Zedler:Welt und Staats-Spiegel (neueröffneter)
Welt und Staats-Spiegel (neueröffneter) ist ein Journal, und zwar eine Fortsetzung des so genannten Monatlichen Staats-Spiegels, von welchem in dem XXI Bande, p. 1043. gehandelt worden ist. Da jenes Journal 1698. seinen Anfang genommen, und 1708. seine Endschafft erreichet hatte; So ward mit diesem 1709. der Anfang gemacht, als in welchem Jahre es zu Haag, oder eigentlich zu Leipzig, zuerst heraus kam, und monatlich damit continuiret, auch bis 1710., über 100. Theile geliefert wurden. Es wurden darinnen die in Europa, wie auch denen andern Theilen der Welt, vornemlich aber in Deutschland, vorfallenden merckwürdigen Begebenheiten kürtzlich vorgestellet, auch alles mit behörigen Documenten, an Memorialien, Briefen, Relationen, und dergleichen, erläutert, einige Anmerckungen beygefüget, und verschiedenes aus der Geographie, Genealogie, Politick und Historie erörtert, fast auf die Art, wie in der Europäischen-Fama. Es hat diese Schrifft sowohl bey dem Verleger guten Abgang, als auch bey vielen um den heutigen Staat der Welt sich bekümmernden Gemüthern guten Ingreß gefunden, dahero auch die Anzahl derer Theile ziemlich angewachsen ist. Nichts destoweniger aber findet man sowohl in Theologischen als Juristischen Schrifften gar harte Urtheile von demselben. Zum Beweiß des erstern dienet dasjenige, was man in den Unschuldigen Nachrichten vom Jahr 1712. p. 324. u. f. lieset, alwo es also lautet: "Man hat Ursache sich öffentlich zu beklagen, daß viele, die heute zu Tage Historisch-Politische Schrifften ediren, sonderlich unterschiedliche, die solche Stückweise drucken lassen, sowohl in unsern als angräntzenden Landen, dem Indefferentismo religionum, obgleich verdeckter Weise das Wort reden, auch theils grobe Imputationes wieder rechtschaffene Lehrer unserer Kirche, ohne Unterscheid zu machen, herausstossen. Der Welt- und Staats-Spiegel, daß ich jetzo von andern nicht gedencke, kan hiervon manche Probe zeigen, als bey dem solche Raisonnements nicht seltsam sind. Daß ich andere Stellen jetzo übergehe, so eröfnet der Autor sein gantzes Hertz in dem Achten Theil p. 784. 785. gar deutlich, daß man leicht sehen kan, in was vor einem Affect er die Feder eingeduncket. Der geneigte Leser wird sichs nicht verdriessen lassen, daß wir die gröbsten Worte vorher auszeichnen: Das jetzige Aeon, schreibt er, muß mit sonderlichen unruhigen Geistern versehen seyn, davon einige sich unter die Fürsten gemacht, die andre aber ihre Residentzien in der Geistlichkeit ihren Hertzen aufgeschlagen. Denn obgleich alle Zeiten vom Krieg und Blurvergiessen gewust, so hat doch die Clerisey fast nie heftiger rumoret, als ein 20. bis dreyßig Jahr daher, also daß sie gegeneinander eben so viel, und vielleicht noch mehr Dinte vergossen, und Federn und Pappier verderbet, als welches ihre Waffen seyn, als jene Menschen Blut verschwendet, und Pulver und Bley verschossen haben. Die Römisch-Catholischen zerzancken sich unter einander wegen des Quietissimi und Jansenissimi, (denn so schreibt der Autor; soll aber Quietismi und Jansenismi heissen) und über der Maria ihre Empfängniß, ob solche in oder ausser Sünde geschehen. Die Lutheraner beissen sich unter einander wegen des Chiliasmi, Pietismi und Enthusiasmi, und was solcher Nichtigkeiten mehr, etc. Da gelten dem Autori in diesem Punct Evangelische, Päbstler und Reformirte gleich; Es stehen ihm alle jetzige Controversien in einem Praedicamenco, und heissen Nichtigkeiten. So macht er auch nicht den geringsten Unterscheid zwischen solchen, die glimpflich controversias tractiren, und die es nicht thun, sondern es heißen ihn alle diese Controversien Nichtigkeiten oder Lappalien. Doch ehe wir uns weiter herauslassen, wollen wir den Autorem weiter hören; Doch wenn man alle Feder-Kriege, urtheilet er weiter, mit unpassionirten Augen ansiehet, so heissen sie so viel, als nichts, und entstehen eintzig und allein von daher, daß man dem geistlichen Hochmuth so viel einräumet, keiner dem andern nachgeben, toleriren oder recht verstehen will, auch sich nicht selber bey einem oder andern Wort eine Gefahr oder schädliche Doctrin einbildet, die doch nirgends anders gegründet, als in eines solchen Lärmen-Bläsers unruhigen glandula pineali. Vermuthlich hat der Autor, da er dieses geschrieben, sich klüger, als alle Evangelische Theologos düncken lassen. Wie dictatorisch schreibt er nicht? Alle Feder-Kriege, (wie übereilet klingt es doch?) sind ihm soviel als nichts, damit ja niemand sich soll gelüsten lassen des Satans Werckzeugen, Atheisten, Schwärmern, oder andern Freymeistern vernünfftigen Einhalt zu thun. Man soll allen Irrgeistern freyen Lauf, und hingegen GOttes causam unvertheidiget lassen, damit man nicht in den Verdacht eines Geistlichen Hochmuths falle. Könnte man auch etwas hochmüthigers prätendiren? Ihnen nicht zu mißfallen, soll man zu so vielen ärgerlichen Lehren stille schweigen, nicht GOttes sondern ihre und so vieler Ketzer Ehre befördern, und also Menschen mehr gehorchen als GOtt, oder wichtige Controversien, die GOttes Ehre selbst oft anbetreffen, als controversias Enthusiasticas, Pietisticas und andere, für Nichtigkeiten oder quaestiones de lana caprina halten. Es ist dieses politische und untheologische Urtheil mit eben so unpaßionirtem Gemüthe geschrieben, als Hrn. Gottfr. Arnolds Ketzer-Historie unpartheyisch ist. Wie will der Autor solche ausgestossene Calumnien, womit er auch alle Evangelische rechtschaffene Lehrer zur Ungebühr antastet, einmahl gegen dem obersten Richter der Lebendigen und Todten verantworten? Dieser HErr aller HErren will: Ein Bischoff soll mächtig seyn nicht nur zu ermahnen durch die heilsame Lehre, sondern auch zu straffen die Widersprecher, Tit. I. 9. Denn es sind viel freche und unnütze Schwätzer und Verführer, sonderlich die aus der Beschneidung, welchen man muß das Maul stopffen, ebend . v. 10. Der Autor aber des Welt- und Staats-Spiegels wills besser wissen, und will alle NB. Feder-Kriege, (so nennt er auch die wichtigsten Controversien von Göttlichen Sachen) für nichts paßiren lassen. Ja er begehrt, ohne den geringsten Unterscheid oder Limitation zu machen, man solle solchen Leuten nachgeben, nichts darwider sagen und schreiben, und giebt also einen verkehrten Apostel ab, wie man der Welt-Freundschafft zu erhalten die Göttliche Wahrheit unter die Banck stecken müsse. Er schwatzt von lauter Einbildungen, als ob die Evangelische Kirche jetzo noch so glückselig sey, da doch soviel abtrünnige Kinder die Mauren der Evangelischen Kirche, unter dem schönen Nahmen der Reformation, niederreissen, denen Papisten eine Freude über die andere machen, und vielfältige Gelegenheit geben, daß Hohe Häupter, wie man die kläglichen Exempel hat, der Päbstlichen Religion günstiger werden; weil man die Römische Blösse nicht aus-sondern eyffrigst in der Päbstlichen Religion zudecket, und denen Streitigkeiten durch menschliches Ansehen bald ein Ende machen kan. Die Erfahrung lehret es ja bis diese Stunde, obgleich Fanatici directe solches nicht verlangt oder gewünschet haben möchten. Was will doch der verblendete Mann von lauter Geistlichen Hochmuth sagen? Könnten treue Lehrer, (dergleichen es, GOtt sey Danck, mehr giebt, als Fanatici aus lieblosen Argwohn glauben wollen,) alle Verkehrte und Verführte gewinnen, sie würden solches, wo es möglich wäre, auch mit Verlust ihres Ruhms, den sie mit Paulo nicht suchen, gerne erkauffen. Daß nicht alle Lehrer so gesinnet sind, soll man ja aufrichtigen Knechten GOttes nicht imputiren, sondern billig behörigen Unterscheid machen. Er setzt weiter, man bilde sich bey einem und dem andern Wort unnöthige Gefahr ein. Da möchte der Autor doch erstlich sowohl hier als in andern Dingen Beweiß bringen. Hiernächst soll er wissen, daß nicht nur bey einem Worte, sondern auch bey einem Buchstaben höchstschädliche Lehre mit unterlauffen könne. Die Wörter ὁμόχσιος und ὁμοιχσιος sind nur durch den einigen Buchstaben i. unterschieden; gleichwohl aber richtete dieser eintzige Buchstabe, als er von den Arianern gemißbraucht wurde, unsägliches Unheil an, und sprach dem Heyland seine Göttliche Hoheit grossen Theils mit Gewalt ab. So darf auch der Autor nicht sagen, daß man einander nicht verstehen wolle. Denn obgleich die Fanatischen Lehren anfänglich meistens ziemlich obscur und versteckt sich zeigten, so sind sie doch nachmahls deutlich damit zum Vorschein kommen, wie denn auch ihnen ihre Meynung aus ihren eigenen Büchern mit ihren selbst eigenen Worten nicht selten vor Augen geleget worden. Meynet ja der Autor Ursache zu haben, sich über die Hefftigkeit einiger Orthodoxorum beschweren zu können, so möchte er doch nur so Christlich seyn, und andre, die mit Glimpf und ernstlicher Bescheidenheit ohne Schimpff-Worte der Wahrheit und GOttes Ehre retten, mit so harten und wieder alle Pietät und Christliche Liebe lauffenden Beschuldigungen verschonen. Wie reimt sichs aber mit seiner Christen-Pflicht, wenn er unbedächtig schreibt: Alle Feder-Kriege entstehen NB. eintzig und allein daher, daß man dem geistlichen Hochmuth zu viel einräume etc. Will der Autor ein Hertzenskündiger seyn, daß er aller Theologorum Gedanken und Hertz so genau zu wissen prätendiret? Er wird verhoffentlich so viel Nachdencken haben, und sich davor nicht ausgeben. Ist ers aber nicht, mit und aus was vor Grund darf er so schnöde von GOttes Dienern ohne Unterscheid schreiben? Weiß er nicht, daß die Liebe gegen den Nächsten gar ein anders erfordere? oder meynet er, daß die Sünden wieder das achte Gebot nichts auf sich haben? So gehets leider! bey vielen durch schlimme Principia präoccupirten Gemüthern, daß ihnen alle Lehre gut gnung ist, und sie keinen Unterscheid machen, sondern blindlings Unschuldige und Schuldige nach einem Maaß-Stabe messen. Da mißbraucht man seine schwache durch Vorurtheile verblendete Vernunfft ohne Bedencken, aus blossen Argwohn und andern zum grösten Präjuditz. Wo hat der Autor hingedacht, wenn er weiter gar übel schreibt. GOtt habe Ursach der Controversien wegen den Leuchter seines Worts wegzunehmen? Mit was vor Grunde will er beweisen, daß, weil es (seiner Meynung nach) in der ersten Kirchen auch also zugegangen, daß einer den andern zum Ketzer machen wollen, GOtt die Saracenen und Mahometaner geschickt, welche allen ein blutiges Stillschweigen auferlegt? Was das erste betrifft, wäre zwar freylich kein Wunder, wenn GOtt bey so grosser Verdrehung seines Worts dieses Licht der undanckbaren Welt entzöge, da man durch den so hochnöthigen elenchum die Reinigkeit des Evangelli nicht will verwahren lasten; keinesweges aber wird der rechtmäßig gebrauchte elenchus und Wiederlegung der Irrthümer hierzu Gelegenheit geben, sondern wenn wir es nicht vorsetzlich hindern, uns das Licht des Göttlichen Wortes nächst Göttlicher Gnade erhalten. Was das andere aber anbelanget, so müssen wir uns über die Unwissenheit des Auroris in der Kirchen-Historie nicht wenig verwundern. Wer diese inne hat, der wird leichtlich befinden, daß Göttliche Majestät nicht solchen Ländern, die durch rechten Gebrauch des Elenchi denen Irrthümern wiederstanden, sein Wort entzogen habe, sondern solchen Orten, wo man vom rechtmäßigen Eyffer nachgelassen, oder wohl ihn niemals gehabt, sondern vielmehr in Glaubens- und Lebens-Sachen unbedachtsam und sicher gegangen. Denn, weil die Arianischen, Nestorianischen und Eutychtanischen Irrthümer theils die Oberhand hier und da erhielten, theils nicht allezeit gehörigen Widerstand fanden, die Wenigen aber, die sich solchen Greueln widersetzten, nichts gelten musten, so geschahe es freylich, daß GOtt solche Verachtung durch Sendung der Saracenen und Türcken, als einer harten Peitsche, straffen muste. Das äusserliche Vorgeben etwas Gutes dabey zu stifften, macht die Sache allein nicht aus, vielweniger böse Lehre gut, weil ja viele Ketzer, als die Gnostici, Donatisten, Novatianer, und andere eben so viel Wesens von der Pietät gemacht, wie fleissige Leser der Kirchen-Historien wissen werden. Doch obige schmähliche Imputationes lassen sich treue Knechte GOttes nicht befremden, als wäre ihnen etwas seltsames wiederfahren, ob es ihnen gleich gehet wie dem Schaafe in der Aesopischen Fabel, dem der sich selbst im Licht stehende Wolff schuld gab, daß es ihm das Wasser trübe mache. Müssen sie den Neulingen Pseudorthodoxi, Novatores und sofort lästerliche Weise heissen, immerhin, das bringt ihnen mehr Ehre, als wenn sie von solchen verdächtigen Leuten noch so hoch erhoben würden. Muste doch der unvergleichliche Prophet Elias, sich unschuldig unter die Augen sagen lassen: Bist du der Israel verwirret, 1 Könige XVIII. da doch nicht er, sondern Jesabel mit ihren Baals-Knechten diese Verwirrung ausgekünstelt. Deswegen blieb Elias wer er war, und hatte mehr Ruhm davon, als wenn er von diesen Götzen Knechten wäre hoch gerühmet worden. Getreue Diener GOttes dancken GOtt vor solche Schmach, die sie von so manchen Malevolo erhalten, und trösten sich, es werde einmahl eine Zeit kommen, da der Gerechte stehen wird mit grosser Freudigkeit wider die, so ihn geängstiget und seine Arbeit verworffen harben. B der Weißhet V. 1. Der Herr, dessen Schmach sie tragen, wird sie auch schützen; der gebe allen Feinden seiner Wahrheit ihr Unrecht hier in Zeiten zu erkennen, und lasse sie solches Böse durch ernstliche Busse bereuen und ablegen, damit sie ihren wohlmeynenden Nächsten nicht zur Ungebühr bösen Leumund machen, sondern gute Dinge lieber entschuldigen und zum besten kehren, um Christi Willen."
Hiernächst bemercken auch die Rechtsgelehrten in ihrem Foro viele in diesem Wercke vorfallende Defecte, und versichern, es wären darinne die Copien so voller Fehler und unvollkommen, daß nicht nur blosse Wörter, sondern auch gantze Zeilen, und auch deren öffters mehr denn eine auf einer Seite, ausgelassen worden. Siehe Gegenwärtige Verfassung der Kayserlichen Regierung in Deutschland, in Praesat. Endlich ist auch D. Johann Strintz ein Straßburger, auf den Autor dieser Politischen Schrifft nicht zu sprechen, sondern schreibt in seiner Inaugural-Dissert. de Testamento Legati, Jena 1711. p. 39. u. ff. in Corollar. nebst andern harten Ausdrückungen, auch dieses: "Quod reliquum est, optamus Statistici hujus speculi scriptori speculum, in qua se ipsum cognoscere animumque foedissimarum perturbationum aestu agitatum intuendo ab his purgare discat; candidior, cautior que rerum narrationes expositurus." Doch kan es seyn, daß dieses letztere judicium Affecten zum Grunde habe, weil jener nicht leiden wolte, was in dem Staats-Spiegel von einer ohne Degen-Zucken geschehenen und betrüglichen Uebergabe der Stadt Straßburg in Frantzösische Hände, war geschrieben worden. Unpartheyis. Biblioth. p. 352. u. ff. Gründliche Nachricht von Journalen, p. 85. Praefatio Fabriciana in Morhofii Polyhist.