Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Weinleser

Band: 54 (1747), Spalte: 851–855. (Scan)

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Weinlese, Lat. Vindemia, oder Vindemiarum tempus, Frantz. Vendange, heisset nicht nur die Zeit, da die reiffen Trauben von den Weinstöcken abgenommen und ausgepresset werden, sondern auch die allerletzte und beste Rebarbeit, welche alle das gantze Jahr über gehabte Mühe und Arbeiten vermittelst göttlichen Seegens reichlich ersetzet und belohnet. Vor der Weinlese soll ein Haus-Vater die untüchtigen oder unträchtigen Stöcke durch seinen Wintzer bemercken und auszeichnen lassen, damit er sie nach verrichteter Weinlese ausnehmen, und andere an derselben Stelle einsetzen könne. Er soll alle nothwendige Rüstung zur Hand anschaffen, nemlich allerhand Gefässe, die Weintrauben darein zu lesen, gute frisch gebundene und wohlgesäuberte Butten, Wannen, Kübel, Zuber und dergleichen, er muß sich auch eine Zeit vorher bey dem Wintzer erkundigen wie hoch er wohl den Ertrag des Weinberges an Fassen oder Eymern schätzte, damit er das Gefässe darnach bestellen könne; man soll auch lieber etliche Fässer zu viel machen lassen, als daß es hernach etwan fehlen solte. So ist auch Sorge zu tragen, daß die Pressen gantz, mit allen nöthigen Stücken versehen, und wohl gereiniget seyn. Zu den Weinlesern muß man tüchtige und getreue Leute erwehlen, und nicht leichtlich Kinder oder alte schwache Leute darzu nehmen: Denn diese lesen nur obenhin. Es ist besser, viel Leser haben als wenig, denn so kommt man auch bald davon. Am besten ist es, daferne man in einem Tage nicht fertig werden kan, daß man diejenigen, die man heute gehabt, morgen wiederum nimmt, denn diese haben sich der Weintrauben allbereits ekel und überdrüßig gegessen, da hingegen die andern aufs frische wiederum anfangen. An einigen Orten giebt man ihnen täglich einen Groschen, speiset sie des Mittags mit Butter, Käse und Brod, und lässet ihnen Bier, wo es zu haben, reichen. An andern Orten hingegen bekommt die Person des Tages achtzehn Pfennige. Zu den Buttenträgern sucht man lange starcke Männer oder starcke Mägde aus, die der schweren Arbeit gewohnt, und im Ausschütten nichts vorbey fallen lassen. Man muß bey dem Weinlesen die beste Zeit in Acht nehmen, wenn er vollkommen reiff und nicht mehr zunimmt; wartet man zu lange, so werden die Trauben faul und welck, zumahl die blauen, und gehet dem Weine ab, lieset man aber zu zeitlich so ist der Wein noch zu dickhülsicht, und der Most wird auch nicht so süsse. Insgemein erwartet man einen oder ein paar Fröste, denn es wird dadurch nicht allein der Most süsser, sondern es werden auch die Trauben dünnschäliger, daß sie sich hernach besser treten und pressen lassen. Die Weinlese stellet man gerne an einem hellen und trockenen Tage an; denn wenn es regnet, wird der Most gar zu wässerig. Wenn der Wind in der Lese-Zeit hefftig und starck ist, und ein nasser Sommer zuvor gewesen, so schlägt der Wind die Trauben und Beeren sehr ab, sonderlich des rothen Weins, und wenn denn das Häutlein von den Beeren nur ein wenig verletzet worden, läufft er aus. Es muß ein Hauswirth, Verwalter oder Wintzer den Lesern im Berge ordentliche Johne stecken, damit sie wissen und sehen können, wie die Leser im Weinberge ordentlich nach einander fortgehen und lesen sollen, daß nicht etwan ein Fleck vergessen werde. Man muß die Leser, welche die Trauben mit Hippen von den Stöcken schneiden, ermahnen, daß sie die auf die Erde herunter gefallene Beeren, damit solche nicht zertreten werden, fleißig auflesen, ingleichen das Bindstroh an den Stöcken mit ausschneiden, und die Reben aus einander breiten, so können sie besser zu den Trauben gelangen, und das Holtz kan auch eher austrocknen. Man muß Acht haben, daß sie nicht die Weinblätter, noch andere Unsauberkeit mit unter die Weintrauben mengen, auch nicht heimlicher Weise etwas von Trauben verschleppen. Es muß ein Haußwirth, oder der an dessen Stelle die Aufsicht bey der Weinlese hat, die Butten allezeit auf ein Kerbholtz anschneiden, daß er wisse, wie viel Butten in die Kelter gebracht worden. So man gesonnen, einen Wein, der den gemeinen an Güte übertreffen soll, zu machen, müssen die besten Trauben hierzu auserlesen, und besonders getreten und gepresset werden. Nach völlig geendigter Weinlese pflegen chistliche Haußwirthe, armen Leuten und Kindern einige Tage die Nachlese oder das Nachstoppeln zu erlauben, welche denn dasjenige, was aus Unvorsichtigkeit noch etwan stehen oder liegen geblieben, sammeln und auflesen. Die Weinleser oder Wintzer wollen fast bey allen Monaten des Jahres gewisse Verrichtungen und Anzeigungen haben, nach welchen sie beurtheilen, ob eine gute oder schlechte Weinlese erfolgen werde. Einige von solchen Vermuthungen haben nach den Regeln der Natur und Vernunfft ihren guten Grund, andere aber beruhen auf einem puren Aberglauben und altväterischer Einfalt: Also wollen sie beobachtet haben, daß, wenn im Jenner die Flüsse und Wasser klein seyn, eine gute Weinlese darauf erfolge; daher auch das Sprüchwort entstanden: Wenig Wasser, viel Wein; viel Wasser, wenig Wein. Sie wollen um April, um St. Georgen-Tag, allgemach sehen können, wie sich die Reben anlassen, daher sie von dem künftigen, und was sie vor Wein geben werden, bereits einigen Schluß machen; wenn die Grasemücke singt, ehe der Weinstock ausschlägt, hoffen sie einen reichen Weinwachs, und zwar mit einigem Grunde, weil diß Vöglein nicht leichtlich singt, es sey denn eine beständige Wärme vorhanden. Sie sehen es gerne, wenn der May etwas kühle, mit einer mittelmäßigen Nässe und Trockene nach den alten Sprüchwörtern:

Maymonat kühle und Brachmonat naß,
Füllt Scheunen, Böden und Faß.

Ingleichen:

May voll Wind,
Begehrt das Bauergesind.

Ist der May so beschaffen, folget gerne ein guter warmer Brach- und Heumonat darauf, als welcher, wie allen Gewächsen, also auch insonderheit den Reben wohl zuschlägt, welche sodenn eine gute Blüte und Zeitigung überkommen. Ist aber der May warm und trocken, so kommt gerne ein kalter und nasser Brachmonat, der den Früchten sehr schädlich ist. Von Urbani an befahren sie sich keines Frostes mehr, der dem Weine schaden könnte. Die Mayfröste sind ihm sonst sehr gefährlich, so, daß er oft in einer oder zwey Nächten, der Wein, sonderlich das gedeckte Holtz so rein weggehet, als wenn es verbrannt wäre. Reiffe Erdbeeren um Pfingsten, werden als Vorbothen eines guten Weinjahres gehalten. Nach dem Wetter am St. Urbani Tage soll auch der nachfolgende Herbst oder die Weinlese seyn: daher richten sich die Wintzer, auch wohl die Weinhändler nach dem Ausgange dieses Monats. Das schöne Wetter, so zu Ende dieses Monats, bis in den folgenden sich einfindet, ist den Reben zu ihrer Blüte sehr dienlich, hingegen das nasse Wetter, das um diese Zeit einfället, gar schädlich, und werden die Trauben hernach sehr dünne und reiffen langsam. Doch ist es gar nützlich, wenn nach der Blüte ein warmer Regen kommt, denn die Trauben nehmen von demselben mächtig zu, daß es also nachgehends einen guten und reichen Herbst giebt, der aber nicht zu verhoffen, wenn die Weinblüte durch kalte Regen aufgehalten und beschädiget wird. Dahero wenn der Weinstock noch vor dem alten Veits Tage abblühet, so hoffen sie guten Wein, wenn auch schon der Herbst nicht gar zu schön und warm wäre. Bey der Weinblüte mercken sie an, daß, wenn der Wein in dem Vollmonden blühet, er hernach völlige Beere bekäme, die den Mund und das Faß füllten. Ist es im Julio sehr heiß, bleibet der Wein kleinkörnicht, regnet es aber zuweilen, so wird er fein großkörnicht. Es geben auch die Weingärtner oder Wintzer auf die letzten zwey Tage des Augusts, und auf die beyden letzten Tage des daran kommenden Septembers Acht, und beurtheilen davon den gantzen folgenden Herbst. Die Sonnenhitze nutzet dem Weine in dem Monat August gar sehr, und pfleget man zu sagen, was der Augustus nicht kocht, läst der September wohl ungebraten. Ist es um Laurentii und Mariä Himmelfahrt schön warm Wetter, hoffen sie gleichfals guten Wein, ob es gleich bisweilen mit unter regnet. Findet sich um Bartholomäi eine und die andere reiffe Traube, nehmen sie es auch vor eine Anzeige eines guten Weinjahres an. Sie pflegen auf die Fröste vor Michaelis Achtung zu geben, und wollen daher erfahren, wie hernachmahls die Mayfröste beschaffen seyn werden: Nemlich so viel Fröste vor Michaelis kommen, so viel sollen auch ihrem Glauben nach, künftighin nach Walpurgis oder Philippi Jacobi fallen, und darnach richten sie sich auch mit der Aufhebung des gedeckten Weinholtzes. Wenn es also drey oder vier Wochen vor Michaelis reifft, so glauben sie, daß die Mayfröste den Weinbergen schaden würden, sonderlich wenn es um Philippi Jacobi stille ist, und die Luft nicht starck wehet: denn der Wind wehet sonst die Fröste weg, daß sie nicht lange verharren, niederfallen und Schaden thun. Ist es um den St. Matthäi Tag schön Wetter, so soll es künftiges Jahr viel Wein geben, weil die Reben und das Holtz wachsen und zeitigen können: denn ein guter warmer Herbst ist dem Weine sehr gut. In dem November pflegen einige, in Ansehung der künftigen Fruchtbarkeit, zu beobachten, ob das Rebenholtz um diese Zeit wohl gewachsen und vollständig gezeitiget, und da sie nun solches an dessen braunen Farben erkennen, so vertrösten sie auf eine gute künftige Weinlese. In denen Weinländern darf niemand zu lesen anfangen, bis solches durch die Obrigkeit auf einen bestimmten Tag frey gegeben worden. Hierbey fragt es sich, ob wohl die Weinlese auch an Fest- und Feyertagen mit gutem Gewissen angestellet, oder von der Obrigkeit verstattet werden könne? Und wird solches zwar in Ansehung der denen Aposteln oder andern Heiligen zu Ehren eingesetzten Festen, nicht aber auch von denen Sonntagen bejahet, es müste denn die äusserste u. dringendeste Noth ein anders erfordern. Myler in Metrol. c. 20. §. 21 u. ff. So mag auch ein so genannter Ausmann die zur Zeit der Weinlese gesammleten Trauben, wider die Gewohnheit des Orts, in eine fremde Kelter zum Auspressen nicht verführen. Myler l. c. §. 39 u. f. Sonst aber ist einem jeden vergönnt, in seinem eigenen Weinberge die Weinlese anzustellen, wenn und wie es ihm beliebet. Hartmann tit. 24. Obs. 5. Und wenn einem von jemanden anders die Weinlese vermacht worden; so muß jener den Erben Caution bestellen, daß er sich derselben nicht anders, als ein ehrlicher Mann und sorgfältiger Hausvater gebrauchen wolle, ohne den Weinberg selbst zu ruiniren und zu Schaden zu bringen, l. 6. ff. ususfruct. quemadm. cav. Im übrigen geniesset die Zeit der Weinlese, gleich der Getreide- und Heu-Erndte, das Recht der Ferien, das ist, daß binnen solcher Zeit keine Gerichts-Tage zu halten. Erl. Chur. Sächs. Proc. Ordn. tit. 2. §. 4. Besiehe hierbey auch den Artickel: Weinberg, und Weintraube. In dem Gelobten Lande gieng die Weinlese im Monden Elul und Augusto an, 4 Mose XIII, 21. und war ein grosser Segen GOttes, wenn damit bis zur Saat-Zeit im October, zugebracht ward, 3 Mose XXVI, 5. Amos IX, 12. darum war auch grosse Freude zur Zeit der Weinlese, und wurden besondere Gastereyen angestellet, Buch der Richt. IX, 27. Es. IX, 3. Cap. XVI, 10. Jerem. XLVIII, 33. Cap. XXV, 30. Hergegen war ein groß Trauren, wenn aus der Weinlese nichts worden, Es. XXXII, 10. Joel. I, 11. 12. Amos V, 17. oder die Feinde sie verderbet, Jerem. XLVIII, 32. 33 und beraubet hatten, Mich. VI, 15. 5 Mose XXVIII, 39. Es wurden aber die Trauben mit dem Reben-Messer oder Sicheln abgeschnitten, und in Butten oder Körbe geleget, und in die Kelter gebracht, Jerem. VI, 9. Offenb. XIV, 18. 19. Der Armen Weinberg ablesen, heist groß Unrecht oder Uebelthat ausrichten, Hiob XXIV, 6. Es ist auch die Weinlese ein Bild der Gerichte GOttes, Offenb. XIV, 8. 16. Die Nachlese, Racematio, oder das Einsammlen des Ueberbliebenen, Syr. XXXIII, 17. war den Armen und Waysen zu überlassen von GOtt geboten, 3 Mose XIX, 10. 5 Mose XXIV, 21. und ist ein Bild eines kleinen überbliebenen Häusleins, Es. XVII, 6. Cap. XXIV, 13. Mich. VII, 1. Reine Nachlese aber übrig bleiben lassen, heist alles ausrotten, Jer. XLIX, 9. Mich. VII, 1. Die Nachlese Ephraim, so besser ist, als die Wein-Erndte Abieser, heist im Sprüchwort: daß Ephraim nach geschehener Schlacht noch die besten Thaten verrichtet, weil er die zerstreueten Feinde und deren Fürsten geschlagen, Buch der Richter VIII, 2. also heist, racemare, Nachlese halten, die aus der Schlacht überbliebenen und zerstreueten Feinde umbringen, Buch der Richt. XX, 45. Jerem. VI, 9. Hiller. Hierophyt. P. I. c. 31. p. 305. Schickard de jure Ebr. Cap. V. p. 129. Schmids Bibl. Physicus, p. 366 u. f.