Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Welle, an einer Winde

Band: 54 (1747), Spalte: 1534–1537. (Scan)

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Literatur
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Welle, Frantzösisch Aisfieu, Lat. Axis, heisset der Baum, an welchem bey den Wasser-Mühlen das Wasser-Rad; bey dem Wind-Mühlen aber die Flügel befestiget, und sich auf seinen Zapffen umwendet.

Insgemein aber heisset es ein jeder Baum, der mit seiner Bewegung um seinen Mittelpunct, vermittelst eines daran gestossenen Rades, Zwerch-Baums oder Kurbe auf seinen Zapffen sich umwendet, und einen grössern Circkel beschreibet, wie dergleichen bey tieffen Brunnen, Winden und andern Hebe-Zeugen zu sehen.

Man nennet aber diese Maschine deshalben die Welle, weil sie aus einer runden Waltze, deren äusserste Zapffen in den Pfannen zweener Balcken oder Pfeiler liegen, bestehet, und entweder mit Trieb-Stecken oder einem Handgriff, oder einem Rade herum getrieben wird. Sie hat entweder eine Horizontal-Lage, da sie ein Haspel genannt wird, oder sie stehet gerade auf, und so nennet man sie eine Winde; das Rad, dadurch sie herum gedrehet wird, nennet man ein Peritrochium, und heißt die Welle in solchem Fall Axis in peritrochio. Siehet man alle diese Arten der Wellen etwas genauer an, so wird man bemercken, daß sie nichts anders sind, als ein immerwährender Hebel, dessen Bewegung beständig [1535] kan continuiret werden, wovon man Wiedeburgs Einleitung zu den mathematischen Wissenschafften, p. 421. u. f. mit mehrern nachlesen kan. Diesemnach bestehet die Force dieser Maschine darinne, daß der Semidiameter der Welle klein, und der Strahl lang sey: denn jener ist die Distantz der Last vom Hypomochlio, dieser aber die Distantz der Krafft von demselben. So vielmahl aber jene in dieser enthalten, so vielmahl wird die Krafft vermehret. Dieserwegen lassen sich folgende Aufgaben leichtlich auflösen: als 1) "Wem der Semidiameter der Welle und die Länge des Strahls oder der Semidiameter des Peritrochii bekannt, finden, wie vielmahl die gegebene Krafft vermehret wird:" Man dividiret nemlich a) die Länge des Strahls durch den Semidiametrum der Welle; b) multipliciret man mit dem quoto die Krafft, so giebt das Product die vermehrte Krafft. Z. E. Es wäre der Semidiameter der Welle 2″, die Länge des Strahls 24", die Krafft 100 Pfund, so ist die vermehrte Krafft 1200. Pfund. 2) "Wenn der Semidiameter der Welle, die Länge des Strahls, und die Last gegeben, die Krafft finden, welche mit dieser Maschine derselben Last gewachsen ist." Man dividire nemlich a) die Länge des Strahls durch den Semidiametrum der Welle; b) mit dem quoto dividire man die Last, so giebt das Quorum die verlangte Krafft. Z. E. Es wäre der Semidiamater der Welle 3″, der Semidiameter des Peritrochii 15″, die Last 1500. Pfund, so ist die verlangte Krafft 300. Pfund. 3) "Wenn die Last und die Krafft gegeben, die Proportion des Semidiametri der Welle zu der Länge des Strahls finden, damit selbige Krafft der gegebenen Last gleich werde." Man dividire a) die Last durch die Krafft; b) mache man den Strahl oder den Semidiametrum des Peritrochii so vielmahl länger, als den Semidiametrum der Welle, so viel das Quotum Unitäten hat. Z. E. Es ist die Last 1200. Pfund, die Krafft 100. Pfund. so gebe man dem Semidiameter des Rades 1″, der Länge des Strahls 12″.

Bey dem Gebrauch der Wellen wird man wahrnehmen, daß die Bewegung derselben anfangs leichter sey, als zuletzt, welches daher kommt, weil sich der Strick an welchem das Gewicht hanget, allgemählich um die Welle herum windet, daher der Semidiameter derselben und folglich die Distantz der Last vom Hypomochlio vermehret wird; also ist dieselbe zuletzt nicht so vielmahl mehr in der Länge des Strahls enthalten, als sie im Anfange war, daher denn auch die Krafft nicht mehr so starck vermehret wird, als im Anfang.

Sonsten hat diese Maschine in dem gemeinen Leben vor allen andern einen vortreflichen Nutzen, indem dieselbe durch allerhand Kräffte kan beweget werden, nemlich durch lebhaffte und leblose; sie kan getrieben werden durch Menschen, durch Pferde, durch Ochsen, und andere Thiere, ingleichen auch durch Wind, Wasser u. Feuer. Der Mensch treibet sie mit der Hand, oder mit den Füssen, im ersten Fall darff die Welle nur mit Strahlen versehen werden; im andern Fall aber [1536] muß sie ein Peritrochium haben, und in oder an demselben müssen Staffeln seyn, darvon der Mensch eine nach der andern nieder tritt, und fortstösset: gleicherweise können die Thiere, wenn sie in einem weiten Circkel herum lauffen, durch blosse Strahlen, wenn sie daran gespannet werden, die Welle herum treiben, oder auch die Staffeln eines weiten Rades, so an der Welle befestiget, entweder durch die Vorder- oder Hinter-Füsse, oder durch beyde, wenn sie darinn herum lauffen, nieder treten. Wenn das Wasser eine Welle treiben soll, muß dieselbe mit einem Schaufel-Rade versehen seyn, da denn entweder das Wasser, indem es schnelle fliesset, die Schauffeln nach einander forttreibet, oder da es aus eine Rinne von oben auf die Schauffeln herab fällt, dieselbe niederdrücket. Soll ferner der Wind die Welle herum treiben, müssen die Strahlen derselben mit Flügeln versehen werden, da der Wind gegen stossen und sie forttreiben kan. Was endlich das Feuer anlanget, treibet dasselbe ebenfalls durch den Rauch oder durch die von der Wärme verdünnete Lufft, die an den Strahlen der Welle gemachte Flügel herum. Man pfleget auch die Räder an den Wellen wohl durch andere Wellen zu treiben, in welchem Fall dieselben zackigt, und die Wellen, dadurch sie beweget werden, mit einem Getriebe, (Tympano) so aus etlichen Stäben oder Trieb-Stecken bestehet, versehen seyn müssen. Dergleichen Räder sind zweyerley Gattung, nemlich Stern-Räder, und Kamm-Räder; In den Stern Rädern stehen die Zacken oder Zähne in die Höhe, und auf dem Umfang des Rades perpendiculair: in den Kamm-Rädern sind die Zacken oder Kämme der Welle parallel. Man muß bey dergleichen Rädern zuförderst darauf sehen, daß die Zähne, Kämme, und Trieb-Stecken ihre rechte Stärcke und Zubereitung, und der Umfang des Rades seine rechte Eintheilung habe. Hievon aber kan keine gewisse Regel gegeben werden, indem die Stärcke der Zähne und der Trieb-Stecken aus verschiedenen Ursachen bald stärcker, bald schwächer seyn müssen. Z. E. wenn sie grosse Gewalt auszustehen haben, und aus weicher Materie gemacht werden, da sie stärcker seyn müssen, als andere von hartem Holtz: auch muß das Getriebe desto stärcker seyn, je mehrmahl es herum zu gehen hat, ehe das Rad einmahl herum kommt, weil es desto mehr Gewalt auszustehen hat. Insgemein pflegt man die Peripherie des Rades in so viel Theile zu theilen, als Zacken verlanget werden: nachmahls wird die Distantz zweener Theilungs-Puncte in 7 Theile getheilet, davon 3 zur Dicke eines Zahns, und 4 zur Distantz zweener Zähne genommen werden: oder man theilet dieselbe Distantz zweener Zähne in 16 Theile, und giebt davon dem Zahn 7 oder in 12, und giebt dem Zahne 5. In der ersten Eintheilung bekömmt der Trieb-Stecken 22/3, in der andern 8, in der dritten 61/2 solcher Theile, damit sie accurat zwischen die Kämme des Rades passen, und sich nicht klemmen; zuweilen, wenn die Last groß ist, wird auch wohl der Trieb in die Welle eingeschnitten, da man es einen Rumpf nennet. Der Höhe der [1537] Kämme oder Zähne giebt man mehrentheils 2/3 des Rades zwischen zween Zähnen, damit die Trieb-Stecken nicht gantz heruntergehen, und sich an dem Rade reiben. Nicht weniger pflegt man die Köpffe der Zähne oben abzurunden, daß sie nicht so leicht abschiefern, noch den Trieb-Stecken allzu starcken Widerstand geben. Wiedeburgs Einleit. zu den Mathematischen Wissensch. p. 421 u. ff.