Zedler:Wendhausen, (Philipp Ludwig von)

Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
korrigiert
<<<Vorheriger

Wendhausen, (Lüder von)

Nächster>>>

Wend-Höfe

Band: 54 (1747), Spalte: 2050–2053. (Scan)

[[| in Wikisource]]
in der Wikipedia
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für WP  
Literatur
* {{Zedler Online|54|Wendhausen, (Philipp Ludwig von)|2050|2053}}
Weblinks
{{Wikisource|Zedler:Wendhausen, (Philipp Ludwig von)|Wendhausen, (Philipp Ludwig von)|Artikel in [[Johann Heinrich Zedler|Zedlers’]] [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Universal-Lexicon]] (1747)}}


Wendhausen, (Philipp Ludwig von) Braunschweig-Lüneburgischer Premier-Minister und Cantzler, Erbherr zu Wendhausen, Schöningen und Riddachshausen, gebohren den 25. Mertz 1633. zu Gandersheim. Sein Vater, George Wilhelm, war Probst des Kayserl. Stifts Gandersheim, Senior und Erbsaß zu Rimrode; und seine Mutter war Dorothee Elisabeth Steinbringks. Albereits in denen ersten Jahren sahen ihrer viele ihn nicht unrecht für eine künfftige Stütze der Republick an, welches denn seine Mutter um desto mehr bewog, diejenige Stelle mit unermüdeter Vorsorge selbst zu ersetzen, welche der Tod diesen drittehalbjährigen Sohn durch Abforderung ihres Ehe-Herrn erlediget hatte: Wie sie denn nicht allein demselben die geschicktesten Lehrmeister hielt, sondern auch dieselbigen unter die Direction des berühmten Horneji stellete. In dem 16. Jahre seines Alters gieng er auf die Universität nach Helmstädt, und nachdem er daselbst 2. Jahre studiret hatte, so begab er sich 1651. zu Cultivirung seines Endzweckes nach den Niederlanden, auch Engelland, und Franckreich, und besuchte in diesen Ländern die Universitäten Leyden, Cambridge, Oxfurt, Orlean, und folgends Geneve. Von dar hat er sich durch die Schweitz nach Straßburg und endlich nach Speyer gewendet, um daselbst sich des Kayserl. Cammer-Gerichts kundig zu machen, wo er auch eine ziemliche Zeit mit grossen Vortheil geblieben. Als er sich nun in diesen fremden Ländern als kostbahren Schulen, eine grosse Gelehrsamkeit erworben, so konnte dieselbe auch nicht lange verborgen bleiben; sondern ward nach glücklicher Zurückunft im Jahr 1658. von der Julius-Universität nach genauer Untersuchung nicht nur erkennet, sondern auch mit dem Doctorat beehret, [2051] nachdem er dieselbe auch durch eine Schrift: "Von der Verzicht Adelicher Töchter, die sie auf die Succeßion in denen Gütern ihrer Familie zu thun pflegen", an den Tag geleget, und so wohl deren Art und Weise erkläret, als auch ihre Gerechtigkeit gründlich vertheidiget hatte. Im Jahr 1660. berief ihn die Hochlöbl. Landschafft des Hertzogthums Braunschweig zu dem Land-Syndicat, wodurch er die vortreflichste Gelegenheit bekam, die innere Beschaffenheit des gantzen Landes auf das genaueste kennen zu lernen. Im Jahr 1669. erwehlte Hertzog Anton Ulrich ihn zu seinen Rath, welchem er den Titul nach allein, in der That aber beyden Hochfürstl. Herren Brüdern zugleich, dienete. Bey damahliger in der Stadt Braunschweig entstandenen grossen Unruhe liessen sich die Durchl. Herrschafft auf seinem nechst dem Kloster Riddagshausen gelegenen Gute nieder, und seine heilsamen Rathschläge, worauf die Herren Räthe aller dreyer Hochfürstl. Häuser sahen, beschleunigten nicht nur den Vergleich, mit welchem die zu sich selbst kommende Stadt sich ihrem Herren völlig unterwarf, sondern die gnädigste Herrschafft fande auch niemanden geschickter, das verworrene Wesen derselben in eine bessere Gestalt zu bringen. Im Jahr 1673. ward er zum Dechanten des Stifts St. Blasii zu Braunschweig postuliret, und Landes-Fürstlich bestätiget. In dem folgenden Jahre wurde ihm auch die Braunschweigische Stadt-Commißion anvertrauet, wovon er nachgehends das völlige Directorium geführet. Alles, was zum Aufnehmen, zur Befestigung, zur Zierde, zum Ansehen der Stadt etwas beytragen konnte, wurde von ihm sorgfältig hervorgesucht, eifrig fortgesetzet, glücklich ins Werck gerichtet. Seinem Unternehmen, seinem Einrathen und Bemühungen hat sie gröstentheils nächst Göttl. Vorsorge die Einführung ihrer Messen zu dancken, wovon sie so lange fruchtlose Privilegien verwahret, nachgehends aber so viele Vortheile einzunehmen hatte. Die Einrichtung des Waysen- und Zucht-Hauses und die Allgemeine Versorgung der Armen bey dem grossen Hospital Mariä Virginis, ingleichen der neue Schul-Bau zu St. Catharinen waren Früchte seiner Vorsorge. Alles zielte nebst vielen andern Unternehmungen dahin, das Glück und die Zierde der Stadt immer höher zu bringen, welche er auch zu seinem grösten Vergnügen immer schöner zu werden und an guten Wohlstande zunehmen sahe. In dem Jahr 1678. beriefe ihn Hertzog Rudolph August zu seinem Geheimden Rath; 1680. aber zu seinem Cantzler, welche Gnade von sich abzulehnen er sich vergeblich bemühet. So muste er auch aller Weigerung ungeachtet sich des Fürstl. Cammer-Wesens und dessen Reparation würcklich annehmen, zu dem Ende er einen allgemeinen Landtag veranlasset, welcher unter Göttlichen Beystand durch seine weisen Veranstaltungen zum höchsten Vergnügen der Herrschafft und mercklichen Wohl des gantzen Landes geendiget worden. Auch ist nicht mit Stillschweigen zu übergehen, was massen selbst der Kayser Leopo1d, der Grosse, dieses vortreflichen Ministers grosse Meriten erkannt [2052] und zu Bezeugung dessen, aus eignem Triebe und Bewegnisse, ihn 1683. nebst seiner Gemahlin, Tochter und allen ihren künfftig noch erzeugenden Leibes-Erben für und für in Ewigkeit in den Adel-Stand zu erheben allergnädigst geruhet hat. Nach Genuß solcher Hohen Kayserlichen Gnade hat er sich beflissen, den Ruhm seiner Verdienste immer herrlicher zu machen, wie denn insonderheit zu gedencken, daß 1685. durch öffentl. Declaration der höchstwunderns-würdigen Landes-Fürstl. gesamten Regierung beyder Durchl. Brüder, Hertzogs Rudolph Augusts und Hertzogs Anton Ulrichs an den Tag kommen, wie glücklich er bis dahin an vollkommener Befestigung derselben gearbeitet. Nicht wenig hat er zu der 1706. fest gestellten Re-Union des Braunschweig- und Lüneburgischen Hauses beygetragen, wie ihm denn auch auswärtige Verrichtungen, sonderlich in den Niederlanden 1694. und zu Hamburg 1701. sehr wohl gelungen. Bey dem allen hat er sich den Kirchen-Staat aufs höchste angelegen seyn lassen, wie sonderlich die verbesserte Kirchen-Ordnung, und das zu Riddagshausen höchst nützlich angelegte Priester-Seminarium sattsam bezeugen. Was seinen Ehestand betrift, so hat er sich zu drey unterschiedenen mahlen in denselben begeben. Die erste Gemahlin war Barber Ilse, eine gebohrne Fluwercken, aus einem Geschlechte der Patricien in Braunschweig, die sich im Jahr 1660. mit ihm ehelich verbunden, aber 1696. durch den Tod von ihm getrennet, als der Herr Cantzler das 63. Jahr erlebet hatte. Das herannahende Alter und die bedürffende Pflege riethen ihm im Jahr 1698. mit der Fräulein Christinen Erdmunden, einer gebohrnen von Speriingen, zur andern Ehe zu schreiten; ja als Hochzeit und Begräbniß bey ihr nur 7. Monate von einander unterschieden war, nöthigten ihn eben diese Ursachen im Jahr 1699. mit der Fräulein Marien Elisabeth Freyin von Imhof, die dritte Ehe zu treffen, und dennoch muste er zum dritten mahl, da auch diese Gemahlin im Jahr 1709. mit Tode abgieng, den betrübten Witwer-Nahmen übernehmen, welchen er auch bis auf die höchsten Stuffen seines Alters zu tragen beliebet hat. Der Tod des Durchl. Hertzogs Anton Ulrich gieng dem Herrn Cantzler zwar tief zu Hertzen, dennoch aber blieb er auch bey solcher Veränderung in solchen Stand, daß, als ihm von den dritten regierenden Hertzoge, dem Durchl. August Willhelm, die Hohe Gnade wiederfuhr, um Fortsetzung seiner Dienste ersuchet zu werden, er diese Erklärung von sich stellete: Da er sein Leben in dem Dienst derer Durchl. Hertzoge fast gantz zu Ende gebracht, wolle er auch den kleinen Rest davon ihren Diensten aufopffern. Er ist gestorben den 17. Nov. 1718. und hat geschrieben:

1. Purae religionis Characteres, oder der reinen Lehre Kennzeichen.
2. Plerophoriam fidei, unüberwindliche Gewisheit des Christl. Glaubens, oder gewisser Glaubens-Grund.

Durch diese beyde Schrifften hat er für aller [2053] Welt bezeuget, wie er nicht allein seine eigene sondern auch anderer Menschen Seelen Heil mehr als alle Schätze Egyptens besorget. Er hat in denselben Schrifft mit Schrifft erkläret, und siehet man daraus, wie weit er in Erkänntniß göttlicher Wahrheiten gekommen, ja ein jedweder Christ wird derselben mit ungemeinen Nutzen sich bedienen können. Ein mehres von dem Herrn Cantzler und von diesem vornehmen Geschlechte siehe in der Lobschrifft, so der berühmte Helmstädtische Professor Treuer zum hochverdienten Andencken des Herrn Cantzlers verfertiget hat. Leporins Leben der Gelehrten, so in Deutschland von Anfange des 1719. Jahres das Zeitliche gesegnet, II Th. p. 107.