Zedler:Welt-Lehre, (Allgemeine) Allgemeine Welt-Betrachtung

Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Welt-Leute

Band: 54 (1747), Spalte: 1829–1831. (Scan)

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Welt-Lehre, (Allgemeine) Allgemeine Welt-Betrachtung, Lat. Cosmologia transcendentalis, Cosmologia generalis, Cosmologia universalis, ist eine Wissenschafft von der Welt überhaupt; Sie ist also von der Natur-Lehre gantz unterschieden, als welche nur von diesem gegenwärtigen Welt-Gebäude insbesondere handelt, und selbiges so wohl in dem gantzen Zusammenhange, als nach seinen vornehmsten Theilen, vorstellet. Hier hingegen wird von einer Welt insgemein gehandelt, ingleichen von den Cörpern und ihren Elementen, von dem Natürlichen und Uebernatürlichen, auch von dem Lauffe der Natur: So, Daß sie dergestalt zu der Natur-Lehre einen guten Grund leget. Es hat aber diese Weltbetrachtung auch in Erkänntniß unserer Seele keinen geringen Nutzen. Denn da diese einen kurtzen Begriff dieses Welt-Gebäudes [1830] in ihren Begriffen bey sich hegt; Ja ein Spiegel der Welt zu nennen ist: So legt jene auch zu der Geister-Lehre den Grund. Es wird uns nemlich zu besserer Einsicht der Geister nicht wenig vorbereiten, wenn wir erst eine Welt überhaupt etwas näher kennen lernen. Hernach kan man gewisser massen sagen, daß die Seelen so wohl, als andre einfache Substantzen, Theile der Welt sind: Und auch in dieser Absicht ist es nützlich, wenn man das Gantze zuvor kennen lernet, damit man von den Theilen desto gründlicher urtheilen könne. Endlich nützt uns die Betrachtung der Welt auch in der natürlichen Gottesgelahrheit. Denn aus dem Daseyn der Welt muß man erweisen, daß ein GOtt sey; Und aus der innern Beschaffenheit, Einrichtung und Vollkommenheit derselben, muß man die Eigenschafften und Vollkommenheiten GOttes herleiten und darthun: Nicht anders, als man aus einem menschlichen Wercke, oder Meisterstücke, die Geschicklichkeit seines Urhebers, oder Künstlers, abnehmen und erweisen kan. Weil nun dergestalt die Allgemeine Welt-Lehre nicht nur von der Natur-Lehre, sondern auch von der Geister-Lehre, und natürlichen Gottesgelahrheit die Gründe in sich enthält, so erhellet gantz deutlich, daß sie mit zur Metaphysick gehöret. Daher erkennet man aber auch, warum diese Wissenschafft vor den übrigen Theilen der theoretischen Weltweißheit muß abgehandelt werden. Sie muß aber allererst nach dem ersten Abschnitte der Metaphysik, welcher die Ontologie ist, folgen, weil sie sich auf die allgemeine Wahrheiten gründet, die in der Ontologie abgehandelt werden. Und solchemnach ist die Allgemeine Welt-Lehre der andere Theil der Grund-Lehre oder Metaphysick.

Der Herr Baron von Wolff ist der erste, der die Weltweißheit mit dieser so nöthigen und nützlichen Wissenschafft vermehret hat. Er bekennet dieses von sich selbst in der luculenta commentatione de differentia nexus rerum sapientis & fatalis necessitatis §. 2. wo er schreibt: Novam quandam disciplinam condere cepi, quam cosmologia transcendentalis nomine compellare soleo, in qua veritates maxime arduae de universa materiali explicantur, ad mentis humanae naturam intimius cognoscendam, & de Deo ex lumine rationis accuratiora ratiocinia contexenda ad prima utiles. Unterdessen kan man nicht leugnen, daß man von der Allgemeinen Welt-Lehre viele Spuhren vor dem Hrn. Baron von Wolff in den Schrifften des Hrn. Barons von Leibnitz antreffe. Wir wollen hier nur denjenigen Ort angeben, da der Herr Leibnitz derselben zuerst Erwehnung thut. Im Jahr 1666. am 7 Mertz hielte er eine Dissertation de complexionibus zu Leipzig, da er denn in seinen Zusätzen oder sogenannten Corollariis unter andern auch diesen Satz: Necesse est, dari disciplinam de Creatura in genere, sed ea fere hodie in Metaphysica comprehenditur, vertheidiget hat. Selbst Herr Wolff bekennet es nicht undeutlich in der Nachricht von seinen Schrifften §. 81. wo es heisset; "Ich rechne zu der Welt nicht allein das Welt-Gebäude, in so [1831] weit es aus den grossen Welt-Cörpern auf gewisse Weise zusammengesetzet ist, die ich in der Physick erkläre; sondern auch alle Veränderungen, die sich so wohl mit den gantzen Welt-Cörpern, als auf ihnen ereignen. Und in dieser Benennung folge ich dem Hrn. von Leibnitz, weil ich gefunden, daß etc." und in dem 113 §. spricht er: "Man hat auch erinnert, daß eine Welt besser genennet wird, als die andere, in Ansehung der Absicht, warum sie GOtt erwehlet, und zur Würcklichkeit gebracht, nemlich weil sie GOtt vor geschickter geachtet, seine Absicht zu erreichen, als alle übrigen. Der Hr. von Leibnitz hat es in seiner Theodicée nicht anders, als so, vorgetragen. Ich habe in meiner Metaphysick keine andere Erklärung gegeben, auch in keinem andern Verstande erwiesen, daß sie die Beste sey. Ich habe auch vorher etc." Indessen bleibt dem Hrn. Wolff doch der Ruhm, daß er sie zuerst in Form einer Wissenschafft und besondern philosophischen Theils vorgetragen. Er that solches erstlich in seinen vernünfftigen Gedancken von GOtt, der Welt, und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt, Cap IV; hernachmahls aber ausführlicher in Cosmologia Generali, methodo scientifica pertractata, qua ad solidam, inprimis Dei atque naturae cognitionem via sternitur, Franckf. und Leipz. 1731. in 4. Ihme sind viele gefolget, welche nach seinen Lehrsätzen Metaphysicken geschrieben haben, die man in Ludovici Historie der Wolffischen Philosophie, wie auch in dessen Neuesten Merckwürdigkeiten der Leibnitz-Wolffichen Welt-Weisheit, hin und wieder angeführet findet. Gottscheds erste Gründe der gesammten Weltweisheit, Theoret. Theil, §. 215. u. ff. Ludovici Historie der Wolffischen Philosophie, I Th. §. 132. II Th. §. 380.