Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Band: 23 (1740), Spalte: . (Scan)

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Vorrede zu dem XXIII und XXIV Bande dieses Grossen Universal-Lexicons.

Gegenwärtig erscheinet der XXIII und XXIV Band des Grossen Universal-Lexicons, in welchen der Buchstabe N enthalten ist. Eine fleißige Durchblätterung beyder Theile wird so fort einen jeden überführen, daß selbige nichts unnützes aufweisen, und daß folglich es unmöglich gewesen sey, den gedachten Buchstaben in einem eintzigen Bande zu liefern, wie ich doch anfänglich gehoffet hatte, ehe die Ausarbeitung selbst unter die Feder genommen war. Die möglichste Vollständigkeit eines so angesehenen Werckes ist das Ziel aller meiner und meiner Mitarbeiter Bemühungen. Dieses Zieles hätten wir verfehlen müssen, wenn wir so schnur stracks nach dem vorgesetzen Masse der Grösse hätten gehen sollen. Eben dieses wird auch den Herrn Verleger entschuldiget halten, wenn der Vier und zwantzigste Band etwas schwächer gerathen, als der Drey und zwantzigste. Hingegen wird der nächst folgende Band durch seine Stärcke diesen kleinen Mangel wieder ersetzen.

Wegen der dem Vier und zwantzigsten Bande beygefügten auf das sauberste in Kupffer gestochenen Ahnen-Tafel des Nimptschischen Geschlechtes finde mich schudig, diesem uralten und vornehmen Hoch-Adelichen und zum Theil Hoch-Reichs-Gräflichen Hause vor solche dem Lexico zugewandte besondere Zierde, vor die mitgetheilten authentiquen Geschlechts-Nachrichten, und vor die mir sonst hierbey erwiesene Hohe Gnade, den ersinnlichst-verpflichtesten Danck in geziemender Devotion hierdurch öffentlich abzustatten. Diese Ahnen-Tafel so wohl, als die Marschallische im Neunzehenden Bande, stellen nicht allein die Reyhen derer Ahnen, sondern auch zugleich die Wappen derselben vor. Es sind beydes die Genealogie als die Wappen-Kunst von gleichem grossen Nutzen, ob sie wohl, ihrer nahen Anverwandtschafft ohngeachtet, nicht von gleichem Alter sind. Die Aufzeichnungen derer Abstammungen sind ungleich älter, als die Bemerck- und Beschreibungen der Wappen.

Man schlage die allerältesten Schrifften auf, so wird man hin und wieder Genealogien finden. Die Göttlich niedergeschriebenen Bücher des Alten Testamentes weisen gleich in den ersten Blättern die Geschlechts-Abstammung von [(2)] dem ersten Menschen, auf. Wie äusserst beschäfftiget die Jüden mit Verfertigung ihrer Genealogischen Register gewesen sind, kan man in gantzen davon handelnden Tractaten lesen. Die schlaue Absicht des Herodes Antipaters, welche alle Genealogien in Asche verwandeln ließ, konnte doch nicht den Eifer der Jüden vor die Erkänntniß ihrer Abstammungen dämpffen. Vielmehr entstanden so dann erst, da ihnen diese Nachrichten aus den Händen gerissen waren, unter ihnen die hefftigsten Streitigkeiten und die unnützesten Fragen über die Reyhen ihrer Väter, dergestalt, daß auch der Heilige Apostel Paulus (1 Brief an Timoth. I, 4; an Titum III, 9.) wider selbige mit Hefftigkeit redet. Die weisen Griechen haben so gar auch auf ihrer Götter Genealogien grossen Fleiß verwendet: wie aus denen uns von dem Alterthum übrig gelassenen Schrifften zu ersehen ist. Nicht weniger fleißig waren die klugen Römer. Ein Pollio, ein Atticus, ein Varro haben vieles zu den Geschlechtern ihrer Nation beygetragen. Wie aber die mittleren Zeiten überhaupt von den allerältesten dadurch beschämet werden, daß jene alle gute Künste und Wissenschafften mit den Rücken angesehen haben; so kan man gleichfalls in Ansehung der Genealogie keine Helden-Proben ihres Fleisses darstellen. Der Glorwürdigste Deutsche Kayser, Maximilian I, hat unter so vielen Denckmahlen seiner Tapfferkeit auch diesen Ruhm seines Verstandes und seiner Liebe zu den Wissenschafften hinterlassen, daß man von seinen Zeiten an, gleichsam wie von neuen erst an Genealogische Beschreibungen verdienter Häuser zu gedencken angefangen. Er selbst hat die Genealogie des berühmten Habspurgischen Hauses untersuchet. Er selbst hat dieses sein vortreffliches Beyspiel anderen Fürsten vorgestellet und sie zur Nachfolge aufgemuntert. Er selbst hat vielen Gelehrten Anlaß gegeben, daß sie die Federn an Geschlechts-Beschreibungen angesetzet haben. Und so kam denn die Genealogie auf einmahl wieder empor, und zwar in so grossem Flore, als so sehr sie vorher war verabsäumet worden. Vo da an hat es niemahls an grossen und geschickten Männern gefehlet, die ihre Kräffte, ihren Fleiß und ihre Zeit auf diese so edle Wissenschafft angewendet haben. Sie ist aber nicht allein edel, sondern auch nützlich und nothwendig. Ich will nicht allererst den so mannigfaltigen Nutzen, welchen die Alten, besonders die Ebräer und Jüden, dabey abgezielet, bemercken; noch auch will ich der Turniere gedencken, von welchen bekannt genug ist, was bey selbigen die Erkänntniß der Ahnen genutzet: vielmehr soll es mir genug seyn, den noch heutiges Tages von der Genealogie zu erwartenden Haupt-Vortheil genennet zu haben. Es äussert sich aber die Nothwendigkeit der Genealogie am stärcksten, wenn man die Rechte zu Erbschafften und Succeßionen in hohen Häusern, und überhaupt die Ansprüche grosser Herren, erörtern will. Denn in selbigen finden sich sonst so viele Zweiffels-Knoten, die ohne Schwerdt-Zucken nicht aufgelöset werden können. Dieses eintzige leget schon die höchstnöthige Excolirung des Genealogischen Studii überflüßig an den Tag, und darff ich wohl schwerlich mehrere Nutzen anführen.

Sehe ich die vorhandenen Nachrichten von der Wappen-Kunst an, um auch deren Historie und Nutzen mit wenigen zu gedencken; so schweigen, was zuforderst die Historie betrifft, die ältesten Zeiten von ihr gantz und gar. Und es ist [(3)] auch nicht zu verwundern, da man die Wappen-Kunst nicht ehe hat haben können, als bis die heutigen Wappen sind erfunden und eingeführet worden, in so fern selbige nemlich als besondere Ehren-Zeichen von der hohen Landes-Obrigkeit sind bestätiget worden. Denn die Wappen-Kunst hat eigentlich nichts mit denen Bildern und Zeichen zu thun, welche die alten Krieger auf ihren Waffen und Schilden zu führen im Gebrauch gehabt haben. In Ansehung also des Ursprungs der Wappen lasse ich den Menestrier vor mich reden, welcher gründlich erwiesen, daß die eigentlich so genannten Wappen zuerst in Deutschland, unter dem Kayser Heinrich dem Vogler, im zehenden Jahrhunderte aufgekommen seyn. Weit neuer ist die Wappen-Kunst oder die Wissenschafft von dem Ursprunge, der Beschaffenheit und Bedeutung der Wappen. Philipp Jacob Spener ist ohnstreitig der erste, der eine ordentliche und regelmäßige Wappen-Lehre der Welt vor Augen geleget, ob man wohl schon vor ihm Sammlungen und Vorstellungen der Wappen, oder so genannte Wappen-Bücher gehabt hat, deren Anfang man in dem sechzehenden Jahrhundert suchen muß. Diese Bücher haben zwar auch ihren Nutzen und legen den Grund zur Wappen-Kunst; sie sind aber denen Einleitungen in die Erkänntniß der Wappen weit nachzusetzen. Dieses haben viele gelehrte und berühmte Männer schon vor längsten eingesehen, und sind dadurch angereitzet worden, dem löblichen Beyspiel des obgelobten Speners zu folgen. Wie man denn mehr als eine Einleitung in die Wappen-Kunst aufweisen kan. In einigen derselben ist auch der Nutzen solcher Wissenschafft deutlich vor Augen geleget, woraus klar genug, daß sie der Genealogie selbst Vorschub thue und mit ihr einerley Vortheile habe. Denn die Gleichheit der Wappen zweyer Geschlechte giebt die Vermuthung, daß sie einander mit Bluts-Freundschafft zugethan seynd. Ich sage mit Fleiß, die Vermuthung, indem diese Gleichheit allein die Erb-Folge zu behaupten nicht hinlänglich ist. Genug, daß sie Gelegenheit zur genaueren Untersuchung darreichet. Und so hat auch die Führung eines Wappens die Vermuthuung eines Rechts und Anspruches an die zugehörige Herrschafft, vor dem, der es zu führen befugt ist.

Aus dem, was bisher in aller Kürtze so wohl von der Genealogie als auch der Wappen-Kunst ist gesagt worden, veroffenbahret sich auch zugleich der gantz besondere Nutzen derer Ahnen-Tafeln mit denen beygefügten Abzeichnungen derer Wappen, wie die schon oben gelobte Marschallische und Nimptschische statt eines schönen Musters seyn können. Ich bin so glücklich gewesen, daß mir bereits noch mehrere Hoch-Gräfliche und Hoch-Adliche Familien zu denen folgenden Theilen dieses Universal-Lexicons, ihre Ahnen-Tafeln eingesendet haben. Ich zweiffele auch nicht, daß noch mehrere Vornehme Geschlechter in die Fußstapffen so preißwürdigster Beförderer beydes dieses grossen Werckes als des Ruhmes ihrer eigenen Häuser, treten werden. Denn ich rede nicht zu viel, wenn ich sage, daß kein Cavalier sich selbst bey seinem Geschlechte und seiner Posterität mehr verdient und unsterblich machen könne, als wenn er auf solche Art die Abstammungen derer Ahnen und die Abrisse derer Waffen dem vergeßlichen Alterthume entreisset und dem ewigen Gedächtnisse einverleibet. Dieses wird ja dem Andencken einer Familie ersprießlicher seyn, als wenn man durch die Hand [(4)] des Steinmetzes oder des Bildhauers den Namen einer eintzelnen Person in zerbrechliche Steine oder in, der Fäulniß und dem Stich der Würmer unterworffenes Holz einhauen lässet. Dieses ist ein vergänliches, jenes ein ewiges Monument.

Sollten übrigens auch die weisen Väter dieser oder jener Stadt oder auch die Glieder dieses oder jenes angesehenen Collegii oder Societät das Andencken selbiger Stadt, Collegii oder Societät durch Einschickungen ausführlicher und richtiger Nachrichten von dem Ursprunge, Erbauung, Stifftung, Beschaffenheit, Einrichtung etc. mehr und mehr illustre machen wollen; so werde ich nicht entstehen, solchem diesem Wercke selbst vortheilhafften Verlangen ein vollkommenes Gnüge zu leisten und solchen gütigen Beytrag jedesmahl in der Vorrede öffentlich zu rühmen, daferne nicht um die Unterlassung solcher an sich unschuldigen Erkänntlichkeit ausdrücklich Ansuchung geschehen. Die uns versprochene Nachrichten von der Weltberühmten Academia Naturae Curiosorum, deren wir p. 1228 dieses XXIII Bandes Meldung gethan, da sie anjetzo noch nicht eingelauffen, sollen unter dem Artickel: Societäten, mitgetheilet werden. Sonsten finde noch vor nöthig, um derer Willen, die etwan die Vorrede des XXI Bandes nicht gelesen haben sollten, hier zu ihrem Besten die Nachricht zu wiederhohlen, daß die bisher gefehlten Theile wiederum aufgeleget worden seyn und einfolglich so wohl diese Theile als auch das gantze Werck complet bis mit den jetzigen Theilen, in des hiesigen Kauff- und Handelsmanns, Herrn Johann Heinrich Wolffens, Handlung nunmehro zu haben seyn.

Leipzig, den 20 April 1740.

Carl Günther Ludovici,
Ordentlicher Professor der Weltweisheit auf der Academie
zu Leipzig, und der Königl. Preußl. Societät der
Wissenschaften zu Berlin Mitglied.