man dieselbe von dem Todten-Wust wiederum gesaubert hatte. Es kostete auch in der That nicht wenig Mühe, soviele Cörper und Särge hinter das Rudnische Thor und in das an der Stephans-Kirche in der Vorstadt liegende Wäldlein hinaus zu schaffen. Das wunderbarste bey dieser gantzen Tragödie ist dieses, daß man nach vorgenommener [322] Eröffnung der Gruften und Begräbnissen die meisten derselben leer gefunden, da hingegen nach obbesagten Schrifftstellers Bericht, die Gräber der Patrum Societatis Jesu nebst ihren Cörpern gantz unverletzt und zwey derselben gantz ohne Verwesung zu sehen gewesen. Wir haben diese gantze Historie so, wie wir sie aufgezeichnet gefunden, hieher gesetzet; vor die Wahrheit derselben aber können wir nicht Bürge seyn.

So führet auch der gedachte Adami Naramowski in seinem obengedachten Wercke Lib. I, Cap. 4, noch eine andere Geschichte, aus einem Manuscripte des Klosters der P. P. Basilianer zu Wilna an, in deren Kirche sie sich nachfolgender Gestalt zugetragen haben soll: Es starb nemlich zu Wilna ein altes geitziges Weib, welche ihres Lebens halber ein gar schlechtes Begräbniß verdienet hätte, wenn nicht die Mönche dieses Klosters durch ihr Geld wären bewogen worden, derselben in dem Schooß ihrer Kirche eine Ruhe-Stätte zu vergönnen. Dem ungeachtet fand diese unglückseelige in ihrem Grabe weder Ruhe noch Rast, sondern sahe sich vielmehr genöthiget, nächtlicher Weile dieselbe gantze Gegend in Unruhe zu setzen. Um die zwölffte Stunde kam sie gemeiniglich aus ihrem Begräbniß hervor, machte ein Geräusch, als wenn sie eine grosse Last Ketten hinter sich schleppen müste, und durchstrich sodann nicht nur die Creutz-Gänge des Klosters, sondern auch alle diejenigen Oerter, welche nahe an demselben gelegen waren. Hierdurch geschahe es, wie leicht zu erachten, daß die Nachbarn besagter Kirche vor Schrecken schlafflose Nächte hatten, und obgleich die Mönche ihre gewöhnlichen Exorcismos anzustellen nicht vergassen, war doch alle angewandte Bemühung vergebens. Ja es getrauete sich endlich keiner von den Mönchen, diejenige Gewalt, welche zu besitzen, er Krafft seiner Ordens-Regul glauben muste, wider diesen tobenden Geist zu gebrauchen. Eben zu derselben Zeit war der bey denen Pohlen gnugsam bekannte Josaphat Kuniewiz Ertz-Bischoff zu Wilna, welcher sich durch seinen Christlichen Lebens-Wandel einen grossen Ruff und Ansehen erworben hatte. Dieser wolte als ein guter Hirte für die Ruhe seiner untergebenen Schäflein gehörige Vorsorge tragen, und nicht zugeben, daß die dem Höchsten gewiedmete Kirche einem unruhigen Geist länger zu einem Tummel-Platz dienen solte. Er ließ in dieser Absicht den heiligen Ort, welchen der Geist ohne Schlüssel öffnen konnte, von den Mönchen aufschliessen, und nahm eine Person zu sich, welche ihm nur ausser der Gefahr an Muthe gleichen mochte. In der einen Hand führte er eine brennende Wachs-Kertze, in der andern aber ein Behältniß mit der gesegneten Hostie, und in dieser Stellung erwartete er unter eifrigem Gebete die Ankunfft des Geistes. Die zwölffte Stunde war kaum herbey gekommen, als sich in einem Augenblick ein entsetzlicher Sturm-Wind erhub, durch welchen die gantze Kirche gewaltig erschüttert wurde. Dieser unvermuthete Zufall setzte den Gefährten des Ertz-Bischoffs in so grosse Bestürtzung, daß er zu den Füssen desselben für todt darnieder fiel, da [323] hingegen der Ertz-Bischoff selbst mit der gesegneten Hostie, sich auf die Ankunfft des Geistes gefast hielte. Inzwischen hatte der gewaltige Sturm-Wind alle Lampen in der Kirche ausgelöschet, daß kein eintziges Licht brennend blieb, ausser dasjenige, welches der Ertz-Bischoff in Händen hatte. Nachdem sich nun die Thüren aufgethan und der gantze Boden wie von einem Erdbeben beweget worden, kam endlich der Geist nach diesen Vorspielen selbst aufgezogen. Seine Augen waren gantz feurig, die Gestalt des Angesichtes blaß und heßlich, hinter sich aber schlepte er eine grosse Last von eisernen Ketten. Mit solchem Aufputz gieng er gerade auf den Ertz-Bischoff Josaphat zu, welcher zwar anfänglich sich in etwas entsetzte, jedoch da er sich mit der heiligen Hostie gesegnet, wieder neuen Muth und Kräffte bekam. Er setzte also seine Beschwerung ins Werck, und gebot dem Geist, daß er von hinnen weichen solte, da es denn auch schien, als wenn ihm derselbe zu gehorchen bereit wäre, gleichwohl hat das Gespenste dem Ertz-Bischoff eine geraume Zeit die Augen verblendet, und ihn in der Kirche herumgeführet, damit er den Ort, wo es sich verlieren möchte, nicht mercken möchte. Da nun dasselbe auf eine gewisse Stelle gekommen, sahe der Ertz-Bischoff gar eigentlich, wie sich der Erdboden aufthat und dieses ungeheure Schreck-Bild mit grossem Krachen vor seinen Augen wegraffte. Hierauf wurde es wieder ruhig in der Kirche, der Ertz-Bischoff aber bezeichnete den Ort mit seinem Stabe und verharrete die gantze Nacht im Gebet, da sich denn auch sein Gefährte, von der gehabten Ohnmacht wiederum erholte. Bey anbrechendem Morgen ließ der Ertz-Bischoff an gedachter Stelle die Erde ausgraben, allwo man den scheußlichen Cörper obbemeldter alten Vettel antraff, welcher nicht anders aussahe, als wenn er noch am Leben wäre. Da nun der Ertz-Bischoff befohlen, daß man den unglückseligen Cörper herausnehmen und ausser der Stadt auf der ordentlichen Strasse einscharren solte; wurde nicht allein in der Kirche, sondern auch in der gantzen Gegend die vorige Ruhe wieder hergestellet, gleichwie hingegen um den Ort, wo der Cörper wieder eingesencket worden, das Gespenste auf vorige Art zu toben anfieng, daß man lange nicht gewust, wie man diesem Uebel abhelffen solte. Unterredung von dem Reiche der Geister III Band, p. 24 u. ff. und p. 36 u. ff.

In dem Jahre 1610 entstund allhier eine Feuers-Brunst, wodurch 4700 Häuser im Rauche aufgiengen. Pfeffingers Merckwürdigkeiten des XVII Jahrhunderts p. 360.

In dem Jahre 1640 trug sich ein seltsam Exempel zu Wilna zu. Es solte nemlich ein Evangelischer, (der es doch geläugnet) nach einer Dahle, auf der Kirchspitze sitzend, mit einem Pfeile geschossen haben, daß derselbe in dem obenstehenden Michaelis-Bilde stecken blieben, welches als eine boshafftige dem Heiligen Ertz-Engel erwiesene Schmach hoch aufgemutzt, und den Evangelischen ihre Kirche sammt Schule und Spital genommen, [324] und der Pfarrer des Landes verwiesen worden; Worüber zwar viel Klagens und Disputirens auf dem Reichs-Tage entstund, aber nichts geändert wurde. Ludolphs Schaubühne der Welt II Theil, p. 822.

Im Jahr 1655 nahmen die Moscowiter diese Stadt ein, musten sie aber bald wiederum, nemlich 1660 den Pohlen abtreten; Wie denn auch das folgende 1661 Jahr der König Johann Casimir mit Hülffe der Litthauer nicht weit von dieser Stadt etliche tausend der Moscowiter geschlagen hat. Ludolphs Schaubühne III Theil, p. 1334.

Im Jahr 1681 entstund zu Wilna folgender Aufruhr; Es stürmete nemlich den 7 April der Catholische Pöbel mit denen dasigen Studenten der Reformirten ihre Kirche, riß und schmiß alles in Stücken und zu Drümmern; weil aber daß räuberische Gesindel dabey wenig einzustecken fande, indem der Gottesdienst dieser Religions-Verwanden schlechte Zierathen und Reichthümer heegte, eröffneten sie die Gräber der Senatorn und Vornehmen, zerreten die Todten Cörper heraus, beraubten sie ihres noch übrigen Schmuckes, schnitten aus gleicher Tobsucht vielen die Ringe mit sammt denen Fingern von der Hand, theils verbrandten die todten Leichname, theils warffen solche vor die Hunde, theils schmissen aus einem noch mehr als barbarischen Eyfer gar einige Kinder lebendig ins Feuer, und vermeynten mit allem dem ein gar erbauliches Werck zu verrichten; Dieses war nicht genung, sie stürmten zugleich auch der Prediger und Kirchen-Diener ihre Wohnungen, plünderten alle darinnen hinterlegte Gelder vieler Edelleute, wie auch alles was sie daselbst an Silber-Geschirr, Büchern und andern Geräthschafften fanden, darauf sie alle diese Häuser der Erden gleich machten, und sonsten allen Muthwillen gegen die Reformirten ausübten. Der Litthauische Feldherr war eben abwesend, als er aber des folgenden Tages nach Hause kam, und diesen Spectackel ansahe, entsatzte er sich darüber dergestalt, daß er von Stund an erkranckte und kurtz darauf gar aus dieser Welt schiede; er wurde auf seinen Gütern ohne einige Ceremonien, weil er solches befohlen, beygesetzt. Als nun der ungestüme Pöbel zu Wilna, auf diese Art, ein erbauliches Denckmahl seiner Andacht und Gottesfurcht gestifftet, wolte derselbe darinnen noch weiter gehen, und die daselbst sich befindliche Lutherische Kirche gleichfalls seinem Glaubens-Eyffer aufopffern; alleine der Bischoff, welcher wohl sahe, daß er alle Verantwortungen auf seinen Kopff zusammen ziehen dürffte, wo er diesem Unheil nicht vorbeugen würde, ließ tapffer auf das tumultuirende Litthauer Gesindel Feuer geben, also daß es dadurch zerstreuet und von seinem ferneren bösen Vorhaben abgehalten wurde. Ludolphs Schaubühne der Welt V Theil, p. 945 u. ff.

Im Jahr 1702 wurde sie von den Schweden eingenommen. Am ersten Oster-Feyertage selbigen Jahres trungen zwar 17 Compagnien Litthauer unverhofft unter der Vesper in die [325] Stadt ein, fielen die darinne liegende Schwedische Garnison an; als aber die Schweden von ihrer Cavallerie Hülffe bekamen, wurden die Litthauer mit Verlust von 2 bis 300 Mann wieder hinausgetrieben. Monatl. Staats-Spiegel, 1702 Monat May, p. 103 u. f.

Im Jahr 1706 im Mertz ist sie abermahls von denen Schweden gebrandschatzet worden. Theatr. Europ. T. XVII, an. 1706. p. 298.

In eben diesem Jahre entstunde am 18 May eine Feuers-Brunst, wodurch auf die 300 Häusser, in die Asche geleget worden. Monatl. Staats-Spiegel, 1706 Monat Junius, p. 92. Theatr. Europ. T. XVII, an. 1706. p. 338.

Und im Jahr 1710 ward dieser Ort von der Contagion so harte heimgesuchet, daß in drey Monaten über 25000 Menschen daran gestorben sind.

Im Jahr 1734 wurde diese Stadt von denen Rußischen Völckern gantz ausgeplündert, dabey auch sehr viele von denen dasigen Einwohnern niedergemachet wurden. Die Veranlassung dazu ist folgende gewesen: Es hatten nemlich die Pohlen und Stanislaische Parthey die Einwohner der Stadt wider die Russen, so daselbst gelegen, aufgewiegelt, diese insgesammt niederzumachen. Auch hatten dasige Studenten ein kleines Corpo Russen vor der Stadt angegriffen. Als aber bald hernach noch 1000 Russen dahin kommen, haben diese die Stadt erbärmlich zugerichtet, und mit denen Einwohnern übel Hauß gehalten. Unter andern ist der Bürgemeister des Orts, so der Römisch-Catholischen Religion zugethan, ohne Verzug auf dem Marckte aufgeknüpffet worden, nachdem man ihme vorhero erlaubet, das Sacrament nochmahlen zu empfangen. Neueröffnetes Welt- und Staats-Theatr. 1734. p. 165. u. f.

Im Jahr 1737 wurde diese schöne Stadt abermahlen fast gäntzlich in die Asche geleget. Connor state of Poland P. I, lettr. 6. P. II, lettr. 2. Kojalowitz hist. Litthuan. Kadlubko Hist. Polon. Allgem. Chron. XI Band, p. 542. Uhsens Geogr. Histor. Lex. II Theil, p. 538. Vollständ. Lex. der Alten, Mittlern und Neuen Geogr. p. 1183 a. Einleitung zur Geogr. Wissensch. p. 214. Lucä Europ. Helicon. p. 277. Arnolds Historisch- und Polit. Geogr. p. 831. Melissantes Geogr. II Th. p. 52. u. f. Gregorii Geogr. p. 321. Neickels Museogr. Th. II, p. 352. Hübners kleine Geogr. p. 709. Martini Anweis. zur neuen Staats-Geogr. p. 700. Cellarii neue Geogr. p. 596. Jacob Woit in Diss. de incrementis studiorum per Polonos ac Prussos, Leipzig 1724, welche in den Actis Lipsiensium Academicis, Th. XII, p. 202 u. ff. recensiret ist.